Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №7/2007

Sonderthema

Hintergrundinformationen: Grundelemente und Institutionen der Königsherrschaft

Herrschaft zur Zeit der Karolinger ist ein personales – im Kern oft familiäres – Netzwerk gegenseitiger Abhängigkeit und Treue, das Regionen, Länder- und Sprachgrenzen sowie Institutionen überspannt. Persönlich geprägte Bündnisse, durch Eide und Verträge gesichert, sind das Gerüst der Macht. Jeder Herrscher trachtet danach, Schlüsselpositionen möglichst mit Blutsverwandten zu besetzen oder mächtige und einflussreiche Familien durch Eheschließungen an sich zu binden.

Ein weiteres wesentliches Kennzeichen von Herrschaft im Mittelalter ist das Mitwirkungsrecht der Großen (magnati). In ihrer Ausgestaltung, Tragweite und Intensität hängt diese adlige Teilhabe am Reich von den jeweils herrschenden Machtkonstellationen ab: Starke Könige beschneiden die Rechte des Adels, schwache Könige stärken sie. Gefolgschaft und militärische Unterstützung sind Gegenleistungen des Adels.

Obwohl das Königtum des Mittelalters keine statische Einrichtung ist und – was sowohl seine theoretische Grundlegung als auch seine praktische Einrichtung anbelangt – einem stetem Wandel unterliegt, lässt sich mit aller gebotenen Vorsicht behaupten, dass es seine letzte Legitimation aus einem christlich fundierten Hierarchiegedanken zieht: Gott hat den Menschen eine Ordnung gegeben, an deren Spitze der von ihm eingesetzte und in seinem Namen gesalbte Herrscher steht. Aus dieser Instanz fließt die Macht den Großen zu und über sie bis hinunter ins geringste Glied des Personenverbandes.

Königs- und Adelsherrschaft bilden dabei eine untrennbare Einheit. Kein König oder Kaiser des Mittelalters regiert absolutistisch ohne den Adel und die Bischöfe der Kirche. Der Herrscher muss sich die Treue und Gefolgschaft des Adels regelrecht erkaufen. Geldgeschenke, Kostbarkeiten, Gunstbeweise und die Übertragung hoher, mit Einkünften und Verfügungsgewalt über Land und Leute verknüpfte Ämter sind der Preis, den er dafür bezahlt.

Die Frage des Ausgleichs zwischen zentralen und regionalen Kräften sowie der Durchsetzung jeweiliger Machtinteressen ist auf allen Ebenen ein prägendes Element der Geschichte.

Engster und wichtigster Kreis der Königsherrschaft ist der Königshof als zugleich räumlich und persönlich dimensionierte Einrichtung.

In seiner räumlichen Dimension meint der Hof den Aufenthaltsort des Herrschers. Die lateinischen Wörter für den königlichen Hof lauten curia, aula oder palatium. Aus dem lateinischen palatium leitet sich überdies die althochdeutsche Vorstufe phalanza des noch heute gebräuchlichen Lehnwortes Pfalz ab. Solche Pfalzen, also Königshöfe bzw. Königsburgen, sind über das ganze Reich verstreut. Da der mittelalterliche König in der Regel keine feste Residenz hat, sondern unentwegt sein Reich bereist, um nach dem Rechten zu sehen, Gericht zu halten, zu strafen oder zu belohnen, ist er auf ein möglichst dichtes Netz solcher Höfe angewiesen. Die Pfalzen sind zudem Versammlungsorte, an denen der König die Großen des Reiches zur Beratung oder zur Heerschau einbestellt.

Die Pfalz muss ausreichenden Schutz bieten und groß genug sein, um den mitreisenden Hofstaat des Herrschers aufzunehmen. Wirtschaftsgüter garantieren die Versorgung mit Lebensmitteln und Rohstoffen für Kleidung und Bauholz.

Zur Pfalz gehören eine königliche Empfangshalle (aula regis), königliche Wohngemächer (palatium), Sakralbauten (Kirche, Kapelle) und je nach Größe und Bedeutung mehr oder minder große Wirtschafts- und Verwaltungsbauten.

In seiner persönlichen Dimension ist der Hof ein enger, wenn auch wechselnd besetzter Kreis geistlicher und weltlicher Berater (consiliarii), Amtsträger (ministri) und Gefolgsleute, der den König umgibt.

