Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №15/2007

Sonderthema

Matthias Claudius: Leben und Werk

Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, sondern wir müssen uns nach ihr richten.

Was du sehen kannst, das siehe und brauche deine Augen, und über das Unsichtbare und Ewige halte dich an Gottes Wort.

Der ist nicht frei, der da will tun können, was er will, sondern der ist frei, der da wollen kann, was er tun soll.

Verachte keine Religion, denn sie ist dem Geiste gemeint, und du weißt nicht, was unter unansehnlichen Bildern verborgen sein könne.

Es ist leicht zu verachten; und verstehen ist viel besser.

Lehre nicht andere, bis du selber gelehrt bist.

Tue das Gute vor dich hin, und bekümmre dich nicht, was daraus werden wird.

Nicht die frömmelnden, aber die frommen Menschen achte, und gehe ihnen nach.

Matthias ClaudiusBeschreibungen von Leben und Werk des Matthias Claudius beginnen meistens mit Zitaten, welche darlegen, wie ihn Zeitgenossen und andere gesehen haben. Goethe etwa bezeichnete ihn als «Fußboten, der gerne Evangelist geworden wäre», oder als «Narr, der voller Einfaltsprätensionen steckt». Humboldt ließ Schiller wissen, «von Claudius wisse er durchaus nichts zu sagen, er sey eine völlige Null». Noch 1970 schrieb Helmut Burgert, ein theologischer Autor, Claudius propagiere einen jeglicher Kreuzestheologie baren Heilsegoismus, rede der Leistungsfrömmigkeit das Wort, halte eine Harmonie von Glauben und Vernunft für möglich und blende alles Tragische aus. Demgegenüber nannte ihn sein Zeitgenosse Lavater ein «Genie des Herzens», für Friedrich Jacobi war er ein wahrer «Bote Gottes», Eichendorff sprach von ihm als dem «wackeren Wandsbecker* Boten, der zwischen Diesseits und Jenseits unermüdlich auf- und abgeht und von allem, was er dort erfahren, mit schlichten und treuen Worten fröhliche Botschaft bringt», und Hermann Hesse charakterisierte ihn als «fromm in tiefster Seele, mit einer gegen das Alter wachsenden Neigung zu einer herzlichen, doch engen Pietisterei, in den Wissenschaften nicht unbewandert, voll Bedürfnis nach beständigem Umgang mit Büchern, mit Kunst, mit geistigen Menschen. Und aus den beiden auseinanderstrebenden Elementen dieser beweglichen Seele, aus dem Streit zwischen Schönheitssinn und Grobfädigkeit, zwischen Bildungsdrang und Naturburschentum, zwischen Lehrhaftigkeit und Poesie entstand ein typisch deutscher Humor.»

*Früher wurde Wandsbek «Wandsbeck» geschrieben. Dies zeigte damals an, dass das «e» lang gesprochen werden soll. Die Provinzialregierung in Schleswig erließ am 1. September 1877 eine Anordnung über die einheitliche Regelung der Schreibweise für Ortsnamen. Diese enthielt unter anderem die Anordnung, dass aus «beck» «bek» werde. Die Stadt weigerte sich zunächst, diese Anordnung umzusetzen, und wies die Mitarbeiter der Stadtverwaltung an, die alte Schreibweise beizubehalten. Auf eine ausdrückliche Weisung des Landrats vom 12. September 1879 hin akzeptierte schließlich die Stadt den Verlust des «c» im Namen.

Die Zitate zeigen die Widersprüchlichkeit der Meinungen über diesen hervorragenden Geist, der in der Geschliffenheit und Gelehrsamkeit seiner Zeit geradezu als Unikum dastehen musste. Solche Widersprüchlichkeit der Beurteilung hat ihren Grund vielleicht in seinem besonderen Wesen, in «den beiden auseinanderstrebenden Elementen dieser beweglichen Seele», wie Hesse es trefflich bemerkte.

