Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №11/2009

Aktuelles

Alexander Puschkin
Der Sargmacher

Sehn wir nicht Särge jedes Jahr
Wie welken Weltalls graue Haare?
Derschawin

Des Sargmachers Adrian Prochorow letztes Hab und Gut wurde auf den Leichenwagen gestapelt, und die zwei dürren Klepper schleppten sich zum viertenmal von der Basmannaja nach der Nikitskaja, denn nach dorthin zog der Sargmacher mitsamt seinem ganzen Hause um. Er schloß den Laden und begab sich, nachdem er zuvor an das Haus eine Bekanntmachung genagelt hatte, es wäre zu verkaufen oder zu vermieten, zu Fuß nach seiner neuen Behausung. Aber als er sich dem gelben kleinen Hause, das schon so lange seine Einbildung verlockt und das er schließlich für eine angemessene Summe erworben hatte, näherte, da fühlte der alte Sargmacher plötzlich nicht ohne Verwunderung, daß in seinem Herzen keine Freude war. Und als er gar die noch ungewohnte Schwelle überschritt und in seiner neuen Wohnung nichts als Wirrwarr vorfand, da seufzte er fast seinem verwitterten Häuschen nach, denn im Laufe von achtzehn Jahren hatte dort die allerstrengste Ordnung geherrscht; er begann auf seine zwei Töchter und die Bedienerin ihrer Saumseligkeit wegen zu schelten und legte selber mit Hand an. Die Ordnung war bald hergestellt; der Schrein mit den Heiligenbildern, der Geschirrschrank, Tisch, Sofa und Bett standen in den gehörigen Ecken des hinteren Zimmers; Küche aber und Wohnzimmer wurden von den Erzeugnissen des Hausherrn gefüllt: Särge in den mannigfaltigsten Farben und in jeder Größe, ebenso jedoch Schränke, voll von Trauerhüten, Trauergewändern und Fackeln. Über dem Haustor prangte ein Schild, auf dem ein Amor dargestellt war, in der Hand eine zur Erde gesenkte Fackel, die Unterschrift aber lautete: «Särge, einfache und angestrichene, werden hier verkauft und tapeziert, auch verliehen, und alte werden wieder neu hergerichtet.» Die Mädchen gingen in ihr Zimmer; Adrian aber schritt durch seine ganze Behausung, endlich nahm er am Fenster Platz und befahl, den Samowar aufzutragen.
Der aufgeklärte Leser weiß, daß sowohl Shakespeare wie auch Walter Scott ihre Totengräber als lustige und schelmische Menschen schilderten, um unsere Phantasie durch diesen Kontrast nur noch heftiger zu treffen. Wir jedoch wollen aus Respekt vor der Wahrheit ihrem Beispiel nicht folgen und sind gezwungen, zu bekennen, daß die Lebensart unseres Sargmachers seinem düsteren Gewerbe völlig entsprach. Adrian Prochorow war meistens finster und nachdenklich. Sein Schweigen unterbrach er eigentlich nur, um auf seine Töchter zu pochen, wenn er sah, daß sie untätig durchs Fenster auf die Vorübergehenden guckten, oder um für seine Erzeugnisse jenen, die das Unglück (oder auch zuweilen das Vergnügen) hatten, ihrer zu benötigen, gesalzene Preise abzufordern. Und so saß denn Adrian am Fenster und trank, wie es seine Gewohnheit war, die siebente Tasse Tee, ganz versunken in seine sorgenvollen Gedanken. Er dachte an den Platzregen, der, eine Woche war es her, alle Personen, die zur Beerdigung des verabschiedeten Brigadiers gekommen waren, noch vor dem Schlagbaum überrascht hatte. Viele Gewänder waren nachher eingeschrumpft, und viele Hüte hatten Krümmungen bekommen. Er sah unvermeidbare Ausgaben bevor, denn sein uralter Vorrat an Gewändern zu Leichenbegängnissen geriet allmählich in einen kläglichen Zustand. Freilich hoffte er, diesen Verlust durch die alte Kaufmannsfrau Trjuchina wieder hereinzubringen, denn diese lag bereits seit Jahresfrist im Sterben. Aber es war ein entferntes Stadtviertel, in dem die Trjuchina ihrem Ableben entgegensah, und Prochorow fürchtete, daß die Erben, entgegen ihrem Versprechen, zu lässig sein würden, ihn aus einer solchen Entfernung holen zu lassen, und daß sie am Ende mit einem näher wohnenden Lieferanten handelseins werden könnten.
