Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №23/2007

Sonderthema

Heinrich Heine: Der Lebensweg

«Den höchsten Begriff vom Lyriker hat mir Heinrich Heine gegeben. Ich suche umsonst in allen Reichen der Jahrtausende nach einer gleich süßen und leidenschaftlichen Musik. Er besaß eine göttliche Bosheit, ohne die ich mir das Vollkommene nicht zu denken vermag [...]. – Und wie er das Deutsche handhabt! Man wird einmal sagen, dass Heine und ich bei weitem die ersten Artisten der deutschen Sprache gewesen sind.»

Friedrich Nietzsche

«Der Wohlklang, der Scharfsinn und der Stil – und damit ist schon charakterisiert, was Heines bahnbrechendes Werk von beinahe allen seinen Vorgängern und beinahe allen seinen Nachfolgern unterscheidet. Bahnbrechend? Ist das nicht ein gar zu großes Wort? Nein, ich nehme es nicht zurück, ich werde es auch nicht abmildern [...]. Ihm ist geglückt, was Europa den Deutschen kaum mehr zutraute: ein Stück Weltliteratur in deutscher Sprache.»

Marcel Reich-Ranicki

«Heine sagt sehr bissige Sachen, und seine Witze treffen ins Schwarze. Man hält ihn für von Grund auf böse, aber nichts ist falscher; sein Herz ist so gut, wie seine Zunge schlecht ist. Er ist zärtlich, aufmerksam, aufopfernd, in der Liebe romantisch, ja schwach, und eine Frau kann ihn unbegrenzt beherrschen.»

George Sand

Christian Johann Heinrich Heine war einer der bedeutendsten deutschen Dichter und Journalisten des 19. Jahrhunderts. Heine gilt als «letzter Dichter der Romantik» und gleichzeitig als deren Überwinder. Er machte die Alltagssprache lyrikfähig, erhob das Feuilleton und den Reisebericht zur Kunstform und verlieh der deutschen Sprache eine zuvor nicht gekannte elegante Leichtigkeit. Als kritischer, politisch engagierter Journalist, Essayist, Satiriker und Polemiker war er ebenso bewundert wie gefürchtet. Wegen seiner jüdischen Herkunft und seiner politischen Einstellung wurde Heine immer wieder angefeindet und ausgegrenzt. Die Außenseiterrolle prägte sein Leben, sein Werk und dessen wechselvolle Rezeptionsgeschichte. Heute gehört er zu den am häufigsten übersetzten und vertonten Dichtern deutscher Sprache.

Die Geschichte von Heines Wirkung und Nachwirkung liest sich als Erfolgsstory. Jahr für Jahr mehr als zweihundertfünfzig Notizen und Rezensionen haben emsige Rezeptionsforscher bereits in den ersten Dezennien seines europäischen Ruhms nachgewiesen, wobei Nachdrucke und Übersetzungen noch nicht einmal berücksichtigt sind.

Dem 1970 gegründeten Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf, das mit seinem Museum und seiner Bibliothek als Archiv für Literatur, Kunst, Musik und Wissenschaft der Pflege und Verbreitung des heineschen Werks verpflichtet ist, flattern unter dem Heine-Stichwort Monat für Monat zwischen einhundertfünfzig und dreihundert Notizen, allein aus deutschen Zeitungen und Zeitschriften ins Haus, mit steigender Tendenz, denn «ein paar grundgelehrte (Heine-)Zitate zieren den ganzen Menschen», wie schon Heine wusste. Insbesondere Journalisten und Leserbriefschreibern hat es Heine angetan, ganz egal, ob sie sich zur «political correctness» äußern oder die Bekämpfung von Schlafstörungen ihr Thema ist.

Hinzu kommen die wissenschaftlichen Beiträge, von denen die jüngste Ausgabe des «Heine Jahrbuchs» für das abgelaufene Jahr rund 350 Titel verzeichnet: Werkeditionen, Nachdrucke und Übersetzungen, Dokumentationen, Monographien und Aufsätze zu allen Facetten von Leben und Werk, literarische Essays und Dichtungen, Inszenierungen, Vertonungen und so weiter und so fort.

Heinrich Heine

Auch im nüchternsten Alltag, abseits der Hauptwege von Wissenschaft und Publizistik, begegnet uns der Autor. Es gibt einige wenige Gedenkstätten und sehr viele rätselhafte Denkmäler (deren Zahl aber, mit Verlaub, immer noch geringer sein dürfte als die der abgelehnten, unterdrückten und demontierten Heine-Monumente). Unser aller Heine ist Namenspatron für Preise, Stipendien, Plätze, Straßen, Forschungseinrichtungen und Begegnungsstätten; für Bibliotheken, Gesellschaften und Vereine, Schulen, Buchhandlungen, Antiquariate, Apotheken, Hotels und Hotelsuiten, Kliniken, Kurparks, Flusskreuzfahrtschiffe und den Eurocity von Dresden nach Paris. Zum Suchwort im Kreuzworträtsel und zum Comic-Helden hat es der Autor schon gebracht, und unlängst zog er mit einem über 170 Jahre alten Text ins Feuilleton einer Tageszeitung ein: Die Harzreise als Fortsetzungsroman, exklusiv und tantiemenfrei in der «Magdeburger Volksstimme».

Es gibt eine Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft, die bisher u. a. Max Brod, Hilde Domin, Martin Walser, Sarah Kirsch, Tankred Dorst und Marcel Reich-Ranicki verliehen wurde.

Aus dem Heinrich-Heine-Fonds wurden von 1979 bis 1989 Opfer des Radikalenerlasses unterstützt, und seit 1988 trägt sogar, nach langem Sträuben der Herren Professoren, die Universität Düsseldorf seinen Namen.

Heine und seine Werke scheinen auch 150 Jahre nach dem Tod des Autors keine Patina anzusetzen. Heine selbst macht es uns schwer, ihn in die fernen Sphären der Unangreifbarkeit zu entrücken. Gleich zu Beginn seiner Karriere hat er sein Publikum in Liebhaber und Verächter gespalten, und bis heute ist das so, das hält ihn frisch und lebendig. Seine Wirkung gründet auf Zustimmung und Ablehnung, das macht sie dauerhafter als jede Vollkonserve.

Jugend und Lehrjahre


Betty Heine (geborene Peira van Geldern) (1771–1859), Heines Mutter

«Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt, und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zu Muthe. Ich bin dort geboren und es ist mir, als müsste ich gleich nach Hause gehn. Und wenn ich sage nach Hause gehn, dann meine ich die Bolkerstraße und das Haus, worin ich geboren bin», schrieb Heinrich Heine 1827 in Ideen. Das Buch Le Grand.

Während über Heines Geburtsort nie ein Zweifel bestand, herrschte über sein genaues Geburtsdatum lange Unklarheit. Alle zeitgenössischen Akten, die darüber Auskunft geben könnten, sind im Laufe der letzten 200 Jahre verloren gegangen. Heine selbst bezeichnete sich scherzhaft als «ersten Mann des Jahrhunderts», da er in der Neujahrsnacht 1800 geboren sei. Gelegentlich gab er auch 1799 als Geburtsjahr an. Nach heutigem Forschungsstand gilt aber als gesichert, dass Harry Heine – so sein Geburtsname – am 13. Dezember 1797 zur Welt kam. Seine Kindheit und Jugend fielen in eine Zeit großer Veränderungen in Folge der Französischen Revolution.

Er war das älteste von vier Kindern des Tuchhändlers Samson Heine und seiner Frau Betty (eigentlich Peira), geb. van Geldern. Seine Geschwister waren Charlotte, Gustav – der spätere Baron Heine-Geldern und Herausgeber des «Wiener Fremdenblatts» –, und Maximilian, später Arzt in Sankt Petersburg. Sie alle wuchsen in einem weitgehend assimilierten jüdischen Elternhaus auf.

