Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №16/2007

Sonderthema

Hermann Löns’ Schaffen

Löns lebte von 1866 bis 1914, also etwa während der Dauer des Deutschen Kaiserreiches. Er schrieb in einer Zeit voller Um- und Aufbrüche. Der Modernität des imperialistischen Kaiserreiches in Technik und Wissenschaft standen innenpolitisch Rückständigkeit und anti-demokratische Vorstellungen gegenüber. Der Agrarstaat wandelte sich zur Industrienation. In den sich rapide vermehrenden und wachsenden Großstädten pulsierte das Leben. Hier herrschten Hektik und Tempo. Das Schlagwort von der «Nervosität» kam in Mode. Eines ihrer Opfer wurde Hermann Löns.

Als Gegenreaktion auf diese Dynamik der Moderne formierten sich aufgrund eines verbreiteten Unbehagens an den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Erscheinungen der Zeit teils miteinander verbundene kulturkritische Bewegungen, darunter auch die Heimatbewegung. Hierzulande trat sie 1901 mit dem «Heimatbund Niedersachsen» in Erscheinung, zu dessen Mitgründern auch Löns gehörte.

Darstellung als Jäger, Bronze-Statue von 2006 in WalsrodeIn diesem Geflecht gesellschaftlicher Veränderungen bewegte sich der Journalist, Schriftsteller und Dichter Hermann Löns, durch und durch ein Kind seiner Epoche. Und als solches muss er auch gesehen werden, will man ihm halbwegs Gerechtigkeit widerfahren lassen. Von Kindheit an war er der Natur, der Landschaft und den Tieren eng verbunden, doch weder in der Schule noch auf den Universitäten sonderlich erfolgreich, sodass er schließlich ohne Studienabschluss, wenn auch mit exzellenten naturwissenschaftlichen Kenntnissen dastand.

Er versuchte es mit dem Journalismus, zunächst mit erheblichen, in seiner Persönlichkeitsstruktur begründeten Anlaufschwierigkeiten, bis er 1893 zum eben gegründeten «Hannoverschen Anzeiger» kam. Dessen bestes journalistisches Zugpferd blieb er länger als ein Jahrzehnt. 1902 packte ihn die Unruhe. Mit anderen gründete er die schon zwei Jahre darauf wieder eingestellte «Hannoversche Allgemeine Zeitung». Anschließend verdingte er sich bis 1907 beim «Hannoverschen Tageblatt».

Dann hatte er, der, ungeachtet seiner Vorlieben für die Natur, für das Ländliche, für Wald und Heide, durch und durch ein Stadtmensch war, und von Zeitgenossen auch als eine Art Dandy, als Trendsetter1 in Modedingen beschrieben wurde, nicht nur die Großstadt, sondern auch die Fron2 der Redaktionsarbeit gründlich satt.

Er ging zur «Schaumburg-Lippischen Landeszeitung» in das kleine Bückeburg, mit der Hoffnung, dort ein ruhigeres Leben und mehr Zeit für seine schriftstellerische Arbeit zu finden. Nichts erfüllte sich. Unzuverlässigkeit und wieder erwachte Freude am Alkohol bescherten ihm 1909 die Kündigung.

Das «Tageblatt», das ihn nach seinem Bückeburger Fiasko, für das er sich mit der flott geschriebenen Satire Duodez rächte, wieder aufgenommen hatte, verließ er 1911, um endlich als freier Schriftsteller leben zu können. Fast zwei Jahrzehnte hatte er journalistisch gearbeitet und außer Musik und Wirtschaft alle einschlägigen Themen behandelt. Im Feuilleton ein Verächter des Naturalismus und im Politischen ein Anhänger der deutschen Kolonial- und der verhängnisvollen, gegen England gerichteten Flottenpolitik, der zweifellos sein Matrosenlied, mit dem Refrain «Denn wir fahren gegen Engelland» entsprang.

Während seines gesamten journalistischen Lebens hatte Löns sich im Zwiespalt befunden und diese Befindlichkeit 1906 auf den Punkt gebracht: «Es ist mit dem Journalismus wie mit der Luft: Ohne ihn kann ich nicht leben, allein davon mag ich nicht.» Was er mochte, wusste er. Drei Jahre später bekannte er: «Dass ich jahrelang Journalist war, war gut für mich, man lernt kritisch zu sein. Nun aber, da ich weiß, worauf es ankommt, wünsche ich, ich wäre unabhängig, um einige Bücher schreiben zu können.» Drei seiner Romane hatte er, alle in kürzester Zeit, bereits neben seiner journalistischen Tätigkeit geschrieben.

