Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №14/2007

Sonderthema

Wedekind und seine Eltern

Frank Wedekinds Jugend war geprägt vom Achtundvierziger-Liberalismus seines Vaters Dr. med. Friedrich Wilhelm Wedekind.

Emilie WedekindDie Erziehungsstile beider Elternteile waren stark von ihrem Amerika-Erlebnis geprägt. Die dort gewonnenen Anschauungen und ihr politisches Weltbild beeinflussten nicht nur ihr Leben, sondern auch das Leben ihrer Kinder. Keines seiner Kinder hat der Vater kirchlich taufen lassen, sondern sie mit Namen versehen, die seinen republikanischen Vorstellungen entsprachen.

Sogar der Name Franklin, den Wedekinds Vater ihm in Anerkennung für den Gründervater der Vereinigten Staaten, Benjamin Franklin, gab, zeigt, wie stark sein Vater von den demokratischen Freiheitsidealen der Vereinigten Staaten beeindruckt war.

Die Eltern und ihre Rollen als Erzieher wurden als Mond und Sonne beschrieben. Während die Mutter jeden Tag für die Kinder da war, ging der Vater, ein eigenbrötlerischer Alt-Achtundvierziger, dagegen lieber seinen wissenschaftlichen Interessen nach. Wenn es aber darum ging, sie vor autoritären Maßnahmen der Schulverwaltung zu schützen, war er zur Stelle. Bei den Kindern war er mehr gefürchtet als geliebt, und wenn er gelegentlich zu den gemeinsamen Mahlzeiten erschien, herrschte gedrückte Stimmung.

Frank kannte seinen Vater nur als Rentner. Der Gynäkologe Dr. med. Friedrich Wilhelm Wedekind hatte seinen Beruf schon seit Jahren nicht mehr ausgeführt, als er 1872 mit seiner Familie nach Lenzburg zog.

Die wesentlich jüngere Mutter liebte vor allem Unterhaltung und organisierte regelmäßig Gesellschaften mit Musik und Gesang. Sie war eine lebhafte und ständig tätige Person, die ihre Kinder auch zu konsequenter körperlicher Arbeit bewegen wollte. Der Vater sah das als Aufgabe der Mägde an. Die Kinder suchten sich also aus, wem sie in der jeweiligen Situation gehorchten.

Friedrich Wilhelm WedekindTatsächlich galten die Erziehungsmethoden der Eltern bei den Lenzburger Bürgern als «sehr amerikanisch». Die Entfaltung der persönlichen Freiheit war oberstes Prinzip. Selbst bei Tische gab es andere Sitten: Während andere Kinder schweigen mussten, durften die Wedekinds bei Tisch mitreden. Diese Freiheit war jedoch mehr ein Verdienst der Mutter, da der Vater nur selten anwesend war. Den individuellen Freiheitssinn, den Frank Wedekind im Laufe seiner Jugend erlangte und den Mut, sein Leben nach seinen Vorstellungen zu gestalten, bewahrte er sich: Nicht umsonst provozierte er mit seinen Theaterstücken und Gedichten, durch die er einige Male in Konflikt mit dem Gesetz geriet.

Bei der Geburt von Benjamin Franklin ist der Vater 48 Jahre alt, und Sophie Haemmerli-Marti, die Lenzburger Schriftstellerin, schreibt in ihren Notizbüchern über ihn: «Der alte Schlossherr und Sonderling war trotz seinem sagenhaften Liberalismus ein echter Aristokrat und lebte einsam in seinen Privatgemächern mit seinen wissenschaftlichen Neigungen und seiner Sammelleidenschaft … Im Ganzen war Dr. Wedekind mehr gefürchtet als geliebt, und wer kein ganz gutes Gewissen hatte, wich gern zurück aus dem Bereich der scharfen, buschig überdachten Augen und der lauten tiefen Stimme. Nur ausnahmsweise erschien die imposante Gestalt im weißen Knebelbart bei den gemeinsamen Mahlzeiten im großen, wappengeschmückten Landvogtsaal … Dass es überhaupt bei aller gegenseitigen Liebe oft hochdramatisch zuging zwischen den ungleichen Ehegatten als auch unter der ganzen Familie, ist selbstverständlich bei den scharfen Gegensätzen so ausgeprägter Persönlichkeiten.»

Auch bei seinen Kindern waren die häufigen Zornausbrüche des Vaters gefürchtet. Nichtsdestotrotz wird der Vater von seinem Sohn Franklin innig geliebt. Es ist ein eher zwiespältiges Verhältnis, das er zu seinem Vater hegt.

Der mächtige Vater wird gefürchtet, gehasst, geliebt und verehrt. Dieses paradoxe – für diese Zeit aber nicht untypische – Verhältnis beschreibt der 20-jährige Franklin Wedekind in einem Brief, den er auf Schloss Lenzburg im Februar 1884 an Anny Barck, eine seiner «poetischen Freundinnen», schreibt:

«Lieber Papa,
Der Du bist auf Deinem Studierzimmer!
Geheiligt werde Dein Name!
Dein Segen komme über uns!
Dein Wille geschehe
In unsern Gedanken und Werken!
Gib uns heute unser täglich Brot
Und vergib uns unsere Schulden!
Bewahre uns vor Versuchung
Und erlöse uns von dem Bösen!
Denn Dein ist das Reich
Und die Kraft und die Herrlichkeit
In Ewigkeit. – Amen!»

Der Text ist entnommen aus:
http://www.frankwedekind.de/