Heines Mutter Betty, Jahrgang 1771, stammt aus der angesehenen Düsseldorfer Bankiers- und Gelehrtenfamilie van Geldern, der Vater Samson Heine kommt aus einer strenggläubigen norddeutschen Kaufmannsfamilie und wurde 1764 in Hannover geboren. Für seinen Sohn, der seiner stets sehr liebevoll gedenkt, verkörpert er Heiterkeit, Liebenswürdigkeit und Lebenslust bis zum Leichtsinn, die ernste Mutter Willenskraft, Moral und Disziplin.

Die Eltern gehören der kleinen jüdischen Gemeinde an, die kaum ein Dutzend Familien zählt. In Düsseldorf gibt es kein ausgesprochenes Judenviertel. Dennoch bleiben Heine Ausgrenzungserfahrungen nicht erspart. Seine Herkunft aus einem jüdischen Elternhaus, sein wenig gebräuchlicher Vorname und sein rötliches Haar machen ihn zur Zielscheibe von jugendlichem Spott und Hohn. In seinen Lebenserinnerungen schildert er, wie entsprechende Hänseleien und Quälereien ihm seine ganze Jugend «vergällt und vergiftet» haben.

Ab 1803 besuchte Harry Heine die israelitische Privatschule von Hein Hertz Rintelsohn. Als die kurfürstlich bayerische Regierung, der das Herzogtum Berg und dessen Hauptstadt Düsseldorf unterstand, 1804 auch jüdischen Kindern den Besuch christlicher Schulen erlaubte, wechselte er auf die städtische Grundschule und 1807 in die Vorbereitungsklasse des Düsseldorfer Lyzeums, des heutigen Görres-Gymnasiums, das im Sinne der Spätaufklärung wirkte. Das Lyzeum selbst besuchte er von 1810 bis 1814, verließ es aber ohne Abgangszeugnis, da er sich, der Familientradition folgend, an einer Handelsschule auf einen kaufmännischen Beruf vorbereiten sollte.

1811 erlebte der 13-jährige Heine den Einzug Napoléons in Düsseldorf. Die Stadt und das Herzogtum Berg waren 1806 von Bayern an Frankreich abgetreten worden, sodass Heine später Anspruch auf die französische Staatsbürgerschaft erheben konnte. Den Kaiser der Franzosen verehrte er zeitlebens für die Einführung des Code Civil im Jahr 1806, der die Juden der übrigen Bevölkerung rechtlich gleichgestellt hatte.

In den Jahren 1815 und 1816 arbeitete Heine als Volontär zunächst bei dem Frankfurter Bankier Rindskopff. Damals lernte er in der Frankfurter Judengasse das bedrückende und ihm bis dahin fremde Ghettodasein der Juden kennen. Außerdem besuchten Vater und Sohn Heine die Freimaurerloge «Zur aufgehenden Morgenröte». Unter den Freimaurern erfuhren sie die Anerkennung, die ihnen als Juden in der Gesellschaft sonst oft verwehrt blieb.

Lehrjahre in Hamburg

1816 wechselte Heine ins Bankhaus seines wohlhabenden Onkels Salomon Heine in Hamburg. Salomon, der im Gegensatz zu seinem Bruder Samson geschäftlich höchst erfolgreich und mehrfacher Millionär war, nahm sich des Neffen an. Bis zu seinem eigenen Tod im Jahr 1844 unterstützte er ihn finanziell, obwohl er wenig Verständnis für dessen literarische Interessen hatte. Überliefert ist Salomons Ausspruch: «Hätt’ er gelernt was Rechtes, müsst er nicht schreiben Bücher.»

Da Heine weder Neigung noch Talent für Geldgeschäfte mitbrachte, richtete sein Onkel ihm schließlich ein Tuchgeschäft ein. Aber «Harry Heine & Co.» musste bereits nach kurzer Zeit Bankrott anmelden. Der Inhaber widmete sich schon damals lieber der Dichtkunst.

Seit 1815 schrieb Harry Heine regelmäßig Gedichte. Begonnen hatte er damit aber bereits während seiner Schulzeit auf dem Lyzeum. 1817 werden seine ersten Gedichte gedruckt. Sie besingen eine schöne und liebliche, zugleich aber todbringende Wundermaid, hinter der die Gestalt der Hamburger Cousine Amalie hervorlugt, von Heine in seinen Briefen «Molly» genannt.

Für intime Rendezvous gibt es indes wenig Gelegenheit, da der Düsseldorfer Verwandte, der in der Stadt zur Untermiete wohnt, nur selten nach Hause eingeladen wird. Und dann ist es von Anfang an eine unmögliche Liebe. Der Sohn Samson Heines, dessen «Mode- und Ellenwarenhandlung» am Rhein längst dem Bankrott entgegensteuerte, hat sich in die Tochter eines Multimillionärs verliebt.

Dennoch krampft sich sein Herz an die unverbindliche Liebenswürdigkeit, die ihm die Cousine entgegenbringt und die er mit liebendem Wohlwollen verwechselt. 1819 muss Heines Vater das Textilgeschäft aufgeben. Damit nimmt auch Heines Hamburger Kaufmannskarriere ein jähes Ende. 1819 verlässt er die Stadt an der Elbe. Amalie heiratete 1821 einen ostpreußischen Gutsbesitzer und verschwand schon bald aus Heines Gesichtsfeld.

Als Anfang Oktober 1827 die ersten Exemplare des Buchs der Lieder die Druckpresse verließen, kam es zu einer zufälligen Wiederbegegnung mit der Jugendliebe. An Varnhagen von Ense schrieb Heine: «Ich bin im Begriff diesen Morgen eine dicke Frau zu besuchen, die ich in 11 Jahren nicht gesehen habe.» Und er beschloss seinen kurzen Bericht mit den Worten: «Die Welt ist dum und fade und unerquicklich und riecht nach vertrockneten Veilchen.»

Doch als weiblicher Schatten lebte Amalie, auch nach ihrem frühen Tod im Jahr 1838, unter verschiedenen Namen in seinen Dichtungen weiter. Die Herzblutspur der nicht erwiderten, unerfüllten Liebe verläuft durch Heines Lyrik bis zu den Gedichten der Spätzeit.

Heines Onkel Salomon hatte noch drei weitere Töchter: Friederike, Fanny und Therese. Und nur wenige Jahre nach dem unerfreulichen Amalien-Erlebnis, im Jahr 1823, wagte Heine im Haus des Onkels einen erneuten Annäherungsversuch, diesmal bei Amalies jüngerer Schwester, der ebenso marmorschönen wie marmorkühlen Therese. Und wiederum erhielt er einen Korb. Und auch das Scheitern dieser Liebesbemühung war vorprogrammiert: Es war das aussichtslose Werben um eine in diesen Töchtern personifizierte, ebenso nahe wie unerreichbare andere Welt.

Studium in Bonn, Göttingen und Berlin

Salomon Heine (1767–1844). Bis zu seinem Tod unterstützte der vermögende Onkel Heines seinen Neffen.

Wahrscheinlich haben die Zwistigkeiten in der Familie Salomon Heine schließlich davon überzeugt, dem Drängen des Neffen nachzugeben und ihm ein Studium fernab von Hamburg zu ermöglichen. Obwohl dieser sich auch für die Rechtswissenschaft nicht sonderlich interessierte, nahm er 1819 ein Jurastudium auf. Zunächst schrieb er sich in Bonn ein, wo er aber nur eine einzige juristische Vorlesung belegte.

Dagegen hörte er im Wintersemester 1819/20 die Vorlesung zur Geschichte der deutschen Sprache und Poesie von August Wilhelm Schlegel. Der Mitbegründer der Romantik übte einen starken literarischen Einfluss auf den jungen Heine aus, was diesen aber nicht daran hinderte, sich in späteren Werken spöttisch über Schlegel zu äußern. Das Gleiche widerfuhr einem weiteren seiner Bonner Lehrer, Ernst Moritz Arndt, dessen reaktionäre Ansichten Heine in späteren Gedichten und Prosatexten mehrfach aufs Korn nahm.