Zentrale Funktionen bei der Durchführung der Hof- und Reichsverwaltung haben die weltlichen Hofämter (ministeria) inne. Zu ihnen zählen der Kämmerer, der Seneschall, der Mundschenk, der Marschall, der Pfalzgraf, der Quartiermeister und etliche Oberjäger.

Die Inhaber dieser in ihrer Bedeutung und Funktion wechselnden Ämter führen den lateinischen Titel minister und gehören in der Regel dem Adel an. Die Amtsträger sind als Planungsstab in erster Linie dafür verantwortlich, dass der reisende Hof am jeweiligen Aufenthaltsort mit allen nötigen Lebensmitteln und dem nötigen Schutz versehen ist.

Der Seneschall (senescalus) oder Truchsess beaufsichtigt ursprünglich das Gesinde und ist zunehmend verantwortlich für den Unterhalt und die Versorgung des reisenden königlichen Hofes.

Der Stallgraf (comes stabuli) ist für den königlichen Pferdestall und damit für Transport und Logistik des reisenden Hofes verantwortlich.

Der Marschall, ursprünglich ein Untergebener des Stallgrafen, ist zuständig für militärische Aufgaben und dabei besonders für die Reiterei.

Der Mundschenk (buticularius) oder Schenk ist für die Versorgung mit Getränken verantwortlich.

Der Kämmerer (camerarius) beaufsichtigt den Königsschatz und die Schatzkammer; er ist für die innere Verwaltung und die Ausgaben des Hofes verantwortlich und verwaltet die Geschenke der Gesandten. Gemeinsam mit der Königin ist der Kämmerer für die Führung des Gesamthaushalts zuständig.

Sitz der geistlichen Hofämter ist die Hofkapelle (capella regis). In dieser zentralen geistlichen und administrativen Institution, die sich unter Karl dem Großen zum obersten, unverzichtbaren Verwaltungsstab des Königs entwickelt, sind drei Funktionsebenen zusammengeflossen:

– Ursprung der Kapelle ist die Obsorge für die Gottesdienste am Aufenthaltsort des Herrschers und die Verwahrung des königlichen Reliquienschatzes. Wertvollster Besitz der Kapelle ist seit 679 der Mantel des Hl. Martin. Aus dem lateinischen Wort cappa für Mantel leiten sich die Bezeichnungen capella und capellanus ab.

– Der Ort, an dem die cappa des Hl. Martin in einer Pfalz für die Dauer des Aufenthaltes aufbewahrt und wo die Gottesdienste abgehalten werden, wird seit dem späten 8. Jh. capella genannt. Seit dieser Zeit bürgert sich der Name capella auch für die Institution selbst ein und bezeichnet damit nicht nur einen bestimmten Raum, sondern eine Funktion des Hofes schlechthin. Die Oberaufsicht über die capellani genannten Priester der Hofkapelle führt der Erzkaplan (archicapellanus).

– Bereits unter Pippin III. wachsen der capella neue Aufgaben zu: Die gebildeten, der lateinischen Sprache in Wort und Schrift mächtigen capellani werden zum notariellen und diplomatischen Dienst herangezogen. Unter der Oberaufsicht des Kanzlers (cancellarius) übernimmt dieses Ressort der Hofkapelle das Ausfertigen, Vervielfältigen und Aufbewahren der königlichen Urkunden.

Die wichtigsten Entscheidungen am Karolingerhof werden in drei Beratungsgremien gefällt:

– Der Rat (consilium regis) bereitet wichtige Entscheidungen von politischer, militärischer und admistrativer Bedeutung (Gesetzesinitiativen) vor. Seine Zusammensetzung ist nicht normiert. Zu den Ratgebern (consiliarii) gehören sowohl die Träger der Hofämter, Adlige, Geistliche als auch vom König gerufene Personen.

– Ein wichtiges Moment königlicher Herrschaft sind regelmäßige Versammlungen der Großen. Meist einmal jährlich im Herbst trifft ein engerer Kreis von Großen zum Hoftag zusammen.

– Die größere Reichs- und Heeresversammlung wird in der Regel im Frühjahr oder Sommer einberufen.

Die materiellen Grundlagen der Königsherrschaft

Der Frankenkönig beansprucht die alleinige Herrschaft über das Gesamtreich. Er besitzt das Staatsland, hat die Hoheitsrechte über Wege und Wasserstraßen, ist Träger der Münzhoheit, der Banngewalt und der obersten Gerichtsbarkeit.

