Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №9/2007

Sonderthema

Brockhaus: Die Fabrik der allgemeinen Bildung

Der enzyklopädische Traum und die Industrialisierung des grafischen Gewerbes sind in der Firma F.A. Brockhaus eine hochproduktive Verbindung eingegangen. Ist das ein Thema der Bildungsgeschichte oder der Wirtschaftsgeschichte? Der Mischbetrieb – Verlag, Kommissionshaus, Druckerei, Binderei – blieb fast 200 Jahre lang in Familienregie.

Eine Firma unter fünf politischen Systemen

Der Gründer des Traditionshauses, Friedrich Arnold Brockhaus, wechselte als Geschäftsmann erst spät in den Buchhandel über und kam noch später nach Leipzig. Rückgrat seines durchaus spekulativen, aber zunehmend erfolgreichen Geschäfts war die Übernahme und Fortführung eines Konversationslexikons. Schon unter seinen Söhnen entwickelte die Gründung Beständigkeit und Opulenz, und beim Jubiläum 1905 beschäftigte die Firma F.A. Brockhaus in Druckerei und Verlag über 600 Mitarbeiter, verfügte über ein ständig wachsendes Industrie-Areal nebst Villa im Osten Leipzigs und über eine hochmoderne Ausrüstung der technischen Betriebe. Die Unternehmens-Chefs in vierter und fünfter Generation, Eduard (1829–1914) und Albert Brockhaus (1855–1921), spielten beide als Börsenvereinsvorsteher eine führende Rolle im Buchhandel, Eduard wirkte zudem als Reichstagsabgeordneter der Nationalliberalen Partei auch im politischen Leben. Im denkwürdigen «Bücherstreit» um die Marktordnung des Buchhandels von 1903/04 vertrat Albert Brockhaus den Börsenverein gegenüber dem Akademischen Schutzverein. Die Marktmacht der Firma und die gesellschaftliche Stellung der Unternehmerfamilie hatten einen Höhepunkt erreicht.

Nach 1918 bedurfte es einiger Anstrengung, die Firma durch die Krisenjahre zu bringen. Der Verlag konzentrierte sich nun auf Programm-Schwerpunkte: Vor allem natürlich auf die Renovierung und Fortführung des Konversationslexikons (1928–1935 erscheint als 15. Auflage Der Große Brockhaus in 20 Bänden unter beträchtlichem Werbeaufwand), außerdem auf den Ausbau der Reise- und Forschungsliteratur, für die Brockhaus seit
F. Nansen einen Namen hatte.

Zu Beginn des Dritten Reiches galt F.A. Brockhaus als ein zu respektierendes, auch im Ausland anerkanntes Unternehmen, dessen konservativ gestimmte Geschäftsleitung sich mit den neuen Machthabern arrangierte, aber im Unterschied zum Konkurrenzverlag Bibliographisches Institut (Meyers Lexikon) keine NSDAP-Mitglieder aufwies. Trotzdem war eine Politisierung nicht zu verhindern, und vor allem die Lexikon-Redaktion musste Zensureingriffe hinnehmen und Auseinandersetzungen mit Parteistellen durchstehen. Wirtschaftlich ging es der Firma ausgezeichnet, zwischen 1933 und 1938 verdoppelte sich die Mitarbeiterzahl, das Lexikon-Programm konnte ausgebaut werden, die Reisebuch-Produktion erreichte zwischen 1938 und dem Kriegsjahr 1941 einen Höchststand. Erst durch die gravierenden Schäden beim Luftangriff auf Leipzig vom 4. Dezember 1943 geriet auch Brockhaus in den Sog der Katastrophe. Heereslieferungen des Verlages und Aufträge an den Rest der Druckerei ermöglichten eine improvisierte Weiterexistenz, die nach Kriegsende in eine Teilung des Unternehmens mündete: Während die amerikanische Besatzung bei ihrem Abzug aus Leipzig im Frühsommer 1945 einer Auswahl buchhändlerischer Firmen, darunter auch dem Brockhaus-Verlag, eine Niederlassung in Wiesbaden ermöglichte, blieb das Stammhaus unter der sowjetischen Militär-Administration am Ort und erhielt 1946, als Privatunternehmen unter der Leitung von Fritz Brockhaus (1874–1952), seine Verlagslizenz.

