Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №8/2008

Sonderthema

Karl Kraus: Leben und Werk

«Das sei der strengste und größte Mann, der heute in Wien lebe. Vor seinen Augen finde niemand Gnade. In seinen Vorlesungen greife er alles an, was schlecht und verdorben sei. … Jedes Wort, jede Silbe in der ‹Fackel› sei von ihm selbst. Darin gehe es zu wie vor Gericht. Er selber klage an und er selber richte. Verteidiger gäbe es keinen, das sei überflüssig, er sei so gerecht, dass niemand angeklagt werde, der es nicht verdiene. Er irre sich nie, könne sich gar nicht irren. … Wenn er daraus [aus den Letzten Tagen der Menschheit] vorlese, sei man wie erschlagen. Da rühre sich nichts im Saal, man getraue sich kaum zu atmen. … Wer ihn gehört habe, der wolle nie mehr ins Theater gehen, das Theater sei langweilig verglichen mit ihm, er allein sei ein ganzes Theater, aber besser, und dieses Weltwunder, dieses Ungeheuer, dieses Genie trug den Namen Karl Kraus.»

Elias Canetti: Die Fackel im Ohr.

Karl Kraus, österreichischer Dichter und Satiriker, der neben Georg Christoph Lichtenberg wohl bedeutendste deutschsprachige Satiriker, wurde durch seine Zeitschrift «Die Fackel» (1899–1936) bald zum Gewissen seiner Zeit. In zahlreichen Lesungen aus fremden und eigenen Schriften vermittelte er seinem Publikum «das Gefühl absoluter Verantwortlichkeit» (Elias Canetti). In seinem auch formal epochemachenden Drama Die letzten Tage der Menschheit (1919) rechnete er schonungslos mit den Verbrechen des Ersten Weltkrieges ab. Mit seinem Text Dritte Walpurgisnacht (1934), einer in ihrer Weitsicht erschreckenden Analyse der ersten Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland, lieferte er ein einmaliges Zeitdokument.

Kinderjahre und Jugend in Wien
Karl Kraus kam am 28. April 1874 als neuntes Kind jüdischer Eltern im böhmischen Gitschin zur Welt. Sein Vater, Jakob Kraus, Kaufmann und später Papierfabrikant, hatte dort die Arzttochter Ernestine Kantor geheiratet. Kraus’ Vater gelang es, innerhalb kurzer Zeit ein beträchtliches Vermögen anzuhäufen, das es der Familie 1877 ermöglichte, nach Wien zu übersiedeln. Das Unternehmen Jakob Kraus’ erzeugte und vertrieb Papierwaren und florierte trotz der wirtschaftlichen Krisen. Die vier älteren Brüder von Karl Kraus wurden erfolgreiche und angesehene Wirtschaftstreibende, die vier Schwestern waren mit wohlhabenden Geschäftsleuten verheiratet.

Karl war ein eher zartes Kind. Er genoss die besondere Zuneigung der Mutter, die allerdings schon 1891 im Alter von 52 Jahren starb. Der Bub ängstigte sich anfangs vor der betriebsamen Großstadt Wien; enge und breite Straßen gleichermaßen voll Verkehr, doch nahe dem Spielplatz im Stadtpark. Viel angenehmer empfand er die Aufenthalte in Weidlingau im Wiental, deren Naturerlebnisse ihn ebenso begeisterten, wie die Berglandschaft in Bad Ischl, wo die Familie ein Sommerhaus besaß.

In den Urlaubsorten nahe und ferne von Wien lernte er schwimmen, was er mit Vergnügen übte und gut beherrschte. Und das, obwohl Kraus unter einer leichten Rückgratverkrümmung litt, die er jedoch durch eine sehr bewusste Haltung gut verbergen konnte. Allerdings musste er sein Leben lang zur Stützung des Körpers ein Lederkorsett tragen.

In Wien besuchte Kraus von 1880 bis 1884 die Volksschule und von 1884 bis 1892 das Franz-Josephs-Gymnasium. Hier war er in den ersten Jahren Klassenbester und schloss bis zur fünften Klasse das Schuljahr stets mit Vorzug ab. Latein und Mathematik zog er den anderen Fächern vor. Lebhafte Eindrücke vermittelte ihm sein Lehrer in Deutsch, Latein und Philosophie. Späterer Zwang, insbesondere seitens des Religionslehrers, verleidete dem Schüler das Lernen. Er bestand die Matura ohne Schwierigkeiten, aber mit nur mäßigen Noten.

Wie deutlich Kraus Jugenderlebnisse in Erinnerung behielt, zeigen vor allem die häufigen Erwähnungen und detaillierten Schilderungen früher Theatereindrücke. Kraus besaß ein fabelhaftes Gedächtnis, das es ihm ermöglichte, Details wie die genaue Intonation und Sprechweise von Schauspielern über Jahrzehnte hinweg täuschend echt zu reproduzieren – eine Befähigung, die er auch bisweilen in der Schule, zum Leidwesen der Lehrer und zum Gaudium seiner Mitschüler, ausspielte.