Die Gewinne aus der Vergabe dieser Gewalten stehen dem König zu. Er zieht Einnahmen aus Zöllen, Brückengeldern und dem Münzschlag ein und empfängt jährliche Geschenke der Abteien, Bischofssitze und Grafenhöfe. Weitere Gelder fließen ihm aus den jährlich abgerechneten landwirtschaftlichen Überschüssen der königlichen Güter zu; dieses Königs- oder Kron- bzw. Reichsgut stellt die eigentliche materielle Basis der Königsherrschaft dar.

Darüber hinaus verfügt der König über den Königsschatz, aus dem er sein Gefolge bezahlt und Geschenke an die Großen verteilt. Zum Königsschatz gehören neben gemünztem Geld vor allem Gold, Silber, Geschirr, Gewänder und Edelsteine sowie später die Reichskleinodien.

Die privaten und öffentlichen Ausgaben des königlichen Haushaltes werden aus dem vom Kämmerer verwalteten Königsschatz bestritten. Gespeist wird dieser Hort in erster Linie durch Beutegut wie etwa den 772 geplünderten Schatz der Irminsul, den 795 eingezogenen Hort des Langobardenkönigs Desiderius oder den 796/797 vereinnahmten Avarenschatz.

Das Grafenamt als Träger der karolingischen Reichsverwaltung

Karls innenpolitische Sorge galt der Festigung und Vereinheitlichung der inneren Ordnung. Ein wesentliches organisatorisches Kennzeichen des inneren Herrschaftsausbaus ist dabei die Einrichtung der Grafschaftsverfassung. Das verstärkt ausgebaute Grafenamt konkurriert mit den lokalen, königsfernen Gewalten.

An der Spitze einer Grafschaft steht der vom König eingesetzte Graf (comes). Er ist dem Herrscher als königlicher Amtsträger unbedingten Gehorsam und Rechenschaft schuldig. Seine Machtgrundlage ist der vom König verliehene Grafenbann, das heißt die stellvertretende Ausübung königlicher Gewalt. Generell bedeutet das Wort Bann im Rechtsumfeld so viel wie Gesetz, Gebot, Amtsgewalt und steht für eine Anordnung in königlichem Auftrag (Bannleihe).

Der Graf befehligt das Heeresaufgebot, führt den Vorsitz im Königsgericht, überwacht die Straßen, Märkte, Brücken und organisiert den Einzug königlicher Abgaben (Straßen-, Brücken-, Markt- und Flusszölle).

Das Ziel einer lückenlosen und einheitlichen Grafschaftsverfassung, die der königlichen Kontrolle untersteht, blieb aufgrund realer Machtverhältnisse und Interessenkonflikte allerdings illusorisch. Die von einer statischen Betrachtungsweise sich lösende moderne Forschung hat den dynamischen Charakter der Grafschaft als einer Grundstruktur erkannt, die sich den jeweiligen Veränderungen der Zeitverhältnisse anpasste und immer als Ergebnis bestimmter historischer Situationen zu bewerten ist. Mit ihrer Hilfe bauten die Karolinger ihren Anspruch auf Reichsherrschaft auf und behaupteten ihn.

Ursprünglich vom König bestellt, wird das Grafenamt zusehends erblich und konkurriert nun auf dem eigenen Territorium mit dem Königtum.

Rückgrat der königlichen Macht sind neben den Grafschaften vor allem auch Bistümer und Abteien: Sie sind verpflichtet, dem militärischen Aufgebot Folge zu leisten, stellen Mannschaften und Ausrüstungen und unterstützen den Hof durch jährlich abzuleistende Geschenke.

Königsboten

Königsboten (missi dominici) werden als Kontrollinstanz vom König eingesetzt. Hauptaufgabe der Königsboten ist im Wesentlichen die Überwachung der gräflichen Amtsführung. Sie inspizieren die lokalen Amtsträger und bereisen dazu meist einmal jährlich einen größeren Bezirk aus mehreren Grafschaften und Bistümern. In der Regel treten sie in der Doppelbesetzung mit einem Geistlichen und einem Laien paarweise auf und gehören dem höheren Adel oder dem höheren Klerus an (Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte und Grafen). Die missi dominici kontrollierten das Königs- und Kirchengut und die Bekanntmachung bzw. Durchsetzung der Kapitularien. Sofern es ihnen misslingt, diesbezügliche Mängel abzustellen, sind sie verpflichtet, den König zu informieren, der dann selbst eingreifen kann.

