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Methodisches

Leben aktiv gestalten – Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen*

Hans Ulrich Nordhaus, DGB Bundesvorstand, Abteilung Bildung und Qualifizierung

Für die Verbesserung der Berufsorientierung an allgemein bildenden Schulen ist es notwendig, folgende Punkte herauszuarbeiten:

1. Junge Menschen auf Veränderungsprozesse vorbereiten.

2. Berufsorientierung muss frühzeitig in der Schule beginnen.

3. Der Dialog zwischen Schule und Arbeitswelt.

«Sie sind jung und zielorientiert?
Stark in der Kommunikation?
Flexibel und mobil?
Sie haben Interesse am neuen Markt!?
Gut! Wir suchen Sie!»

So oder vielleicht etwas anders als bei dieser Stellenausschreibung nach einem Internet-Hunter werden die Arbeitskräfte von heute und morgen gesucht.

Der Mütter- und Vätergeneration ging es da vielleicht etwas besser. Ich komme aus der Region des Ruhrgebietes in Deutschland. Und vor ein bis zwei Generationen war es noch so, dass man bei den Großkonzernen mit 14 Jahren einen Ausbildungs- und späteren Arbeitsplatz fand, diesen über das gesamte Erwerbsleben ausübte und dann mit 60 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand ging.

Rechnen, Lesen und Schreiben waren notwendig. Gelernt wurde in den Volksschulen. Rund 80% der Lernenden besuchten gemeinsam diese Schule bis zur achten Klasse. Nur wenige gingen zur Realschule oder zum Gymnasium. Bildung war teuer.

Mann oder Frau heiratete in der Nachbarschaft, die Kinder gingen vor Ort in die Schule, ein geregeltes Vereinsleben herrschte vor. Nachbarschaftsbeziehungen dauerten ein Leben lang. Vielleicht nur eine beispielhafte Darstellung.

Vielleicht auch aus heutiger Sicht etwas eintönig. Und selbstbestimmtes Arbeiten war nur für die wenigsten Menschen die Regel. Aber die Menschen hatten einen Halt.

Heute hat sich die Situation geändert. Nicht nur in Deutschland. International werden gut ausgebildete Menschen gesucht. Höchste Qualifikation ist erforderlich, um einen Arbeitsplatz zu erlangen.

1. Junge Menschen auf Veränderungsprozesse vorbereiten

Arbeits- und Lebenswelt ändern sich dramatisch. Treffen aktuelle Prognosen zu, werden schon im nächsten Jahrzehnt vier Fünftel der Arbeit aus Tätigkeiten bestehen, bei denen Daten Rohstoff, Werkzeug und Produkt sind. Neue Arbeitsplätze in der Wissens- und Informationsgesellschaft werden vor allem im Bereich Dienstleistungen entstehen: Beraten, Informieren, Entwickeln, Organisieren und Vernetzen. Schon heute arbeiten hier 45% aller Erwerbstätigen. Einmal erlerntes «Vorratswissen» veraltet angesichts des rasanten technologischen und wirtschaftlichen Fortschritts immer schneller.

Vielen Jugendlichen wird angst und bange angesichts der dynamischen Veränderungen in der Arbeitswelt. Die Suche nach einem Arbeitsplatz ist für viele schon eine große Herausforderung. War damit früher der Berufsweg vorgezeichnet, heißt es heute: lebensbegleitende Weiterqualifizierung und flexible Anpassung an neue Anforderungen. Sehr viel stärker als noch vor einer Generation werden Jugendliche in die Verantwortung genommen für ihren Berufsstart, ihre soziale Absicherung und ihre Altersvorsorge.

Junge Menschen finden sich immer häufiger in einem unberechenbaren Spannungsfeld:

Wer hier ernsthaft die Absicht hat, junge Menschen für eine aktive Gestaltung ihres Lebens zu begeistern, wer eine wache und lebendige Arbeitswelt und Demokratie wünscht, der muss Wege aufzeigen und wirkliche Beteiligung ermöglichen. Wer ihnen zeigen will, dass Veränderungen möglich und nötig sind, dass Engagement sinnvoll und unverzichtbar, aber auch mit Rückschlägen verbunden ist, der kann Jugendliche nicht ernsthaft auf die Chancen ihrer «erwachsenen Zukunft» vertrösten.

