Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №5/2007

Sonderthema

Gerhardt als Dichter

Gerhardts Kindheits-, Jugend- und erste Mannesjahre lagen im Schatten einer der wohl furchtbarsten innerdeutschen Katastrophen. Vor seinen Augen brannten Dörfer, er erlebte die Pest, hörte den Donner von Schlachten, das Stöhnen der Sterbenden, das Jammergeschrei der Geschändeten, die lauten Wehklagen der Hinterbliebenen und der Beraubten. Diese Erfahrungen prägten Gerhardt, der im Grunde friedfertiger Natur war und in dem Geist des Friedens waltete. Das spiegelt sich auch in seinen Gedichten wider, die in ihrer Schlichtheit, Gefühlswärme und Singbarkeit zu Volksliedern geworden sind. Ob er Eigenes schuf oder aus den Psalmen der Bibel schöpfte, ob er die lateinischen Hymnen eines Arnulf von Löwen oder die Gebete Johann Arndts seinen Liedern zu Grunde legte, stets wusste er den bekannten Inhalt poetisch zu durchdringen und mit seinem Geist zu erfüllen, sodass er allen, die zu ihm fanden, immer wieder ans Herz griff.

Gerhardts Lyrik, die sich einer ebenso bildhaften wie anschaulichen Sprache bedient, umspannt den Festkreis der christlichen Kirche, die Tages- und Jahreszeiten, das Ehe- und Familienleben. Mit dem Adventslied Wie soll ich dich empfangen beginnt er das Kirchenjahr, es folgen Weihnachtslieder wie Fröhlich soll mein Herze springen und Ich steh an deiner Krippe hier, denen das erschütternde Passionsgedicht O Haupt voll Blut und Wunden gegenübertritt. Das Oster- und Pfingsterlebnis verbindet sich mit der Freude an der erwachenden Natur, mit deren Tieren und Pflanzen sich Gerhardt aufs Innigste vertraut fühlt. Er geleitet uns in seinem herrlichen Geh aus, mein Herz, und suche Freud durch das sommerlich blühende Land, er schildert Regentage und Sonnenschein, Erdenleid und Erdenglück. Er singt das Lob der Hausfrau, er tritt zu den Eltern am Grabe ihres Kindes oder lässt das verstorbene Kind zu seinen Eltern sprechen.

So sucht er dem Tod seinen Schrecken zu nehmen. In allen Lebenslagen, bei allen Schicksalsschlägen bewahrt sich Gerhardt die Heiterkeit des Gemüts. Unverdrossen predigt er Zufriedenheit, Geduld, Gottvertrauen und weiß selbst dem Übel gute Seiten abzugewinnen, wie es in seinen Trostgesängen zum Ausdruck kommt, etwa in Gib dich zufrieden und sei stille, Warum sollt ich mich denn grämen, Ich bin ein Gast auf Erden und in dem dichterisch vollendeten, glaubensstarken christlichen Reiselied Befiehl du deine Wege. Auch die Zeitereignisse, Kriegsnot und Friedenssehnsucht spiegeln sich in Gerhardts Schöpfungen wider, am Ende des Dreißigjährigen Krieges dichtete er das aus tiefster Seele hervorquellende Danklied Gott Lob, nun ist erschollen das edle Friede und Freudenwort.

Die Werke, von denen uns heute 139 deutsche Liedtexte und Gedichte sowie 15 lateinische Gedichte Paul Gerhardts bekannt sind, wurden von Crüger, Ebeling und Johann Sebastian Bach meisterhaft vertont. 26 Liedtexte von ihm stehen heute noch im Evangelischen Gesangbuch. Gerhardt selbst war ein bescheidener, behutsamer und anspruchsloser Dichter, dessen Bedeutung ihm vermutlich nicht einmal selbst bewusst war. Dennoch stand er mit sich selbst in Einklang, ohne literarischen Ehrgeiz zu entwickeln. Ruhm wollte er nicht, denn seine Verse waren für die Menschen, denen er in ihrer Erbauung Hoffnung und Mut zu geben suchte. Dennoch hatte er intensiv miterlebt, dass die gesamte Bandbreite der menschlichen Widerwärtigkeiten die Menschen selbst bewegten.