Neben den klassischen Stücken von William Shakespeare, Friedrich Schiller, Johann Wolfgang Goethe, die am Hofburgtheater gespielt wurden, besuchte Kraus begeistert Operetten und Volksstücke, wie sie auf Vorstadtbühnen und in Sommertheatern in Baden bei Wien oder in Bad Ischl gespielt wurden. Hier lernte er Stücke von Jacques Offenbach, Charles Lecoq u. a. kennen.

Selbst Theater zu spielen war der lebhafteste Wunsch des Schülers Kraus. Bekannt ist ein Auftritt als Franz Moor in Friedrich Schillers Drama Die Räuber, der allerdings ein glatter Misserfolg war.

Ein günstigeres Echo fanden seine Vorlesungen. Eine der ersten galt modernen Lyrikern wie Detlev von Liliencron und Arno Holz, die von kurzsichtigen Kritikern als «Kothpoeten» verunglimpft wurden. In Bad Ischl und München las Kraus 1893 das Stück Die Weber von Gerhart Hauptmann, dessen Aufführung auf einer Bühne Österreich-Ungarns die Zensur verhindert hatte. Er selbst war zur Uraufführung des bahnbrechenden naturalistischen Dramas nach Berlin gereist. Obwohl er mit seinen Vorlesungen durchaus Anklang beim Publikum und auch bei seiner eigenen Familie fand, schloss er diese Tätigkeit bereits Ende 1894 ab, um sie erst 1910 wiederaufzunehmen.

In den letzten Schuljahren entstand bei Kraus auch das Interesse für die deutsche Literatur und hier vor allem für den «Modernen Realismus». Kraus fühlte sich trotz seiner Jugend schon durchaus als anerkannter Dichter und Kritiker und bewegte sich auch recht gekonnt auf dem literarischen Parkett. Von 1892 bis 1899 schrieb Kraus Artikel für verschiedene Zeitungen, u. a. für die «Gesellschaft» (Leipzig) und die «Neue Freie Presse» (Wien).

Café «Griensteidl»
Auf Drängen des Vaters imma­trikulierte sich Kraus 1892 an der Juridischen Fakultät der Universität Wien, besuchte aber keine Vorlesungen, sondern hielt sich vor allem im Literatencafé «Griensteidl» auf.

Hier, im Treffpunkt der «Wiener Moderne», die vom Schriftsteller und Kritiker Hermann Bahr begönnert und gefördert wurde, machte auch Kraus seine ersten wichtigen Bekanntschaften: mit Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Felix Salten, Peter Altenberg u. a. Die Wichtigtuerei Bahrs, sein häufiger Gesinnungswechsel in Kunst und Politik reizten Kraus bald zu satirischen Angriffen. Bahr, der kleinstädtische «Herr aus Linz», blieb bis an sein Lebensende Zielscheibe von Kraus’ Spott und Hohn. Kraus zog in jener Zeit die deutsche Literaturszene der Wiener vor. Sie faszinierte ihn durch ihr sozialkritisches Engagement, wogegen die Wiener nur l’art pour l’art betrieben.

Gedenktafel am Geburtshaus

1894 wechselte er gegen den Willen des Vaters auf die Philosophische Fakultät, wo er philosophische und germanistische Vorlesungen hörte. Die Schließung des Cafés «Griensteidl» bildete den äußeren Anlass für seine erste größere Satire, die 1896 in der «Wiener Rundschau» unter dem Titel Die demolierte Literatur erschien. Hatte Kraus bereits 1893 mit seinem Text Die Überwindung des Hermann Bahr den Bruch mit Bahr vollzogen, so rechnete er in der Demolierten Literatur mit der ganzen Clique der «Kaffeehausdekadenzmodernen» ab. Ohne Rücksicht auf Eitelkeiten stellte er die Schriftsteller des «Jungwien» bloß, karikierte ihr Gehabe und ihre Schriften. Den modernen «Neutönern» warf Kraus Manieriertheit, Affektiertheit, falsches Pathos und provinzielles Cliquenwesen vor. 1893 hatte er in einem Brief an Arthur Schnitzler geschrieben: «Ich hasse und hasste diese falsche, erlogene ‹Decadence›, die ewig mit sich selbst coquettiert, ich bekämpfe und werde immer bekämpfen: die posierte, krankhafte, onanierte Poesie!»

1898 brach Kraus sein Studium ab und wurde Chronist der Zeitschrift «Wage». Schon bald musste er aber erkennen, dass das Dickicht aus Rücksichtnahmen und selbstauf­erlegter Zensur es verunmöglichte, die Wahrheit zu schreiben und die Missstände beim Namen zu nennen. Diese frustrierende Erfahrung ließ in ihm den Plan heranreifen, eine eigene Zeitschrift zu gründen. Die «Neue Freie Presse» suchte ihn von seinem Vorhaben abzubringen, indem sie ihm im Januar 1899 ihre renommierte Satire-Rubrik anbot. Einige Jahre vorher hatte Kraus noch von diesem Posten geträumt, jetzt aber, da er im Begriff war, seine eigene Zeitschrift zu gründen, konnte ihn selbst dieses Angebot nicht mehr locken.

