Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №18/2009

Sonderthema

Theodor Fontane
Effi Briest

Kurzinhalt

Der 38-jährige Baron von Innstetten, Landrat in Kessin in Hinterpommern, hält um die Hand der 17-jährigen Effi Briest an. Die Mutter redet Effi zu, den Antrag anzunehmen, obwohl ihr selbst bald Bedenken kommen. Nach einer Hochzeitsreise durch Italien bezieht das Paar im November Inn­stettens Haus in Kessin. Effi ist sofort von der unheimlichen Atmosphäre des Hauses irritiert, und bald leidet sie unter einer peinigenden Angst vor Spuk. Innstetten, obwohl sonst sehr rücksichtsvoll, zeigt sich in diesem Punkt eher verständnislos.
Die junge Frau langweilt sich bald in dem Badeort, in dem es vor allem im Winter kaum eine Abwechslung gibt. Der einzige ihr wirklich sympathische Mensch an diesem Ort ist der Apotheker Gieshübler, ein liebenswürdiges Original. Der Frühling bringt für Effi eine Linderung ihrer Ängste, aber keine Besserung der Langeweile. Im Mai trifft Major Crampas in Kessin ein, wodurch das gesellschaftliche Leben etwas lebendiger wird. Im Juni nimmt sich Effi das katholische Dienstmädchen Roswitha als Kinderfrau, Anfang Juli kommt ihre Tochter Annie zur Welt. Nach einem Aufenthalt im elterlichen Haus kehrt Effi im Spätsommer nach Kessin zurück. Innstetten und Major Crampas unternehmen gemeinsame Ausritte, an denen sich später auch Effi beteiligt. Als Innstetten durch seine Pflichten verhindert ist, reiten Effi und Crampas zusammen mit dem Kutscher aus, und der erotische Abenteurer Crampas macht einen ersten Annäherungsversuch.
Effi zieht sich zurück und sieht Crampas erst im Dezember bei der Aufführung eines Dramas wieder, bei dem sie die weibliche Hauptrolle spielt und Crampas die Regie übernimmt. Zu Weihnachten folgen Effi und Innstetten einer Einladung des Oberförsters Uvagla, zu der auch Crampas erscheint. Als auf der Rückfahrt der Weg wegen einer unpassierbaren Stelle durch einen dunklen Wald führt, nutzt Crampas die Gelegenheit und bedeckt Effis Hand mit Küssen. In den folgenden Wochen trifft sich Effi regelmäßig mit ihm auf Spaziergängen, die sie angeblich auf ärztliche Verordnung hin unternimmt.
Nach einigen Wochen erklärt Inn­stetten, dass sie binnen Kurzem nach Berlin zurückziehen werden. Effi ist erleichtert und bricht den Kontakt mit Crampas unwiderruflich ab. In Berlin sucht sie zusammen mit ihrer Mutter eine Wohnung und schützt eine Krankheit vor, um nicht noch einmal nach Kessin zurückzumüssen.
Sechs Jahre später – Effi ist zur Kur nach Bad Ems gefahren – findet Innstetten durch Zufall die Briefe, die Crampas Effi seinerzeit geschrieben hat. Nachdem er sich mit seinem Sekundanten besprochen hat, fordert er Crampas zum Duell, bei dem dieser den Tod findet. Effi erhält durch ein Schreiben ihrer Mutter die Nachricht von der Scheidung. Sie sucht sich eine kleine Wohnung in Berlin und lebt dort drei Jahre lang sehr zurückgezogen; Roswitha ist beinahe ihre einzige Gesellschaft. Als sie eines Tages ihre Tochter Annie in der Straßenbahn sieht, wird in ihr der Wunsch wach, sich mit ihr zu treffen. Doch das Wiedersehen führt zum Zusammenbruch Effis, denn Innstetten hat Annie regelrecht darauf abgerichtet, ihrer Mutter distanziert zu begegnen.
Als sich Effis Gesundheitszustand weiter verschlechtert, erreicht der Arzt, dass die Eltern sie wieder bei sich aufnehmen. Effi verbringt ihre letzten Wochen damit, einsam durch die Natur zu streifen, doch ihre Gesundheit ist zerstört. Sie stirbt, nachdem sie Innstetten verziehen und so ihren Frieden gefunden hat.