Nach seiner 1911 erfolgten Lösung vom «Tageblatt» fand er endlich die ersehnte Zeit zum weiteren Schreiben von Romanen, Erzählungen, Naturbetrachtungen, Jagdgeschichten, Märchen und Gedichten. In all diesen Gattungen war er zu Hause. Seine bisherige Produktion war nicht nur neben seiner journalistischen Tätigkeit entstanden. Sie war Bestandteil derselben. Denn einschließlich der als Roman bezeichneten Häuser von Ohlenhof hat Löns alle in Buchform bekannten Sammlungen seiner Kurzprosa und seiner Gedichte zunächst in Zeitungen und Zeitschriften – und hier vor allem in der von ihm einige Jahre als Redakteur betreuten Zeitschrift «Niedersachsen» – veröffentlicht, bevor er sie zwischen zwei Buchdeckel binden ließ.

Folglich ist in vielem, was er geschrieben hat, der journalistische Hintergrund unverkennbar. Abgesehen von manchem, dem man den Zeitdruck anmerkt, unter dem es flüchtig hingehauen wurde, bestechen vor allem seine Naturbetrachtungen, Tierschilderungen und Umweltbeiträge durch sein Bemühen um wissenschaftliche Exaktheit wie durch die Präzision klarer, knapper Worte bei einer insgesamt bildhaften und oft lautmalerischen Sprache.

Von Hermann Löns genutzte Jagdhütte bei WestenholzLöns’ sämtliche Romane spielen – wie könnte es anders sein – in der Lüneburger Heide, die er mit seinem Gesamtwerk zu einer literarischen Landschaft aufwertete. Am bekanntesten und erfolgreichsten, aber auch am umstrittensten ist sein während des Dreißigjährigen Krieges spielender Roman Der Wehrwolf, in dem sich Heidebauern plündernder Soldaten erwehren. In diesem Roman verarbeitete Löns, der Bewusstseinslage weiter Kreise des wilhelminischen Bürgertums entsprechend, jene ideologischen Versatzstücke, die, später forciert und überhöht, zu Deutschlands Verhängnis beitrugen: die Heroisierung von Volks- und Bauerntum, Heimat und Rasse, Scholle und Vaterland, Idylle und Gewalt. Denn der von großen deutschen Zeitungen bei seinem Erscheinen viel gelobte Wehrwolf passte auch den Nationalsozialisten gut ins Konzept, die ihn im Zweiten Weltkrieg schließlich zur Durchhaltelektüre hochstilisierten3.

Der Roman Dahinten in der Heide hingegen trägt unverkennbar autobiografische Züge, in denen sich Löns’ Haltung zu Stadt und Land und sein Wunschtraum von einem natürlichen Leben widerspiegeln. Der Protagonist des Romans, Lüder Volkmann, ein Naturwissenschaftler, wandelt sich zu einem erfolgreich schreibenden Bauern. Was Löns über Volkmanns Bücher schreibt, darf getrost als Selbstcharakteristik angesehen werden: «Seine Sprache ist rein und klar wie die Luft in der Heide; da stäubt kein überflüssiges Wort, da fliegt kein falscher Ausdruck. Sein Satzbau ist von jener Natürlichkeit, die so schwer zu treffen ist, und seine Bilder sind ungesucht und neu.»
Die Worte, die Löns Lüder Volkmann zum Schluss des Romans in den Mund legt «Die Füße fest auf der Heimaterde, aber die Gedanken darüber», charakterisieren Löns’ eigentliche Haltung in der Heimatbewegung – auch wenn hier wie sonst in Löns’ Werken mancherlei Widersprüchliches zutage tritt.

Warum sollte gerade Löns frei sein vom Dilemma der frühen Heimatbewegten? Sie entstammten größtenteils dem konservativen städtischen Bildungsbürgertum, träumten aber zugleich von der Verwurzelung in der Scholle, vom Leben auf dem Lande, das es so zu erhalten gelte, als ackere der Bauer noch wie zur Zeit des Biedermeier. Auf diese Weise wurde das angeblich höherwertige, weil urwüchsigere Leben auf dem Lande gegen das dekadente Treiben in der Stadt ausgespielt. Diese Vorstellungen begegnen uns auch an vielen Stellen in Löns’ Romanen und Kurzprosa, manchmal allerdings in etwas reichlich platten Formulierungen.

