Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №11/2008

Sonderthema

Dorothea Christiane Erxleben – Eine Frau mit Doktorhut

Dorothea Christiane Erxleben, die erste Frau, die in Deutschland einen Doktortitel auf dem Gebiet der Medizin erlangte, wurde am 13. November 1715 in Quedlinburg geboren, einer Kleinstadt am Nordrand des Harzes. Ihr Vater, Christian Polykarp Leporin, war hier als «der Medicin Doctor und Practicus» tätig, ihre Mutter Anna Sophia entstammte einer alt­eingesessenen Pastorenfamilie.

Der Vater war ein streitbarer Wissenschaftler, der härtere Töne in der Auseinandersetzung mit seinen zahlreichen Gegnern nicht verschmähte. Im Gegenzug musste er allerdings auch Beschimpfungen als «Medicaster und Fuscher», als «Arzt-Schelm, Arzt-Ehren-Schänder und Arzt-Lügner» ertragen. Christian Polykarp Leporin übte sich auch im Verfassen eher utopisch zu nennender Abhandlungen über die Verbesserung der akademischen Ausbildung.

Da die Universitäten vor allem für materiell weniger gesegnete Kreise der Bevölkerung keine Möglichkeit zur Erlangung von höherer Bildung darstellten, schlug Leporin vor, in jeder Stadt eine Akademie zu errichten, in der zum Teil unentgeltlich die Grundlagen aller wichtigen Fächer gelehrt werden sollten. Die unvermeidlichen Kosten einer solchen Institution sollten in einem Ausgleichsverfahren zwischen vermögenderen und ärmeren Studenten aufgebracht werden. Besonderen Wert maß Dorotheas Vater der praktischen Unterweisung in den gelehrten Fächern bei, vor allem in der Medizin, wo seiner Meinung nach bisher viel zu wenige Studenten über praktische Kenntnisse verfügten. Auch die Einrichtung öffentlicher unentgeltlicher Bibliotheken für die Studenten regte Leporin an.

Bei ihrem Vater genoss Dorothea auch ihren ersten Unterricht. Dabei kam es ihr nach ihrer eigenen Aussage sehr zupass, dass sie in ihrer Kindheit und frühen Jugend sehr kränklich und schwach war. Folglich war sie von der schwereren Hausarbeit befreit und konnte zusammen mit ihrem älteren Bruder den Unterweisungen ihres Vaters beiwohnen. Sie wurde von ihm nicht nur in den Sprachen unterrichtet, was zu ihrer Zeit für Frauen keine so ungewöhnliche Erscheinung gewesen wäre, sondern auch in den «nützlichen Wissenschaften». Dorothea zeigte dabei eine bemerkenswerte Begabung und Beharrlichkeit, sodass sich bald die Frage er­gab, ob ihr nicht weiterführender Unterricht zuteil werden sollte. Dabei stand man vor dem Problem, dass der Besuch der üblichen höheren Schule, des Gymnasiums, Mädchen nicht gestattet war. Hier fand sich jedoch schnell eine Lösung, da der Rektor des Quedlinburger Gymnasiums, ein gewisser Tobias Eckhard, darin einwilligte, Dorothea externen Unterricht zu erteilen. Dieser Rektor war es dann auch, der Dorotheas Ehrgeiz anspornte, indem er sie in den höchsten Tönen lobte und ihr 1732 einen Brief sandte, in dem er unter Hinweis auf die unlängst erfolgte Promotion der Laura Bassi in Italien den Wunsch aussprach, sie, Dorothea, möge einst ebenfalls in ihrer Wissenschaft zu solchen Ehren gelangen.

Das Geburtshaus von Dorothea Christiane Erxleben in Quedlinburg

Doch auch bei ihrem Vater setzte Dorothea ihre Ausbildung fort. Sie begleitete ihn bei Krankenbesuchen, lernte so die ärztliche Kunst in der Praxis kennen, noch bevor sie auch nur einen Fuß in den Hörsaal einer Universität gesetzt hatte.