Berufsorientierung muss deshalb einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Schülerinnen und Schüler auf den Weg in eine sich ständig verändernde Arbeits- und Lebenswelt vorzubereiten. Gleichzeitig muss vermittelt werden, dass die Zukunft von Arbeitswelt und Gesellschaft durch die aktive Teilnahme jedes Einzelnen wandelbar und gestaltbar ist. Was ich damit zum Ausdruck bringen möchte, lässt sich vielleicht an folgender Textpassage deuten, die ich in einem Schulbuch meines Sohnes gefunden habe:

Als mein Vater mich zum ersten Mal fragte, was ich mal werden will, sagte ich nach kurzer Denkpause: «Ich möchte mal glücklich werden.» Da sah mein Vater sehr unglücklich aus; aber dann bin ich doch etwas anderes geworden, und alle waren mit mir zufrieden.

Wie können Chancen des ökonomischen und gesellschaftlichen Wandels genutzt, Risiken und Konflikte bewältigt werden?

Die Antwort führt zu einer Berufsorientierung, die sich längst nicht mehr allein auf die Information über Berufsbilder beschränkt, sondern die Informationen über Veränderungsprozesse in Arbeitswelt und Gesellschaft aufgreift. Aufgrund der generellen Bedeutung der Arbeit für die Persönlichkeitsentfaltung und für die Integration des Einzelnen in die Gesellschaft kommt der erfolgreichen Eingliederung der Jugendlichen in das Beschäftigungssystem eine Schlüsselrolle zu.

Erwerbsarbeit soll vielfältige, unterschiedlich bewertete Erwartungen erfüllen: materielle Basis für eine selbstverantwortliche Lebensführung, interessante und verantwortungsvolle Tätigkeiten, Herausforderung und Weiterentwicklung der persönlichen Fähigkeiten, materielle und soziale Anerkennung der beruflichen Leistung, beruflicher und sozialer Aufstieg, soziale Kontakte und vielfältige, auch über den unmittelbaren beruflichen Tätigkeitsbereich hinausgehende Anregungen, Einsichten und gesellschaftliche Anerkennung.

In allen Industriegesellschaften findet gegenwärtig ein gravierender technologischer, wirtschaftlicher und sozialer Strukturwandel statt. Dieser Wandel verändert auch die individuellen und gesellschaftlichen Erfahrungen von Arbeit, beschleunigt durch den umfassenden Einsatz der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Mit der Informatisierung der Arbeit deutet sich das Risiko einer beschleunigten Individualisierung in der Gesellschaft an. In flexibleren Arbeitszeitregelungen, der Auflösung von Regelarbeitszeiten in Betrieben und vielfältigen, zum Teil ungesicherten Arbeitsverhältnissen kommt die Individualisierung von Arbeit zum Ausdruck – mit einschneidenden Auswirkungen auf die kollektive Interessenvertretung und die Mitgestaltung von Arbeitsorganisation durch die Beschäftigten. Bezogen auf die Arbeitsorganisation beginnt die bisher in vielen Wirtschaftsbereichen dominierende hochgradige Arbeitsteilung aufzubrechen mit einer Tendenz, stärker ganzheitliche und integrierte Arbeitsprozesse zu realisieren. Im Produktionsbereich geht die direkt produktionsbezogene Herstellungsarbeit zurück, stattdessen nehmen indirekt planende, steuernde und kontrollierende Arbeiten zur Systembetreuung zu.

Im Dienstleistungsbereich entstehen Arbeitstätigkeiten, die durch eine höhere Komplexität, die Erweiterung der Aufgaben zu komplizierten Sachverhalten gekennzeichnet sind. Die Hauptqualifikation für eine Gestaltung solcher Arbeitssituationen ist die Fähigkeit zum strategischen Umgang mit Informationen. Dies setzt gute Fachkenntnisse, analytische Fähigkeiten, intellektuelle Flexibilität und gute kommunikative Kompetenzen voraus.