Kapitularien

Kapitularien sind in der merowingischen und fränkischen Zeit schriftlich fixierte Erlasse, Verordnungen und Verlautbarungen, die Fragen der Verwaltung, Gesetzgebung oder der Religion behandeln. Sie sind in Kapitel gegliedert und werden deshalb als Kapitularien bezeichnet. Für die Bekanntmachung der Kapitularien sind unter anderem die Königsboten zuständig. Kapitularien stellen den mehr oder minder erfolgreichen Versuch dar, die Rechtsordnung des (karolingischen) Reiches zu reformieren und zu vereinheitlichen.

Mit Hilfe dieser Kapitularien sollten grundsätzlich im ganzen Reich und in vereinheitlichender Form rechtliche, politische, administrative, wirtschaftliche und kirchliche Angelegenheiten durch den Herrscher geregelt werden, der sich dabei auch auf einen mehr oder weniger breiten förmlichen Konsens der Großen des Reichs stützen konnte.

Immunität

Ein zusätzliches Herrschaftsinstrument, das den Machtzuwachs regionaler Großen einschränkt, ist die Immunität. Der Begriff bedeutet Dienst- und Abgabenfreiheit. Die Immunität entzieht den Besitz ihres Trägers dem Zugriff lokaler oder regionaler königlicher Stellvertreter. Öffentliche Beamte durften den Immunitätsbezirk weder betreten, noch durften sie Abgaben erheben bzw. einziehen.

Da einzig der König die Immunität garantiert, bindet die Verleihung dieses Privilegs ihre Träger an die Krone und errichtet eine Konkurrenz zum Amtsbereich des Grafen.

Empfänger der Immunität sind in erster Linie Bischöfe und Äbte. Sie fungieren als Brückenköpfe königlicher Gewalt im Amtsbereich des Grafen und weiten die Machtposition des Herrschers aus. Mit der Immunität verbundene Vergünstigungen wie Königsschutz und freie Abtwahl flechten ein festes Band zwischen König und Kirche.

Lehnswesen

Die Regierungszeit Karls des Großen markiert zudem den Beginn des mittelalterlichen Lehnswesens. Kernpunkt ist ein gegenseitiges Treueverhältnis, das die auf Lebenszeit begrenzte Verleihung von weltlichen und geistigen Gütern (beneficium, feudum) als Gegenleistung für militärische Gefolgschaft und Hofdienste umfasst. Neben dem Nutzungsrecht am Grundbesitz konnten auch Rechte, Zölle, Münzhoheiten oder Gebietsherrschaften als Lehen vergeben werden.

Der Lehnsherr (Patron), dem das Land (Lehen) gehört, verpflichtet sich, für den Unterhalt und Schutz des Untergebenen (Vasall) zu sorgen. Der Lehnsmann verspricht Gehorsam und Dienst. Symbolisiert wird dieses Abhängigkeitsverhältnis durch den «Handgang» (commendatio). Der Untergebene legt seine gefalteten Hände in die umschließenden Hände des Herrn. Ein Teil der Einkünfte aus diesem Lehnsgut sind dem Lehnsherrn in Form von Abgaben zu entrichten. Ursprünglich auf die Lebenszeit des Beliehenen beschränkt, entwickelt sich im Laufe der Zeit die Erblichkeit des Lehens, die der Herrscher nur mehr bestätigt.


Fragen

1. Wie ist die Königsmacht in karolingischer Zeit begründet; woher leitet sie sich ab; mit wem muss der König diese Macht teilen; wie versucht er, seinen Einfluss und seine Kontrolle auszuweiten; wer stellt sich ihm dabei in den Weg?

2. Welche Gebäude und Institutionen gehören zu einer karolingischen Pfalz; warum war es für den König wichtig, überall im Reich solche Pfalzen zu erbauen?

3. Was stellte der Hof in seiner persönlichen Dimension dar; wer gehörte zu weltlichen und geistlichen Hofämtern?

4. Woher leiten sich die Worte «Kapelle» und «Kaplan» ab; welche Aufgabe hatte die Institution der Hofkapelle in der Karolingerzeit?

5. Wie kann man kurz die Begriffe «Grafenamt», «Königsboten», «Kapitularien» und «Immunität» charakterisieren?

6. Worauf gründet sich das mittelalterliche Lehnswesen; welche Bedeutung hat es für den Ausbau der königlichen Macht?