«Die Fackel»
Maximilian Harden (1861–1927), Inbegriff des unabhängigen Journalisten mit einem eigenen Blatt, galt Kraus als ein Vorbild bei der Gründung der «Fackel». Wie Harden in Berlin wollte er in Wien die «Trockenlegung des weiten Phrasensumpfes» beginnen.

Am 1. April 1899 erschien die erste Nummer der «Fackel». In ihr hieß es programmatisch: «Das politische Programm dieser Zeitung scheint somit dürftig; kein tönendes ‹Was wir bringen›, aber ein ehrliches ‹Was wir umbringen› hat sie sich als Leitwort gewählt.» Kraus beabsichtigte, nicht irgendwelche mehr oder weniger wahre Geschichten zu «bringen», sondern der Korruption wirksam zu begegnen, um sie «umbringen» zu können.

Dieses erste Heft fand so regen Zuspruch, dass es mehrmals nachgedruckt werden musste und insgesamt eine Auflagenstärke von rund 30 000 Exemplaren erreichte. In den späteren Jahren bewegte sich die Auflagenhöhe zwischen 8500 und 10 000 Stück. «Die Fackel» erschien zunächst dreimal im Monat im Umfang von ca. 30 Seiten, ab Oktober 1904 in zwangloser Folge. Bis 1911 zählten zu den Mitarbeitern der Zeitschrift der Schriftsteller Peter Altenberg und der Architekt Adolf Loos – an die Kraus auch besondere persönliche Freundschaft band –, sowie Richard Dehmel, Else Lasker-Schüler, Wilhelm Liebknecht, Detlev von Liliencron, Heinrich Mann, Arnold Schönberg, August Strindberg, Frank Wedekind, Franz Werfel u. a. Ab November 1911 wurden alle Beiträge allein von Kraus verfasst. Bis zu seinem Tode 1936 erschienen 922 Nummern mit insgesamt über 30 000 Seiten.

«Die Fackel», in der nahezu alle literarischen Gattungen vertreten sind, wurde oft auf ihren bloßen «Stoff» reduziert. Zwar ist Kraus’ Zeitschrift sicherlich auch eines der bedeutendsten Zeitdokumente des 20. Jahrhunderts, doch auch mehr als dies, nämlich ein einzigartiges literarisches Kunstwerk. Kraus bezieht sich in seinen Satiren und ethischen Essays zwar auf aktuelle Ereignisse und konkrete Personen, doch geht es ihm stets um die Allgemeingültigkeit des Einzelfalls. Die realen Personen des Tagesgeschehens werden zu universellen zeitlosen Typen menschlicher Dummheit und Österreich zur «Versuchsstation des Weltuntergangs». In diesem Sinne spricht Kraus von den Personen, gegen die er polemisiert, als von «den Romanfiguren meiner Glossenwelt».

«Die Fackel» lässt sich so als epochaler «Roman» lesen, mit regelrechten Haupt- und Nebenfiguren, denn regelmäßig finden sich in Kraus’ Texten Anspielungen und Verweise nicht nur innerhalb eines Heftes, sondern auch auf Fackelhefte, die Jahre zurückliegen. In den ersten Jahren glaubte Kraus mit seiner Zeitschrift tatsächlich die Korruption in Staat, Presse und Privatwirtschaft, den Nepotismus auf den Hochschulen und die Meinungsdiktatur der Presse – vor allem der allmächtigen «Neuen Freien Presse» – (satirisch) bekämpfen zu können, doch schon bald musste er erkennen, dass er in einer Zeit lebte, in der die Wirklichkeit die Satire immer schon übertraf. «Ich war strafweise in eine Zeit versetzt, die es in sich hatte, so lächerlich zu sein, dass sie keine Ahnung hatte von ihrer Lächerlichkeit und das Lachen nicht mehr hörte.»

1899 trat Kraus aus der israelitischen Kultusgemeinde aus, zunächst ohne einer anderen Konfession beizutreten. Bereits 1898 hatte Kraus die antizionistische Satire Eine Krone für Zion verfasst, in der er sich gegen Theo­dor Herzl – der damals Feuilletonleiter der «Neuen Freien Presse» war – und sein, in den Augen Kraus’, utopisch-anachronistisches Projekt einer Rückkehr nach Israel wandte. Kraus war alles andere als Antisemit, denn wenn er in seinen Texten abfällig vom «Jüdischen» spricht, so ist damit eine gewisse Geisteshaltung gemeint, die mit Anbiederung und Spekulantentum zu tun hat, nichts aber mit rassischer oder religiöser Herkunft. In diesem Sinne schrieb er später: «Ich bin Gott sei dank einer anderen Macht verantwortlich als den Juden des Geistes und den Christen des Gelds!»