Ausbildung und Arbeit wird deshalb von Jugendlichen – neben Partnerwahl und Familiengründung – als entscheidender Schritt für ihr Erwachsenwerden betrachtet. Im Leben des einzelnen Menschen bildet die Erwerbstätigkeit den Rahmen für die Gestaltung eines großen Teils der Lebenszeit. Die Mehrheit der Bevölkerung bestreitet ihren Lebensunterhalt aus dem Einkommen für abhängige Erwerbsarbeit. Wegen der seit Jahren bestehenden Massenarbeitslosigkeit sorgen sich die Menschen um ihre Arbeits- und Ausbildungsplätze.

Arbeitslosigkeit, gerade auch unter Jugendlichen, bleibt auf absehbare Zeit ein zentrales Problem unserer Gesellschaft. Vor allem weniger qualifizierte Jugendliche mit schlechten oder niedrigeren Bildungsabschlüssen sind betroffen. Auf dem Arbeitsmarkt werden für einfache Tätigkeiten immer weniger Arbeitsplätze angeboten. Ungelernte Arbeitskräfte sind deshalb besonders stark betroffen, weil auch die einfachen Tätigkeiten zu einem Drittel bereits von Absolventinnen und Absolventen mit beruflichem Abschluss übernommen werden. Das gilt für die Produktion ebenso wie für die primären Dienstleistungen, die direkt mit der Warenproduktion verbunden sind. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Fachkräften mittlerer Qualifikation in allen produzierenden Branchen.

Die Erwerbsarbeit ist und bleibt die wichtigste Quelle der Existenzsicherung. Dennoch: Mit steigender Produktivität ohne wachsende Absatzmöglichkeiten für die Produkte verringert sich der Anteil bezahlter Erwerbsarbeit in der Gesellschaft. Für die Menschen verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit, Nicht-Erwerbsarbeit und Freizeit.

Im Betrieb, aber auch in der Familie entwickeln sich neue anspruchsvolle und zum Teil irritierende Sozialisationsbedingungen für Heranwachsende. Jugendliche sind daher längst nicht mehr bereit, unreflektiert die Werthaltungen der Elterngeneration zu übernehmen.

Flexible Arbeitsverhältnisse jenseits des sozial abgesicherten Normalarbeitsvertrages entstehen – zum Teil unsichere Arbeitsverhältnisse oder Formen der Selbstständigkeit. Gerade in diese Bereiche versuchen sich auch oft Jugendliche und junge Erwachsene einzubringen, mit dem Ziel, eine sinnhafte Arbeit auszuüben und befriedigende Kommunikations- und Sozialbeziehungen aufzubauen.

Bildung ist heute eine strategische Größe: Nur mit guten Qualifikationen haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Dauer eine Chance auf einen Arbeitsplatz und berufliches Fortkommen. Sie müssen dafür die notwendigen Entscheidungskompetenzen erwerben. Jugendliche müssen schon in der Schule Schlüsselqualifikationen erwerben, die im Berufsleben wichtig sind. Ein modernes Bildungssystem muss dem ebenso gerecht werden, wie der Tatsache, dass sich die Qualifikationen in raschem Tempo verändern.

Und ebenso gilt: Die Probleme der Arbeitswelt und des Arbeitsmarktes sind vielschichtig. Wer den Eindruck erweckt, es gäbe Patentrezepte, der ist nicht ernst zu nehmen. Einen Königsweg wird es auch in Zukunft nicht geben.

In einer Gesellschaft, in der die institutionellen «Geländer der Lebensführung» immer weniger verlässlich biografische Planungen stützen können und Verläufe in mögliche Zukünfte tendenziell unkalkulierbar werden, ist Bildung die entscheidende und grundlegende Ressource der beruflichen und alltäglichen Lebensbewältigung. Die Möglichkeit, seine eigene Karriere zu gestalten, sozusagen Unternehmer seiner eigenen Arbeitskraft zu werden, hängt von einer Vielzahl von Bedingungen ab.