Diese Gedanken wurden unversehens durch ein dreimaliges freimaurerisches Klopfen unterbrochen. «Wer da?» fragte der Sargmacher. Die Tür ging auf, und mit fröhlicher Miene trat ein Mann, dem man bereits auf den ersten Blick den deutschen Handwerker ansah, ins Zimmer und näherte sich dem Sargmacher. «Um Vergebung, mein werter Herr Nachbar», sagte er mit einer Aussprache des Russischen, die wir auch heute noch nicht, ohne lachen zu müssen, hören können. «Um Vergebung, daß ich Sie störe ... ich beeilte mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich bin ein Schuster meines Gewerbes und heiße Gottlieb Schulz, ich wohne auf der anderen Seite der Straße in jenem Häuschen, das Ihren Fenstern gerade gegenüberliegt. Und morgen, da feiere ich meine Silberhochzeit und wollte Sie und Ihre Töchter gebeten haben, bei mir Ihre Mittagsmahlzeit einzunehmen.» Diese Einladung wurde wohlwollend angenommen. Der Sargmacher forderte den Schuster auf, Platz zu nehmen und eine Tasse Tee zu trinken, und schon bald darauf war, dank Gottlieb Schulzens offenherzigem Wesen, ein freundschaftliches Gespräch im Gange. «Wie steht es mit dem Handel von Euer Liebden?» fragte Adrian. – «Hm», entgegnete Schulz, «soso, ich kann nicht klagen. Allerdings hält meine Ware keinen Vergleich mit der Ihrigen aus: der Lebende kann auf Stiefel verzichten, der Tote aber kann nicht ohne Sarg ableben.» – «Wahr, wahr», warf Adrian ein, «doch wenn der Lebende kein Geld hat, um sich Stiefel zu kaufen, dann ist das nicht zu ändern, dann geht er eben barfuß; der Tote aber, der nichts hat, der nimmt sich eben seinen Sarg ohne Bezahlung.» Und auf diese Weise setzte sich das Gespräch noch einige Zeit hindurch fort, bis endlich der Schuster aufstand und vom Sargmacher Abschied nahm, wobei er nicht versäumte, seine Einladung zu wiederholen.
Pünktlich um die zwölfte Stunde des anderen Tages schritten der Sargmacher und seine Töchter durch das Pförtchen des neuerworbenen Hauses und begaben sich zum Nachbarn. Aber weder gedenke ich hier Adrian Prochorows russischen Kaftan noch Akulinas und Darjas europäisierte Kleider zu beschreiben und weiche in diesem Falle von den zur Gewohnheit gewordenen Gepflogenheiten der gegenwärtigen Erzähler ab. Dennoch halte ich es nicht für überflüssig hinzuzufügen, daß die beiden Mädchen gelbe Hüte trugen und rote Schuhe angezogen hatten, was von ihnen nur bei besonders feierlichem Anlaß getan wurde.
Die enge Wohnung des Schusters war voller
Gäste, es waren zum größten Teile deutsche Handwerker, die ihre Frauen und ihre Gesellen mitgebracht hatten. Die russische Beamtenschaft war durch einen Polizeiwächter vertreten, den Finnländer Jurko, der, ungeachtet seiner bescheidenen Stellung, es dennoch verstanden hatte, das besondere Wohlwollen des Hausherrn zu erringen. Mit Treu und Glauben, wie jener Postillon des Pogorjelskij, versah er schon fünfundzwanzig Jahre lang seinen Posten. Als die Feuersbrunst des Jahres 1812 die Hauptstadt vernichtete, ging auch sein erbärmliches Hüttchen mit drauf. Aber als der Feind vertrieben worden war, erstand auf der gleichen Stelle ein neues Häuschen, grau, mit weißen Kolonnen im dorischen Stile, und ausgerüstet mit seiner «Hellebarde» und dem «Panzer aus Bauerntuch» schritt Jurko wiederum auf und ab davor. Die meisten Deutschen, die in der Nähe des Nikitatores wohnten, kannten ihn: manch einem von ihnen war es bereits zugestoßen, die Nacht vom Sonntag auf Montag bei Jurko verbringen zu müssen. Adrian schloß mit ihm, als mit einem Manne, den man früher oder später doch nötig haben würde, sogleich nähere Bekanntschaft und setzte sich, als die Gäste schließlich