Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №1/2007

Wissenschaft und Technik

Krank ohne Rhythmus

Schlaf allein reicht nicht: Die biologische Uhr will ihn nachts, sonst schaden wir unserem Körper. In einer fast zeitlosen Gesellschaft kann das böse Folgen haben. Ein Bericht vom europäischen Wissenschaftsforum in München

Nehmen wir Maria. Maria wohnt in Berlin, und normalerweise würde sie morgens um zehn Uhr aufstehen. Wenn sie dürfte. Doch ihr Büro kooperiert mit Moskau, da ist es um zehn schon Mittag, und deswegen muss Maria jeden morgen früh raus. Sie findet das normal, auch wenn’s jeden Tag eine Qual ist. Andere müssen das auch.

Manchen Forscher graben sich die Sorgenfalten in die Stirn, wenn sie diesen Lebenswandel betrachten. Denn Maria lebt gegen ihre biologische Uhr und damit gegen einen 24-Stunden-Rhythmus, den die Natur ihr unerbittlich aufgezwungen hat. «Zirkadiane Uhren kontrollieren das Leben aller Lebewesen – auch wenn der Mensch immer glaubt, er stehe darüber», sagt Till Roenneberg von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Und Martha Merrow von der Universität im holländischen Groningen ergänzt: «Diese Uhr ist ubiquitär und sie ist uns angeboren. Sie dominiert alles: unsere Gene wie unsere Eiweiße, die Einzeller wie die Menschen.»

Aber lassen wir uns auch dominieren? Roenneberg hat 40 000 Menschen aus Deutschland und anderen mitteleuropäischen Ländern in einer großen Studie auf ihre «zirkadianen Gewohnheiten» befragt: Wann gehen die Menschen am liebsten ins Bett, wann können sie problemlos aufstehen, wann müssen sie aufstehen und wie viel Zeit verbringen sie im Licht? Roenneberg fand heraus, dass es zwar verschiedene Typen gibt – die klassischen «early birds» und Nachteulen. Insgesamt jedoch haben alle einen 24-Stunden-Rhythmus, der sich an den Wechsel von Tag und Nacht hält, sich in den optimalen Schlafenszeiten aber immer etwas unterscheidet.

Rund die Hälfte der Mitteleuropäer hat der Studie zufolge deshalb auch ein Problem wie Maria: Die Menschen leiden unter einem dauerhaften Jetlag. Nicht etwa, weil jeder Zweite hierzulande ständig nach Übersee fliegen würde, sondern – viel einfacher – weil wir zu den falschen Zeiten arbeiten müssen. Zu früh. Zu spät. Nicht so, wie unser Körper es will. Sondern so, wie der Arbeitgeber oder die Schule es vorschreibt.

Die Folgen fassen die Forscher als «sozialen Jetlag» zusammen – und sie lassen sich an Roennebergs epidemiologischen Daten eindrucksvoll belegen. «Was wir da herausgefunden haben, ist wirklich überraschend.» Von jenen Menschen, die im Einklang mit ihrer biologischen Uhr lebten, rauchten beispielsweise zehn Prozent. Wer seiner inneren Uhr vier Stunden hinterherhinkte oder vorauseilte, schien das Nikotin dagegen deutlich nötiger zu haben: Rund zwei Drittel dieser Menschen griffen zur Zigarette. «Der Zusammenhang ist nicht zwangsläufig kausal», kommentiert Roenneberg, «aber es gibt ein erhöhtes Risiko.» Und das gilt nicht nur fürs Rauchen.

«Wir wissen, dass Schichtarbeiter ein um 40 Prozent erhöhtes Risiko für die koronare Herzkrankheit haben», sagt der Mediziner Russell Foster vom Imperial College in London. Auch das Krebsrisiko sei erhöht. Forster selbst hat die Schlafrhythmen von Schizophreniepatienten untersucht und festgestellt, dass sie quasi komplett von der inneren Uhr entkoppelt sind: Seine Patienten gingen im Morgengrauen ins Bett und schliefen bis zum Nachmittag. Seine Untersuchungen legen nahe, dass auch der soziale Jetlag Folgen für die Psyche haben kann.

Verschärft werde das Problem laut Roenneberg noch dadurch, dass wir unser Leben hauptsächlich innerhalb von Gebäuden verbrächten – fern von natürlichem Licht und arm an Impulsen für unsere biologische Uhr, die zusätzlich aus dem Ruder geworfen wird. Zwar gibt es auch in Büros künstliche Lichtquellen, doch: «Der Unterschied in der Lichtintensität ist unfassbar groß. Da haben sie 100 Lux, vielleicht, und draußen wären es selbst an einem Regentag noch 10 000 Lux», sagt Roenneberg.

Doch was tun gegen die schädliche Zeitverschiebung? An einfachen Ideen mangelt es den Forschern nicht: «Es wäre zum Beispiel sehr sinnvoll, wenn Kinder erst um zehn Uhr morgens zur Schule gingen», sagt Martha Merrow. Gerade in jungen Jahren seien die meisten Menschen Nachteulen, die erst später am Morgen in der Lage sind, ihre volle Aktivität zu entfalten. In Betrieben sei Roenneberg zufolge leicht feststellbar, welcher Mitarbeiter zu welcher Uhrzeit am besten arbeiten könne – und entsprechend sollte er dann auch arbeiten. Martha Merrow nennt diese Welt des persönlichen Optimums allerdings nicht umsonst eine «Utopie».

Der Text stammt aus:

http://www.teachersnews.net/te68/index.nsf/url/CF8338013E6C29F3C125722800378B14?OpenDocument