 

Ein Auszug

Erstes Kapitel
In Front des schon seit Kurfürst Georg Wilhelm von der Familie von Briest bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen fiel heller Sonnenschein auf die mittagsstille Dorfstraße, während nach der Park- und Gartenseite hin ein rechtwinklig angebauter Seitenflügel einen breiten Schatten erst auf einen weiß und grün quadrierten Fliesengang und dann über diesen hinaus auf ein großes, in seiner Mitte mit einer Sonnenuhr und an seinem Rande mit Canna indica und Rhabarberstauden besetzten Rondell warf. Einige zwanzig Schritte weiter, in Richtung und Lage genau dem Seitenflügel entsprechend, lief eine ganz in kleinblättrigem Efeu stehende, nur an einer Stelle von einer kleinen weißgestrichenen Eisentür unterbrochene Kirchhofsmauer, hinter der der Hohen-Cremmener Schindelturm mit seinem blitzenden, weil neuer­dings erst wieder vergoldeten Wetterhahn aufragte. Fronthaus, Seitenflügel und Kirchhofsmauer bildeten ein einen kleinen Ziergarten umschließendes Hufeisen, an dessen offener Seite man eines Teiches mit Wassersteg und angekettetem Boot und dicht daneben einer Schaukel gewahr wurde, deren horizontal gelegtes Brett zu Häupten und Füßen an je zwei Stricken hing – die Pfosten der Balkenlage schon etwas schief stehend. Zwischen Teich und Rondell aber und die Schaukel halb versteckend standen ein paar mächtige alte Platanen.
Auch die Front des Herrenhauses – eine mit Aloe­kübeln und ein paar Gartenstühlen besetzte Rampe – gewährte bei bewölktem Himmel einen angenehmen und zugleich allerlei Zerstreuung bietenden Aufenthalt; an Tagen aber, wo die Sonne niederbrannte, wurde die Gartenseite ganz entschieden bevorzugt, besonders von Frau und Tochter des Hauses, die denn auch heute wieder auf dem im vollen Schatten liegenden Fliesengange saßen, in ihrem Rücken ein paar offene, von wildem Wein umrankte Fenster, neben sich eine vorspringende kleine Treppe, deren vier Steinstufen vom Garten aus in das Hochparterre des Seitenflügels hinaufführten. Beide, Mutter und Tochter, waren fleißig bei der Arbeit, die der Herstellung eines aus Einzelquadraten zusammenzusetzenden Altarteppichs galt; ungezählte Wollsträhnen und Seidendocken lagen auf einem großen, runden Tisch bunt durcheinander, dazwischen, noch vom Lunch her, ein paar Dessertteller und eine mit großen schönen Stachelbeeren gefüllte Majolikaschale. Rasch und sicher ging die Wollnadel der Damen hin und her, aber während die Mutter kein Auge von der Arbeit ließ, legte die Tochter, die den Rufnamen Effi führte, von Zeit zu Zeit die Nadel nieder und erhob sich, um unter allerlei kunstgerechten Beugungen und Streckungen den ganzen Kursus der Heil- und Zimmergymnastik durchzumachen. Es war ersichtlich, daß sie sich diesen absichtlich ein wenig ins Komische gezogenen Übungen mit ganz besonderer Liebe hingab, und wenn sie dann so dastand und, langsam die Arme hebend, die Handflächen hoch über dem Kopf zusammenlegte, so sah auch wohl die Mama von ihrer Handarbeit auf, aber immer nur flüchtig und verstohlen, weil sie nicht zeigen wollte, wie entzückend sie ihr eigenes Kind finde, zu welcher Regung mütterlichen Stolzes sie voll berechtigt war. Effi trug ein blau und weiß gestreiftes, halb kittelartiges Leinwandkleid, dem erst ein fest zusammengezogener, bronzefarbener Ledergürtel die Taille gab; der Hals war frei, und über Schulter und Nacken fiel ein breiter Matrosenkragen. In allem, was sie tat, paarten sich Übermut und Grazie, während ihre lachenden braunen Augen eine große, natürliche Klugheit und viel Lebenslust und Herzensgüte verrieten. Man nannte sie die «Kleine», was sie sich nur gefallen lassen mußte, weil die schöne, schlanke Mama noch um eine Handbreit höher war.