Brockhaus-Büste vor dem Verlagshaus in MannheimIm Westen kamen neben und nach Hans Brockhaus (1888–1965) Vertreter der sechsten und siebenten Generation in die Firmenleitung, die aber beide nach kurzer Zeit verstarben, sodass erst mit Hubertus Brockhaus (geb.1949) die Familientradition fortgesetzt werden konnte. Die Neuordnung des Buchhandels in der Bundesrepublik erlaubte den schnellen Ausbau des Wiesbadener Hauses, zunächst als reines Verlagsunternehmens, später ergänzt durch den Kauf einer eigenen Druckerei. Hauptprojekt, mit erheblichem Kapitalaufwand, wurde der zwölfbändige neue Große Brockhaus, gefolgt von der Brockhaus Enzyklopädie (1966–1974). Aber schon in den 70er Jahren gab es erste Anzeichen einer Konjunkturwende, der Markt für Großlexika wurde enger, die Computertechnik zog in die Redaktionen ein, Beteiligungen wurden notleidend. Zu dieser Zeit wurden die Verhandlungen begonnen, die daraufhin zur Fusion von F.A. Brockhaus mit seinem Hauptkonkurrenten, dem Mannheimer Bibliographischen Institut, im Jahre 1984 führten – eine Sensation im konservativen Verlagsmilieu. Damit nicht genug. Zur Abwehr einer unfreundlichen Übernahme holte das vereinigte Unternehmen BIFAB AG vier Jahre später die Münchner Langenscheidt KG als Großaktionär ins Boot. Der Vorgang war exemplarisch für die nun in Gang gekommene allgemeine Verlagskonzentration in Deutschland.

In der DDR machte das Unternehmen den Weg vom Privatbetrieb über die Treuhandverwaltung – 1951 durch die Stadt Leipzig – bis zur Ausgliederung der Betriebsabteilungen und der Umwandlung der Firma in den VEB F.A. Brockhaus Verlag im Jahr 1953 durch. Mit neuer Programmstruktur steigerte der Verlag seine Absatzerlöse bis zum Ende der DDR von einer auf dreizehn Millionen Mark und entwickelte sich zum Vorzeigebetrieb des Landes. Der bald einsetzende Streit um die Warenzeichen- und Vertriebsrechte im Westen führte 1980 zu einer gütlichen Vereinbarung mit Wiesbaden.

Nach der Wende fielen die Vermögenswerte des DDR-Verlags an die Brockhaus-Familie zurück, das Brockhaus-Zentrum (unter Hubertus Brockhaus) wurde als Gewerbe-Immobilie auf dem alten Grundstück errichtet sowie die Markentradition von Brockhaus im Rahmen des Mannheimer Gesamtunternehmens wurde fortgeführt.

Insgesamt gliedert sich das Verlagsprogramm in vier Bereiche, die durch eigene Verlagsnamen gekennzeichnet sind: F.A. Brockhaus, Dudenverlag, Meyers Lexikonverlag und B.I. Taschenbuchverlag.

Enzyklopädische Ausflüge

Adaptionen des deutschen Konversationslexikons erschienen schon früh in Dänemark, den Niederlanden, den USA und Ungarn, dort bei Wigand in Pest zwischen 1831 und 1834. Auch Chambers’s Encyclopedia aus Edinburgh beruhte ursprünglich auf einer Lizenz von Brockhaus. Besonders deutlich werden die Chancen und Probleme einer solchen Kooperation über den russischen Brockhaus-Efron, für den mit Leipziger Teilhaberschaft eine eigene Firma in St. Petersburg gegründet wurde. Dieses Großlexikon, ursprünglich als Übersetzung gedacht, erwies sich mehr und mehr als eigenständiges Unternehmen unter russischer Redaktion mit zunehmenden Originalartikeln, veranlasst zum einen durch das Bedürfnis nach «Russifizierung», zum anderen durch die anhaltende Modernisierung von Wissenschaft und Technik. Die Ausgabe des Brockhaus-Efron (1890–1907) erreichte hohe Auflagen, rief Konkurrenzwerke hervor – unter anderem in Kooperation mit dem Bibliographischen Institut – und blieb bis in die Gegenwart präsent.

Der Text ist entnommen aus:
http://iasl.uni-muenchen.de/