Dort wo alles gesagt schien, beginnt Gerhardt mit seinen Dichtungen und führt in einfacher, zeitloser Weise den Leser zu einem ungezwungenen Gespräch mit Gott. Im Vertrauen auf Gott weckt er im Menschen neues Vertrauen zu einer vertieften kirchlichen und persönlichen Frömmigkeit. Somit bilden seine Werke den Übergang von der kirchlichen Objektivität zur Subjektivität des persönlichen Gefühlslebens, vom Bekenntnisgesang zum Erbauungslied. Bei Martin Luther ruft die Gemeinde zu Gott, bei Gerhardt redet der Einzelne. Gerhardts Lieder stehen am Anfang einer neuzeitlichen deutschen Lyrik.

Auf, auf, mein Herz, mit Freuden

Auf, auf, mein Herz, mit Freuden,
Nimm wahr, was heut’ geschieht!
Wie kommt nach großem Leiden
Nun ein so großes Licht!

Mein Heiland war gelegt

Da, wo man uns hinträgt,
Wenn von uns unser Geist
Gen Himmel ist gereist.

Er war ins Grab gesenket,
Der Feind trieb groß Geschrei.
Eh’ er’s vermeint und denket,
Ist Christus wieder frei
Und ruft: Viktoria!
Schwingt fröhlich hier und da
Sein Fähnlein als ein Held,
Der Feld und Mut behält.

Das ist mir anzuschauen
Ein rechtes Freudenspiel;
Nun soll mir nicht mehr grauen
Vor allem, was mir will
Entnehmen meinen Mut
Zusamt dem edlen Gut,
So mir durch Jesus Christ
Aus Lieb’ erworben ist.

Die Höll’ und ihre Rotten,
Die krümmen mir kein Haar;
Der Sünden kann ich spotten,
Bleib’ allzeit ohn’ Gefahr;
Der Tod mit seiner Macht
Wird schlecht bei mir geacht’t;
Er bleibt ein totes Bild,
Und wär’ er noch so wild.

Die Welt ist mir ein Lachen
Mit ihrem großen Zorn;
Sie zürnt und kann nicht machen,
All’ Arbeit ist verlor’n.
Die Trübsal trübt mir nicht
Mein Herz und Angesicht;
Das Unglück ist mein Glück,
Die Nacht mein Sonnenblick.

Ich hang’ und bleib’ auch hangen
An Christo als ein Glied;
Wo mein Haupt durch ist gangen,
Da nimmt er mich auch mit.
Er reißet durch den Tod,
Durch Welt, durch Sünd’ und Not,
Er reißet durch die Höll’,
Ich bin stets sein Gesell.

Er dringt zum Saal der Ehren,
Ich folg’ ihm immer nach
Und darf mich gar nicht kehren
An einzig Ungemach.
Es tobe, was da kann,
Mein Haupt nimmt sich mein an;
Mein Heiland ist mein Schild,
Der alles Toben stillt.

Er bringt mich an die Pforte,
Die in den Himmel führt,
Daran mit güldnen Worten
Der Reim gelesen wird:
Wer dort wird mit verhöhnt,
Wird hier auch mit gekrönt;
Wer dort mit sterben geht,
Wird hier auch mit erhöht.

O Haupt voll Blut und Wunden

O Haupt voll Blut und Wunden,
voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden
mit einer Dornenkron,
o Haupt, sonst schön gekrönet
mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber höchst verhöhnet,
gegrüßet seist du mir!

O edles Angesichte,
davor das Reich der Welt
erschrickt und wird zu nichte,
wie bist du so entstellt,
wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
dem sonst kein Licht mehr gleichet,
so schmachvoll zugericht’t?