Als Dorotheas älterer Bruder im Jahre 1740 schließlich seine notwendige Vorausbildung für das Universitätsstudium abgeschlossen hatte und beabsichtigte, sich an der Universität Halle einzuschreiben, beschloss sie, die ja dieselbe Ausbildung durchlaufen hatte, ihn dorthin zu begleiten und ebenfalls einen akademischen Grad zu erlangen. Zu diesem Zweck richtete sie, da ja das Medizinstudium von Frauen in Preußen etwas ganz und gar Neues war, eine Bittschrift an das Preußische Departement der Geistlichen Affairen. Zur gleichen Zeit begann sie nach eigenen Worten mit der Niederschrift ihrer später berühmt gewordenen Abhandlung Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studieren abhalten. Diese Auseinandersetzung mit den gängigsten Vorurteilen ihrer Zeitgenossen gegen das Frauenstudium war ursprünglich von ihr überhaupt nicht zur Veröffentlichung vorgesehen. Ihr Vater ließ die Arbeit jedoch zwei Jahre später bei einem Verleger in Berlin drucken.

Dorotheas Gesuch um Erlaubnis zum Besuch der Universität Halle wurde im April 1741 von den zuständigen preußischen Behörden positiv beantwortet. Inwieweit diese Entscheidung persönlich mit dem König Friedrich II. zusammenhängt, der es ja bekanntlich liebte, aufklärerische Haltung zu demonstrieren, ist unklar. Es ist aber wohl doch zu vermuten, dass seine geistige Haltung die Entscheidung seines Departements eher zugunsten Dorotheas beeinflusst hat.

Seine politische Haltung begünstigte Dorotheas Pläne dagegen nicht. Im Rahmen der Aushebungen von Rekruten zu Beginn des 1. Schlesischen Krieges erhielt ihr älterer Bruder, mit dem sie gemeinsam die Universität besuchen wollte, den Einberufungsbefehl zu seinem Regiment. Diesem gehorchte Dorotheas Bruder jedoch nicht, sondern zog es vor, in Gebiete außerhalb der Reichweite der preußischen Militärbehörden zu fliehen. Diese versuchten nun, die anderen männlichen Mitglieder der Familie Leporin zum Ersatzdienst zu zwingen. Daraufhin flohen auch ihr Vater und ihr jüngerer Bruder außer Landes. Damit fehlte Dorothea und den anderen weiblichen Familienmitgliedern jedes Einkommen. Christian Polykarp Leporin kehrte zwar schon nach kürzerer Zeit nach Quedlinburg zurück und versuchte, die Militärangelegenheiten seines Sohnes auf dem Weg von Gesuchen zu regeln, doch ein Medizinstudium Dorotheas ohne ihren Bruder kommt nicht zustande, weil sie «alleine nach Universitäten sich nicht getrauet.»

In dieser Situation heiratet Dorothea den gerade verwitweten Diakon Johann Erxleben. Dieser niedere Geistliche, aus seiner ersten Ehe schon Vater von fünf Kindern, denen Dorothea nun plötzlich Mutter sein muss, ist keineswegs eine «gute Partie». Große materielle Vorteile werden sie also wohl nicht veranlasst haben, ihre Entscheidung für ihn zu fällen. Dagegen mag seine Bereitschaft den Ausschlag gegeben haben, die wissenschaftlichen Interessen und Pläne seiner Frau zu billigen und zu unterstützen, die höchstwahrscheinlich nicht bei jedem denkbaren Ehemann vorhanden gewesen wäre.

In der Folgezeit war Dorothea Erxlebens Lage niemals leicht. Neben den Aufgaben als Mutter von fünf Kindern, zu denen später noch vier eigene hinzukamen, ruhte auf den Schultern ihrer Familie auch die Last des Schuldenberges, den Dorotheas 1747 verstorbener Vater ihr hinterlassen hatte. Um die materielle Lage der Familie zu erleichtern und wohl auch um sich selbst in der Praxis fortzubilden, behandelte Dorothea weiterhin Kranke, ohne einen offiziellen Titel zu führen, der sie nach den Maßstäben ihrer Berufsgenossen zur Ausübung des ärztlichen Berufes überhaupt erst befähigt hätte.