Claudius selber beschrieb seine Person und sein Werk in einem «Valet» an seine Leser mit aller Bescheidenheit: «Ich bin kein Gelehrter und habe mich nie für etwas ausgegeben; und ich habe als einfältiger Bote nichts Großes bringen wollen, sondern nur etwas Kleines, das den Gelehrten zu wenig und zu geringe ist. Das aber habe ich nach meinem besten Gewissen gebracht; und ich sage in allen Treuen, dass ich nichts Besseres bringen konnte.» Matthias Claudius schrieb das als Herausgeber des «Wandsbecker Boten». Er hatte es nicht nötig, sich für mehr auszugeben, als er war, denn er wusste darum, dass alles Große im Kleinen beschlossen liegt, und er durfte auf die Wirksamkeit seiner unmittelbaren und einprägsamen Sprache sowie auf die Klarheit seiner Gedanken, welche der Erfahrung entsprangen, vertrauen.

Matthias Claudius wurde am 15. August 1740 als Pfarrerssohn in Reinfeld bei Lübeck geboren. Als das zweite unter acht Geschwistern wuchs Claudius in dem von weitem Wald umgebenen strohgedeckten Pfarrhaus heran, in dem der Geist gemütstiefer Frömmigkeit und lutherischer Rechtgläubigkeit herrschte. Er bezog 1755 das Gymnasium in Plön (Holstein) und 1759 die Universität Jena, um Theologie zu studieren, ging aber bald zum Studium der Rechts- und Kameralwissenschaften über.

Als Mitglied der «Deutschen Gesellschaft» wurde Claudius mit jungen Literaten bekannt und gab seine ersten dichterischen Versuche heraus: Tändeleien und Erzählungen. Mit großem Eifer trieb er juristische Studien, kehrte aber 1763 ohne ihren Abschluss ins Elternhaus zurück.

Claudius wurde im Frühjahr 1764 in Kopenhagen Sekretär des Grafen von Holstein und trat in den Dichterkreis um Friedrich Gottlieb Klopstock1 ein, der entscheidenden Einfluss auf ihn ausübte. Seit August 1765 widmete sich Claudius in Reinfeld dem Studium fremder Sprachen und der Literatur, der Philosophie und Naturwissenschaft, auch der Musik. Im Sommer 1768 wurde er Mitarbeiter an den «Hamburger Adreßkomptoir-Nachrichten» und machte die Bekanntschaft mit Gotthold Ephraim Lessing und Johann Gottfried Herder2, auch mit dem Verleger Joachim Christoph Bode.

Infolge eines Zerwürfnisses mit dem Zeitungsbesitzer wurde Claudius im Herbst 1770 arbeitslos. Da betraute ihn Bode mit der Schriftleitung des «Wandsbecker Boten», einer Zeitung, die ab 1. Januar 1771 wöchentlich erscheinen sollte. Als Claudius in Wandsbek eine Wohnung suchte, traf er im Haus des Gastwirts und Zimmermanns Behn dessen 16-jährige Tochter Rebekka an. Diese Begegnung war für sein Leben entscheidend: Er gewann Rebekka lieb, und sie gab ihm im September 1771 nach seiner Werbung bei ihrem Vater das Jawort. Am 15. März 1772 heiratete

Claudius sein «Bauernmädchen». Rebekka besaß ein frommes Gemüt, einen heiteren Sinn und ein treuliebendes Herz. Am Tag der silbernen Hochzeit bekannte Claudius seiner Gattin: «Ich danke dir mein Wohl, mein Glück in diesem Leben. Ich war wohl klug, dass ich dich fand; doch ich fand nicht. Gott hat dich mir gegeben; so segnet keine andre Hand.» Zwölf Kinder schenkte Gott den Eltern, nahm ihnen aber das erste wieder, einen Sohn, der im Herbst 1772 zwei Monate zu früh geboren wurde. Der betrübte Vater schrieb in die Familienbibel: «Er lebte nur wenige Stunden und ging, nachdem er sich hier sattgeweint hatte, wieder heim. Gott gebe ihm Freude in der anderen Welt.» Etwa ein Jahr später stand Claudius am Grabe seines Vaters: «Ach, sie haben einen guten Mann begraben, und mir war er mehr.»

