Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №4/2009

Literatur

Klaus Schlesinger
Leben im Winter

Fortsetzung aus Nr. 03/2009

– Und Steckling, sagte er. Vielleicht nimmt Steckling dich mit.
– Ach, der, sagte der Krumme. Der doch nicht.
– Fritz, sagte er und drehte sich zu dem Krummen um, der auf seinem Bett saß, grau im Gesicht und verfallen.
– Fritz, sagte er und dachte: Das arme Schwein! und seufzte laut und war voller Nachsicht, zwang sich dann aber, seiner Stimme einen möglichst nachdrücklichen und endgültigen Ton zu geben.
– Fritz, sagte er, du mußt doch mal lernen, selbständig zu sein.

Er hatte gewartet, bis die Küchenfrau auf den Gong schlug, mit dem sie zum Frühstück gerufen wurden, alltags Punkt sieben, sonntags halb acht. Mittagessen für Durchgang A von zwölf bis halb eins, für Durchgang B von halb eins bis eins. Abendbrot ab sechs. Im Interesse eines zügigen Ablaufes bitten wir um Einhaltung der Essenszeiten, da ein Erscheinen außerhalb keine Berücksichtigung findet.
Um zehn nach sechs war er mit dem Einpacken fertig gewesen, hatte sich auf den Stuhl gesetzt und gewartet – der Krumme immer um ihn herum, weinerlich und mit diesen Hundeaugen: Wann kommste denn zurück? Warum nimmste den Koffer, nimm doch die Tasche. Willste nich doch mit in die Quelle?
Er hatte das, was er das Nötigste nannte, in den kleinen Koffer gepackt: bißchen reine Wäsche, Schlafanzug, ein Hemd zum Wechseln, alles ganz sorgfältig, wie wenn er es zum letzten Mal täte.
Der Krumme wackelte mit dem Kopf.
– Soll ich ein’ Tee kochen, Albert?
Der hat immer alles im Nachttisch, Tauchsieder, Zuckernapf, Teetopf. Und ganz hinten die goldene Büchse.
– Oder Bohnenkaffee?
Er machte eine unbestimmte Geste.
– Sei kein Frosch, Albert.
– Du willst dir wohl erwischen lassen. Aufm Zimmer.
– Wer solln komm, jetzt, um die Zeit?
Der Krumme ganz emsig, Wasser in den Topf, zwei Tassen, schön ausgewischt, zwei Löffel Kaffee, einen mit Zucker, und aus den Augenwinkeln immer einen Blick zu ihm hin. Wenn der Krumme nichts kann – Kaffee machen kann er.
So wie Anna Klöße machen konnte, und Martha grünen Salat.
– Ist doch gemütlich, Albert, sagte der Krumme, so mitm Topp Kaffee, und denn zusammsitzen.
Er nickte und blies auf den Kaffee.
– Is besser wie zu Haus alleine, oder? sagte der Krumme.
– Ja, sagte er. Alleine.
Der Krumme war ganz wach und gespannt.
– Steckling isn Fuchs, sagte er nach einer Weile. Der zieht dirs Fell über die Ohrn, ohne daß du was merkst.
– Steckling! sagte er abfällig.
– Doch, du, sagte der Krumme. Der hat Franzen mal die Rente abjeknöppt, bis aufn Zehner.
– Na, so schnell geht das nich, Fritze, sagte er.
– Ehrlich, sagte der Krumme, vor dem hab ick Schiß. Der läßt einen auch nich in Ruhe. Der kommt gleich an, du. Gleich ran an einen.
Der Krumme schüttelte den Kopf.
– Nee, du. Ich geh da nich hin!
– Mensch, Fritze, sagte er. Hau ihm doch eins in die Fresse, wenn der was will. Du hast doch noch was drauf!
Er winkelte den Arm an und ballte die Hand zur Faust.
– Ja, früher, sagte der Krumme.
– Das bißchen Puckel, sagte er und lachte aufmunternd.
Der Krumme schüttelte wieder den Kopf und sagte: Steckling und icke? – Nee, nee...
– Was heißt denn du, sagte er und beugte sich über den Tisch. Wir beide, Fritze, wir beide.
Der Krumme sah ihn unsicher an.
– Fritze, sagte er und lachte. Wenn der was will, ziehn wir ihm seine Vorhaut über die Ohrn.
Der Krumme verzog, nach einem ungläubigen Zögern, das Gesicht, sein knochiger Kopf begann zu wackeln und aus seinem Mund kam ein heiseres, knurrendes Geräusch, das, je länger es dauerte, zu einem tiefen raumfüllenden Lachen anschwoll.
– Der Steckling ... die Vorhaut! rief er. Mensch, Albert, du reißt vielleicht Dinger.
Jemand klopfte gegen die Wand. Eine Stimme im Nebenzimmer rief: Ruhe!
– Wenn man vom Deibel spricht, sagte Albert.
Der Krumme warf herausfordernd seinen Kopf herum, dämpfte dann aber sein Lachen und hielt den Arm vor den Mund, nur sein sehniger Körper zitterte noch eine Weile, bis er, erschöpft und atemlos, im Stuhl hing, mit knopfgroßen, von tausend Falten umrahmten Augen.