Eben hatte sich Effi wieder erhoben, um abwechselnd nach links und rechts ihre turnerischen Drehungen zu machen, als die von ihrer Stickerei gerade wieder aufblickende Mama ihr zurief: «Effi, eigentlich hättest du doch wohl Kunstreiterin werden müssen. Immer am Trapez, immer Tochter der Luft. Ich glaube beinah, daß du so was möchtest.»
«Vielleicht, Mama. Aber wenn es so wäre, wer wäre schuld? Von wem hab ich es? Doch nur von dir. Oder meinst du, von Papa? Da mußt du nun selber lachen. Und dann, warum steckst du mich in diesen Hänger, in diesen Jungenskittel? Mitunter denk ich, ich komme noch wieder in kurze Kleider. Und wenn ich die erst wieder habe, dann knicks ich auch wieder wie ein Backfisch, und wenn dann die Rathenower herüberkommen, setze ich mich auf Oberst Goetzes Schoß und reite hopp, hopp. Warum auch nicht? Drei Viertel ist er Onkel und nur ein Viertel Courmacher. Du bist schuld. Warum kriege ich keine Staatskleider? Warum machst du keine Dame aus mir?»
«Möchtest du’s ?»
«Nein.» Und dabei lief sie auf die Mama zu und umarmte sie stürmisch und küßte sie.
«Nicht so wild, Effi, nicht so leidenschaftlich. Ich beunruhige mich immer, wenn ich dich so sehe...» Und die Mama schien ernstlich willens, in Äußerung ihrer Sorgen und Ängste fortzufahren. Aber sie kam nicht weit damit, weil in ebendiesem Augenblick drei junge Mädchen aus der kleinen, in der Kirchhofsmauer angebrachten Eisentür in den Garten eintraten und einen Kiesweg entlang auf das Rondell und die Sonnenuhr zuschritten. Alle drei grüßten mit ihren Sonnenschirmen zu Effi herüber und eilten dann auf Frau von Briest zu, um dieser die Hand zu küssen. Diese tat rasch ein paar Fragen und lud dann die Mädchen ein, ihnen oder doch wenigstens Effi auf eine halbe Stunde Gesellschaft zu leisten. «Ich habe ohnehin noch zu tun, und junges Volk ist am liebsten unter sich. Gehabt euch wohl.» Und dabei stieg sie die vom Garten in den Seitenflügel führende Steintreppe hinauf.
Und da war nun die Jugend wirklich allein.
Zwei der jungen Mädchen – kleine, rundliche Persönchen, zu deren krausem, rotblondem Haar ihre Sommersprossen und ihre gute Laune ganz vorzüglich paßten – waren Töchter des auf Hansa, Skandinavien und Fritz Reuter eingeschworenen Kantors Jahnke, der denn auch, unter Anlehnung an seinen mecklenburgischen Landsmann und Lieblingsdichter und nach dem Vorbilde von Mining und Lining, seinen eigenen Zwillingen die Namen Bertha und Hertha gegeben hatte. Die dritte junge Dame war Hulda Niemeyer, Pastor Niemeyers einziges Kind; sie war damenhafter als die beiden anderen, dafür aber langweilig und eingebildet, eine lymphatische Blondine, mit etwas vorspringenden, blöden Augen, die trotzdem beständig nach was zu suchen schienen, weshalb denn auch Klitzing von den Husaren gesagt hatte: «Sieht sie nicht aus, als erwarte sie jeden Augen­blick den Engel Gabriel?» Effi fand, daß der etwas kritische Klitzing nur zu sehr recht habe, vermied es aber trotzdem, einen Unterschied zwischen den drei Freundinnen zu machen. Am wenigsten war ihr in diesem Augenblick danach zu Sinn, und während sie die Arme auf den Tisch stemmte, sagte sie: «Diese langweilige Stickerei. Gott sei Dank, daß ihr da seid.»
