Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №10/2007

Literatur

Wulf Kirsten: Die Schlacht bei Kesselsdorf

(Fortsetzung aus Nr. 8, 09/2007)

Das war starcker Toback. Als am 10. Dezember der angekündigte Kurier eintraf, seine Instruktionen übergeben und explicit dargelegt hatte, packte den Fürsten die kalte Wut. Von dieser stürmischen Gemüts- und Geblütsaufwallung wurde es ihm speiübel und schwarz vor den Augen. Das war ihm in seinen dreiundfünfzig Dienstjahren noch nicht widerfahren. Ein junger Stabsoffizier, der eigens auf die Sprachgebung seines Königs studiert zu haben schien, ihm als Gedächtnisstütze zur Seite gestellt. Pfui Teufel! Zweifelte man etwa schon an seinem Verstande, an seinem Entscheidungsvermögen. Als wüßte er nicht selbst, wie Kriege geführt werden. Gedanken, die nicht mehr aufhören wollten, ihn zu peinigen. Unerträgliche Vorstellungen. Zum Störrischwerden. In trotziger Erbitterung schloß er seine Erwiderung: «... und kann nicht anders glauben, als daß Eure Königliche Majestät einen beständigen Haß gegen mir haben und behalten werden.»

Nun sah sich der König seinerseits bemüßigt, in dieser für ihn so brenzligen Situation aus taktischen Gründen einen Pflock zurückzustecken. Eben jetzt konnte er den Fürsten unter keinen Umständen entbehren. Die geringfügigste Stockung während des Vormarschs hätte die Siegeschancen erheblich verringert. Zuviel stand auf dem Spiel für Preußen. Kaum zuvor hatte sich der Staat in einer derart miserablen Verfassung befunden. Die Kassen leer. Die Kreditwürdigkeit weit und breit nahezu erschöpft. Das massive Silbergerät aus dem Schlosse eingeschmolzen. Kronleuchter, Tischplatten, Kaminverkleidungen, der Musikantenchor bei Nacht und Nebel außer Landes gebracht und in klingende Münze geschlagen, damit der Sold ausgezahlt werden konnte. Woher nun noch Reserven nehmen? Die Talsohle war erreicht. Der Beutezug im Vorjahr nach Böhmen, der sich zunächst so verheißungsvoll angelassen hatte, brachte am Ende weder materiellen Gewinn noch sonst irgendwelche Vorteile. Alle Erfolge während des raschen Vormarsches waren am Ende in Mißerfolge umgeschlagen. Die böhmischen Bauern hatten das Korn, wie ihnen von der Kaiserin geheißen, tatsächlich vergraben und hielten sich in den Wäldern verborgen, wohlversehen mit den besten Empfehlungen der Landesmutter zur passiven Resistenz, unsichtbar für die Feinde. Ein unheimliches Land, so kam es den Besetzern vor. Dieser Art von Feindschaft war die königliche Armee nicht gewachsen. Um nicht zu verhungern, mußte sie das okkupierte Land schleunigst verlassen und nach Schlesien zurückkehren, in den sicheren Hort.

Verbissen und hartnäckig mühten sich die stolzen Habsburger, dem aufdringlichen Parvenü im Norden, der ihnen so anmaßend auf der Nase herumtanzte, diese Kornkammer wieder abzujagen. Unschicklicherweise gab Maria Theresia vor, lieber ihre Kleider, die sie auf dem Leib trug, zu missen als dieses fruchtbare Land, das seit dem Regierungsantritt des Hohenzollern zum Zankapfel geworden war, und was dergleichen kaiserliche Rodomontaden mehr waren.

Das von einer Kamarilla geleitete Sachsen war bislang lediglich als Hilfsmacht auf dem Plane gewesen. Der vertrottelte Kurfürst, ein fader, träger Fleischsack, der von seinem Vater nur die Jagdleidenschaft und Verschwendungssucht geerbt hatte, wurde bei Laune und in Ahnungslosigkeit gehalten. Brühl, der eigentliche Herrscher im Lande, verstand es, den einfältigen Landesherrn mit einer undurchdringlichen Hecke von Aufpassern zu umgeben. Wie die Schießhunde hatten diese servilen Kreaturen darüber zu wachen, daß keinerlei Informationen über die Mißwirtschaft und das Elend im Lande an seine Ohren drangen. In völliger Verkennung der Realitäten liebäugelte man am sächsischen Hofe mit weitläufigen Ländereien, die eine Brücke nach Polen schlagen sollten. Brühl und seine wendigen Afterkriecher glaubten den Ausgang des Krieges durch einen überraschend geführten Winterfeldzug zu ihren Gunsten wenden zu können. Und da sie sich an ihren waghalsigen Plänen berauschten, schlugen sie das Friedensangebot des Preußenkönigs hochnäsig in den Wind und ließen es lieber auf ein blutiges Nachspiel ankommen. Gar zu gern hätten auch sie es gleich den Österreichern gesehen, wenn der dreiste preußische Emporkömmling wieder zum kleinen brandenburgischen Markgrafen heruntergedrückt würde und seine Einflußsphäre auf den kargen märkischen Sand beschränkt bliebe.