Claudius fühlte sich im Kreis seiner Familie reich und glücklich, obwohl die Einnahmen aus dem «Boten» und seinen Werken gering waren. Der «Wandsbecker Bote» war ein bescheidenes Blatt von vier Seiten, dem er ein eigenes Gepräge gab durch allerlei Aufsätze und volkstümliche Kurzgeschichten, durch Buchbesprechungen und Gedichte. Als der «Bote» im Juni 1775 einging, geriet Claudius in große Notlage. Durch Vermittlung seiner Freunde berief ihn der hessische Minister Friedrich Karl von Moser als Oberlandeskommissarius nach Darmstadt. Da Claudius in der neuen Arbeit keine Befriedigung fand, kehrte er nach einem Jahr, im Frühjahr 1777, nach Wandsbek zurück.

Gedenkstein Matthias Claudius im Wandsbeker GehölzClaudius lebte nun von Übersetzungsarbeiten und der Herausgabe seiner Werke. Es kam wenig Geld ein; aber trotz mancher Not und Sorge herrschten im Hause Frohsinn und Friede. Die Kinderschar wuchs, und die bedrängte wirtschaftliche Lage nötigte Claudius, sich nach neuen Erwerbsquellen umzuschauen. Da dachte er an den dänischen Kronprinzen, der bei seinem Besuch in Wandsbek Claudius zum Dank für sein Begrüßungsgedicht aufgefordert hatte, sich an ihn zu wenden, wenn er in Not sei. Dieser Zeitpunkt war nun gekommen. Darum schrieb Claudius im Oktober 1787 dem Kronprinzen: «Ich bitte nicht um eine sehr einträgliche Stelle, sondern nur um eine, die mich nährt.» Claudius erhielt vom dänischen Hof eine Jahrespension von 200 Talern und wurde außerdem im nächsten Jahr zum Ersten Revisor der Schleswig-Holsteinischen Bank in Altona mit einem Jahresgehalt von 88 Talern ernannt. Er durfte in Wandsbek wohnen bleiben und brauchte nur ein paar Wochen im Jahr bei der Revision der Bankrechnungen anwesend zu sein.

Schwer traf Claudius 1788 der Tod seines einundeinhalbjährigen Matthias: «Ich dachte lange schon, mein Glaube sei fest und stark; in der Stunde aber, in der ich meinen Matthias in den Sarg legte, da wollte Ergebung und Demut fast nicht halten. Der Glaube ward hart geprüft; da erst lernte ich verstehen, was es mit dem Menschenleben auf Erden auf sich hat. Was vorherging, war nur Kinderspiel.»

Grab von Matthias Claudius und seiner Frau, Historischer Friedhof Hamburg-Wandsbek.Nach kurzer Krankheit nahm der Tod 1796 Claudius die 20-jährige Tochter Christiane, die er besonders innig liebte. «Wir haben viel um sie geweint», schrieb der tiefgebeugte Vater in die Familienbibel und mit seinem Herzblut das wehmütige Gedicht: «Es stand ein Sternlein am Himmel, ein Sternlein guter Art; das tät so lieblich scheinen, so lieblich und so zart. – Das Sternlein ist verschwunden; ich suche hin und her, wo ich es sonst gefunden, und find es nun nicht mehr.»

Im August 1813 entschloss sich Claudius während der Schreckensherrschaft der Franzosen in Hamburg, die Heimat zu verlassen. Er litt unsagbar schwer unter dem Zwiespalt in seinem Innern, weil Dänemark als Verbündeter Napoleons gegen sein deutsches Vaterland zu kämpfen gezwungen war. Claudius führte ein armes Flüchtlingsdasein u. a. in Kiel und Lübeck, konnte aber im Mai 1814 nach Wandsbek in sein Heim zurückkehren, das er «wüst und leer» vorfand. Claudius fühlte sich müde und krank und zog auf dringendes Bitten seiner ältesten Tochter Karoline, der Gattin des Buchhändlers Friedrich Christoph Perthes, in ihr Heim nach Hamburg. Hier starb er am 21. Januar 1815 und wurde in Wandsbek beigesetzt.


