Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №8/2007

Sonderthema

Leben und Werk von Egon Erwin Kisch

Egon Kisch wurde 1885 als zweiter von fünf Söhnen einer Prager jüdischen Patrizierfamilie geboren. Den Zwischennamen «Erwin» hat er sich selber gegeben. An der Universität hielt es ihn nur zwei Semester, der Militärdienst als «Einjährig-Freiwilliger» verhieß größere Abenteuer. Das journalistische Handwerk erlernte er in Berlin und beim «Prager Tageblatt», 1906 engagierte ihn die bürgerlich-nationalistische «Bohemia» als Lokalreporter. Schnell avancierte1 der begabte Newcomer2 zum Autor der Feuilleton-Reihe Prager Streifzüge, wo er das Prager Arbeits- und Nachtleben thematisierte. Zwar erschienen diese Feuilletons bald auch in Buchform, doch erst nach seinem Mitwirken an der Aufdeckung der Spionageaffäre Redl wagte Kisch den Sprung als Schriftsteller nach Berlin. Die Bohème im Café des Westens um Erich Mühsam3 und Else Lasker-Schüler4 fand schnell Gefallen am Prager Wirbelwind5, doch die Schüsse von Sarajevo bereiteten dieser Karriere ein schnelles Ende.

Egon Erwin Kisch, wie er sich gerne sahAls loyaler Untertan zog er mit seinem Prager Hausregiment an die Front gegen Serbien. Obwohl Kisch den Krieg anfangs noch als Abenteuer auffasste, verfiel er keine Sekunde dem Hurra-Patriotismus von 1914. Mit den täglichen Leiden als Frontsoldat und dem Tod seines Bruders Wolfgang in Russland verschwanden die letzten Illusionen. Nach einer schweren Granatenverletzung im März 1915 erfolgte eine zweijährige Versetzung in die Etappe. Auf eigenes Verlangen wurde Kisch im Mai 1917 ins k. u. k. Kriegspressequartier nach Wien abkommandiert, hier traf er u. a. auf Robert Musil6, Franz Werfel7, Franz Blei, Albert Paris Gütersloh, Albert Ehrenstein, Leo Perutz und den Schriftsteller-Kreis um die Zeitschriften «Der Friede» und «Summa». Abends traf man sich im Café Central. Im Kreis um Joseph Roth8 lernte er seine spätere Frau, die gebürtige Wienerin Gisela Lyner, kennen.

Am 12. November 1918 war Kisch als Offizier der Roten Garde bei der Gründung der Ersten Republik vor dem Parlament in Wien dabei. Kisch wurde wegen seiner Popularität das Opfer einer antikommunistisch-antisemitischen Pressekampagne. 1919 trat er der Kommunistischen Partei Österreichs bei, doch aus der aktiven Politik zog er sich zurück. Im Juni 1920 war Kisch bereits von Wien nach Prag übersiedelt, wo er für die Bühne von Emil Artur Longen etliche Burlesken verfasste, die auf Tourneen in deutscher und tschechischer Sprache aufgeführt wurden.

Weimarer Republik

Auch Egon Erwin Kisch zog es in die neue Metropole moderner Kunst, nach Berlin. Als «rasender Reporter» sollte er von hier aus weltberühmt werden, jährlich kam mindestens ein neues Buch mit reißerischem Titel auf den Markt. Doch dahinter verbarg sich weder ein Sensationsreporter noch ein Kaffeehausliterat. Vielmehr suchte Kisch in seinen Werken ökonomische Prozesse und dahinter stehende menschliche Schicksale in ihrer historischen Bedingtheit literarisch zu gestalten.