Entscheidend dürften allerdings die Bildungsvoraussetzungen sein, die die Optionen für Lebensplanung und Lebensführung ermöglichen:

2. Berufsorientierung muss frühzeitig in der Schule beginnen

Berufsorientierung ist mehr als Anpassungsqualifizierung für die Belange der Wirtschaft. Als letzte verbliebene gesellschaftliche Einrichtung, die alle jungen Menschen erreicht, hat Schule zudem eine wichtige Funktion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In einer Gesellschaft, die den Anspruch erhebt, die Gestaltung ihrer Lebensbereiche demokratisch zu legitimieren, hat Schule die Aufgabe, Einsicht in die sozialen, ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen zu geben. Jugendliche müssen darauf vorbereitet werden, an den Entscheidungen über die künftige Gestaltung der Gesellschaft mitzuwirken. Schulen können helfen, die Standards und Werte unserer Gesellschaft zu verbessern, damit Menschen nicht auf ihre ökonomische Verwertbarkeit reduziert werden. Dies schließt die Fähigkeit junger Menschen ein, die eigene Arbeitskraft selbstbestimmt «so teuer wie möglich» zu verkaufen.

In dieser Situation werden Schulen gebraucht, die Chancengleichheit und eine fundierte Bildung anstreben, damit alle jungen Menschen entsprechend ihrem «Lerntyp» ihre Talente und Potenziale entwickeln können. Es werden Schulen gebraucht, die es der jungen Generation ermöglichen, gleichermaßen konkurrenz- und solidaritätsfähig zu werden.

Arbeitsbezogene technische und ökonomische Inhalte stellen in diesem Zusammenhang zentrale Themen allgemeiner Bildung dar, mithilfe derer Heranwachsende auf das zukünftige gesellschaftliche Leben am Arbeitsplatz und anderen Orten vorbereitet werden. Veränderungen und Verschiebungen in der Arbeitswelt müssen von der Schule wahrgenommen werden. Lehrerinnen und Lehrer müssen ihre pädagogische Kompetenz dafür einsetzen, dass Schülerinnen und Schüler in der Berufsorientierung und späteren Berufswahl bewusste Entscheidungen treffen können.

Dieses Bewusstsein sollte sich auf die Unterstützung des Selbstwertgefühls und des Selbstbewusstseins beziehen, in dem die Schüler gestärkt werden, die Ausbildung anzustreben, die ihren Begabungen und Interessen entspricht und nicht zu früh Abstriche zu machen, nur weil der Markt sie in die Schranken weist.

Die eine große Hauptaufgabe von Schulen ist es, Schülerinnen und Schüler bei der Berufsorientierung und bei der Berufseinmündung zu unterstützen. Nicht als Ersatz des Arbeitsamtes, aber durchaus in Kooperation mit dem Arbeitsamt und in ganz enger Kooperation mit den Betrieben. Deshalb muss auch gefragt werden, ob es nicht zu spät ist, wenn die Kooperation erst bei Jugendlichen mit 14 oder 15 Jahren beginnt.

Der berufsorientierende Unterricht muss die herausragende Bedeutung der Erwerbsarbeit für die Persönlichkeitsentwicklung zum Inhalt haben. Schülerinnen und Schüler müssen Kenntnis über die Handlungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten zur Realisierung ihrer Lebenspläne im Beschäftigungssystem und für dessen Mitgestaltung erhalten. Sie sollen darüber hinaus Einsichten über die Möglichkeiten einer eigenverantwortlichen, sachkundigen und persönlichkeitsbezogenen Entscheidung für eine Ausbildung oder ein Studium und die folgende berufliche Laufbahn erwerben. Letztendlich gilt es, die politische Gestaltung des Wirtschafts- und Beschäftigungssystems und der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu verstehen.

