Wissenschaft und Technik
Der Namensgeber der Natur
Homo sapiens, Tyrannosaurus rex – Mensch und Dino verdanken ihren Namen Carl von Linné. Vor 270 Jahren revolutionierte er die Biologie, indem er jedes Wesen nach Art und Gattung benannte. An seinem 300. Geburtstag deuten Fans den schwedischen Forscher zum frühen Umweltschützer um.
Stockholm – «Gott schuf, Linné ordnete» – dieser stolze, vielzitierte Ausspruch stammt von Carl von Linné selbst. An Selbstbewusstsein mangelte es ihm nicht. Und bis heute benutzen die Menschen sein Erbe. Der vor 300 Jahren geborene schwedische Naturwissenschaftler entwickelte eine Klassifikation für Pflanzen und Tiere, die nach wie vor auf der ganzen Welt verwendet wird, das Linné’sche System mit seiner sogenannten binären Nomenklatur. Durch sie wurde der Mensch zum «Homo sapiens». Am 23. Mai ist Linné 300 Jahre alt geworden. Sein Geburtsland Schweden, aber auch Deutschland und viele andere Länder ehren den Wissenschaftler mit zahlreichen Veranstaltungen.
Linné, der 1707 unter dem Namen Carl Linnaeus als Sohn eines Pastors im südschwedischen Raashult geboren wurde, begeisterte sich schon früh für Pflanzen. Nach seinem Medizinstudium an den Universitäten von Lund und Uppsala und der Erlangung der Doktorwürde in den Niederlanden veröffentlichte er 1735 sein bahnbrechendes Werk Systema Naturae.
Mit diesem «System der Natur» begründete er eine Klassifikation von Tieren, Pflanzen und Mineralien durch jeweils zwei lateinische Begriffe. Der erste Begriff bezeichnet die Gattung, der zweite die Art. Mit der binären Nomenklatur ordnete Linné zunächst 8000 verschiedene Pflanzen und bis zu 5000 Tierarten, sagt der Vorsitzende der Schwedischen Linnaeus-Gesellschaft, Carl-Olof Jacobson.
Mit seinen Lehren zog der Ausnahme-Wissenschaftler Linné zahlreiche Wissbegierige in seine Lehrveranstaltungen an der Universität von Uppsala. Die Vorlesungen des «revolutionären Professors» seien stets gerammelt voll gewesen, sagt Jacobson. Herbeigeströmt seien «nicht nur Medizinstudenten, sondern alle, die in Uppsala studierten, und sogar Leute, die nicht studierten».
Linné ermutigte seine Zuhörer bei Ausflügen zur Erforschung der Natur und sandte seine «Apostel», wie er die Studenten dann nannte, in alle Erdteile aus. Sie nahmen gefahrvolle Reisen auf sich, um in Südafrika, China, Japan, Australien, Sibirien oder Amerika die Pflanzen- und Tierwelt zu erforschen und das Linné’sche Klassifikationssystem einzuführen.
Doch Linné bereicherte neben Medizin, Biologie und Geologie auch andere Wissenschaften. 1739 gründete er mit anderen Forschern die Königliche Schwedische Akademie der Wissenschaften, um Studien im Interesse der schwedischen Wirtschaft zu fördern. Zur Völkerkunde leistete Linné einen Beitrag, indem er schwedische Sitten und Gebräuche beschrieb, wobei er sich vor allem für Volkstänze interessierte.
Seine Forschungen und sein Engagement brachten Linné bereits zu Lebzeiten höchste Anerkennung. So ernannte der schwedische König den Wissenschaftler und siebenfachen Vater zum Hofarzt und schlug ihn 1757 zum Ritter, sodass er fortan nicht mehr Linneaus, sondern von Linné genannt wurde.
Zum 300. Geburtstag lässt Schweden es nicht an Ehrungen für Linné mangeln. In der Jubiläumszeremonie, dem Höhepunkt der mehrtägigen Feierlichkeiten, waren sogar Japans Kaiser Akihito, der als Meeresbiologe ein großer Linné-Fan ist, und der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan zugegen. Auch der britische Dokumentarfilmer David Attenborough und die Affenforscherin Jane Goodall waren dabei.
In Deutschland erinnern unter anderem eine Fotoausstellung und eine Konferenz im Berliner Schloss Glienicke an Linné. Veranstaltungen zum Linné-Jubiläum gibt es zudem in Großbritannien, Italien, Russland, China, Japan und den Niederlanden, wo Linné drei Jahre lang lebte und forschte.
Nicht nur wegen seiner binären Nomenklatur bleibt Linné aktuell. «Er glaubte, dass der Mensch eine Verantwortung hat für die Welt, in der wir leben, dass der Mensch Teil des Ganzen ist und nicht darüber steht», sagt Jacobson. So erscheint Linné in Zeiten des Klimawandels und bedrohter biologischer Vielfalt als Vordenker in Sachen Umweltschutz.
Sophie Mongalvy
Der Text ist entnommen aus:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,484171,00.html