1Klopstock, Friedrich Gottlieb, * Quedlinburg 2. 7. 1724, † Hamburg 14. 3. 1803, dt. Dichter. Republikanisch gesinnter Vertreter der Aufklärung; lebte ab 1751 mit Unterbrechung im Mittelpunkt eines Dichterkreises in Kopenhagen, ab 1770 in Hamburg; passte den Hexameter der dt. Sprache an, führte die Metrik in freie Rhythmen. Von epochemachender Bedeutung waren das bibl. Hexameterepos Der Messias (1748–73) und die Oden (1771); auch theoret. Schriften (Die dt. Gelehrtenrepublik, 1774).

2Herder, Johann Gottfried von (seit 1802), * Mohrungen 25. 8. 1744, † Weimar 18. 12. 1803, dt. Philosoph, Theologe und Dichter. Seine Gedanken und Denkanstöße, bes. auf den Gebieten der Sprachphilosophie (Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772), der Geschichtsphilosophie, der Literatur- und Kulturgeschichte sowie der Anthropologie waren für die europ. Geistesgeschichte von zukunftsweisender Bedeutung. Wurde bekannt durch die Schriften Über die neuere dt. Literatur (1767) und Krit. Wälder (Ästhetik, 1769); das Journal meiner Reise im Jahr 1769 (gedr. 1846) enthält den Grundriss seiner Ideen in Form eines weltumfassenden Kulturprogramms; gewann mit seinen Ideen großen Einfluss auf Goethe, der ihm 1770 in Straßburg begegnete; ab 1776 Superintendent und Hofprediger in Weimar; 1778/79 Hg. einer Sammlung Volkslieder (1807 u. d. T. Stimmen der Völker in Liedern); 1784–91 Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, 1793 Briefe zur Beförderung der Humanität.


Matthias Claudius
Dichter und Journalist

1740 Am 15. August in Reinfeld als Pfarrerssohn geboren.

1755–1759 Lateinschule in Plön.

1759 Studium in Jena, zunächst Theologie, später Rechts- und Kameralwissenschaften.

1763 Abbruch des Studiums und Rückkehr ins Elternhaus. Veröffentlichung der Tändeleyen und Erzählungen.

1764/1765 Sekretär des Grafen Holstein in Kopenhagen, dort Verbindung zum Kreis um Klopstock.

1768–1770 Journalist bei den «Hamburger Adreß-Comptoir Nachrichten»; Kontakt zu Lessing und Herder.

1771 Redakteur und Mitherausgeber der Lokalzeitung «Der Wandsbecker Bote», die er sowohl durch eigene als auch durch Beiträge aus den Kreisen der «Stürmer und Dränger» und des «Göttinger Haines» zu einer angesehenen literarischen Zeitschrift macht.

1772 Heirat mit Rebekka Behn.

1775 Der «Wandsbecker Bote» wird aus finanziellen Gründen eingestellt; Lyrik- und Prosasammlung Asmus omnia sua secum portans oder Sämmtliche Werke des Wandsbeker Boten (weitere 16 Bde. bis 1812).

1776 Nach Fürsprache Herders Oberlandeskommissar in Hessen; Herausgeber der «Hessen-Darmstädtischen privilegierten Land-Zeitung».

1777 Erzieher der Söhne des Philosophen F. H. Jacobi.

1782 Übersetzung von Erreurs et de la verite des französischen Theosophen Saint-Martin; zunehmend mystisch-religiöse Tendenzen.

1784 Begegnung mit Goethe in Weimar.

1788 Auf Vermittlung des dänischen Königs erhält er den Posten eines Revisors bei der Altonaer Species-Bank.

1800–1811 Veröffentlichung der 3-bändigen Übersetzung von Fenélons Werke religiösen Inhalts.

1815 Am 21. Januar stirbt Claudius in Hamburg.

Der Text ist entnommen aus:
http://www.bautz.de/bbkl/c/claudius_m.shtml
http://www.christentum.ch/claudius.htm