Im Wintersemester 1820 ging Heine an die Universität Göttingen. Dort schloss er sich der «Landsmannschaft der Westfalen» an. Schon im Februar 1821 musste er Göttingen wegen einer Duellaffäre wieder verlassen: Heine suchte aufgrund der gesellschaftlichen Zurücksetzung, der Juden im damaligen Deutschland ausgesetzt waren, seine Herkunft möglichst zu verbergen. Als er von einem Kommilitonen wegen seines Judentums beleidigt wurde, forderte er diesen zum Duell. Die Universität relegierte ihn und seinen Duellgegner daher für ein Semester.

Amalie Heine, Heinrichs Cousine und erste große LiebeHeine wechselte zur Berliner Universität, wo er von 1821–1823 studierte und u. a. Vorlesungen bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel hörte:

«Zu fragmentarisch ist Welt und Leben!
Ich will mich zum deutschen Professor begeben.
Der weiß das Leben zusammen-zusetzen,
Und er macht ein verständlich System daraus;
Mit seinen Nachtmützen und Schlafrockfetzen
Stopft er die Lücken des Weltenbaus.»

Allem, was Berlin an neuen Eindrücken und Reizen zu bieten hat, gibt sich Heine bereitwillig hin. Er genießt das glänzende gesellschaftliche Leben, das bunte Treiben auf Straßen und Plätzen, verbringt Tage und Nächte in Konditoreien und Cafés, wird eingeführt in die Salons Elise von Hohenhausens und Rahel Varnhagens, wo einflussreiche Persönlichkeiten des europäischen Geisteslebens ein- und ausgingen.

Dankbar erinnert sich Heine später vor allem an das Ehepaar Varnhagen, «wie Sie beyde mir so viel Gutes und Liebes erzeigt, und mich mürrischen, kranken Mann aufgeheitert, und gestärkt, und gehobelt, und durch Rath und That unterstützt, und mit Makaroni und Geistesspeise erquickt. Ich habe so wenig wahre Güte im Leben gefunden, und bin so viel schon mystifiziert worden, und habe erst von Ihnen und Ihrer großherzigen Frau eine ganz menschliche Behandlung erfahren.»

Rahel, die Heine einmal «die geistreichste Frau des Universums» nannte, wie auch ihr Mann Karl August, dessen «Charakter, Kritik und Loyalität» Heine gleichermaßen zu schätzen wusste, verstanden es, Heine nicht nur zu ermuntern, sondern auch auf fördernde Weise zu kritisieren. «Heine muß ‹wesentlich› werden, und sollte er Prügel haben», war Rahels Erwartung an den jungen Dichter, und für Varnhagen, dem Heine das Verdienst zusprach, sein «poetisches Dichten und Trachten geordnet und zum Besten geleitet» zu haben, war es, wie Heine wusste, «nicht hinreichend daß ich zeige wie viel Töne ich auf meiner Leyer habe, gefordert war auch die Verbindung aller dieser Töne zu einem großen Conzert».

Von Berlin aus unternahm Heine 1822 eine Reise nach Posen. Hier begegnete er erstmals dem chassidischen Judentum, das ihn zwar faszinierte, mit dem er sich jedoch nicht identifizieren konnte. Im Frühjahr 1823, zwei Jahre vor seinem Übertritt zum Christentum, schrieb er in einem Brief an seinen Freund Immanuel Wohlwill: «Auch ich habe nicht die Kraft, einen Bart zu tragen, und mir Judemauschel nachrufen zu lassen, und zu fasten etc.»

Taufe und Platen-Affäre

Wieder in Göttingen, wurde Heine im Juli 1825 zum Doktor der Rechte promoviert. Um seine Anstellungschancen als Jurist zu erhöhen, hatte er sich im Juni zuvor in Heiligenstadt protestantisch taufen lassen und den Vornamen Christian Johann Heinrich angenommen. Von da an nannte er sich Heinrich Heine. Er versuchte zunächst, die Taufe möglichst geheim zu halten: Sie erfolgte in der Wohnung des Pfarrers mit dem Taufpaten als einzigem Zeugen. Religiös damals völlig indifferent, betrachtete er den Taufschein ohnehin nur als «Entre Billet zur Europäischen Kultur». Doch er musste feststellen, dass viele Träger der europäischen Kultur auch einen getauften Juden wie ihn nicht als ihresgleichen akzeptierten. Heine war jedoch nicht bereit, Zurücksetzungen und Kränkungen unwidersprochen hinzunehmen.

Dies zeigte sich besonders deutlich in der sogenannten Platen-Affäre: Aus einem literarischen Streit mit dem Dichter August Graf von Platen entwickelte sich eine persönliche Auseinandersetzung, in deren Folge Heine auch wegen seiner jüdischen Herkunft angegriffen wurde. So bezeichnete Platen ihn in einem 1829 veröffentlichten Theaterstück als «Petrark des Laubhüttenfestes» und «des sterblichen Geschlechts der Menschen Allerunverschämtester». Er warf ihm «Synagogenstolz» vor und schrieb: «... doch möcht’ ich nicht sein Liebchen sein; Denn seine Küsse sondern ab Knoblauchsgeruch.»

Heine wertete diese und andere Äußerungen als Teil einer Kampagne, die seine Bewerbung um eine Professur an der Münchener Universität hintertreiben sollte: «Als mich die Pfaffen in München zuerst angriffen, und mir den Juden aufs Tapet brachten, lachte ich – ich hielts für bloße Dummheit. Als ich aber System roch, als ich sah wie das lächerliche Spukbild almählig ein bedrohliches Vampier wurde, als ich die Absicht der Platenschen Satyre durchschaute, (...) da gürtete ich meine Lende, und schlug so scharf als möglich, so schnell als möglich.»

Der Schlag erfolgte in literarischer Form im dritten Teil der Reisebilder: In Die Bäder von Lucca kritisierte Heine Platens Dichtung als steril und führte dies auf die Homosexualität des Grafen zurück, die er damit publik machte. Er bezeichnete ihn als «warmen Freund» und schrieb, der Graf sei mehr «ein Mann von Steiß als ein Mann von Kopf».

Der Streit schadete schließlich beiden Kontrahenten erheblich. Platen, der sich gesellschaftlich unmöglich gemacht sah, ging ins freiwillige Exil nach Italien. Heine wiederum fand wenig Verständnis und kaum öffentliche Unterstützung für sein Vorgehen. Ohne Anlass und Umstände der Affäre zu erwähnen, warfen Kritiker ihm wegen seiner Äußerungen immer wieder «Charakterlosigkeit» vor.

Heine machte die judenfeindlichen Angriffe Platens und anderer dafür verantwortlich, dass König Ludwig I. von Bayern ihm die schon sicher geglaubte Professur nicht verliehen hatte.

In erster Linie aufgrund der Platen-Affäre war Heines letzter Versuch gescheitert, als Jurist eine Anstellung in einem der deutschen Staaten zu erhalten. Die erhofften Folgen der Taufe waren also ausgeblieben, und Heine hat seinen Übertritt zum Christentum später mehrfach ausdrücklich bedauert. So schrieb er bereits am 9. Januar 1826 in einem Brief an Moses Moser: «Ich bereue sehr daß ich mich getauft hab; ich seh noch gar nicht ein daß es mir seitdem besser gegangen sey, im Gegentheil, ich habe seitdem nichts als Unglück.» Er entschloss sich daher, für damalige Verhältnisse eher ungewöhnlich, seinen Lebensunterhalt als freischaffender Schriftsteller zu verdienen.

Fast alle Biografien betonen die Bedeutung der jüdischen Herkunft für Heines Leben und Dichtung. Erste wichtige Stationen seiner Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte waren seine aktive Mitgliedschaft im Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden während seines Berlin-Aufenthalts 1822/23 und die 1824 begonnene Arbeit am Fragment gebliebenen Roman Der Rabbi von Bacherach. Die Auseinandersetzung mit jüdischen Motiven trat zwar in der Zeit nach der Taufe in den Hintergrund, hat ihn jedoch ein Leben lang beschäftigt und vor allem in seinem Spätwerk wieder Ausdruck gefunden (unter anderem in den Hebräischen Melodien, dem Dritten Buch des Romanzero).