Auf den Brief des Feldherrn schrieb der König bereits tags darauf wesentlich kühleren Blutes und klareren Kopfes: «In den gantz besonderen Umbständen vorinnen Ich jetzo bin, und da es Mir auf die Ehre Meines Hauses und auf die Wohlfahrt Meiner Lande und Leuthe ankommt, wird es Ew. Liebden ohnmöglich befremden können, daß ich in Sachen so das Wohlseyn und die Wohlfahrt Meine Lande und Armee angehen, allen Ernst gebrauche und keinen schone. Ich kann Ew. Liebden auf Meine Ehre versichern, daß ich gegen Dero Persohn keinen personellen Haß habe, worauf dieselben sich gewiß und fest verlaßen können; So weit aber gehet Meine Complaisance nicht, daß Jemanden es sey auch wer es auf der Welt es wolte, menagirete, wenn Ich sehe, daß Mein Interesse so genau damit verknüpft ist. Ich danke Gott! daß es diesmal mit dem Generalleutnant Lewald so gut abgelaufen ist. Morgen bin ich in Königsbrüg. Mit der Armée, der Friden Sehet weitläufiger aus als es geschinen in deßen Marschiren Sie den 14. auf jener Seite der Elbe, und ich auf dießer seiten Nach Dresden, und den 15. darauf So Mus es ein Ende werden, und erfähret man das geringste vom Pr. Carel So stoße mit diesem Corps zu Ihnen.»

An ebendiesem 15. Dezember des Jahres 1745 stehen die sächsischen Truppen seit dem frühen Morgen bibbernd und zähneklappernd unter Gewehr. Die Unbeweglichkeit läßt den schneidenden Frost ins Gebein und unter die Nägel fahren, daß es ziefert. Zwei Nächte haben sie schon auf freiem Felde kampiert, malträtiert wie gepferchtes Vieh. Selbst für das zum Leben Notwendigste war nicht gesorgt worden. Mitnichten. Vor allem fehlte es an Holz und Stroh. Im Zschoner Grund hätte man zumindest Brennmaterial schlagen lassen können. Wo sich irgend ein Stück Holz fand, sei es Brett, Pfosten, Rechen, Besenstumpen, Schaufel oder Gabel, Hacken- oder Axtstiel, Stacken, Stange, Baumpfahl samt Baum und sonst dergleichen, wurde es aus nackter Not ins Feuer geworfen. Binnen Tagesfrist verschwand auf diese Weise auch das gesamte Schanzzeug der Armee. An den meisten Zelten schlotterten und klunkerten die Fetzen. So zerschlissen, wie die Zelte aus dem Magazin kamen, mußten sie aufgebaut werden. Kein Zeltschneider, kein Sattler zu sehen. Diese hatten vollauf damit zu tun, die Offizierszelte und das Riemenzeug der Offizierspferde zu reparieren.

Der Troß ist in der Stadt geblieben. Mit dem Nachschub geht es nicht voran. Keine Organisation. Schlumperwirtschaft wie überall im Lande. Die hohen Herren sehen zu, wo sie bleiben. Eigennutz geht vor.

Zwar sind Offiziere in ausreichender Zahl vorhanden, aber es fehlt an einer Hand, die imstande gewesen wäre, die Fäden zu halten. Keiner interessiert sich für Angelegenheiten, die außerhalb seines Kompetenzbereiches liegen.

In ähnlich desolatem Zustande wie die Zelte befinden sich auch die Monturen der neunzehntausend Grenadiere. In ihrem Aufzug machen sie einen ausgesprochen jämmerlichen Eindruck. Zum Gotterbarmen!

Seit der Zusammenführung vor vier Tagen sind die Mannschaften nicht mehr richtig satt geworden. Wohl waren die Brotrationen immer und immer wieder für die nächsten Stunden versprochen worden – und mit welch ehrenhaften Beteuerungen! Wenn sie nur endlich eingetroffen wären!

Woher auch nehmen – nach einer Ernte, die nur kärglich geschüttet hatte. Das Korn ist knapp, daher entsprechend teuer. An allen Ecken und Enden herrscht Mangel. Er ist der geheime König des Landes und seiner Armee. Die Decke, die vonnöten wäre, die Blößen zu decken, ist zerschlissen und viel zu kurz. Man mochte sie zerren, wohin man wollte auf den verschneiten Flächen, über die der eisige Wind das weiße Pulver aufwirbelt und davonträgt. Überall kommt das nackte Elend zum Vorschein.