Fortsetzung folgt

Aus: Klaus Schlesinger: Leben im Winter.
Hinstorff, Rostock 1989. S. 6–17

Der Abdruck folgt dem Original von 1989 und entspricht damit nicht den heute gültigen Rechtschreibregelungen.

 

ver|fal|len <st. V.; ist>: a) baufällig werden u. allmählich zusammenfallen: das Bauwerk verfällt; er lässt sein Haus v.; ein verfallenes Gemäuer, Schloss; b) seine körperliche [u. geistige] Kraft verlieren: der Kranke verfällt zusehends; c) eine Epoche des Niedergangs durchmachen; sich auflösen: die Sitten verfallen; seine Autorität, das Römische Reich verfiel.

zü|gig <Adj.>: 1. schnell u. stetig, ohne Stockung: ein -es Tempo; z. fließender Verkehr; die Vorbereitungen gehen z. voran. 2. (schweiz.) zugkräftig: ein -es Schlagwort.

wa|ckeln <sw. V.>: 1. <hat> a) nicht fest auf etw. stehen, nicht fest sitzen [u. sich daher hin u. her bewegen]: der Tisch, Schrank, Stuhl wackelt; der Zaunpfahl wackelt; ihm wackelt ein Zahn, seine Zähne wackeln; Ü der Thron des Chefs wackelt (er droht seinen Posten zu verlieren); b) (ugs.) sich schwankend, zitternd, bebend hin u. her bewegen: die Gläser auf dem Tisch wackelten. 2. <hat> (ugs.) a) rütteln: an der Tür, am Zaun w.; b) mit etw. eine hin u. her gehende Bewegung ausführen, etw. in eine hin u. her gehende Bewegung versetzen: mit dem Kopf, mit den Ohren, mit den Hüften w. 3. (ugs.) sich mit unsicheren Bewegungen, schwankenden Schritten, watschelndem o. ä. Gang irgendwohin bewegen <ist>: der Alte ist über die Straße gewackelt. 4. (ugs.) wackelig sein <hat>: seine Stellung, sein Arbeitsplatz wackelt; die Firma wackelt (ist vom Bankrott bedroht).

jmdm. das Fell über die Ohren ziehen: salopp; jmdn. übervorteilen, betrügen.

ab|knöp|fen <sw. V.; hat>: (ugs.) jmdm., ohne dass er sich dagegen recht wehren, sträuben kann, einen Geldbetrag abnehmen: jmdm. beim Kartenspielen 5 Euro a.; du hast dir für den gebrauchten Wagen zu viel a. lassen.

drauf|ha|ben <unr. V.; hat> (ugs.): einstudiert, gelernt haben u. beherrschen, in seinem Repertoire haben: den Text, das Musikstück hat sie jetzt drauf; der neue Mitarbeiter hat wirklich was drauf (ist sehr fähig u. intelligent)!

an|win|keln <sw. V.; hat>: ein wenig winkeln, zu einem Winkel beugen, biegen: die Arme a.; leicht angewinkelte Ellbogen.