Egon Erwin KischSeine Reportagen erschienen in der bürgerlichen und kommunistischen Presse, im «Berliner Börsen Courier» sowie in der «Roten Fahne», in der «Frankfurter Zeitung», in der «Welt am Abend». Zum Star wurde Kisch in der «Arbeiter-Illustrierten Zeitung», dem medialen Flaggschiff des charismatischen kommunistischen Funktionärs Willi Münzenberg9. Dieser stand im Begriff, ein Medienimperium aufzubauen, das Tageszeitungen, Illustrierte, Filmverleih und Verlage umfasste, darunter die «Universum-Bücherei». In seinem Umfeld bewegten sich Erwin Piscator, John Heartfield und Wieland Herzfelde. Nach dem Erfolg des Buches Der rasende Reporter wechselte Kisch 1925 zur KPD, mit deren Kulturdirektiven er sich jedoch nicht identifizieren konnte. Weder huldigte er ihren wechselnden Führern, noch verwendete er die Phrasen ihrer jeweiligen Propaganda. Er war niemals das, was man einen Parteischriftsteller nennt, denn seine neue kulturelle Sozialisation erhielt er anderswo: Kisch fand Anschluss an den «Schutzverband deutscher Schriftsteller», wo er sich mit Arnold Zweig hitzige Debatten lieferte, und an die «Gruppe 1925» um Alfred Döblin, an die Zeitschrift «Das Tagebuch» um Stefan Großmann und an die «Weltbühne» um Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky. Hier fand Kisch Gleichgesinnte für eine «Litterature engagée». Er war überall dabei, wo sich Künstler, Gelehrte und andere Intellektuelle vereinigten, um publizistisch und bei Versammlungen gegen den Militarismus sowie gegen die Willkür von Polizei, Justiz und Verwaltung aufzutreten. 1928 wurde er Gründungsmitglied im «Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller» und versuchte, in den Statuten auch für Autoren bürgerlicher Herkunft ein Mitgliedsrecht zu verankern, was aber am Widerstand der Gruppe um Johannes R. Becher scheiterte. In Berlin und Prag führte er ein international offenes Haus und bildete eine zentrale Schaltstelle der linksbürgerlichen Intelligenz. Er fungierte vom deutschen und tschechischen Sprachraum ausgehend als Multplikator, kultureller Vernetzer und Werber seiner Weltanschauung in aller Welt.

Ausgedehnte Reisen führten ihn durch ganz Europa, Teile Nordafrikas, in die europäische Sowjetunion, die USA, schließlich Anfang der dreißiger Jahre nach Usbekistan, Tadschikistan, Afghanistan, China und Japan. Nach Europa zurückgekehrt, wurde ihm als «gefährlichem Ausländer» im November 1932 die Einreise nach Österreich verweigert. Seine Anwesenheit in Berlin nach der Machtergreifung Adolf Hitlers beweist seinen Mut.

Exil: Paris–Australien–Spanien–USA

Zu lange hatte Kisch den Nationalsozialismus und dessen Hetzartikel gegen ihn persönlich unterschätzt. Am Morgen nach dem Reichstagsbrand wurde er aus dem Bett heraus verhaftet, nur sein tschechischer Pass rettete ihn vor dem Schicksal Erich Mühsams, zu Tode geprügelt zu werden. Nach Prag abgeschoben, engagierte er sich – vom deutschen Geheimdienst argwöhnisch beobachtet – unermüdlich in verschiedenen Komitees der Flüchtlings- und Gefangenenhilfe, in Paris war er im Kreis um Willi Münzenberg um die Schaffung einer breiten Front aller Hitler-Gegner bemüht. Per Schiff ging es im Rahmen seiner Anti-Nazi-Agitation Ende 1934 nach Australien. Trotz eines gültigen Visums verweigerte ihm die dortige Regierung die Einreise, daraufhin sprang er kurzerhand (mit inzwischen fast 50 Jahren!) vom Schiff auf den Kai und brach sich ein Bein. Zahlreiche Prozesse und großes Medienecho waren die Folge, sogar das australische Parlament war mit der Causa befasst. Letztendlich musste die Regierung nachgeben und Kisch verließ Australien als freier Mann.

Den Höhepunkt seiner Exil-Tätigkeit brachte der «1. Kongress zur Verteidigung der Kultur» im Juni 1935 in der Pariser Mutualité, wo er durch seine Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller im Präsidium vertreten war. Doch die stalinistische Politik beendete die Zusammenarbeit der bürgerlichen und sozialdemokratischen mit den kommunistischen Hitler-Gegnern, auch wenn Kisch das nicht wahrhaben wollte. Die später von den Kommunisten als «Renegaten» verfemten Manès Sperber10 und Arthur Koestler11 beschreiben in ihren Autobiografien, wie Kisch ihnen Vaterfigur und nicht zuletzt durch seine ideologische Undiszipliniertheit Bereiter rarer heiterer Stunden wurde. An den Fronten des Spanischen Bürgerkriegs leitete Kisch für mehr als ein halbes Jahr die Kulturarbeit in Benicasim, einer Ferienkolonie am Mittelmeer, die zu einem Lazarett für die Soldaten der Spanischen Republik umgewandelt worden war.

