Literatur
Rainer Schedlinski: Gedichte
der zufluss des guten
engels bleichen gesichts
zerfliessende ufer
am anfang schwor er
auf metaphern, warf
fleisch in das bild
über bilder, fleisch
über fleisch
unzählbare lungen
und sonnengebell
bis zum erblinden
auge um auge, am ende
ward er begraben
an der biegung des flusses
windschiefe hügelzüge
wie begrabene fahnen
am steilufer plötzliche hallen
die kathedralen der eiszeit
und aller art nutzbare formen
für friedlichen unfug der landschaft
selbstverkratzt und verschwollen
und immer noch unentschlossen
die wellen am ufer unten
die grünen zungen des meeres
sprechen und sterben
selbstvergessen im möwengeschrei
totgeglaubt auch glockenläuten
klingt hier fremd und ungeübt
wie in überstürzter hilfe
ziehn die stimmen sich zurück
alles spricht wie die ausgebliebenen vögel
die weissen nester, narren, bäume alles spricht
bis das brot die klinge selbst ist
auch die häuser, die mich nichts angehen, die türen
die nach innen öffnen, die schönheit
kranker kinder, jeder niemand spricht
wie die rückwärtige sonne hinter dem berg
auf der postkarte vorgestern, ein südliches gemüt
daran will ich nicht denken, selbst
deines spiegels weisser schatten spricht, der mond
an & für sich spricht &
es gibt nicht mal filme dagegen, das sagt doch alles
unterm autohimmel
links & rechts eiserne fahnen
die schläfen weisse streifen
überfahren mich
nicht ich sie man
wird überfahren
vom beben innen
nur die gelogenen nerven
des windes ideale leere
ist das ziel formlos
im staub der
grabstein perpetuum mobile
Aus: Rainer Schedlinski: die rationen des ja und des nein. Aufbau-Verlag, Berlin–Weimar 1988. S. 62–79.