Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №18/2007

Wissenschaft und Technik

Urwesen aus dem Wasser

Die Ozeane sind das Versuchslabor der Evolution. In Jahrmillionen sind hier die wunderbaren Urformen der heutigen Pflanzen und Tiere entstanden. Forscher finden immer neue Zeugen der bewegten Geschichte des irdischen Lebens.

Vor dem Blau war das Rot. Ein leuchtendes Rot, vielleicht ein Hellrot. Denn der erste Ozean auf Erden bestand nicht aus Wasser, sondern aus Magma, flüssigen Gesteinsmassen, die den neugeborenen Planeten in einen Glutball verwandelten. Die junge Erde hatte sich gerade erst gebildet in einem höllischen Spektakel vor rund 4,6 Milliarden Jahren, bei dem Felsbrocken, groß wie Asteroide, von ihrer Schwerkraft getrieben, aufeinander knallten. Hitze entstand, die den jungen Planeten zum Kochen brachte.

Herrscher der Meere: Ein Liopleorodon, mit bis zu 100 Tonnen Gewicht eines der größten Tiere aller Zeiten, schnappt einen acht Meter langen Cryptoclides Wasser, das möglicherweise im Gestein eingeschlossen war, verdampfte und hüllte den Planeten in einen dichten Nebel. Erst allmählich kühlte die Oberfläche der Erde ab, Regen setzte ein, und siedend heißes Wasser ergoss sich über den Planeten. Ein Urmeer, ein blaues. Vielleicht. Falls ja, wird davon nicht viel übrig sein. In den ersten 500 Millionen Jahren nach der Geburt der Erde donnerten immer wieder Himmelskörper auf den Planeten, schmolzen die Hülle auf, rissen Wasser mit sich fort. Das kosmische Bombardement hatte nicht nur Schattenseiten. Manche Geschosse brachten auch Wasser mit. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass ein Teil des Wassers unserer Ozeane mit eishaltigen Kometen auf die Erde gelangte.

Aus dem Schlund irdischer Vulkane sind die 1,3 Milliarden Kubikkilometer nassen Lebensraums wohl nicht allein gedampft. Vor einigen Jahren fanden Geologen in Australien winzige Partikel des Minerals Zirkon, Spuren von festem Land aus der Frühzeit der Erde vor 4,4 Milliarden Jahren.

Seitdem herrscht Rätselraten in der Forscherwelt. War unser Planet kurz nach seiner Entstehung etwa doch keine rollende Magmakugel mehr? Die chemische Zusammensetzung des Körnchens signalisiert, dass es damals bereits flüssiges Wasser auf der Erde gab. Könnte darin schon Leben gewesen sein? Und wie ist das Leben überhaupt entstanden?

Ursuppe

Vor gut 50 Jahren machte sich ein 23-jähriger Chemiestudent auf den Weg in die Kent Hall der Universität von Chicago, ein altes Gebäude, in dem die Fußböden knarrten und der Geruch von Staub und Moder in der Luft lag. Der junge Mann war nervös, denn er sollte in einem der angesehenen Montagsseminare vortragen, was er sich in den Monaten zuvor in seinem Labor erkocht hatte. Die Scheu war verständlich: Auf dem Podium standen gewöhnlich Nobelpreisträger oder solche, die es bald sein würden. Doch Stanley Miller konnte von einem außergewöhnlichen Experiment berichten. Er hatte eine Glasapparatur mit einem «Urozean» aus Wasser und einer primitiven Atmosphäre aus Methan, Ammoniak, Wasserstoff und Wasserdampf gefüllt. Mit elektrischen Entladungen hatte er anschließend eine Woche lang die heftigen Gewitter der frühen Erde simuliert. Das künstliche Urmeer färbte sich erst knallrosa, später tiefrot. In der trüben Brühe fand Miller Bausteine des Lebens, unter anderem Aminosäuren.

Seine Theorie von der Ursuppe des Lebens machte weltweit Furore. Sie ist inzwischen Geschichte, eine schöne zwar, aber nicht die richtige. Das junge Leben hätte in den flachen Regionen der Ozeane, in denen Miller seine Ursuppe gedanklich köcheln ließ, schon allein die ultraviolette Strahlung der Sonne nicht überstanden. Eine schützende Ozonschicht gab es nicht. Dass die Wiege des Lebens eine nasse gewesen ist, nicken die meisten Wissenschaftler zwar heute ab.

Und sie hat wohl auch auf unserem Planeten gestanden, nicht woanders im All. Wer sie besuchen will, muss wahrscheinlich tief tauchen, bis auf den Grund der Meere. Dorthin, wo die Erde zu platzen scheint, wo aus Spalten in der Erdkruste mehrere hundert Grad Celsius heißes Wasser schießt. Abgesacktes Meerwasser, das im Erdinneren eine Verwandlung durchmacht, seine chemische Neutralität verliert, als Säure emporsteigt und aus dem Gestein Mineralien herausfrisst. Ein brodelnder Kosmos mit einem ungeheuren Potenzial an chemischer Reaktivität, zu Urzeiten noch viel aggressiver als heute. Die erste Spielwiese der Evolution.