Die Besetzung der Tschechoslowakei durch die Wehrmacht erlebte er völlig gebrochen in Frankreich, doch seine Antwort war die Leitung der deutschen Delegation bei einem Kongress exilierter Tschechen und Slowaken Ende April 1939 in Paris. Der Hitler/Stalin-Pakt, der den Angriff Hitlers auf Frankreich ermöglichte, brachte Kisch an den Rand eines Bruches mit der Partei. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden deutsche Exilanten in Frankreich unter menschenunwürdigen Zuständen interniert und teilweise an die Gestapo ausgeliefert. Wieder rettete Kisch sein tschechischer Pass, mit Hilfe zahlreicher Freunde gelang die Flucht nach New York. Dort angekommen, wurde er für einige Tage in Ellis Island interniert, bald interessierte sich auch das FBI für ihn. In den USA war er einmal mehr in der Fluchthilfe tätig, doch sein Aufenthaltsvisum wurde nicht verlängert.

Exil in Mexiko

Die USA suchten die kommunistischen Exilanten abzuschieben, viele fanden in Mexiko Asyl. Mexikos Präsident Lázaro Cárdenas hatte von 1934 bis 1940 eine unabhängige Außenpolitik im Zeichen internationaler Solidarität verwirklicht, so am 19. März 1938 in Form des Protestes gegen den «Anschluss» Österreichs. Er gewährte zahlreichen Flüchtlingen politisches Asyl, darunter Egon Erwin Kisch und Anna Seghers.

Auch sein Nachfolger Avila Camacho förderte die zahlreichen kulturellen und politischen Aktivitäten der internationalen Exilanten-Szene. Nach dem Angriff Hitlers auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurden aus den geächteten Kommunisten wieder Alliierte. Unter der verklärenden Sonne Mexikos kam es sogar zu einer Annäherung zwischen deutschen Kommunisten jüdischer Herkunft und jüdischen Exil-Organsationen, wofür Kisch erneut die Vermittlerrolle übernahm. Es entstanden der Exil-Verlag «El Libro Libre» und als gemeinsames kulturelles Forum der «Heinrich-Heine-Klub». In der Zeitschrift «Freies Deutschland» wurde offen über Wiedergutmachung und Restitution des jüdischen Eigentums diskutiert. Fast alle involvierten Genossen fielen nach ihrer Rückkehr in der DDR in Ungnade.

Auf den Reisen durch das Land voll exotischer Reize «interviewte» Kisch die Pyramiden in Teotihuacan und Chichen Itza, besuchte den geheimnisvollen Monte Alban, wurde Zeuge der Geburt eines Vulkans. Zu seinem 60. Geburtstag im Jahr 1945 wurden etliche Feiern organisiert.

Heimkehr und Tod

Im Frühling 1946 in Prag angekommen, wurde Kisch noch überschwänglich begrüßt. Doch ein Großteil seiner Familie und fast alle seiner Freunde waren verschleppt und ermordet worden. Die vielfach besungene und heiß ersehnte Heimatstadt Prag war nicht mehr Metropole, auf ihren Straßen war jedes deutsche Wort verpönt. Zum Nationalismus gesellte sich der Antisemitismus, doch Kisch übernahm den Ehrenvorsitz einer jüdischen Organisation. Eine geplante Reise nach Palästina zerschlug sich. Eine letzte Reise führte ihn nach Skopje und Belgrad, wo er von Josip Broz Tito empfangen wurde. Neben der Tschechoslowakei war das Judentum das letzte große Thema seines Schaffens. Sein letztes Buch-Projekt war die erweiterte Neuausgabe von Geschichten aus sieben Ghettos, das posthum aber nur in englischer Übersetzung erscheinen konnte, ein deutschsprachiger Verleger hatte sich nicht gefunden. Einleitend entstand hierfür mit Mörder bauten dem zu Ermordenden ein Mausoleum eines überzeugten Atheisten Huldigung der Bibel. Zwei Jahre nach der Heimkehr erlag Egon Erwin Kisch seinem zweiten Schlaganfall, die neue kommunistische Regierung bereitete ihm ein feierliches Begräbnis.

