Bildung und Erziehung
Für viele Mädchen gilt: Rauchen statt Essen
Eine neue Studie über die Ursachen des Rauchens bei deutschen Jugendlichen ergab, dass annähernd jede zweite junge Raucherin zur Zigarette greift, um nicht zuzunehmen. Jeder achte junge Raucher hat sogar schon in den ersten fünf Minuten nach dem Aufstehen einen Glimmstängel1 in der Hand.
Die Studie belegt darüber hinaus einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Alkoholkonsum: Jugendliche Raucher neigen fünf Mal mehr zum Rauschtrinken2 als Nichtraucher. Das Rauchstopp-Programm «Just be smokefree», das unter anderem von der Krankenkasse DAK und der Deutschen Krebshilfe gefördert wird, stellte vor Kurzem in Berlin die Studie vor.
Sie brachte unter anderem das Ergebnis, dass zwölf Prozent der rauchenden Jungen der Klassenstufen 7 bis 13 bereits innerhalb der ersten fünf Minuten nach dem Aufstehen zur Zigarette greifen – wissenschaftlich erwiesenes Symptom einer Sucht, wie Klaus Spörkel von der DAK erläuterte. Insgesamt rauchen der Untersuchung zufolge etwa 30 Prozent der Jugendlichen, womit Deutschland international eine Spitzenstellung einnimmt.
Die Geschlechtsunterschiede sind deutlich: Täglich rauchen 18,8 Prozent der Jungen und 13 Prozent der Mädchen, gelegentlich 8,1 beziehungsweise 11,1 Prozent. Von den Rauchern und Raucherinnen konsumieren 40 Prozent der Jungen und 30 Prozent der Mädchen mehr als zehn Zigaretten täglich. Unter diesen geben 41 Prozent «Nicht zunehmen» als einen Grund für das Rauchen an. 92 Prozent dieser Mädchen haben allerdings überhaupt keinen Grund, sich Sorgen um ihre Figur oder ihr Gewicht zu machen. 35 Prozent der rauchenden Mädchen gaben in der Umfrage unter 1 738 Schülerinnen und Schülern an, zu rauchen anstatt zu essen.
Initiative zum Rauchstopp
Die Ursachen für das Rauchen sind «komplexer als man denkt», wie der Kinderarzt und Suchtberater Wolf-Rüdiger Horn erklärte. So sind Raucher weniger gebildet als Nichtraucher. Hintergrund seien oft die Neigung zur Normüberschreitung (Renitenz3), was auch das Erliegen der alkoholischen Versuchung teilweise erkläre, aber auch größerer Konsum elektronischer Medien oder Schulprobleme. Horn regte an, die Risikofaktoren wie Renitenz stärker bei Prävention und Therapie zu berücksichtigen und statt lediglich medikamentöser Behandlung Gespräche und Motivationshilfen aller Art stärker ins Blickfeld zu nehmen.
Die Initiative, die einen niedrigschwelligen Einstieg zum Rauchstopp bietet, hat bisher mehr als 11 500 Anmeldungen erhalten. Die Erfolgsquote liegt, so weit messbar, zwischen rund zwölf und 45 Prozent. Nach Auffassung der Organisatoren sind das ermutigende Zahlen, da die Quote derjenigen Jugendlichen, die ohne Hilfe rauchfrei werden, bei nur zwei Prozent liegt.
Die DAK kritisierte das «Hin und Her» der politischen Ebenen über die Gesetzgebung zum Nichtraucherschutz. «Das ist genauso uncool wie das Rauchen», meinte DAK-Sprecher Jörg Bodanowitz.
1Glimm|stän|gel, der [seit Anfang des 19.ÿJh.s zunächst als Ersatzwort für «Zigarre» verwendet] (ugs.): Zigarette.
2Rausch, der; -[e]s, Räusche [mhd. ruschÿ= das Rauschen, rauschende Bewegung, rückgeb. aus rauschen]: 1. durch Genuss von zu viel Alkohol, von Drogen o.ÿÄ. hervorgerufener Zustand, in dem eine mehr od. weniger starke Verwirrung der Gedanken u. Gefühle eintritt: einen leichten, schweren R. haben; sich einen [gehörigen] R. antrinken; sich einen R. kaufen (salopp; sich vorsätzlich betrinken); seinen R. ausschlafen; in seinem R. wusste er nicht, was er sagte. 2. übersteigerter ekstatischer Zustand; Glücksgefühl, das jmdn. über seine normale Gefühlslage hinaushebt: ein blinder R. der Leidenschaft; den R. der Geschwindigkeit lieben; im R. des Erfolgs, des Sieges. 3. (geh.) betäubende Vielfalt: ein R. von Farben, Klängen; der Frühling zauberte einen R. von Blüten hervor.
3Re|ni|tenz, die; - [frz. rénitence] (bildungsspr.): renitentes Verhalten. re|ni|tent <Adj.> [frz. rénitent = dem Druck widerstehend < lat. renitens (Gen.: renitentis), 1. Part. von: reniti = sich widersetzen] (bildungsspr.): sich dem Willen, den Wünschen, Weisungen anderer hartnäckig widersetzend, sich dagegen auflehnend; widersetzlich: -e Schüler; eine -e Haltung einnehmen; sich r. äußern.
Der Text ist entnommen aus:
http://www.rp-online.de:80/public/article/aktuelles/wissen/gesundh eit/429876