Nach dem Tode des Vaters 1901 erhielt Kraus eine Rente aus seinem Erbteil, von der er seinen Lebensunterhalt bestellte, während er mit den Einnahmen aus der «Fackel» und den Lesungen die Zeitschrift finanzierte. Den Überschuss ließ er regelmäßig wohltätigen Organisationen zukommen.
Privat traf Kraus 1901 der Tod der jungen Schauspielerin Annie Kalmar schwer, der er seit 1900 eng verbunden war. Ende Juni 1901 sistierte er das Erscheinen der «Fackel» wegen «totaler Nervenerschöpfung». Kraus ging auf eine «grand tour» in den Norden und wanderte einige Wochen lang durch Norwegen.

Sittlichkeit und Kriminalität
Ab 1905 begann Kraus seine Zeitschrift ausdrücklich als Ort der Kunst zu begreifen. Von dieser Zeit an nahmen die literarisch-ästhetischen Betrachtungen einen immer größeren Raum ein. Neben dem Kampf gegen Korruption und «Pressdiktatur» trat in den ersten Jahren der «Fackel» vor allem das Thema der Sexualjustiz und der heuchlerischen Sittenprozesse. Zu diesem Thema erschien 1908 Kraus’ erster Essayband Sittlichkeit und Kriminalität, der wie alle folgenden Essaysammlungen überarbeitete Beiträge aus der «Fackel» enthielt. Kraus bekämpfte vor allem die bürgerlich-patriarchalische Doppelmoral, welche die «Ehebrecherin» wie eine Hexe verfolgte und den männlichen «Ehebruch» als Kavaliersdelikt abtat.

Worum es Kraus in diesem Buch geht, ist zweierlei. Erstens geht es ihm um die Verteidigung der (sexuellen) Freiheit der Frau, die er als weibliche «Natur» dem männlichen «Geist» gegenüberstellt. Der zweite Punkt, um den es Kraus hier zu tun ist, ist die strikte Trennung von privater und öffentlicher Sphäre. Was Kraus bezweckte, war das Auseinanderhalten von Unmoral und Verbrechen bzw. von Sittlichkeit und Kriminalität.

Auch Sigmund Freud wurde auf Kraus’ Essays zur Sexualität aufmerksam und schrieb ihm 1906 gar: «Wir wenigen sollten ... zusammenhalten.» Doch Kraus stand der Psychoanalyse durchaus kritisch gegenüber, wobei seine Kritik jedoch weniger Freud selbst, als vielmehr den «Psycho­analen», also Freuds Anhänger-Epigonen galt. Wenn Kraus auch Freuds Betonung der Wichtigkeit der Sexualität bejahte, so lehnte er doch die Auswüchse des Pansexualismus seiner Schüler ab. Aber auch auf einen weiteren problematischen Aspekt in Freuds Theorie machte Kraus frühzeitig aufmerksam: auf ihre ideologisch-totalitäre Tendenz. Denn die psychoanalytische Theorie wies die Fähigkeit auf, jeden Widerspruch als Bestätigung in sich aufzunehmen. Die Psychoanalyse «behält in jedem Falle Recht».

Cover der Urausgabe der «Fackel», April 1899

Im Zusammenhang mit seiner Auseinandersetzung mit den Sittenprozessen stand auch Kraus’ Bruch mit Maximilian Harden 1907. Kraus erkannte, dass das ehemalige Vorbild Harden unter dem Vorwand ethisch-moralischer Motive skrupellosen Enthüllungsjournalismus betrieb, der in einer ungeheuer manierierten Sprache – die kaum mehr Deutsch war, sodass Kraus des Öfteren «Übersetzungen aus Harden» in der «Fackel» publizierte – sich darin erging, intimste Einzelheiten aus dem Privatleben seiner Opfer einer hämisch grinsenden Öffentlichkeit vorzuwerfen.

Kraus lehnte in der journalistischen Berichterstattung jegliche Phrase oder verfälschende Ausschmückung ab. Ein Sprachkunstwerk ist eine Sache, ein Zeitungsartikel eine andere. Hinter dieser Forderung nach Sachlichkeit der Berichterstattung verbarg sich eine tiefe Besorgnis: die Angst davor, dass die Menschen die Vorstellungskraft verlieren könnten, sich jene Grausamkeiten zu vergegenwärtigen, die sie jeden Tag – ästhetisch verbrämt bis zur Unkenntlichkeit – in der Zeitung lasen.

1911 trat Kraus zum Katholizismus über. Taufpate in der Karlskirche in Wien war Adolf Loos. Doch wie zuvor seinen Austritt aus der israelitischen Kultusgemeinde, hielt er auch seine Konversion geheim.