Insbesondere der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki vertritt die Ansicht, Heines Emigration nach Paris sei weniger politisch motiviert gewesen als vielmehr durch seine Ausgrenzung aus der deutschen Gesellschaft. In Deutschland sei Heine als Jude immer ein «Ausgestoßener» gewesen, in Frankreich dagegen als Deutscher nur ein «Ausländer».

August Graf von Platen, mit dem Heine sich eine heftige Auseinandersetzung lieferte

Erste literarische Erfolge

Seine ersten Gedichte (u. a.: Ein Traum, gar seltsam; Mit Rosen, Zypressen) veröffentlichte Heine bereits 1816, in seiner Hamburger Zeit, unter dem Pseudonym Sy. Freudhold Riesenharf in der Zeitschrift «Hamburgs Wächter». Als

H. Heine publizierte er im Dezember 1821 in Berlin seinen ersten Lyrikband Gedichte. 1823 folgte Tragödien, nebst einem Lyrischen Intermezzo. Daraus stammt seine frühe politische Aussage: «Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.» 1824 erschien die Sammlung Dreiunddreißig Gedichte, darunter Heines in Deutschland heute bekanntestes Werk: Die Loreley. Im selben Jahr besuchte er während einer Harzreise den von ihm hochverehrten Johann Wolfgang von Goethe in Weimar. Bereits zwei Jahre zuvor hatte er ihm seinen ersten Gedichtband mit einer Widmung zugesandt. Der Besuch verlief für Heine aber eher enttäuschend, da er sich – ganz im Gegensatz zu seinem Naturell – befangen und linkisch zeigte und Goethe ihm nur höflich-distanziert begegnete.

Im Jahr 1826 veröffentlichte Heine den Reisebericht Harzreise, der sein erster großer Publikumserfolg wurde. Im gleichen Jahr begann seine Geschäftsbeziehung zu dem Hamburger Verlag Hoffmann und Campe. Julius Campe sollte bis zu Heines Tod sein Verleger bleiben. Er brachte im Oktober 1827 den Lyrikband Buch der Lieder heraus, der Heines Ruhm begründete und bis heute populär ist. Der romantische, oft volksliedhafte Ton dieser und späterer Gedichte, die unter anderem in Robert Schumanns Dichterliebe vertont wurden, traf den Nerv nicht nur seiner Zeit.

Aber Heine überwand den romantischen Ton bald, indem er ihn ironisch unterlief und die Stilmittel des romantischen Gedichts auch für Verse politischen Inhalts nutzte. Er selbst nannte sich einen «entlaufenen Romantiker».

Heine erlebte das Meer zum ersten Mal in den Jahren 1827 und 1828 auf Reisen nach England und Italien. Seine Eindrücke schilderte er in weiteren Reisebildern, die er zwischen 1826 und 1831 veröffentlichte. Dazu gehören z. B. der Zyklus Nordsee sowie die Werke Die Bäder von Lucca und Ideen. Das Buch Le Grand, Letzteres ein Bekenntnis zu Napoléon und den Errungenschaften der Französischen Revolution. Er erwies sich als witziger und sarkastischer Kommentator, wenn er während seiner Italienreise nach Genua beispielsweise schreibt: «Ja, mich dünkt zuweilen, der Teufel, der Adel und die Jesuiten existiren nur so lange, als man an sie glaubt.» Wie zugespitzt, ja beleidigend, Sarkasmus und Ironie sein konnten, zeigt beispielsweise der bekannte Text über die Bewohner Göttingens: «Im Allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingetheilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh; welche vier Stände doch nichts weniger als streng geschieden sind. Der Viehstand ist der bedeutendste. Die Namen aller Studenten und aller ordentlichen und unordentlichen Professoren hier herzuzählen, wäre zu weitläufig; auch sind mir in diesem Augenblick nicht alle Studentennamen im Gedächtnisse, und unter den Professoren sind manche, die noch gar keinen Namen haben. Die Zahl der göttinger Philister muß sehr groß seyn, wie Sand, oder besser gesagt, wie Koth am Meer; wahrlich, wenn ich sie des Morgens, mit ihren schmutzigen Gesichtern und weißen Rechnungen, vor den Pforten des akademischen Gerichtes aufgepflanzt sah, so mochte ich kaum begreifen, wie Gott nur so viel Lumpenpack erschaffen konnte.»

Alle seine Veröffentlichungen in Deutschland waren der Zensur unterworfen, die er 1827 in Ideen. Das Buch Le Grand mit folgendem, vorgeblich zensierten Text satirisch unterlief:

«Die deutschen Censoren — —
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—— —— Dummköpfe —— —
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—— —— —— —— —— »

In dieser Zeit wurde Heine allmählich als großes literarisches Talent wahrgenommen. Seit Anfang der 1830er Jahre verbreitete sich sein Ruhm in Deutschland und Europa.

Pariser Jahre

Heine zur Zeit seiner Deutschlandreisen (1843/44)

Wegen seiner politischen Ansichten zunehmend angefeindet – vor allem in Preußen – und der Zensur in Deutschland überdrüssig, ging Heinrich Heine 1831, nach dem Ausbruch der französischen Julirevolution, nach Paris. Hier begann seine zweite Lebens- und Schaffensphase.

Was ihn an der zweitgrößten Stadt der Welt besonders fasziniert, ist die Spannung zwischen der heiteren Lebensart der Franzosen und der weltbewegenden geschichtlichen Dimension der Stadt. Schnell wird er hier mit führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bekannt, Politikern, Bankiers, Künstlern und Wissenschaftlern. In den neuen geistigen und ideologischen Strömungen erblickt Heine Motoren des gesellschaftlichen Fortschritts.

«Was mir am besten am Pariser Volk gefiel, das war sein höfliches Wesen und sein vornehmes Ansehen. Süßer Ananasduft der Höflichkeit! Wie wohltätig erquicktest du die kranke Seele, die in Deutschland so viel Tabaksqualm, Sauerkrautsgeruch und Grobheit eingeschluckt!»

In dem Vierteljahrhundert, das er in Paris verlebt, zieht Heine ungewöhnlich oft um, insgesamt sind sechzehn Wohnadressen bekannt. Das von ihm bevorzugte Wohnviertel liegt nördlich der großen Boulevards in dem zum Montmartre-Hügel ansteigenden Stadtteil.

Hier war er in unmittelbarer Nähe des alten Zentrums und doch der mittelalterlichen Enge und Düsterkeit entrückt. Theater- und Konzertbesuche ließen sich relativ mühelos bewerkstelligen, da fast alles in günstiger Entfernung lag, Restaurationsmöglichkeiten gab es in Hülle und Fülle.

Zeit seines Lebens sollte Heine sich nach Deutschland sehnen. Doch er sollte dieses Vaterland nur noch zweimal wiedersehen. Endgültig wurde Paris zu Heines Exil, als seine Werke – auch alle zukünftigen – 1833 in Preußen und 1835 auf Beschluss des Frankfurter Bundestages in allen Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes verboten wurden. Das gleiche Schicksal traf die Dichter des Jungen Deutschland. Im Beschluss des Bundestages hieß es, die Mitglieder dieser Gruppe zielten darauf ab, «in belletristischen, für alle Classen von Lesern zugänglichen Schriften die christliche Religion auf die frechste Weise anzugreifen, die bestehenden socialen Verhältnisse herabzuwürdigen und alle Zucht und Sittlichkeit zu zerstören».

Für Heine tat sich aber schon 1832 eine neue Einnahmequelle als Pariser Korrespondent der Augsburger «Allgemeinen Zeitung» von Johann Friedrich Cotta auf, dem Verleger Schillers und Goethes. Seine Zeitungsartikel aus dieser Zeit veröffentlichte er 1833 in Buchform unter dem Titel Französische Zustände.

Im selben Jahr zeigten sich die ersten Symptome der Krankheit – ähmungserscheinungen, Kopfschmerzattacken und Sehschwächen –, die ihn am Ende seines Lebens acht Jahre ans Bett fesseln sollte. Zunächst aber genoss er das Leben in Paris. Er begegnete den Größen des europäischen Kulturlebens wie Hector Berlioz, Ludwig Börne, Frédéric Chopin, George Sand, Alexandre Dumas und Alexander von Humboldt.