Doch unerachtet der dem Zeitgeist und den Vorlieben seiner Leser geschuldeten literarischen Behandlung des Verhältnisses zwischen Stadt und Land argumentierte Löns, wenn es um Fragen des Heimat- und Naturschutzes konkret zur Sache ging, oft ganz anders. Denn es waren seine Beobachtungen der freien Natur, der Landschaft und der Tiere, die ihn zu Natur- und Heimatschutz hatten finden lassen. Auch war er im Grunde weit entfernt von den in der Heimatbewegung verbreiteten, stark romantisch gefärbten Heimatschutzvorstellungen.

Er war realistischer, als er 1911 in seinem von schonungsloser Offenheit, von Zynismus und bissigem Spott gekennzeichneten Vortrag Der Naturschutz oder die Naturschutzphrase den Naturschutz in Position und auf gleiche Augenhöhe mit dessen Verächtern brachte. Dabei war Löns weit entfernt davon, den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt generell zu verdammen. Doch die Missachtung des Naturhaushaltes bedrohte in seinen Augen nicht nur die Landschaft, sondern den Menschen selbst. Löns sah «die innersten Zusammenhänge zwischen Landschaft, Tier und Mensch ökologisch, d. h. im Hinblick auf ihre unlösbare Gemeinschaft».

Löns war im Niedersächsischen einer der frühesten, überzeugendsten und engagiertesten Vorkämpfer des Umwelt-, Natur- und Heimatschutzes. Und er war zugleich auch der früheste und erfolgreichste Propagandist der Lüneburger Heide, deren Tourismus-Marketing bis heute von seinem Werk und seinem Namen profitiert. Sein Lied Auf der Lüneburger Heide wurde zum deutschen Allgemeingut. Zahlreiche seiner Gedichte, die wie der größte Teil seines Werkes ebenfalls aus Erlebnis- und Wunschwelt der Heide entstanden, haben Volksliedcharakter und wurden vertont, darunter das flotte Marschlied Wo der Wind weht, der Wind weht, da bin ich zu Haus, und das romantische Bekenntnis Alle Birken grünen in Moor und Heid, die wohl zu den schönsten Löns-Liedern zählen.

Dass ein Viel- und Schnellschreiber wie Hermann Löns nicht nur Meisterwerke hinterlassen hat, verwundert nicht. Aber eine große Anzahl seiner Gedichte, seine unvergleichlichen, auf einer subtilen Beobachtungsgabe fußenden Natur-, Landschafts- und Tierschilderungen wie sein nachhaltiger Einsatz für die Umwelt im weitesten Sinn sind auch heute von bleibendem Wert.

Waldemar R. Röhrbein: Laudatio zur Einweihung des Hermann-Löns-Denkmals in Walsrode (gekürzt)


1Trend|set|ter, der [engl. trend-setter, 2. Bestandteil engl. setter = Anstifter] (Jargon): a) jmd., der (weil man ihn als maßgebend ansieht o. Ä.) etw. Bestimmtes allgemein in Mode bringt, der einen Trend auslöst; b) Produkt, dessen Erscheinen auf dem Markt einen neuen Trend auslöst.

2Fron, die; -, -en <Pl. selten> [mhd. vron(e) = Herrschaft(sdienst), zu: vron = heilig (im Sinne von «Gott gehörend»); herrschaftlich (im Sinne von «einem weltlichen Herrscher gehörend»), zu ahd. Frono = (Besitz) der Götter, Gen. Pl. von: fro = Herr, Gott, vgl. Frau]: 1. (hist.) in körperlicher Arbeit bestehende Dienstleistung der Bauern für ihre Lehnsherren; Frondienst: die Befreiung der Bauern von der F. 2. (geh.) als unerträglichen Zwang empfundene Arbeit: die F. des Alltags.

3hoch|sti|li|sie|ren <sw.V.; hat>: einer Sache durch übertriebenes Lob, unverdiente Hervorhebung o. Ä. unangemessene Wichtigkeit od. übermäßigen Wert verleihen od. zu etw. Besserem machen, als sie in Wirklichkeit ist.

Der Text ist entnommen aus:
http://www.loens-verband.de/loeblaetter/heft-06-3.html