1910 veranstaltete Kraus seine erste Lesung aus eigenen Schriften. Bis 1936 hielt er insgesamt 700 Lesungen in Wien, Berlin, Paris und anderen Städten. Während Kraus in den ersten Lesungen hauptsächlich aus eigenen Schriften vorlas, nahmen in den letzten Jahren fremde Schriften einen immer größeren Raum ein. Vor begeistertem Publikum las er ganze Dramen u. a. von Goethe, Shakespeare oder Offenbach.

Das alte Café Griensteidl (um 1896)

Sidonie Nádherný
Im September 1913 lernte Kraus Sidonie Nádherný von Borutin in Wien kennen. Er war sofort fasziniert von der schönen, standesbewussten Aristokratin; sie von seinem tiefen Verständnis, seiner Leidenschaftlichkeit und Hingebung. Jedes Zusammentreffen, erst recht die Gefühle mussten lange verschleiert werden. Den gesellschaftlichen Zwängen des sozialen Rollenspiels und der aristokratischen Umgebung mussten die beiden entsprechen, wo individuelle Freiheit des Handelns nicht durchführbar war.

Ein kompliziertes, von Krisen, Abbrüchen und Hindernissen gezeichnetes Verhältnis entwickelte sich. Wankelmut seitens Sidonies und zu starkes Drängen seitens Kraus’ standen einer ständigen, engen Verbindung entgegen. Von Kraus ausgehende Pläne zur Heirat waren zum Scheitern verurteilt – im Gegenteil, Sidonie meinte, durch die Ehe mit einem anderen Mann mehr Aktionsfreiheit zu gewinnen. Der bevorstehende Kriegsausbruch mit Italien 1915 war wohl mit ein Grund, die schon angezeigte und von Kraus gefürchtete Hochzeit Sidonies mit dem Grafen Guiccardini in Rom abzusagen.

1920 flüchtete Sidonie in eine überstürzte, aber standesgemäße Ehe mit dem befreundeten Grafen Max Thun, um ein Jahr später wieder zu Kraus zurückzukehren. Auch danach gab es mehrmals Phasen der Entfremdung und Wiederversöhnung.

Die Liebe zu Sidonie führte Kraus auch zur Revision seines Frauenbildes. «Denn sie verwirrte mit all ihrer Menschlichkeit seine Vorstellung vom Weiblichen», wie er es in einem Brief an «Sidi» formulierte.

Aus den über tausend Briefen Kraus’ an Sidonie und ihren Erinnerungen geht dennoch hervor, dass sie und Schloss Janowitz für ihn der bestimmende Gegenpol zum Schriftstellerleben waren. Schloss und Garten von Janowitz gaben Kraus auch immer wieder Erholung und Kraft für neue Arbeit.

Karl Kraus und der Erste Weltkrieg
Vor dem Ersten Weltkrieg wurde Kraus hellhörig gegenüber Phrasen, die unerhörte Grausamkeiten in romantische Formulierungen kleideten. Kraus waren sie Vorboten des Krieges. Denn für ihn begann der Krieg nicht erst mit den Schüssen von Sarajevo, sondern schon Jahre zuvor, in dem Augenblick, in dem sich die Menschheit den Krieg nicht mehr vorstellen konnte. So sprach die Presse vom bevorstehenden Weltkrieg in Metaphern eines mittelalterlichen Turniers. So schrieben die Zeitungen von Schwertern und Rüstungen, wo es um Chlorgas, Flammenwerfer und Fliegerbomben ging. Die menschliche Fantasie hatte mit der Kriegstechnik nicht Schritt gehalten. Das «Technoromantische Abenteuer» des Ersten Weltkrieges war nach Kraus wesentlich Folge der Fantasiearmut und diese ihrerseits Folge der jahrelangen Phrasendrescherei der Presse. Deshalb war für Kraus der Journalismus die Ursache des Krieges. In Die letzten Tage der Menschheit heißt es: «Nicht dass die Presse die Maschinen des Todes in Bewegung setzte – aber dass sie unser Herz ausgehöhlt hat, uns nicht mehr vorstellen zu können, wie das wäre: das ist ihre Kriegsschuld!»

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, gehörte Kraus zu den ganz wenigen deutschsprachigen Dichtern, die den Krieg von Anfang an vehement bekämpften, während sich die meisten Schriftsteller in blutrünstiger Kriegslyrik oder doch zumindest in begeisterten Kriegsberichten ergingen. Während der ganzen Kriegsjahre schrieb Kraus in der «Fackel» gegen den Krieg, wobei viele Texte der Zensur zum Opfer fielen und die Zeitschrift des Öfteren konfisziert wurde.

In Wien war Kraus – selbst zum Kriegsdienst untauglich – Zeuge des fortschreitenden gesellschaftlichen und moralischen Verfalls, den der Krieg nach sich zog.