Eine Zeit lang suchte er die Nähe zu utopischen Sozialisten wie Prosper Enfantin, einem Schüler Saint-Simons. Heines Hoffnung, in dessen quasireligiöser Bewegung ein «neues Evangelium», ein «drittes Testament» zu finden, hatte zu seinem Entschluss beigetragen, nach Paris überzusiedeln. Nach anfänglicher Faszination wandte er sich bald von den Saint-Simonisten ab, auch deshalb, weil sie von ihm verlangten, sein Künstlertum in ihren Dienst zu stellen. 1835, nachdem das Scheitern der Bewegung offenkundig geworden war, schrieb Heine: «Wir [die Pantheisten] wollen keine Sanskülotten seyn, keine frugalen Bürger, keine wohlfeilen Präsidenten: wir stiften eine Demokrazie gleichherrlicher, gleichheiliger, gleichbeseligter Götter.(...) Die Saint-Simonisten haben etwas der Art begriffen und gewollt. Aber sie standen auf ungünstigem Boden, und der umgebende Materialismus hat sie niedergedrückt, wenigstens für einige Zeit. In Deutschland hat man sie besser gewürdigt.»

Die Weltstadt Paris inspirierte Heine in den folgenden Jahren zu einer Flut von Essays, politischen Artikeln, Polemiken, Denkschriften, Gedichten und Prosawerken. In Schriften wie Französische Zustände (1832) versuchte er, den Deutschen Frankreich und den Franzosen Deutschland näher zu bringen. Dabei gelangen ihm Analysen von nahezu prophetischer Qualität, beispielsweise im Schlusswort von Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland. Heine schrieb diesen Text 1834 an die Adresse der Franzosen, 99 Jahre vor der Machtergreifung jener, die auch seine Bücher verbrennen sollten: «Das Christenthum – und das ist sein schönstes Verdienst – hat jene brutale germanische Kampflust einigermaßen besänftigt, konnte sie jedoch nicht zerstören, und wenn einst der zähmende Talisman, das Kreuz, zerbricht, dann rasselt wieder empor die Wildheit der alten Kämpfer, die unsinnige Berserkerwuth … Der Gedanke geht der That voraus, wie der Blitz dem Donner. Der deutsche Donner ist freylich auch ein Deutscher und ist nicht sehr gelenkig und kommt etwas langsam herangerollt; aber kommen wird er, und wenn Ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wißt: der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht. Bey diesem Geräusche werden die Adler aus der Luft todt niederfallen, und die Löwen in der fernsten Wüste Afrikas werden die Schwänze einkneifen und sich in ihre königlichen Höhlen verkriechen. Es wird ein Stück aufgeführt werden in Deutschland, wogegen die französische Revoluzion nur wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte.»

Früher als die meisten seiner Zeitgenossen erkannte Heine den zerstörerischen Zug im deutschen Nationalismus, der sich – anders als der französische – zusehends von den Ideen von Demokratie und Volkssouveränität entfernte. Der Dichter spürte in ihm vielmehr einen untergründigen Hass auf alles Fremde, wie er in dem Gedicht Diesseits und jenseits des Rheins schrieb:

«Aber wir verstehen uns bass,
Wir Germanen auf den Hass.
Aus Gemütes Tiefen quillt er,
Deutscher Hass! Doch riesig schwillt er,
Und mit seinem Gifte füllt er
Schier das Heidelberger Faß.»

Die Kontroverse mit Ludwig Börne

Ludwig Börne um 1835

Weitere wichtige Werke jener Jahre waren Die romantische Schule (1836), das Romanfragment Der Rabbi von Bacherach (1840) und die Denkschrift Über Ludwig Börne (1840).

In ihr reagierte Heine auf den Vorwurf seines früheren Freundes, Ziele der Revolution verraten zu haben. Ähnlich wie im Streit mit Platen, spielten auch in der Auseinandersetzung mit Ludwig Börne, der zu seiner Zeit bekannter war als Heine, persönliche Animositäten eine Rolle. Die eigentlichen Ursachen waren aber grundsätzlicher Natur und berührten das Selbstverständnis des Dichters und des Künstlers im Allgemeinen.

Während seines gesamten Schaffens war Heine um ein überparteiliches Künstlertum bemüht. Er verstand sich als freier, unabhängiger Dichter und Journalist und sah sich Zeit seines Lebens keiner politischen Strömung verpflichtet. Von dem radikal-republikanischen Publizisten Ludwig Börne grenzte er sich zunächst noch auf eine Weise ab, die Börne als wohlwollend empfinden konnte: «Ich bin eine gewöhnliche Guillotine, und Börne ist eine Dampfguillotine.» Wenn es aber um Kunst und Dichtung ging, räumte Heine der Qualität eines Werks immer einen höheren Rang ein als seiner Intention oder der Haltung des Autors.

Börne erschien diese Haltung als opportunistisch. Er warf Heine mehrfach Gesinnungsmangel vor und forderte, ein Dichter habe im Freiheitskampf klare Position zu beziehen. Mit dem Streit, ob und wieweit ein Schriftsteller parteilich sein dürfe, nahmen Heine und Börne spätere Auseinandersetzungen über politische Moral in der Literatur vorweg, wie sie im 20. Jahrhundert zwischen Heinrich und Thomas Mann, Benn und Brecht, Lukács und Adorno, Sartre und Simon ausgetragen werden sollten. So hält Hans Magnus Enzensberger den Streit zwischen Heine und Börne für die «folgenreichste Kontroverse der deutschen Literaturgeschichte».

Dass die Denkschrift erst nach Börnes Tod im Jahr 1837 erschien und zudem Spötteleien über dessen Dreiecksverhältnis mit seiner Freundin Jeanette Wohl und deren Ehemann, dem Frankfurter Kaufmann Salomon Strauß, enthielt, wurde Heine selbst von ansonsten wohlwollenden Lesern übel genommen. Strauß, der sich durch die Veröffentlichung bloßgestellt fühlte, behauptete später, er habe den Dichter wegen seiner Äußerungen öffentlich ins Gesicht geschlagen. Daraufhin forderte Heine ihn zu einem Pistolenduell auf, bei dem er leicht an der rechten Hüfte verletzt wurde, während Strauß unversehrt blieb.

Ehe und Deutschlandreise

Heines Ehefrau Mathilde (Augustine Crescence Mirat)Noch vor dem Duell heiratete Heine 1841 in der Kirche St. Sulpice die ehemalige Schuhverkäuferin Augustine Crescence Mirat, die er Mathilde nannte. Er hatte die damals 18-Jährige bereits 1833 kennengelernt, lebte wahrscheinlich seit Oktober 1834 mit ihr zusammen und wollte sie für den Fall seines Todes versorgt wissen. Die Hochzeit fand auf ihren Wunsch nach katholischem Ritus statt. Seine jüdische Herkunft hat Heine ihr zeitlebens verschwiegen.

Viele seiner Freunde, wie Marx und Engels, lehnten seine Verbindung mit der einfachen, aber lebenslustigen Frau ab. Heine aber scheint sie auch deshalb geliebt zu haben, weil sie ihm ein Kontrastprogramm zu seiner intellektuellen Umgebung bot. Zu Beginn ihrer Beziehung hatte er versucht, der Bildung seiner vom Lande stammenden Freundin ein wenig aufzuhelfen. Auf sein Betreiben lernte sie lesen und schreiben und er finanzierte mehrere Aufenthalte in Bildungsanstalten für junge Frauen. Aber Mathilde war selbstbewusst genug, sich seinen Erziehungsversuchen zu verweigern.