Egon Erwin Kisch, Shanghai, 1932

Egon Erwin Kisch ist der Paradefall einer Generation von kommunistischen Intellektuellen jüdischer Herkunft, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den allzu engen Ghettomauern ihrer Väter in die Weiten des Internationalismus entfliehen wollten, die aber fatalerweise ihre persönlichen, humanistischen Ziele auch für die Ziele Moskaus hielten. Sie brachen nicht mit ihrer Organisation in der Hoffnung, dass nach der Periode der Generäle wieder ihre Stunde schlagen würde. Kischs politischer Irrtum war es, die Weltgeschichte mit den Augen eines Dichters zu sehen. Auch wenn seine sozialistische Utopie zu einem «Sozialistischen Surrealismus» pervertiert und 1989 von der Geschichte verschluckt wurde, so hat sich an den realen Konflikten der westlichen Welt nicht viel geändert, und genau diese sind bei Egon Erwin Kisch meisterhaft erzählt nachzulesen, sind sie doch allzu menschlich-allgegenwärtig-gemeinsam.


1avan|cie|ren <sw. V.; ist> [frz. avancer, zu einem vlat. Verb mit der Bed. «vorwärts bringen», zu spätlat. abante = vorweg]: 1. (veraltend) befördert werden, in einen höheren Dienstrang aufrücken: er avancierte zum Direktor. 2. zu etw. werden, aufsteigen, aufrücken: er ist zum besten Spieler der Mannschaft avanciert. 3. (veraltet) vorwärts gehen, vorrücken.

2New|co|mer, der; -[s], -[s] [engl. newcomer = Neuankömmling, Neuling]: jmd., der in einer Branche, einem Geschäft o. Ä. neu ist, noch nicht viel Erfahrung [aber schon einen gewissen Erfolg] hat: ein N. im Schlagergeschäft.

3Mühsam, Erich, * Berlin 6. 4. 1878, † KZ Oranienburg 10. oder 11. 7. 1934, dt. Schriftsteller. 1919 Mgl. des Zentralrats der bayr. Räterepublik; nach deren Sturz zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt, von denen er 6 Jahre verbüßte. 1933 erneut verhaftet. Verfasste satir. Balladen und Gedichte, auch Essays.

4Lasker-Schüler, Else (eigtl. Elisabeth), * Elberfeld (= Wuppertal) 11. 2. 1869, † Jerusalem 22. 1. 1945, dt. Schriftstellerin. Emigrierte 1933 in die Schweiz, hielt sich in Palästina und Ägypten auf und lebte ab 1937 völlig verarmt in Jerusalem. Gilt mit ihrem Werk (Lyrik, Dramen[versuche] und Erzählungen) als Vorläuferin, Repräsentantin und Überwinderin des literar. Expressionismus.

5Wir|bel|wind, der hier: (veraltend, meist scherzh.) lebhafte, heftig u. ungestüm sich bewegende Person (bes. Kind, Jugendlicher): sie ist ein richtiger W.

6Musil, Robert, eigtl. Robert Edler von M., * Klagenfurt 6. 11. 1880, † Genf 15. 4. 1942, österr. Schriftsteller. Maschinenbauingenieur. 1903–08 Philosophiestudium in Berlin; lebte 1931–33 in Berlin, dann bis 1938 wieder in Wien; 1938 Emigration in die Schweiz. Sein Hauptwerk, der umfangreiche fragmentar. Roman Der Mann ohne Eigenschaften (1930 und 1933 in Teilbänden erschienen) gehört als «Comédie humaine» der Gesellschaft Europas vor dem 2. Weltkrieg zu den großen Werken der Weltliteratur. Erhielt 1923 den Kleist-Preis.