Sein Abscheu galt den Kriegsgewinnlern, den Schiebern, die Feste feierten, während die breite Bevölkerung und die Soldaten darbten; den Journalisten, die sich in pervertiertem Patriotismus übten; den Militärbehörden, die kaum Genesene unverzüglich an die Front zurückschickten. Auch für die Dichter im Kriegspressequartier, die die meist deprimierenden Frontberichte in beschönigende und heroisierende Formen brachten, hatte er nur Verachtung und Spott übrig. Hingegen empfand er tiefes Mitleid mit den verkrüppelten und verwundeten Frontsoldaten und mit den hungernden Frauen und Kindern, die zur Arbeit in die Munitionsfabriken abkommandiert wurden.

Die letzten Tage der Menschheit
Solche erlebte und gelesene Eindrücke verarbeitete er ab 1915 in dem Kriegsdrama Die letzten Tage der Menschheit. Obwohl Kraus ab Dezember 1915 seine antimilitärische Haltung auch in der «Fackel» relativ deutlich zum Ausdruck brachte, fielen nur wenige Textpassagen der Zensur und Konfiskation zum Opfer. Erst gegen Ende des Krieges, der längst nicht mehr zu gewinnen war, geriet Kraus in die Observanz der Staatspolizei, da ihn ein Besucher einer Vorlesung des Hochverrats beschuldigt hatte. Der Fall wurde erst nach dem Ende der Monarchie als ergebnislos zu den Akten gelegt.

Oskar Kokoschka: Bildniszeichnung Karl Kraus, 1909

Die größte Leistung Kraus’ gegen den Krieg ist aber wohl sein offenes Dokumentationsdrama Die letzten Tage der Menschheit, an dem er von 1915 bis 1919 arbeitete. Vollständig erschien das Drama 1919. Schon während des Krieges hatte Kraus allerdings einzelne Teile daraus in der «Fackel» publiziert. In dieser «Tragödie in fünf Akten» verbindet Kraus die Montagetechnik des Dokumentationsdramas, also die Zitatencollage, mit surrealistischen und expressionistischen Motiven zu einer apokalyptischen Vision des Weltuntergangs. Im Vorwort heißt es: «Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschehen; ich habe gemalt, was sie nur taten. Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate. ... Das Dokument ist Figur; Berichte erstehen als Gestalten, Gestalten verenden als Leitartikel; das Feuilleton bekam einen Mund, der es monologisch von sich gibt; Phrasen stehen auf zwei Beinen – Menschen behielten nur eines.» Wie bereits in den Vorkriegsglossen, geht es Kraus auch hier nicht primär um die Verbrechen der kriegführenden Mächte, sondern diese dienen ihm nur als Beispiel für ein Geschehen, das die Tragödie der ganzen Menschheit ist. Wenn Kraus den republikanischen Bestrebungen zunächst kritisch gegenüberstand, so wandelte sich seine Einstellung zur Demokratie in Anbetracht des Krieges radikal.

Kraus’ Schaffen in den Nachkriegsjahren
Nach dem Zerfall der Monarchie war Kraus einer der wenigen Intellektuellen, die den Nachfolgestaat, die Republik Deutsch-Österreich, begrüßten. Für Kraus war er die Bestätigung eines zwanzigjährigen Kampfes gegen eine überlebte Staatsform. Nun konnte er Hoffnung schöpfen: «Mein Wort hat Österreich-Ungarn überlebt.» Die Erwartungen, die er mit dem neuen Staat verknüpfte, waren vor allem auf die Sozialdemokratie gerichtet.

Mit ihrer humanitären, antimilitaristischen und antihabsburgischen Grundhaltung schien sie ihm am ehesten ein Garant für eine positive Entwicklung der Republik zu sein. Damit näherte er sich wieder jener Partei, mit der er in den ersten Jahren der «Fackel» sympathisiert hatte. Für kurze Zeit betrachtete sich Kraus als eine geistige Führungskraft der Republik, setzte sich mit den aktuellen sozialen Tagesthemen auseinander und erwartete deren Lösung. Anerkennung in dieser Position fand er allerdings nur im Kreis seiner Anhänger.

Sidonie Nádherný von Borutin

Seltsamerweise hat sich Kraus zum politischen Geschehen in Deutschland nicht oft geäußert. Das ist umso erstaunlicher, als sich die Weimarer Republik im Kampf der Parteien und Weltanschauungen weit radikaler und zerrissener entwickelte und Kraus sich häufig in Deutschland, zumeist in Berlin, aufhielt.