Die Farbe deiner Wangen,
der roten Lippen Pracht
ist hin und ganz vergangen;
des blassen Todes Macht
hat alles hingenommen,
hat alles hingerafft,
und daher bist du kommen
von deines Leibes Pracht.

Nun, was du, Herr, erduldet,
ist alles meine Last,
ich hab es selbst verschuldet,
was du getragen hast.
Schau her, hier steh ich Armer,
der Zorn verdienet hat;
gib mir, o mein Erbarmer,
den Anblick deiner Gnad.

Erkenne mich, mein Hüter,
mein Hirte, nimm mich an!
Von dir, Quell aller Güter,
ist mir viel Guts getan;
dein Mund hat mich begabet
mit wunderbarem Trost,
dein Geist hat mich gelabet
mit reicher Himmelskost.

Ich will hier bei dir stehen,
verachte mich doch nicht;
von dir will ich nicht gehen,
wenn dir dein Herze bricht;
wenn dein Haupt wird erblassen
im letzten Todesstoß,
alsdann will ich dich fassen
in meinen Arm und Schoß.

Es dient zu meinen Freuden
und kommt mir herzlich wohl,
wenn ich in deinem Leiden,
mein Heil, mich finden soll.
Ach möcht ich, o mein Leben,
an deinem Kreuze hier
mein Leben von mir geben,
wie wohl geschähe mir!

Ich danke dir von Herzen,
o Jesus, liebster Freund,
für deines Todes Schmerzen,
da du’s so gut gemeint.
Ach gib, daß ich mich halte
zu dir und deiner Treu,
und wenn ich einst erkalte,
in dir mein Ende sei.

Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir;
wenn ich den Tod soll leiden,
so tritt du dann herfür;
wenn mir am allerbängsten
wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten
kraft deiner Angst und Pein.

Erscheine mir zum Schilde,
zum Trost in meinem Tod
und laß mich sehn dein Bilde
in deiner Kreuzesnot.
Da will ich nach dir blicken,
da will ich glaubensvoll
fest an mein Herz dich drücken:
wer so stirbt, der stirbt wohl.

Nun ruhen alle Wälder

Nun ruhen alle Wälder,
Vieh, Menschen, Städt’ und
Felder,
Es schläft die ganze Welt;
Ihr aber, meine Sinnen,
Auf, auf, ihr sollt beginnen,
Was eurem Schöpfer wohlgefällt!

Wo bist, du, Sonne, blieben?
Die Nacht hat dich vertrieben,
Die Nacht, des Tages Feind.
Fahr hin! Ein’ andre Sonne,
Mein Jesus, meine Wonne,
Gar hell in meinem Herzen scheint.

Der Tag ist nun vergangen,
Die güldnen Sternlein prangen
Am blauen Himmelssaal;
So, so werd’ ich auch stehen,
Wenn mich wird heißen gehen
Mein Gott aus diesem Jammertal.

Der Leib eilt nun zur Ruhe,
Legt ab das Kleid und Schuhe,
Das Bild der Sterblichkeit;
Die zieh’ ich aus, dagegen
Wird Christus mir anlegen
Den Rock der Ehr’ und
Herrlichkeit.

Das Häupt, die Füß und Hände
Sind froh, daß nun zu Ende
Die Arbeit kommen sei;
Herz, freu dich, du sollst werden
Vom Elend dieser Erden
Und von der Sünden Arbeit frei.

Nun geht ihr matten Glieder,
Geht hin und legt euch nieder,
Der Betten ihr begehrt;
Es kommen Stund und Zeiten,
Da man Euch wird bereiten
Zur Ruh ein Bettlein in der Erd.

Mein’ Augen stehn verdrossen,
Im Hui sind sie geschlossen,
Wo bleibt denn Leib und Seel?
Nimm sie zu deinen Gnaden,
Sei gut für allen Schaden,
Du Aug und Wächter Israel!

Breit aus die Flügel beide,
O Jesu, meine Freude,
Und nimm dein Küchlein ein!
Will Satan mich verschlingen,
So laß die Englein singen:
Dies Kind soll unverletzet sein!