[...]


ei|gens <Adv.>: besonders; speziell zu einem bestimmten Zweck: das braucht nicht e. erwähnt zu werden; sie ist deswegen e. aus Berlin gekommen; das Geld ist e. (allein, ausschließlich) für diesen Zweck bestimmt.

trot|zig <Adj.>: 1. (bes. von Kindern) hartnäckig bestrebt, seinen eigenen Willen durchzusetzen; sich dem Eingriff eines fremden Willens widersetzend od. ein entsprechendes Verhalten ausdrückend: ein -es Kind; ein -es Gesicht machen; eine -e Antwort geben; t. schweigen. 2. Trotz, Widerstand bietend; trotzend: ein -es Lachen.

be|mü|ßigt; ich sehe mich bemüßigt (geh., oft iron. für veranlasst, genötigt).

Kre|dit|wür|dig|keit, die: finanzielle Vertrauenswürdigkeit eines etwaigen Kreditnehmers.

Sold, der; -[e]s, -e <Pl. selten>: 1. (veraltend) Lohn, Entgelt für Kriegsdienste: S. zahlen, auszahlen, empfangen; *in jmds. S. (geh.; in jmds. Dienstÿ): im S. Ihrer Majestät; in jmds. S. stehen (geh.; für jmdn. arbeiten u. dafür bezahlt werden): er stand im S. mehrerer Abwehrorganisationen. 2. [monatliche] Bezahlung der Wehrdienst leistenden Soldaten.

ver|bis|sen <Adj.>: a) [allzu] hartnäckig, zäh, nicht bereit nachzugeben, aufzugeben: ein -er Gegner; v. schuftete er weiter; b) von starker innerer Angespanntheit zeugend, verkrampft: ein -es Gesicht; v. dreinschauen, dasitzen; c) (ugs.) engherzig, pedantisch: man soll nicht alles so v. nehmen.

Par|ve|nü, (österr.:) Par|ve|nu [...’ny:], der; -s, -s [frz. parvenu, eigtl. 2. Part. von: parvenirÿ= an-, emporkommen] (bildungsspr.): Emporkömmling.

Ro|do|mon|ta|de [it.-fr.; nach der Gestalt des heldenhaften u. stolzen Rodomonte («Bergroller») in Werken der ital. Dichter Boiardo u. Ariost] die; -, -n: (selten) Aufschneiderei, Großsprecherei.

ser|vil <Adj.> [lat. servilis, zu: servusÿ= Sklave] (bildungsspr. abwertend): untertänige Beflissenheit zeigend; kriecherisch schmeichelnd: eine -e Haltung, Gesinnung; ein -es Lächeln.

wag|hal|sig, (älter auch:) wagehalsig <Adj.>: a) Gefahren, Risiken nicht scheuend, sie oft in leichtsinniger Weise zu wenig beachtend; tollkühn, verwegen: ein -er Mensch; sie ist, fährt sehr w.; b) große Gefahren, Risiken in sich bergend; sehr risikoreich, gefährlich: ein -es Unternehmen, Abenteuer; -e Spekulationen.

bib|bern <sw.ÿV.; hat> [eigtl.ÿ= ständig beben] (ugs.): a) zittern: vor Angst, Kälte b.; b) um etwas zittern, Angst haben: um seinen Besitz b.

mal|trä|tie|ren <sw. V.; hat> [frz. maltraiter, aus: mal (Malaise) u. traiter < lat. tractareÿ= behandeln]: misshandeln; mit jmdm., etw. übel umgehen: jmdn. mit Fäusten und Füßen m.

schlot|tern <sw. V.; hat>: 1. (vor Kälte od. durch eine heftige Gefühlsbewegung, bes. Angst, Aufregung o.ÿÄ. bewirkt) heftig zittern: die Kinder schlotterten [vor Angst, vor Kälte]; sie schlotterte am ganzen Leib; mit schlotternden Knien ging er hinaus. 2. (bes. von zu weiten Kleidungsstücken o.ÿÄ.) lose, schlaff (am Körper, einem Körperteil) herabhängen, sich (bei einer Bewegung des Trägers) schlenkernd hin u. her bewegen: die Hosen schlottern ihm um die Beine.

de|so|lat <Adj.> [zu lat. desolatum, 2.ÿPart. von: desolare = einsam lassen, verlassen] (bildungsspr.): trostlos, traurig; schlecht, miserabel: eine -e Lage, Verfassung; ein -er Anblick, Zustand.

Aus: Wulf Kirsten: Die Schlacht bei Kesselsdorf. Ein Bericht. Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1984. S. 7–17.