Wütende Reaktionen alteinge­sessener Ärzte ließen deshalb auch nicht lange auf sich warten. Als eine der Patientinnen, die Dorothea behandelt hatte, an ihrem Leiden starb, nutzten sie die Möglichkeit, Dorothea beim Stiftshauptmann von Quedlinburg anzuklagen. In ihrem Brief erhoben drei Ärzte den Vorwurf, dass sie medizinische Pfuscherei betreibe, dies auch noch in der Öffentlichkeit tue und sich dabei Frau Doktor nennen lasse. Dorothea Erxleben wird in einer Reihe mit Feldschern, Badern, Barbieren und Hebammen genannt, das heißt mit Personen, die ihre Patienten mit teilweise recht fragwürdigem Sachverstand und ebenso zufälligem Erfolg behandelten. Bezeichnend ist auch, dass die Hebammen hier unter die Reihe der medizinischen Pfuscherberufe aufgenommen wurden, obwohl sie im Allgemeinen für ihr Aufgabenfeld der Geburtshilfe recht gute praktische Kenntnisse aufwiesen.

Die Ärzte forderten, dass der Stiftshauptmann eine Verfügung erlassen solle, die nicht akademisch autorisierten Personen das «innerliche Curieren» unter Androhung einer nicht unbeträchtlichen Geldstrafe verbiete.

Dorotheas Sohn Johann Christian Polycarp Erxleben (1744–1777)

Der Stiftshauptmann gab dem Ersuchen der Ärzte statt und forderte Dorothea auf, sich zu rechtfertigen und unterdessen das innerliche Kurieren zu lassen. In ihrer Antwort bestreitet sie vehement den Vorwurf der Pfuscherei, denn sie habe bei ihrem Vater eine ausreichende Ausbildung genossen. Auch würden die drei Ärzte durch ihr Praktizieren kaum in ihren finanziellen Angelegenheiten beeinträchtigt, da sie für gewöhnlich eben diejenigen Patienten betreue, die weder ihr noch irgendjemand anderem die Rechnung zu bezahlen in der Lage seien. Sie verweist auf die königliche Studienerlaubnis und kündigt an, nach der Geburt ihres vierten Kindes eine Dissertation verfassen und promovieren zu wollen. Mittlerweile fordert sie die Ärzte auf, sich ihr zu einer gegenseitigen Prüfung zu stellen.

Die Ärzte antworteten hierauf mit einem durchweg beleidigenden Schreiben. Dorotheas Rolle als Frau und Mutter wird als unvereinbar mit der Erlangung der Doktorwürde dargestellt, «denn aus dem Wochenbette unter den Doctorhut kriechen, ist ja wohl ein Paradoxon». Ihre bisherigen Studienversuche werden verspottet: «Sie war ja hin nach Halle mit ihrem Bruder, aber sie kam schöne wieder in der Weiber Mütze.» Keine Frau könne jemals als Ärztin praktizieren, da die ärztliche Praxis zu den öffentlichen Ämtern gehöre, zu denen Frauen nach römischem Recht nicht zugelassen werden dürften. Selbst wenn es Dorothea erlaubt wäre, so wäre sie doch nicht dazu befähigt, denn zum Kurieren brauche man Mutterwitz, und der wäre bei ihr nicht zu finden. Die vorgeschlagene Prüfung wird rundweg abgelehnt, ihr wird jeder Sinn abgesprochen.

Die Ärzte lehnten jeden weiteren Kontakt zu Dorothea Erxleben ab und überließen die ganze Angelegenheit dem Quedlinburger Stiftshauptmann. Dieser verfügte in Dorotheas Fall endgültig, dass sie, falls sie weiterhin praktizieren wolle, sich binnen drei Monaten in Halle der Doktorprüfung zu stellen habe.

Nach einem kurzen Aufschub infolge der Geburt ihres vierten Kindes überreicht dann Dorothea am 6. Januar 1754 dem Stiftshauptmann ihre Dissertation, die den Titel Academische Abhandlung von der gar zu geschwinden und angenehmen, aber deswegen öfters unsichern Heilung der Krankheiten trägt. Verbunden damit ist ein erneutes Gesuch an den preußischen König um Zulassung zur Promotion.