7Werfel, Franz, * Prag 10. 9. 1890, † Beverly Hills (Calif.) 26. 8. 1945, österr. Schriftsteller. Verband in Lyrik, Dramen und Erzählwerken humanist. Gesinnung mit expressionist. Ausdruck. 1938 Emigration nach Frankreich, 1940 in die USA. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Romane Der veruntreute Himmel (1939; verfilmt 1958), Das Lied von Bernadette (1941; verfilmt 1943), Stern der Ungeborenen (hg. 1946).

8Roth, Joseph, * Brody (Gebiet Lemberg) 2. 9. 1894, † Paris 27. 5. 1939, österr. Schriftsteller. Emigrierte 1933. R. steht in der Tradition des österr. [krit.] Gesellschaftsromans. Die Tragik des Judentums und der untergehenden Donaumonarchie bestimmen themat. seine Werke, v. a. die Romane Radetzkymarsch (1932), Die Kapuzinergruft (1938).

9Münzenberg, Willi, * Erfurt 14. 8. 1889, † bei Saint-Marcellin bei Grenoble 1940, dt. Politiker und Publizist. 1919 Anschluss an den Spartakusbund bzw. die KPD; schuf 1921 die Internat. Arbeiterhilfe; MdR seit 1924; ab 1927 Mgl. des ZK der KPD; emigrierte 1933 nach Frankreich; 1937 aus der KPD ausgeschlossen; kam auf der Flucht vor den dt. Truppen unter ungeklärten Umständen ums Leben (am 21. 6. 1940 zuletzt gesehen, im Nov. tot aufgefunden).

10Sperber, Manes, * Zablotów (= Sabolotow) bei Kolomyja 12. 12. 1905, † Paris 5. 2. 1984, frz. Schriftsteller osterr. Herkunft. Emigrierte 1933 nach Frankreich. Setzte sich in Romanen, u. a. Wie eine Trane im Ozean (R.-Trilogie, 1949–53) und Essays mit dem Kommunismus und jegl. Form von Totalitarismus auseinander. Friedenspreis des Dt. Buchhandels 1983.

11Koestler, Arthur, * Budapest 5. 9. 1905, † London 3. 3. 1983 (Selbstmord), engl. Schriftsteller ungar. Herkunft. 1931–37 Mgl. der KP; Berichterstatter im Span. Bürgerkrieg; ab 1948 brit. Staatsbürger. Setzte sich in zahlr. (autobiograf.) Romanen (Sonnenfinsternis, 1940; Auf fremden Plätzen, 1980) und essayist. Schriften (Der Mensch, Irrläufer der Evolution, 1978) mit Fragen der Ethik und der (totalitären) Politik auseinander.


Egon Erwin Kisch
Schriftsteller

1885 29. April: Egon Erwin Kisch wird als Sohn des jüdischen Tuchhändlers Hermann Kisch und dessen Frau Ernestine (geb. Kuh) in Prag geboren.

1903 Nach dem Abschluss der Realschule studiert er an der Technischen Hochschule in Prag und an der Prager deutschen Universität.

1904 Kisch meldet sich als Einjährig-Freiwilliger.

1906 Nach dem Besuch einer Journalistenschule in Berlin wird er Volontär des «Prager Tagblatts».

1906–1913 Kisch arbeitet als Lokalreporter bei der Prager Tageszeitung «Bohemia», in deren Feuilleton er seine ersten Reportagen, meist Schilderungen aus dem Milieu der Armenviertel, veröffentlicht.

1913 Übersiedlung nach Berlin, wo er als Dramaturg am «Künstlertheater» arbeitet und für das «Berliner Tageblatt» schreibt.

1914 Nach Beginn des Ersten Weltkrieges wird Kisch als Korporal der österreichisch-ungarischen Armee an die serbische Front geschickt.

1915 Nach einer Verwundung leistet er u. a. Kanzleidienste.
Seine Entwicklung zum Pazifisten schildert er in seinem 1922 erschienenen Kriegstagebuch Soldat im Prager Korps (später unter dem Titel Schreib das auf, Kisch!).