Was Kraus an dieser Stadt faszinierte, war der große Mentalitätsunterschied ihrer Bewohner zu den Wienern. Es scheint, dass er die schnoddrige Direktheit des Berliners dem unverbindlichen – manchmal schmierigen – Charme des Wieners vorzog. So hat er eine Reihe von Aphorismen diesem Gegensatz gewidmet. Für Kraus war Berlin weniger der Austragungsort ethisch-moralischer und pressekritischer Polemiken, vielmehr bot sich ihm die Stadt als ein großes und dynamisches Versuchsfeld für seine künstlerischen Intentionen. Das kulturelle Leben war vielfältiger, das Publikum aufnahme-, aber auch kritikbereiter als anderswo. Hier wurden schon 1924 im Lustspielhaus seine Stücke Traumtheater und Traumstück uraufgeführt. Hier fand er auch Dramaturgen, Regisseure und Theaterdirektoren, die sich mit seinem Werk und seinen bühnentechnischen Vorstellungen auseinanderzusetzen bereit waren. Kraus erlebte mit Rundfunkvorlesungen seiner Offenbach-Bearbeitungen, die von der «Berliner Funkstunde» durchgeführt wurden, große Erfolge in diesem jungen Medium.

Unter den deutschen Autoren der 20er Jahre lernte Kraus Bertolt Brecht besonders schätzen. Kraus hatte 1929 an den Proben zur Uraufführung der Dreigroschenoper im Berliner Theater am Schiffbauerdamm teilgenommen. Am 11. Januar 1932 las Kraus im Berliner Breitkopfsaal aus Brechts Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny. Er hielt Brecht «... für den Einzigen, der ein Zeitbewusstsein, dessen ‹asphalten› gar nicht so uneben ist, aus der Flachheit und Ödigkeit, die die beliebteren Reimer der Lebensprosa verbreiten, zu Gesicht und Gestalt emporgebracht hat».

In die allgemeine Missbilligung, die Kraus durch sein Schweigen gegen den Naziterror in Deutschland und seine Parteinahme für den Ständestaat entgegengebracht wurde, stimmte Brecht nicht mit ein, sondern trat für den Verfemten mit einem Gedicht ein, aus dem folgende Verse stammen: «Als der Beredte sich entschuldigte / dass seine Stimme versage / trat das Schweigen vor den Richtertisch / nahm das Tuch vom Antlitz und / gab sich zu erkennen als Zeuge.»

Am 7. März 1923 trat Kraus wieder aus der Kirche aus und blieb bis zu seinem Tode konfessionslos. Von der katholischen Kirche mochte er sich die Wahrung der traditionellen Werte erhofft haben, aber nach dem Krieg musste er erkennen, dass auch die Kirche ihr Mäntelchen nach dem Winde hängte, wenn beispielsweise in Italien der Gottesmutter die Tapferkeitsmedaille verliehen wurde oder die Kollegienkirche in Salzburg, zur Hebung des Fremdenverkehrs, in einen Theatersaal umfunktioniert wurde. Bald legte sich auch seine Begeisterung für die Republik und die österreichische Sozialdemokratie, denn diese fuhr, von übermäßiger Vorsicht geleitet, einen Kompromisskurs zwischen bürgerlichem und kommunistischem Lager, ohne ein eigenständiges Konzept zu verfolgen. Und auch die alte «Pressdiktatur» kehrte zurück – schlimmer noch als in der Monarchie.

Karl Kraus und der Nationalsozialismus
Die Machtergreifung im benachbarten Deutschland schien Kraus die Sprache zu verschlagen. Erst im Oktober 1933 meldete er sich erneut mit der dünnsten «Fackel» zu Wort (4 Seiten), die er jemals herausgegeben hat. Unter anderem enthält sie nur das folgende Gedicht:
«Man frage nicht, was all die Zeit ich machte.
Ich bleibe stumm
Und sage nicht, warum,
Und Stille gab es, da die Erde krachte.
Kein Wort, das traf,
man spricht nur aus dem Schlaf
Und träumt von einer Sonne, welche lachte.
Es geht vorbei,
Nachher war’s einerlei.
Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte.»
Die nationalsozialistischen Machthaber setzten Kraus’ Lebenswerk umgehend auf die «Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums». Bei der Bücherverbrennung hingegen wurden seine Werke verschont. Kraus war nicht erbaut davon. «Wo bleibt da die Gerechtigkeit, wenn man sein Leben lang zersetzend gewirkt hat, den Wehrwillen geschwächt, dem Anschluss widerraten und den ans Vaterland nur zum Schutz gegen das andere empfohlen hat, in der oft zitierten Erkenntnis, dass dort elektrisch beleuchtete Barbaren hausen und dass es ein Volk der Richter und Henker sei.»

Kraus war in den Monaten von der Machtergreifung in Berlin bis zum Oktober 1933 allerdings keineswegs untätig gewesen. Er erkannte früh die Unmenschlichkeit und die Gefahr des Nationalsozialismus. Seine Gedanken dazu finden sich in dem Buch Dritte Walpurgisnacht, das mit den berühmten Worten beginnt: «Mir fällt zu Hitler nichts ein» – die allerdings in der Regel falsch zitiert werden, da im Original das Wort «Mir» in Ausdrucksstellung steht.

Dieses Buch war eine sachlich luzide und stilistisch virtuose Auseinandersetzung mit den Ereignissen in Deutschland.