Dem Gesuch wird durch den preußischen Chef des Departements der Geistlichen Affairen stattgegeben. Dorothea Erxleben kann am 6. Mai 1754 als erste Frau in den deutschen Staaten zum Promotionsexamen antreten. Sie absolviert es mit großem Erfolg. Der Professor Johannes Juncker, Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Halle und Leiter des Examens, berichtet darüber unter anderem wie folgt: «... und hat die Frau Candidatin in einem zweistündigen Examine alle quaestiones theoreticas und practicas in lateinischer Sprache, mit einer solchen gründlichen Accuratesse und Beredsamkeit beantwortet, dass alle Anwesenden damit vollkommen vergnügt waren.»

Obgleich das Prüfungsergebnis solchermaßen ausgefallen war, hielten es Juncker und seine Kollegen dennoch für angebracht, vor dem eigentlichen Akt der Promotion und der Überreichung des Doktordiploms im Falle Dorotheas nochmals beim preußischen König um Erlaubnis nachzusuchen. Diese wurde unter der Auflage, dass Dorothea als praktizierende Ärztin die betreffenden preußischen Reglements achten müsse, umgehend erteilt. So konnte die feierliche Promotion am 12. Juni 1754 in Halle vonstatten gehen. Dorothea dankte in ihrer Promotionsrede, selbstverständlich auf Latein gehalten, in bescheidenem Ton Gott, dem preußischen König, dem Dekan und der gesamten medizinischen Fakultät für die ihr erwiesene Gunst. Sie hatte als erste und für eine geraume Zeit auch einzige Frau in Deutschland einen Aufstieg in den akademischen Rang erreicht, der für ihre Geschlechtsgenossinnen bisher unerreichbar gewesen war.

In ihrem Alltagsleben änderte sich durch die erfolgreiche Promotion relativ wenig, abgesehen von der Tatsache, dass ihr nun nicht mehr von missgünstigen Konkurrenten die medizinische Praxis verboten werden konnte. Besonders in der Behandlung von Frauen und Kindern lagen ihre Spezialgebiete. Die Äbtissin des Stiftes Quedlinburg berief Dorothea zu ihrer Leibärztin. In höheren Gesellschaftskreisen waren ihre Dienste angesehen. Nebenher bildete sie sich stetig weiter, allerdings nicht nur in der Medizin, sondern auch in Physik und Naturgeschichte. In diesen beiden Fächern gab sie auch einem ihrer Söhne, der später eine Professur in Göttingen antreten sollte, den ersten Unterricht. Auch ein anderer Sohn gelangte auf der akademischen Laufbahn zu höchsten Ehren und wurde Professor der Rechte und Kanzler der Universität Marburg. Es ist allerdings bemerkenswert, dass von keiner der Töchter Dorotheas irgendwelche Ambitionen bekannt sind, die denen ihrer Mutter geähnelt hätten.

Dorothea Erxleben starb bereits verhältnismäßig jung, im Alter von siebenundvierzig Jahren, an Lungentuberkulose, einer Krankheit, bei der auch sie ihre medizinischen Künste im Stich ließen.

Die Quedlinburgerin hatte an ihrem eigenen Beispiel vorgeführt, dass die Argumente ihrer Zeit, die Frauen generell die Eignung zum Studieren absprachen, im Grunde absurd waren. Sie hatte bewiesen, dass ihre eigenen Ideen nicht nur theoretische Hirngespinste darstellten, sondern auch praktisch ausführbar waren. Auch wenn ihr Fall für mehr als ein Jahrhundert in Deutschland der einzige blieb, erleichterten doch wahrscheinlich ihr Vorbild und die Erinnerung an ihren Erfolg den Weg späterer Verfechterinnen und Verfechter der Sache der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau auch auf akademischem Gebiet.

Der Text ist entnommen aus: http://www.geocities.com/tillbergner/erx.html