Ein Vertrauter über Mathilde: «Ohne Geist und ohne Erziehung» sei sie gewesen und Heine habe sie «auf dem Pflaster von Paris» aufgelesen. Sie «liebte die Szenen», so ein anderer Hausfreund: «In einem Anfall war sie imstande, sich selbst mit Fäusten zu schlagen; zwei Minuten später erstickte ihr Zorn in Tränen und Schluchzen. Sie schluchzte ebenso leicht beim Tode ihres Papageis wie bei dem ihrer Mutter. Und diese Szenen wiederholten sich oft, und besonders dann, wenn ihr Blut überschäumte. Sie war dann keine Frau mehr, sondern ein Kind, und wie ein Kind wälzte sie sich auf dem Boden, stampfte mit den Füßen und hämmerte auf sich selbst ein.» Im Kosenamen «Katze» hat Heine das wilde, nicht domestizierbare und gleichzeitig schmiegsam-zärtliche Wesen Mathildes festgehalten.

Ihr gemeinsames Leben verlief mitunter turbulent: Heftigen Ehekrächen, oft ausgelöst durch Mathildes freigebigen Umgang mit Geld, folgte die Versöhnung meist auf den Fuß. Neben liebevollen Schilderungen seiner Frau finden sich bei Heine auch boshafte Verse, wie die aus dem Gedicht Celimene:

«Deine Nücken, deine Tücken
Hab ich freylich still ertragen,
Andre Leut’ an meinem Platze
Hätten längst dich todt geschlagen.»

Dennoch schätzte Heine sie, obwohl – oder gerade weil – Mathilde kein Deutsch sprach und deshalb auch keine wirkliche Vorstellung von seiner Bedeutung als Dichter besaß. Überliefert ist ihr Ausspruch: «Mein Mann machte dauernd Gedichte; aber ich glaube nicht, daß dies besonders viel wert war, denn er war nie damit zufrieden.» Gerade diese Unkenntnis deutete Heine als Zeichen dafür, dass Mathilde ihn als Menschen und nicht als prominenten Dichter liebte.

Die Ehe der beiden blieb kinderlos. Mathilde überlebte ihren Gatten um mehr als ein Vierteljahrhundert, sie starb im Jahr 1883.

1843 schrieb Heine sein Gedicht Nachtgedanken, das mit den oft zitierten Worten beginnt:

«Denk’ ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht.»
und mit dem Vers endet:
«Gottlob! durch meine Fenster bricht
Französisch heit’res Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.»

Heines «deutsche Sorgen» betrafen nicht nur die politischen Zustände jenseits des Rheins, sondern auch seine mittlerweile verwitwete, allein lebende Mutter. Nicht zuletzt um sie wiederzusehen und ihr seine Frau vorzustellen, unternahm er 1843 und 1844 seine zwei letzten Reisen nach Deutschland.

Mitte der 40er Jahre entstanden Heines große Versepen Atta Troll und – angeregt durch seine erste Reise – Deutschland. Ein Wintermärchen. Darin kommentierte er äußerst bissig die staatlichen, kirchlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland. So schildert er in den Eingangsversen eine Szene gleich nach dem Grenzübertritt, in der ein Mädchen eine fromme Weise singt:

«Sie sang das alte Entsagungslied,
Das Eiapopeia vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den großen Lümmel.

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser.

Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.

Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.»

In diesen Versen klingen Ideen von Karl Marx an, den er, wie auch den späteren Begründer der deutschen Sozialdemokratie, Ferdinand Lassalle, in jenen Jahren kennengelernt hatte. Später arbeitete Heine an Marx’ Zeitschriften «Vorwärts!» und «Deutsch-Französische Jahrbücher» mit. Seine «neuen und besseren Lieder» veröffentlichte er 1844 in der Lyriksammlung Neue Gedichte, in der auch das Wintermärchen zuerst erschien.

Heine und der Marxismus

Karl MarxZu Beginn der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts radikalisierte sich Heines Ton zusehends. Er gehörte zu den ersten deutschen Dichtern, die die Folgen der einsetzenden Industriellen Revolution zur Kenntnis nahmen und das Elend der neu entstandenen Arbeiterklasse in ihren Werken aufgriffen. Beispielhaft dafür ist sein Gedicht Die schlesischen Weber vom Juni 1844. Es war von dem Weberaufstand inspiriert, der im selben Monat in den schlesischen Ortschaften Peterswaldau und Langenbielau ausbrach.

Das auch als Weberlied bekannt gewordene Gedicht erschien im Juli in der von Karl Marx herausgegebenen Zeitschrift «Vorwärts!» und wurde in einer Auflage von 50 000 Stück als Flugblatt in den Aufstandsgebieten verteilt. Der preußische Innenminister Arnim bezeichnete das Werk in einem Bericht an König Friedrich Wilhelm IV. als «eine in aufrührerischem Ton gehaltene und mit verbrecherischen Äußerungen angefüllte Ansprache an die Armen im Volke». Das Königlich Preußische Kammergericht ordnete ein Verbot des Gedichts an. Ein Rezitator, der es dennoch gewagt hatte, es öffentlich vorzutragen, wurde 1846 in Preußen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Friedrich Engels, der Heine im August 1844 in Paris kennenlernte, übersetzte die Schlesischen Weber ins Englische und publizierte es im Dezember des selben Jahres in der Zeitung «The New Moral World».

Heine pflegte seit Beginn seiner Pariser Zeit Kontakte zu Vertretern des Saint-Simonismus, einer frühen sozialistischen Strömung. Trotz dieser Kontakte und der freundschaftlichen Beziehungen zu Marx und Engels hatte er jedoch stets ein ambivalentes Verhältnis zur kommunistischen Philosophie. Heine erkannte die Not der entstehenden Arbeiterschicht und unterstützte ihre Anliegen. Zugleich fürchtete er, dass der Materialismus und die Radikalität der kommunistischen Idee vieles von dem vernichten würden, was er an der europäischen Kultur liebte und bewunderte. Im Vorwort zur französischen Ausgabe von Lutetia schrieb Heine im Jahr vor seinem Tod: «Dieses Geständniß, daß den Communisten die Zukunft gehört, machte ich im Tone der größten Angst und Besorgniß, und ach! diese Tonart war keineswegs eine Maske! In der That, nur mit Grauen und Schrecken denke ich an die Zeit wo jene dunklen Iconoklasten zur Herrschaft gelangen werden: mit ihren rohen Fäusten zerschlagen sie als dann alle Marmorbilder meiner geliebten Kunstwelt, sie zertrümmern alle jene phantastischen Schnurpfeifereyen die dem Poeten so lieb waren; sie hacken mir meine Lorbeerwälder um und pflanzen darauf Kartoffeln … und ach! mein Buch der Lieder wird der Krautkrämer zu Düten verwenden um Kaffe oder Schnupftabak darin zu schütten für die alten Weiber der Zukunft – Ach! das sehe ich alles voraus und eine unsägliche Betrübniß ergreift mich wenn ich an den Untergang denke womit meine Gedichte und die ganze alte Weltordnung von dem Communismus bedroht ist – Und dennoch ich gestehe es freymüthig, übt derselbe auf mein Gemüth einen Zauber, dessen ich mich nicht erwehren kann, in meiner Brust sprechen zwey Stimmen zu seinen Gunsten, die sich nicht zum Schweigen bringen lassen…

Denn die erste dieser Stimmen ist die der Logik. … und kann ich der Prämisse nicht widersprechen: ‹daß alle Menschen das Recht haben zu essen›, so muß ich mich auch allen Folgerungen fügen...

Die zweite der beiden zwingenden Stimmen von welchen ich rede, ist noch gewaltiger als die erste, denn sie ist die des Hasses, des Hasses den ich jenem gemeinsamen Feinde widme, der den bestimmtesten Gegensatz zu dem Communismus bildet und der sich dem zürnenden Riesen, schon bey seinem ersten Auftreten entgegenstellen wird – ich rede von der Parthey der sogenannten Vertreter der Nazionalität in Deutschland, von jenen falschen Patrioten deren Vaterlandsliebe nur in einem blödsinnigen Widerwillen gegen das Ausland und die Nachbarvölker besteht und die namentlich gegen Frankreich täglich ihre Galle ausgießen.»