«Aber deine Mama haben wir vertrieben», sagte Hulda.
«Nicht doch. Wie sie euch schon sagte, sie wäre doch gegangen; sie erwartet nämlich Besuch, einen alten Freund aus ihren Mädchentagen her, von dem ich euch nachher erzählen muß, eine Liebesgeschichte mit Held und Heldin und zuletzt mit Entsagung. Ihr werdet Augen machen und euch wundern. Übrigens habe ich Mamas alten Freund schon drüben in Schwantikow gesehen; er ist Landrat, gute Figur und sehr männlich.»
«Das ist die Hauptsache», sagte Hertha.
«Freilich ist das die Hauptsache, ‹Weiber weiblich, Männer männlich› – das ist, wie ihr wißt, einer von Papas Lieblingssätzen. Und nun helft mir erst Ordnung schaffen auf dem Tisch hier, sonst gibt es wieder eine Strafpredigt.»
Im Nu waren die Docken in den Korb gepackt, und als alle wieder saßen, sagte Hulda: «Nun aber, Effi, nun ist es Zeit, nun die Liebesgeschichte mit Entsagung. Oder ist es nicht so schlimm?»
«Eine Geschichte mit Entsagung ist nie schlimm. Aber ehe Hertha nicht von den Stachelbeeren genommen, eher kann ich nicht anfangen – sie läßt ja kein Auge davon. Übrigens nimm, soviel du willst, wir können ja hinterher neue pflücken; nur wirf die Schalen weit weg oder noch besser, lege sie hier auf die Zeitungsbeilage, wir machen dann eine Tüte daraus und schaffen alles beiseite. Mama kann es nicht leiden, wenn die Schlusen so überall herumliegen, und sagt immer, man könne dabei ausgleiten und ein Bein brechen.»
«Glaub ich nicht», sagte Hertha, während sie den Stachelbeeren fleißig zusprach.
«Ich auch nicht», bestätigte Effi. «Denkt doch mal nach, ich falle jeden Tag wenigstens zwei-, dreimal, und noch ist mir nichts gebrochen. Was ein richtiges Bein ist, das bricht nicht so leicht, meines gewiß nicht und deines auch nicht, Hertha. Was meinst du, Hulda?»
«Man soll sein Schicksal nicht versuchen; Hochmut kommt vor dem Fall.»
«Immer Gouvernante; du bist doch die geborene alte Jungfer.»
«Und hoffe mich doch noch zu verheiraten. Und vielleicht eher als du.»
«Meinetwegen. Denkst du, daß ich darauf warte? Das fehlte noch. Übrigens, ich kriege schon einen und vielleicht bald. Da ist mir nicht bange. Neulich erst hat mir der kleine Ventivegni von drüben gesagt: ‹Fräulein Effi, was gilt die Wette, wir sind hier noch in diesem Jahre zu Polterabend und Hochzeit.›»
«Und was sagtest du da?»
«‹Wohl möglich›, sagte ich, ‹wohl möglich; Hulda ist die älteste und kann sich jeden Tag verheiraten.› Aber er wollte davon nichts wissen und sagte: ‹Nein, bei einer anderen jungen Dame, die geradeso brünett ist, wie Fräulein Hulda blond ist.› Und dabei sah er mich ganz ernsthaft an... Aber ich komme vom Hundertsten aufs Tausendste und vergesse die Geschichte.»
«Ja, du brichst immer wieder ab; am Ende willst du nicht.»
«Oh, ich will schon, aber freilich, ich breche immer wieder ab, weil es alles ein bißchen sonderbar ist, ja beinah romantisch.»
«Aber du sagtest doch, er sei Landrat.»
«Allerdings, Landrat. Und er heißt Geert von Inn­stetten, Baron von Innstetten.»
Alle drei lachten.
[...]

Der Text ist entnommen aus: http://gutenberg.spiegel.de