Auch euch, ihr mein’ Lieben,
Soll heute nicht betrüben
Kein Unfall nicht Gefahr.
Gott lass’ euch ruhig schlafen,
Stell’ euch die güldnen Waffen
Ums Bett und seiner Helden Schar.

Befiehl du deine Wege

Befiehl du deine Wege
Und was dein Herze kränkt,
Der allertreusten Pflege
Des, der den Himmel lenkt!
Der Wolken, Luft und Winden,
Gibt Wege, Lauf und Bahn,
Der wird auch Wege finden,
Da dein Fuß gehen kann.

Dem Herren mußt du trauen,
Wenn dir’s soll wohlergehn;
Auf sein Werk must du schauen,
Wenn dein Werk soll bestehn.
Mit Sorgen und mit Grämen
Und mit selbsteigner Pein
Läßt Gott sich gar nichts nehmen,
Es muß erbeten sein.

Dein’ ew’ge Treu’ und Gnade,
O Vater, weiß und sieht,
Was gut sei oder schade
Dem sterblichen Geblüt;
Und was du dann erlesen,
Das treibst du, starker Held,
Und bringst zum Stand und Wesen,
Was deinem Rat gefällt.

Weg’ hast du allerwegen,
An Mitteln fehlt dir’s nicht;
Dein Tun ist lauter Segen,
Dein Gang ist lauter Licht,
Dein Werk kann niemand
hindern,
Dein’ Arbeit darf nicht ruhn,
Wenn du, was deinen Kindern
Ersprießlich ist, willst tun.

Und ob gleich alle Teufel
Hier wollten widerstehn,
So wird doch ohne Zweifel
Gott nicht zurückegehn;
Was er sich vorgenommen,
Und was er haben will,
Das muß doch endlich kommen
Zu seinem Zweck und Ziel.

Hoff, o du arme Seele,
Hoff und sei unverzagt!
Gott wird dich aus der Höhle,
Da dich der Kummer plagt,
Mit großen Gnaden rücken;
Erwarte nur die Zeit,
So wirst du schon erblicken
Die Sonn’ der schönsten Freud’.

Auf, auf, gib deinem Schmerze
Und Sorgen gute Nacht!
Laß fahren, was dein Herze
Betrübt und traurig macht!
Bist du doch nicht Regente,
Der alles führen soll;
Gott sitzt im Regimente
Und führet alles wohl.

Ihn, ihn laß tun und walten,
Er ist ein weiser Fürst
Und wird sich so verhalten,
Daß du dich wundern wirst,
Wenn er, wie ihm gebühret,
Mit wunderbarem Rat
Die Sach’ hinausgeführet,
Die dich bekümmert hat.

Er wird zwar eine Weile
Mit seinem Trost verziehn
Und tun an seinem Teile,
Als hätt’ in seinem Sinn
Er deiner sich begeben,
Und sollt’st du für und für
In Angst und Nöten schweben,
Frag’ er doch nichts nach dir.

Wird’s aber sich befinden,
Daß du ihm treu verbleibst,
So wird er dich entbinden,
Da du’s am mind’sten gläubst;
Er wird dein Herze lösen
Von der so schweren Last,
Die du zu keinem Bösen
Bisher getragen hast.

Wohl dir, du Kind der Treue!
Du hast und trägst davon
Mit Ruhm und Dankgeschreie
Den Sieg und Ehrenkron’.
Gott gibt dir selbst die Palmen
In deine rechte Hand,
Und du singst Freudenpsalmen
Dem, der dein Leid gewandt.

Mach End’, o Herr, mach Ende
An aller unsrer Not,
Stärk unsre Füß’ und Hände
Und laß bis in den Tod
Uns allzeit deiner Pflege
Und Treu’ empfohlen sein,
So gehen unsre Wege
Gewiß zum Himmel ein.

Der Text ist entnommen aus:
http://gutenberg.spiegel.de/gerhardt/gedichte/0htmldir.htm