Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №14/2007

Sonderthema

Wedekind der Realist

Frank Wedekind Frank Wedekind war einer der ersten Autoren der 1896 gegründeten Satire-Zeitschrift «Simplicissimus». In seiner Skizze Autobiographisches (1911) bezeichnet er sich als ihr «politischer Mitarbeiter». Doch bis heute ist nicht zu definieren, wie «politisch» Wedekind war oder mit welchen politischen und sozialen Strömungen er sympathisierte. In den beiden Jahren beim «Simplicissimus» hat Wedekind eine Fülle von politischen Gedichten verfasst. Eins sticht dabei hervor: Wedekind wettert gegen alles und jeden, vor allem gegen Wilhelm II. und das monarchistische System, den sogenannten Wilhelminismus. Den Gipfel der Majestätsbeleidigung erreichte er mit dem politischen Lied zur Palästinareise des Monarchen im Jahre 1898.
Viele Gedichte lassen den Eindruck entstehen, Wedekind rede dem Volk nach dem Mund. Nicht nur das Proletariat, auch das gebildete Bürgertum ist die abgehobene und arrogante Monarchie leid. Zum anderen steht Wedekind finanziell vor dem Bankrott. War die «Majestätsbeleidigung» eiskalt kalkuliert? Denn umso mehr er die Obrigkeit lächerlich machte, desto höher stieg die Auflage der Zeitschrift Monat für Monat.

Keiner war vor seinen satirischen Angriffen sicher. Neben dem Kaiser konnte er die Sozialdemokraten kaum ertragen. Er hasste politische Ideologien, die nicht auf der Realität des Lebens beruhen. Noch verabscheuungswürdiger fand er Politiker, die solche Ideologien vertraten.

Nicht nur im «Simplicissimus» meldet sich Wedekind politisch zu Wort. So antwortet er 1912 auf eine Zeitungsumfrage zur damaligen Politikverdrossenheit. Er nennt es «allgemeine Teilnahmslosigkeit». Diese wirft er nicht den einzelnen Bürgern, sondern den organisierten politischen Lagern vor. Nach seiner Meinung sind weder die Sozialdemokraten noch die Liberalen bereit, Veränderungen herbeizuführen. Nur den Konservativen spricht er politisches Können zu, denn ihr Kalkül ist darauf bedacht, alles so zu erhalten, wie es ist – ändern wird sich sowieso nichts. Scheinbar sehnt er sich nach einer Individualisierung der Politik. Nach dem Motto «Viele Köche verderben den Brei» kann er mit dem bürgerlichen Parteiensystem nicht viel anfangen. Vielmehr wünscht er sich eine politische Führungspersönlichkeit wie Bismarck. In manchen Gedichten erhebt er den politischen Einzelkämpfer zu einer Heldenfigur.

Wedekind beschreibt die damaligen Verhältnisse folgenderweise: Keine Partei hat den Mut, Reformen anzupacken, alle verstecken sich hinter dem alltäglichen politischen Geschäft und ersticken jeden Vorschlag schon im Keim. «Auf der ganzen Front wird geschustert, während jede Äußerung einer Persönlichkeit sofort schallendes Hohngelächter erweckt, von dem sie rasch und gründlich erstickt wird», schreibt er in einer Zeitung 1911.

Es wird nicht klar, welcher politischen Position sich Wedekind nahe fühlt. Er ist gegen jede Ideologie in eine permanente Opposition getreten. Weder der Sozialdemokratie, der Monarchie, dem Militarismus noch dem Christentum kann er etwas abgewinnen. Dadurch gehen ihm niemals die politischen Missstände aus, die er mit seinen satirischen Attacken torpedieren kann.

Fazit: Wedekind ist ein freiheitsliebender Individualist. Auf der anderen Seite fordert er eine Politik, die sich mit der Wirklichkeit befasst. Er verachtet die Monarchie, die in abgehobenen Sphären über das Volk herrscht, und den Sozialismus, dessen Manifeste von einer fernen Zukunft sprechen, die nach einer Revolution aufgebaut werden muss. Wedekind ist vielmehr ein wahrer Realist seiner Zeit gewesen, der jedoch keine Alternativen nennt.

Der Text ist entnommen aus:
http://www.frankwedekind.de/