Die gescheiterte Revolution

Der liberal-konstitutionellen Bewegung nahestehend, verfolgte der überzeugte Demokrat Heine, dessen Gesundheitszustand sich zu dieser Zeit deutlich verschlechterte, die revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 in ganz Europa. Die Pariser Februarrevolution und ihre Auswirkungen betrachtete er mit wachsender Skepsis und nannte diese «Universalanarchie, Weltkuddelmuddel, sichtbar gewordener Gotteswahnsinn». Die Märzrevolution in den Staaten des Deutschen Bundes forderte unter dem Vorzeichen des Liberalismus einen demokratisch verfassten deutschen Nationalstaat. Auch von der Entwicklung in Deutschland wandte sich Heine bald enttäuscht ab, da die Verfechter einer republikanisch-demokratischen Staatsform sowohl in den neu besetzten Kammerparlamenten als auch in der Frankfurter Nationalversammlung in der Minderheit blieben. Im Versuch des ersten gesamtdeutschen Parlaments, eine Monarchie unter einem erblichen Kaisertum zu schaffen, sah er nur politisch untaugliche, romantische Träumereien von einer Wiederbelebung des 1806 untergegangenen Heiligen Römischen Reiches.

Die erste Phase der Revolution scheiterte, als Preußens König Friedrich Wilhelm IV. im Frühjahr 1849 die Annahme der erblichen Kaiserwürde ablehnte, die ihm die Mehrheit der Nationalversammlung angetragen hatte. Als Reaktion darauf entstand in West- und Südwestdeutschland eine demokratische Aufstandsbewegung, die die Fürsten zur Annahme der Paulskirchenverfassung zwingen wollte. Aber schon im Sommer und Herbst wurde diese zweite Welle der Revolution vor allem durch preußische Truppen niedergeschlagen. Resigniert kommentierte Heine die Vorgänge in seinem Gedicht Im Oktober 1849:

«Gelegt hat sich der starke Wind
und wieder stille wird’s daheime.
Germania, das große Kind
erfreut sich wieder seiner Weihnachtsbäume.(…)
Gemütlich ruhen Wald und Fluß,
Von sanftem Mondlicht übergossen;
Nur manchmal knallt’s – Ist das ein Schuß? –
Es ist vielleicht ein Freund, den man erschossen.»

Matratzengruft

Der kranke Heinrich Heine. Bleistiftzeichnung von Gleyre, 1851Im selben Monat, in dem die Revolution in Paris ausbrach, im Februar 1848, erlitt Heine einen Zusammenbruch. Fast vollständig gelähmt, sollte er die acht Jahre bis zu seinem Tod in der von ihm so bezeichneten «Matratzengruft» verbringen. Sein Nervenleiden hatte sich bereits 1845 zusehends verschlimmert. Dazu hat wohl auch der sogenannte Erbschaftsstreit beigetragen, den Heine nach dem Tode seines wohlhabenden Onkels Salomon im Dezember 1844 mit dessen Sohn Carl austrug. Über zwei Jahre stritt er mit seinem Vetter über die Jahresrente, die sein Onkel ihm 1838 bewilligt, deren Fortzahlung er aber nicht testamentarisch verfügt hatte. Im Februar 1847 kam es zwar zu einer für Heinrich Heine finanziell zufriedenstellenden Einigung. Sein Gesundheitszustand war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits bedenklich. Aufenthalte in Kurorten (Barèges in den Pyrenäen 1846) oder auf dem Lande (Montmorency 1847) brachten keine wirkliche Besserung mehr.

Heine selbst schien überzeugt, an Syphilis erkrankt zu sein. Diese Diagnose wurde zunächst von zahlreichen Biografen übernommen, wird neuerdings jedoch verstärkt in Frage gestellt. Eine eingehende Untersuchung aller zeitgenössischen Dokumente zu Heines Krankengeschichte weist die wichtigsten Symptome eher einer komplexen tuberkulösen Erkrankung zu, während eine Untersuchung von Haaren des Dichters im Jahr 1997 nahelegt, dass er an einer chronischen Bleivergiftung gelitten hat. Dennoch spricht weiterhin einiges für den syphilitischen Charakter seiner Krankheit.

Heinrich Heines Gesundheitszustand verschlechterte sich in mehreren Schüben dramatisch. Bereits 1846 wurde er vorzeitig für tot erklärt. Gegen die drohende Vereinsamung halfen gelegentliche Besuche von Kollegen und Freunden, die seine Matratzengruft nach eigenem Bekunden meist trauriger verließen als ein wirkliches Grab. Friedrich Engels suchte Heine im Januar 1848 auf, also noch vor dem endgültigen Zusammenbruch. Er berichtete: «Heine ist am Kaputtgehen. Vor 14 Tagen war ich bei ihm, da lag er im Bett und hatte einen Nervenanfall gehabt. Gestern war er auf, aber höchst elend. Er kann keine drei Schritt mehr gehen, er schleicht, an den Mauern sich stützend, von Fauteuil bis ans Bett und vice versa. Dazu Lärm in seinem Hause, der ihn verrückt macht.»

Heines häusliches Krankenzimmer ist nach dem Zeugnis seiner Besucher ein «düsteres, geheimnisvolles Gemach, in dem man meistens keinen Laut vernahm.»

«Eintretend stand ein enges Bett, auf der linken Seite Platz für einen großen Korb neben der Wand lassend, in welchen Heine, wenn er mit verschlossenen Augen mit einem Bleistift auf Folio Bogen geschrieben hatte, diese Papiere warf. Rechts befand sich ein Sofa, und mehr als einmal sah ich die Magd ihn wie ein kleines Kind vom Bett auf das Sofa tragen, um sein Lager etwas besser herzurichten.»

In den Jahren vor seinem Tod gelangte Heine zu einer milderen Beurteilung der Religion. In seinem Testament von 1851 bekannte er sich zum Glauben an einen persönlichen Gott, ohne sich aber einer der christlichen Kirchen oder dem Judentum wieder anzunähern. In seinem Testament heißt es: «Obschon ich durch den Taufakt der lutherischen Konfession angehöre, wünsche ich nicht, daß die Geistlichkeit dieser Kirche zu meinem Begräbnisse eingeladen werde; ebenso verzichte ich auf die Amtshandlung jeder andern Priesterschaft, um mein Leichenbegängnis zu feiern. Dieser Wunsch entspringt aus keiner freigeistigen Anwandlung. Seit vier Jahren habe ich allem philosophischen Stolze entsagt und bin zu religiösen Ideen und Gefühlen zurückgekehrt; ich sterbe im Glauben an einen einzigen Gott, den ewigen Schöpfer der Welt …»

Im Nachwort zum Romanzero stellte er im Dezember 1851 noch einmal fest: «Ausdrücklich widersprechen muß ich jedoch dem Gerüchte, als hätten mich meine Rückschritte bis zur Schwelle irgendeiner Kirche oder gar in ihren Schooß geführt. … Ich habe nichts abgeschworen, nicht einmal meine alten Heidengötter, von denen ich mich zwar abgewendet, aber scheidend in Liebe und Freundschaft.»

Heines geistige Schaffenskraft ließ auch in den qualvollen Jahren des Krankenlagers nicht nach. Da er kaum noch selbst schreiben konnte, diktierte er seine Verse und Schriften meist einem Sekretär oder überließ diesem seine eigenhändigen Entwürfe zur Reinschrift. Das Korrekturlesen von Druckvorlagen, das er bis zuletzt nicht aus der Hand gab, war für den nahezu erblindeten Heine eine zusätzliche Belastung. Trotz dieser schwierigen Bedingungen veröffentlichte er noch eine Reihe wesentlicher Werke, darunter im Oktober 1851 den Gedichtband Romanzero und 1854 drei Bände Vermischte Schriften, die unter anderem sein politisches Vermächtnis Lutetia und die Gedichte. 1853 und 1854 enthielten.