zu Tisch gebeten wurden, neben ihn. Herr und Frau Schulz und ihre Tochter, das siebzehnjährige Lottchen, speisten mit ihren Gästen am gleichen Tische, bewirteten sie eifrig und halfen gleichzeitig der Köchin auftragen. Bier floß in Strömen. Jurko aß für vier, und Adrian stand ihm in nichts nach, seine Töchter jedoch zierten sich; das in der Hauptsache deutsch geführte Gespräch wurde von Stunde zu Stunde geräuschvoller. Plötzlich bat der Hausherr um Aufmerksamkeit und rief, einer gut versiegelten Flasche den Hals brechend, laut und in russischer Sprache: «Auf die Gesundheit meiner guten Luise!» Der Halbchampagner schäumte. Zärtlich drückte der Hausherr einen Kuß auf das frische Gesicht seiner vierzigjährigen Freundin, und geräuschvoll tranken die Gäste auf die Gesundheit der guten Luise. «Auf die Gesundheit meiner lieben Gäste!» rief der Hausherr und öffnete die zweite Flasche – und die Gäste bedankten sich, indem sie aufs neue ihre Becher leerten. Und nun folgte eine Gesundheit der anderen; man trank auf das Wohl eines jeden einzelnen der Gäste, man trank auf das Wohl Moskaus und eines ganzen Dutzends deutscher Städtchen, man trank auf das Wohl sämtlicher Innungen im allgemeinen und einer jeden einzelnen im besonderen, und man trank auf die Meister und auf ihre Gesellen. Adrian trank mit großem Eifer und war schließlich so lustig geworden, daß er selber einen scherzhaften Trinkspruch ausbrachte. Zu guter Letzt schwenkte einer der Gäste, ein dicker Bäcker, seinen Becher und schrie: «Die Gesundheit derer, für die wir arbeiten, unserer Kundschaft!» Freudig und einmütig, wie alle zuvor, wurde auch dieser Vorschlag aufgenommen. Die Gäste verbeugten sich voreinander, der Schneider vor dem Schuster, der Schuster vor dem Schneider, der Bäcker vor beiden, und alle anderen vor dem Bäcker, und so ging es weiter. Und durch den Wirbel dieser allgemeinen Verbeugungen schrie Jurko, sich zu seinem Nachbarn wendend: «Nun, und du? Trink, Väterchen, auf die Gesundheit deiner Toten!» Die anderen brachen in ein Gelächter aus, aber der Sargmacher, der sich für gekränkt hielt, runzelte die Brauen. Allein niemand bemerkte es, die Gäste fuhren fort zu zechen, und erst als die Abendglocken zu läuten begannen, erhob man sich vom Tisch.
Es war schon spät, als die Gäste gingen; die meisten von ihnen waren angeheitert. Jurko wurde von dem dicken Bäcker und einem Buchbinder, dessen Antlitz rötlich wie ein Saffianeinband glühte, unter den Armen gefaßt und zu seinem Häuschen geschleppt, wobei sie in diesem Falle die Weisheit des russischen Sprichwortes befolgten: Schulden werden schön, wenn man sie zahlt. Betrunken und ärgerlich kam der Sargmacher nach Hause. «Was soll das, wahrhaftig?» sprach er laut. «Worin ist mein Gewerbe weniger ehrenhaft als das der anderen? Oder ist der Sargmacher etwa ein Bruder des Henkers? Worüber lachten die Heiden? Es war meine Absicht, sie zur Einweihung der neuen Wohnung einzuladen und ein großes Gelage zu veranstalten, aber nichts dergleichen jetzt! Ich will die einladen, für die ich arbeite: die rechtgläubigen Toten will ich einladen.» – «Was soll das, Väterchen?» unterbrach ihn die Bedienerin, die ihm derweilen die Stiefel auszog. «Was schwatzest du da? Bekreuzige dich! Tote zur Einweihung der neuen Wohnung zu laden! Hat man so was gehört!» – «So wahr mir Gott helfe, ich will sie einladen», fuhr Adrian fort, «und zwar schon auf morgen. Erweist mir die Ehre, meine Wohltäter, und kommt morgen mich besuchen; ich will euch vorsetzen, was Gott beschert hat.» Nachdem er diese Worte gesprochen, warf sich der Sargmacher auf sein Bett und schnarchte bald darauf.