In diesem Werk findet sich der prophetische Satz, der Nationalsozialismus sei ein Alptraum, aus dem – «nach Bewältigung der anderen Parole» – Deutschland «erwachen» werde. Mit der «anderen Parole» spielt Kraus auf den zweiten Teil des NS-Slogans «Deutschland erwache, Juda verrecke!» an.

An der Dritten Walpurgisnacht arbeitete Kraus von Mai bis September 1933; sie sollte als Ausgabe der «Fackel» erscheinen. Sie war schon gesetzt und die Druckfahnen durchgesehen, als Kraus sich dazu entschloss, auf die Veröffentlichung zu verzichten. Weniger die persönliche Gefahr mag hierfür ausschlaggebend gewesen sein als die Befürchtung, dass die Nationalsozialisten sich für eine Provokation, für welche sie nach aller Erfahrung größere Kreise als ihn allein verantwortlich machen würden, an unschuldigen Opfern rächen könnten. Er selbst bekannte, dass er «den schmerzlichsten Verzicht auf den literarischen Effekt geringer achtet als das tragische Opfer des ärmsten anonym verschollenen Menschenlebens». So kam es, dass die Dritte Walpurgisnacht erst nach dem Zweiten Weltkrieg erscheinen konnte.

Dieser Text besteht zu einem guten Teil aus kommentierten Textcollagen zeitgenössischer Zeitungsberichte, die mit Zitaten aus den Werken Goethes und Shakespeares verwoben sind, denn diese Dichter hätten «alles vorausgewusst». Dieses erschütternde Werk räumt ein für allemal mit der Alibierklärung auf, in den ersten Jahren der Diktatur hätte niemand absehen können, wohin der Nationalsozialismus führen würde. Kraus’ Dritte Walpurgisnacht beweist, dass es genügte, die nationalsozialistischen Zeitungen zu lesen, um zu wissen, was vor sich ging. Wie bereits im Ersten Weltkrieg bringt Kraus die Verwirklichung des Schreckens mit dem Mangel an Vorstellungskraft in Verbindung. Dieser führte dazu, dass Redewendungen wie «Salz in offene Wunden streuen» in den Folterkellern der Gestapo wieder Wirklichkeit werden konnten – ein Phänomen, das Kraus die «Revindikation des Phraseninhalts» nennt. Aber auch auf die eigentümliche Verbindung von irrationalem Mythos und rationalster Technik als Wesensmerkmal des Nationalsozialismus macht Kraus aufmerksam, wenn er diesen als «Gleichzeitigkeit von Elektrotechnik und Mythos, Atomzertrümmerung und Scheiterhaufen» charakterisiert.

Lebensabend und Tod
Ab 1934 verschlechterte sich Kraus’ Gesundheitszustand zusehends. Grund dafür mag unter anderem das Entsetzen über die Vorgänge in Deutschland, der Bürgerkrieg in Österreich gewesen sein.

Kraus empfand Scheu vor dem Gedanken an Tod und Sterben. Er lehnte es ab, vorbeugende Maßnahmen zur Gesundheitserhaltung oder Schonung zu treffen. Sein Arzt Fritz Schweinburg schrieb darüber: «Er war erfreulicherweise von einer ganz unglaublichen medizinischen Unbildung, sodass es mir jederzeit leicht möglich war, ihn über seinen Zustand hinwegzutäuschen. Ja selbst in den letzten Tagen, wo ihm schon sehr elend war, gelang das noch.» Die letztliche Todesursache war eine Gehirnembolie, der er in den frühen Morgenstunden des 12. Juni 1936 erlag.

Das Dokument, das Kraus’ Aversion gegen den Tod am deutlichsten widerspiegelt, ist sein Testament, das er im August 1935 abfasste und im Februar 1936 revidierte. In einem Brief erzählte Sidonie Nádherný von den geistigen und körperlichen Qualen, denen Kraus ausgesetzt war: «Als er es (das Testament) abfassen musste, verlor er die Sprache. Ein Kind hätte es besser geschrieben.»

Der letzte Wille von Kraus gab keinen Aufschluss darüber, was nach seinem Tod mit dem Verlag der «Fackel» zu geschehen und wer über die Urheber- und Herausgeberrechte an seinen Werken zu verfügen habe. Daraus entstanden Streitigkeiten, die erst in den 50er Jahren beigelegt werden konnten.

Auch über den Ort seiner Grabstätte traf er in dem Dokument keine Anordnung, sodass es nach seinem Tod darüber ebenfalls zu Auseinandersetzungen kam. Sidonie Nádherný pochte auf die Erfüllung seines Wunsches, ihn im geliebten Park von Janowitz zu bestatten, konnte dies aber nicht durchsetzen. Karl Kraus’ letzte Ruhestätte ist in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof.

Der Text ist entnommen aus: http://www.bautz.de/bbkl/k/kraus_k.shtml http://www.literaturhaus.at/autoren/K/K-Kraus/biografie/seite1/
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Kraus