In der Berufsorientierung sind deshalb folgende Leitfragen zu beantworten:

Wie gestaltet sich die Arbeitswelt praktisch? (Welche Anforderungen sind zu erwarten, welche Mitwirkung am Arbeitsplatz ist möglich und nötig, welche Chancen bestehen, eigene Ideen einzubringen?)

Mit welchem Know-how, mit welchen Techniken wird heute in Produktion und Dienstleistung gearbeitet? (Welchen Stellenwert nimmt dabei Kommunikation, Medienkompetenz, Wissenserschließung, Wissenstransfer und soziale Kompetenz ein?)

Was ist das Ziel der Wirtschaft? (Welche Kräfte stehen sich gegenüber? Welchen Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten folgt der Markt, wo sind und wo müssen Grenzen gesetzt werden? Welche Wege stehen dazu zur Verfügung?)

Welche Rolle spielt der Mensch im Markt als Verbraucher? (Welche Wirkungen zeigt sein Marktverhalten? Welche Kompetenz ist erforderlich und welche Rechte stehen zur Verfügung?)

Welche neuen, interessanten und zukunftssicheren Berufe gibt es? (Dazu müssen nicht nur formale Qualifizierungswege aufgezeigt werden, sondern entschieden mehr thematisiert werden, wie eine chancenreiche Lebens- und Berufswegplanung aufgebaut werden muss.)

Um diese Fragen beantworten zu können, um sie mit der Lebenswirklichkeit verbinden zu können, bedarf es einer aktiven Auseinandersetzung und damit einer Öffnung des Unterrichts. Im berufsorientierenden Unterricht – aber nicht nur dort – brauchen wir einen verstärkten Praxisbezug. Lernen soll und kann kein geschlossenes Weltbild ergeben, sondern verschiedene Zugänge zur Realität zeigen. Dieses Verständnis von Lernen liegt jedoch bisher vielfach quer zur curricularen Praxis in Schulen. Dort findet sich noch oft die Vorstellung eines geschlossenen Wissenskanons, der sich vom traditionellen Lernbegriff aus begründet. Die Orientierung ist hier das überprüfbare Wissen. Die Lernprozesse selbst, die Entwicklung von Interessen und die Erweiterung von Handlungskompetenz einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden sozialen Erfahrungen werden darin vernachlässigt.

Anwendungsbezug und Praxisorientierung gehört viel stärker zum schulischen Alltag.

Gegen die herrschende Form der lehrerfixierten Wissensvermittlung optiert eigenverantwortliches, selbstgesteuertes Lernen, gegen einen Unterricht im 45-Minuten-Takt spricht alles für einen projektorientierten Lernzusammenhang, gegen die Vermittlung von bloß abstrakten Wissensinhalten sind praxisbezogene und projektorientierte Formen der Wissensvermittlung zu setzen, gegen die fortschreitende Verdichtung der Stoffpläne wird die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen benötigt.

Dies ist dann auch wesentliche Voraussetzung für die spätere berufliche Karriere der Lernenden.

3. Der Dialog zwischen Schule und Arbeitswelt

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat mit Unterstützung der Bundesregierung ein Unterrichtsprojekt ins Leben gerufen, welches nicht mit dem pädagogischen Zeigefinger arbeitet, sondern allgemein bildende Schulen unterstützen will.

Ich bin der Überzeugung, dass Schule sich nicht im luftleeren Raum bewegen darf, sondern mit ihrem gesellschaftlichen Umfeld, dem Stadtteil, der Region besser vernetzt werden sollte. Neue Arbeitsformen gelingen nur dort, wo vor Ort Eltern, Vereine, Betriebe, Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Gruppen aktiv mitwirken.

Es gilt, die Kooperation mit außerschulischen Experten zu verstärken. Neue Beteiligungsformen und Initiativen hängen allerdings auch von der Bereitschaft ab, Schulen nicht allein zu lassen. Es ist eigentlich eine unmögliche Situation; die Schule ist eine der wichtigsten Einrichtungen unserer Gesellschaft, aber der größte Teil der Gesellschaft hat nach dem Verlassen der Schule nichts mehr damit zu tun. Das muss sich ändern. Wir können nicht einseitig Motivation und Engagement von den Lehrern und Schülern erwarten.