Draußen war es noch stockdunkel, da wurde Adrian bereits wieder geweckt. Die Kaufmannsfrau Trjuchina war in der Nacht gestorben, und ein Eilbote ihres Verwalters überbrachte Adrian diese Nachricht. Der Sargmacher gab ihm ein Zehnkopekenstück als Trinkgeld, zog sich in aller Eile an, nahm eine Droschke und begab sich dorthin. Vor dem Tore hielt die Polizei Wache, und wie Krähen, die einen Leichnam spüren, schritten Händler auf und ab davor. Gelb wie Wachs, wenn auch noch nicht von der Verwesung verunstaltet, lag der Körper der Verstorbenen auf einem Tisch aufgebahrt. Die Verwandten, die Nachbarn und das Gesinde scharten sich im Kreise. Alle Fenster waren geöffnet, Kerzen flackerten, und Priester sprachen ihre Gebete. Adrian näherte sich dem Neffen der Trjuchina, einem jungen Kaufmann in einem eleganten Gehrock nach der Mode, und benachrichtigte ihn, daß der Sarg, die Kerzen, der Überzug und all die anderen zum Leichenbegängnis notwendigen Gegenstände von ihm sogleich, und zwar mit der peinlichsten Genauigkeit, herbeigeschafft werden würden. Der Erbe dankte ihm ein wenig zerstreut und warf hin, daß er wegen des Preises nicht feilschen wolle, sondern daß er sich in allem auf seine Rechtschaffenheit verlasse. Der Sargmacher rief daraufhin, wie er dies immer tat, Gott zum Zeugen an, daß er nichts Überflüssiges berechnen werde, tauschte aber gleichzeitig einen bedeutungsvollen Blick mit dem Verwalter und eilte dann fort, alles zu besorgen. Der ganze Tag verging, indem er rastlos von jenem Stadtteil zur Nikitapforte hin und her fuhr, gegen Abend aber war endlich alles erledigt, und er begab sich, nachdem er den Kutscher bezahlt, zu Fuß nach Hause. Die Nacht war mondhell. Ungefährdet erreichte der Sargmacher das Nikitator. An der Himmelfahrtskirche rief ihn der uns bereits bekannte Jurko an, aber als er den Sargmacher erkannte, wünschte er ihm nur eine geruhsame Nacht. Es war schon ziemlich spät. Der Sargmacher näherte sich bereits seinem Hause, da war ihm plötzlich, als sähe er jemand durch das Tor treten, die Türe öffnen und im Innern verschwinden. «Was soll denn das nun wieder?» überlegte Adrian. «Hat schon wieder jemand etwas von mir nötig? Oder schlich sich ein Dieb ein? Oder am Ende Galane, die sich zu meinen Närrinnen stehlen? Jedenfalls nichts Gutes!» Und schon wollte der Sargmacher seinen Freund Jurko zu Hilfe rufen. Aber in dem Augenblick näherte sich wieder einer dem Tor und schickte sich an hineinzugehen, blieb jedoch, als er den herbeieilenden Hausherrn wahrnahm, stehen und lüftete den Dreispitz. Das Gesicht kam Adrian bekannt vor, obwohl er in seiner Hast unterließ, sich die Züge genauer anzusehen. «Sie geruhten, mich aufzusuchen», stieß Adrian noch atemlos hervor, «erweisen Sie mir doch die Ehre und treten Sie näher.» – «Keine Umstände, mein Väterchen», erwiderte jener dumpf. «Geh nur voran und zeige den Gästen den Weg!» Adrian hatte auch gar nicht die Absicht, Umstände zu machen. Die Tür stand offen, er schritt die paar Stufen hinan, und jener folgte ihm. Adrian schien es dabei, als höre er Menschen in seiner Wohnung auf und ab gehen. Was für ein Teufelsspuk! dachte er und beeilte sich einzutreten ... aber da versagten ihm die Beine den Dienst. Das Zimmer war voll von Toten. Der Mond schien durch Fenster auf gelbe und bläuliche Gesichter, er zeigte klaffende Münder, gebrochene Augen und spitzige Nasen... Und mit Entsetzen erkannte Adrian eben jene in ihnen, die vermittels seiner Bemühungen beerdigt worden waren; der Gast aber, der mit ihm gleichzeitig eingetreten, war jener Brigadier, der während des Platzregens bestattet worden war. Mit Verbeugungen und Begrüßungen umringten sie alle, Frauen sowohl wie Männer, den Sargmacher, und nur ein Allerärmster, der kürzlich umsonst