Dass an derartigen hydrothermalen Quellen Leben existieren kann, steht fest. Archäbakterien etwa, die Extremisten in der belebten Natur, wachsen auch heute noch in unwirtlichen Lebensräumen: in kochenden Geysiren, heißen Schwefelquellen oder Säurepfützen. Die Urzeitmikroben sind im Stammbaum des Lebens an unterster Stelle verwurzelt. In den heißen Wasserströmen auf dem untermeerischen Kolbeinsey-Rücken im Atlantik nördlich von Island spürte der renommierte Regensburger Mikrobiologe Karl Stetter mit seinem Forscherteam das kleinste bisher bekannte Lebewesen auf: den «reitenden Urzwerg» Nanoarchaeum equitans, ebenfalls ein Archäbakterium.

100 Stück dieser parasitisch lebenden Kugelmikroben mit genetischer Minimalausrüstung hätten bequem Platz in einem Darmbakterium Escherichia coli. Doch irgendwie müssen auch die einfachsten aller Einfachen entstanden sein.

Bisher galt die Devise: erst die Biomoleküle, dann die Zelle. Inzwischen gibt es auch das umgekehrte Denkmodell. William Martin von der Universität Düsseldorf und Michael Russell vom Scottish Universities Environmental Research Centre in Glasgow schlagen vor, dass sich das Leben in mineralischen «Brutzellen» aus Eisen und Schwefel entwickelt haben könnte, die sich zu Milliarden an den hydrothermalen Quellen der Urzeit aufgebläht hätten. Die Wände dieser winzigen Steinkammern sind chemisch so aktiv, dass sie Reaktionen katalytisch vorantreiben. Das Szenario birgt aber noch einen weiteren Vorteil.

«Die Zellen können die Reaktionsprodukte am Ort ihrer Entstehung zurückhalten», sagt William Martin. «So kommen wir zu den Konzentrationen von den Grundbausteinen des Lebens, die wir brauchen.»

Irgendwann, so meinen die beiden Wissenschaftler, habe sich aus den angesammelten Biomolekülen eine erste eigenständige biologische Zelle gebildet und von der geliehenen Umwandung abgenabelt – hinaus in die leere Welt der Urmeere. Mittlerweile ist diese potenzielle Quelle des Lebens versiegt. Das Eisen, das zur Bildung der Steinzellen gebraucht wird, hat sich mit der Ausbreitung des Sauerstoffs in der Welt zu großen Teilen chemisch verändert, aus zweiwertigen Eisenionen wurden dreiwertige. Dass Eisen und Schwefel gut zusammenpassen, wenn es um die Katalyse von chemischen Reaktionen geht, zeigt heute der biologische Stoffwechsel.

Eisen und Schwefel arbeiten Hand in Hand in der katalytischen Schaltzentrale von Enzymen, die im biochemischen Alltag die härtesten Nüsse zu knacken haben. Diesen Trick zumindest hätte die Evolution seinerzeit vom infernalischen Szenario in den Urmeeren abkupfern können. «Das ist jedenfalls eine interessante Parallele», sagt Martin.

Die ältesten Fossilien

Einblicke in die Arbeit der Evolution zu gewinnen ist ein ebenso aufregendes wie schwieriges Unterfangen. Die vermeintlich ersten Lebensspuren, chemische Fingerabdrücke von Bakterien aus einer Zeit von vor 3,8 Milliarden Jahren, scheinen nach neuen Erkenntnissen doch nicht biologischen Ursprungs zu sein. Je handfester die Beweise, desto besser. Die ältesten Fossilien, die man bislang gefunden hat, führen in die Urmeere des Archaikums und sind 3,5 Milliarden Jahre alt: fadenförmige Zellen aus Kieselgesteinen in Westaustralien, wahrscheinlich Blaualgen (Cyanobakterien).

Stellt man die Zeituhr der Erde auf einen einzigen Tag, so hätten diese Bak-Fossiterien morgens um viertel vor sechs Uhr gelebt. Zum Vergleich: Fische bevölkerten die Urmeere erst gegen halb zehn Uhr abends, der Mensch trat eine Sekunde vor Mitternacht auf den Plan. Die Blaualgen betrieben in den Urmeeren bereits Fotosynthese, nutzten also das Licht für ihren Stoffwechsel. Abfallprodukt ist Sauerstoff, eine chemisch recht aggressive Substanz, die den Lebewesen arg zu schaffen machen würde, wenn nicht die Evolution Mittel und Wege gefunden hätte, seine Reaktionsfreudigkeit gewinnbringend in den Dienst der belebten Natur zu stellen. Bis die Blaualgen und ihre Stoffwechselverwandten in den Urmeeren so viel Sauerstoff produziert hatten, dass sich Wasser und Luft damit anreichern konnten, sollte allerdings noch über eine Milliarde Jahre vergehen.

Von Ute Schmidt