1917 Kisch wird als Oberleutnant zum Kriegspressequartier nach Wien berufen.

1918 Januar: Noch während seiner Arbeit für das Kriegspressequartier wird er Mitglied in einem illegalen Arbeiter- und Soldatenrat und beteiligt sich am Wiener Januarstreik, mit dem Friedensverhandlungen erzwungen werden sollen.
1. November: Nach der Gründung der Roten Garde in Wien wird Kisch deren Erster Kommandant.
18. November: Er tritt als Kommandant zurück und wird Redakteur der Zeitschrift «Der Freie Arbeiter».

1919 Während seiner Arbeit bei der Tageszeitung «Der Neue Tag» begegnet er Joseph Roth, mit dem er lebenslang eng befreundet ist.
Eintritt in die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ).

1920 Nach seiner Ausweisung aus Österreich kehrt er nach Prag zurück, wo er an den «Revolutionären Bühnen» mitarbeitet und den Reportagenband Die Abenteuer in Prag veröffentlicht.

1921 Umzug nach Berlin. Als freier Schriftsteller schreibt er für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, vom «Berliner Börsen-Courier» bis hin zur «Roten Fahne».

1922–1926 Reisen durch Europa, Nordafrika und die Sowjetunion.

1924 Kisch wird Mitglied im «Schutzverband Deutscher Schriftsteller» (SDS).

1925 Wechsel zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).
Der Titel seines Buches Der rasende Reporter wird zu einem Synonym für ihn selbst.

1926 Sein Reportagenband Hetzjagd durch die Zeit erscheint.
Seinen neuen Reportagestil entwickelt er inhaltlich und formal kontinuierlich weiter. Von seiner noch 1920 formulierten Definition der Reportage als neutrale Tatsachenberichterstattung rückt er ab, indem er die Parteilichkeit der Reportage in den Vordergrund stellt und sie als revolutionäres Kampfmittel begreift. Er thematisiert zunehmend Ausbeutungsverhältnisse und Entfremdungsprozesse in der modernen Gesellschaft.

1928 Mitbegründer des «Bunds proletarisch-revolutionärer Schriftsteller» (BPRS).
Mit falschen Papieren reist Kisch in die USA, deren politische und kulturelle Situation er in Paradies Amerika schildert.

1929 Reisen durch die Sowjetunion und Südwesteuropa.

1931/32 Nach einem Lehrauftrag für Journalistik an der Hochschule in Charkow (Sowjetunion) reist er illegal nach China, worüber er den Bericht China geheim verfasst.

1933 30. Januar: Rückkehr nach Berlin.
28. Februar: Nach dem Reichstagsbrand wird er verhaftet, aber nach zwei Wochen durch die Intervention der Tschechoslowakei nach Prag abgeschoben.
Juni: Kisch geht nach Paris ins Exil, wo er in der «Internationalen Arbeiter-Hilfe» sowie im Exil-SDS mitarbeitet.

1934 Seine illegale Reise zum Weltkongress gegen Krieg und Faschismus nach Melbourne (Australien) beschreibt er in der Landung in Australien.

1935 Nach Paris zurückgekehrt, ist Kisch zusammen mit Heinrich Mann im Vorstand des «Ersten Schriftstellerkongresses zur Verteidigung der Kultur», auf dem er den Vortrag Reportage als Kunstform und Kampfform hält.

1936–1938 Aufenthalte in Prag und Ostende (Belgien) sowie als Berichterstatter der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg.

1938 Oktober: Heirat mit Gisela Lyner in Versailles.

1939 Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs flieht Kisch von Paris nach Mexiko.

1941 In Mexiko-City arbeitet er als Redakteur der Zeitschrift «Freies Deutschland» und gründet den Verlag «El Libro Libre» (Das Freie Buch).
Seine Reise-Eindrücke schildert er in dem Buch Entdeckungen in Mexiko, das 1945 erscheint.

1942 Sein Erinnerungsbuch Marktplatz der Sensationen erscheint in Mexiko.

1946 Kisch kehrt über New York und London nach Prag zurück.

1948 31. März: Egon Erwin Kisch stirbt in Prag an einem Herzschlag.

Der Text ist entnommen aus:
http://www.hagalil.com/austria/gemeinde/kisch.htm