beerdigt worden war, stand zerknirscht und sich seines Hemdes schämend, demütig in einer Ecke und näherte sich nicht. Die anderen waren alle mit großem Anstand gekleidet: die Frauenleichname trugen Häubchen und Bänder, die verstorbenen Beamten hatten ihre Uniform an, freilich waren ihre Bärte ungepflegt, die toten Kaufleute aber wandelten in ihren Feiertagskaftanen. «Siehst du, Prochorow», redete ihn der Brigadier im Namen der ganzen respektablen Gesellschaft an, «auf deine Einladung hin sind wir alle gekommen, und nur die sind zu Hause geblieben, die schon gar nicht mehr konnten, die schon ganz und gar zerfallen sind, und jene, die nur noch aus Gerippe ohne Haut bestehen; aber auch von diesen wollte einer nicht still halten – so sehr verlangte es ihn danach, bei dir zu sein...» Und in diesem Augenblick drängte sich ein kleines Skelett durch die Schar und näherte sich Adrian. Sein Schädel grinste den Sargmacher liebenswürdig an. Fetzen hellgrünen und roten Tuches und morscher Leinwand baumelten an ihm wie an einem Gerüst, und die Beinknochen schlotterten in den viel zu weiten Stulpenstiefeln wie eine Keule im Mörser. «Du erkennst mich nicht mehr, Prochorow», sagte das Skelett. «Aber erinnerst du dich nicht an den verabschiedeten Gardesergeanten Pjotr Petrowitsch Kurilkin, an jenen, dem du noch im 1799er Jahre deinen ersten Sarg verkauftest – und dazu noch einen aus Fichtenholz statt aus Eiche?» Und mit diesen Worten wollte ihn der Tote in seine knöcherne Umarmung schließen, aber da nahm Adrian all seine Kraft zusammen, schrie auf und stieß ihn fort. Pjotr Petrowitsch taumelte, fiel und war auf einmal ganz und gar zerfallen. Ein unwilliges Gemurmel erhob sich unter den Toten; alle traten für die Ehre ihres Kameraden ein und rückten Adrian mit Scheltworten und Drohungen zu Leibe, der arme Hausherr aber, betäubt von ihrem Schreien und fast zerquetscht, war wie von Sinnen, fiel über die Knochen des verabschiedeten Gardesergeanten und verlor das Bewußtsein.
Die Sonne schien schon lange auf das Bett, in dem unser Sargmacher lag. Endlich öffnete er die Augen und erblickte die Bedienerin vor sich, die damit beschäftigt war, den Samowar anzufachen. Voller Grauen gedachte Adrian der gestrigen Erlebnisse. Dunkel kam ihm die Erinnerung an die Trjuchina, an den Brigadier und an Kurilkin, den Sergeanten. Er schwieg und wartete darauf, daß die Bedienerin zu sprechen anfange und ihm von den Folgen des nächtlichen Abenteuers erzähle.
«Väterchen Adrian Prochorowitsch, du hast dich aber verschlafen», sagte Axinja und reichte ihm seinen Schlafrock. «Der Nachbar, der Schneider, kam vorüber, und der Polizeiwächter kam mit der Nachricht, daß heute der Namenstag des Revieraufsehers sei, aber du schliefst in einem fort, und wir wollten dich nicht wecken.»
«Und von der verstorbenen Trjuchina, ist da jemand gekommen?»
«Von der verstorbenen? Ja, ist sie denn gestorben?»
«Närrin! Als ob nicht du mir gestern geholfen hättest, alles zu ihrer Beerdigung vorzubereiten?»
«Was soll denn das, Väterchen, hast du wohl gar den Verstand verloren, oder ist der gestrige Rausch immer noch nicht vergangen? Was für eine Beerdigung war denn gestern? Den ganzen Tag über zechtest du bei dem Deutschen, kamst betrunken nach Hause und fielst geradezu ins Bett und hast bis zu dieser Stunde durchgeschlafen, da doch schon die Glocken das Ende des Mittagsgottesdienstes geläutet haben.»
«Was du nicht sagst!» meinte erfreut der Sargmacher.
«Freilich, freilich», entgegnete die Bedienerin.
«Nun, wenn sich das so verhält, dann schneller her mit dem Tee und ruf meine Töchter.»

Aus dem Russischen übertragen
von Johannes von Guenther.

Fortsetzung folgt

Der Text ist entnommen aus:
A. Puschkin: Ausgewählte Werke. Bd. 3.
Aufbau-Verlag, Berlin 1949.