Die Anforderungen, die von außen an die Schule gestellt werden, stoßen nur dann auf Akzeptanz, wenn auch die Bereitschaft zur Kommunikation und Kooperation, zur Hilfe und Mitarbeit vorhanden ist.

Immer wieder hört man die Frage, sind Schülerinnen und Schüler, ist die Schule fit für die Arbeitswelt? Dies muss natürlich auch für den Umkehrschluss gelten. Ist die Arbeitswelt eigentlich fit für die Schüler? Wirtschaft und Unternehmen müssen sich anders als bisher öffnen. Es geht nicht nur darum, ein breiteres Verständnis über das Wirtschafts- und Beschäftigungssystem in der Schulwelt zu verankern. Es geht in der Wirtschaft gleich wichtig darum, dies auf dem Weg über die Bereitschaft einer selbstkritischen Grundhaltung zu fördern.

Für den Ernstfall Arbeitswelt – Schule bedeutet das für den DGB, sich eben nicht nur mit wohlfeilen Ratschlägen an der Debatte zu beteiligen, sondern mit inhaltlichen und handfesten Angeboten zur verbesserten Berufsorientierung einen Beitrag zu leisten.

Deshalb haben wir bundesweit ein Unterrichtsprojekt auf den Weg gebracht, das sich an Schüler, Lehrer und Schulen gleichermaßen richtet.

Ziel ist es, insbesondere die Berufsorientierung und Berufswahlkompetenz der Jugendlichen zu fördern und auf eine sich ständig wandelnde Lebens- und Arbeitswelt vorzubereiten. Dazu sind nicht nur 10 Themenhefte für Schüler und Lehrer veröffentlicht worden, sondern es wird auch parallel ein interaktiver Dialog via Internet für Schüler, Lehrer und Schulen angeboten. Lehrende und Lernende werden ausdrücklich ermutigt, selbstgestaltend in die Wirklichkeit von Schule und Unterricht einzugreifen. Deshalb werden auch keine curricular geschlossenen Themen vorgestellt. Angeboten werden vorstrukturierte Print- und Online-Materialien, die arbeitsweltbezogene Konfliktlagen verdeutlichen und Raum für schüler- und handlungsorientierte Lernprozesse eröffnen.

Unter der Adresse www.workshop-zukunft.de wurde eine Lernwelt im Internet eingerichtet. Aktuelle Entwicklungen in Arbeitswelt und Sozialleben werden für den Unterricht schülerorientiert vorbereitet. Die interaktiven Mitmach-Projekte ermöglichen innovative Formen selbstbestimmten Lernens und Lehrens. Zentrale Schlüsselqualifikationen für das spätere Berufsleben wie Medienkompetenz, Kommunikationsstärke und Teamfähigkeit können hier erworben werden. Ein weiteres Ziel der Mitmach-Projekte ist es, die Vernetzung von Schule und Arbeitswelt zu fördern. Über die Kommunikation im Netz können die Schulen mit relativ geringem Aufwand Kontakt zu Expertinnen und Experten der Arbeitswelt knüpfen. Per E-Mail oder im Chat können die Schülerinnen und Schüler Fragen stellen und Probleme diskutieren.

«Workshop Zukunft» setzt auf die Öffnung von Schule. Außerschulische Lernorte – Betriebe, Gewerkschaften, Verbände, Arbeitsämter – sollen intensiv in den Unterricht einbezogen werden. Sei es virtuell oder in der persönlichen Kommunikation. Die Auseinandersetzung mit der Arbeitswelt, die Kooperation mit außerschulischen Expertinnen und Experten soll Jugendliche frühzeitig für die Anforderungen, Interessen und Konflikte in der Arbeitswelt sensibilisieren.


*Internationale wissenschaftlich-praktische Konferenz «Integrationsprozesse im Bildungsbereich». Vortrag.