Im Romanzero fasste er sein politisches Leben mit dem Gedicht Enfant perdu so zusammen:

«Verlor’ner Posten in dem Freyheitskriege,
Hielt ich seit dreyzig Jahren treulich aus.
Ich kämpfte ohne Hoffnung, daß ich siege.
Ich wußte, nie komm’ ich gesund nach Haus.
[…]
Doch fall’ ich unbesiegt, und meine Waffen
Sind nicht gebrochen –. Nur mein Herze brach.»

Trotz seines Leidens kamen Heine Humor und Leidenschaft nicht abhanden. Die letzten Monate seines Lebens erleichterten ihm die Besuche seiner Verehrerin Elise Krinitz, die er zärtlich «Mouche» nannte. Sie wurde zu seiner «angebeteten Lotosblume».

Literarische Männerfantasien haben aus der Krinitz eine Abenteurerin gemacht, die zwar nicht klug, aber jung und schön gewesen sei. Nur darum habe Heine für sie geschwärmt. Das Gegenteil ist richtig. Sie war zweifellos eine außergewöhnliche Frau, aber jung war sie nicht mehr, knapp dreißig Jahre alt, für damalige Verhältnisse ein «spätes Mädchen» also, und ihr Aussehen entsprach keineswegs den Regeln konventioneller Ästhetik. Ein Bekannter beschrieb sie so: «Wenig Haar, dünne Brauen, keine Farbe, jetzt erst sah man recht, daß die Nase, immer der mißlichste Theil ihres Gesichts, recht unschön war.» In Heines Augen jedoch stellte sie eine reizvolle Schönheit dar, die er mit innigster Zärtlichkeit liebte. Die letzten poetischen Texte, die der Todgeweihte krakelig mit Bleistift auf große Foliobogen schrieb, waren Liebesgedichte, die er ihr widmete. Ein letztes Mal produzierte der luzide Geist des sterbenskranken Dichters Gedichte der Sehnsucht und des Schmerzes, voll bitterer Selbstironie und nicht ohne frivolen Witz. Wiederum war es eine unmögliche Liebe, die Heines Schaffensdrang noch einmal in Gang setzte.

Dass er sogar über den Tod noch scherzen konnte, zeigt sein Gedicht Epilog:

«Unser Grab erwärmt der Ruhm.
Thorenworte! Narrenthum!
Eine beßre Wärme gibt
Eine Kuhmagd, die verliebt
Uns mit dicken Lippen küsst
und beträchtlich riecht nach Mist. »

Am 17. Februar 1856 starb Heinrich Heine. Drei Tage später wurde er auf dem Friedhof Montmartre beerdigt, wo nach dem ausdrücklichen Willen des Dichters 27 Jahre später auch Mathilde ihre letzte Ruhe fand. Das im Jahre 1901 erstellte Grabmal ziert eine von dem dänischen Bildhauer Louis Hasselriis stammende Marmorbüste Heines und sein Gedicht Wo?:

«Wo wird einst des Wandermüden
letzte Ruhestätte seyn?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?
Werd ich wo in einer Wüste
Eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh ich an der Küste
Eines Meeres in dem Sand?
Immerhin mich wird umgeben
Gotteshimmel, dort wie hier,
Und als Todtenlampen schweben
Nachts die Sterne über mir.»

Bedeutung und Nachleben

Heines Grabbüste auf dem Friedhof Montmartre in ParisAufgrund seiner Eigenständigkeit sowie seiner formalen und inhaltlichen Breite lässt sich Heines Werk keiner eindeutigen literarischen Strömung zuordnen. Heine geht aus der Romantik hervor, überwindet aber bald deren Ton und Thematik – auch in der Lyrik. Sein Biograf Joseph A. Kruse sieht in seinem Werk Elemente der Aufklärung, der Weimarer Klassik, des Realismus und des Symbolismus.

Vor allem war er ein politisch kritischer Autor des Vormärz. Mit den Autoren des Jungen Deutschland, denen er bisweilen zugerechnet wird, verbindet ihn das Streben nach politischer Veränderung hin zu mehr Demokratie in ganz Europa, speziell in Deutschland. Seine Distanzierung von der «Tendenzliteratur», die er u. a. mit «gereimten Zeitungsartikeln» verglich, erfolgte weniger aus politischen als aus ästhetischen Motiven. Persönlich stand Heine Karl Marx und Friedrich Engels nahe, ohne jedoch deren politische Philosophie bis ins Letzte zu teilen.

Heine polarisierte schon seine Zeitgenossen, nicht zuletzt, weil er selbst polarisierende Urteile nicht scheute. Er griff tatsächliche oder vermeintliche Gegner ebenso hart an, wie er selbst angegriffen wurde, und schreckte vor keiner Polemik zurück. Nach seinem Tod nahm die Schärfe der Auseinandersetzungen um ihn eher noch zu – und sie hielt mehr als ein Jahrhundert an. Symptomatisch dafür war der Streit um ein würdiges Heine-Denkmal in Deutschland.

Nationalistisch und antisemitisch argumentierende Literaturwissenschaftler wie Adolf Bartels prägten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend die öffentliche Wahrnehmung Heines. Die seit 1887 anhaltenden Bemühungen, ihm in seiner Geburtsstadt Düsseldorf ein Denkmal zu setzen, denunzierte Bartels 1906 in seinem berühmt-berüchtigten Aufsatz Heinrich Heine. Auch ein Denkmal als «Kotau vor dem Judentum», ihn selbst als «Decadence-Juden». Erst in den 1920er Jahren wurden Heine-Denkmäler in Hamburg und Frankfurt am Main errichtet. Diese wurden jedoch schon wenige Jahre später, in der Zeit des Nationalsozialismus, wieder zerstört oder entfernt. Im «Dritten Reich» waren Heinrich Heines Werke verboten, und seine Bücher wurden zusammen mit denen zeitgenössischer Dichter verbrannt.

Nach 1945 war die Aufnahme Heinrich Heines und seines Werkes in Deutschland lange Zeit ambivalent und Gegenstand vielfältiger Auseinandersetzungen, zu denen nicht zuletzt die deutsche Teilung beitrug. Während in der Bundesrepublik im restaurativen Klima der Adenauerzeit Heine eher zurückhaltend und höchstens als romantischer Lyriker rezipiert wurde, hatte die DDR ihn relativ schnell im Rahmen ihres «Erbe»-Konzeptes auf der Haben-Seite gebucht und bemühte sich um die Popularisierung seines Werkes, wobei vor allem Deutschland. Ein Wintermärchen und sein Kontakt mit Karl Marx im Mittelpunkt des Interesses stand. Der erste internationale wissenschaftliche Heine-Kongress wurde im Gedenkjahr 1956 in Weimar veranstaltet, im selben Jahr erschien erstmals die fünfbändige Werkausgabe in der Bibliothek Deutscher Klassiker im Aufbau-Verlag. Der DDR-Germanist Hans Kaufmann legte 1967 die bis dahin wesentlichste Heine-Monografie der Nachkriegszeit vor.

Erst in den 1960er Jahren nahm auch in der Bundesrepublik das Interesse an Heine spürbar zu. Als Zentrum der westdeutschen Heine-Forschung etablierte sich allmählich seine Geburtsstadt Düsseldorf. Aus dem Heine-Archiv entwickelte sich schrittweise das Heinrich-Heine-Institut mit Archiv, Bibliothek und Museum. 1962 wurde die Veröffentlichung des «Heine-Jahrbuchs» begonnen, das schnell zum internationalen Forum der Heine-Forschung avancierte. Dennoch hielt der Streit um Heine an. Die geplante Benennung der Düsseldorfer Universität nach dem bedeutendsten Dichter, den die Stadt hervorgebracht hat, verursachte eine fast 20 Jahre währende Auseinandersetzung, die erst gegen Ende der 1980er Jahre beigelegt wurde. Offiziell seit 1989 gibt es in Heines Geburtsstadt die Heinrich-Heine-Universität und seit 1981 ein Heine-Denkmal, das von Bert Gerresheim gestaltet wurde. Darüber hinaus verleiht die Stadt Düsseldorf seit 1972 den Heinrich-Heine-Preis.

Abgesehen von diesen offiziellen Ehren erfuhr der politische Schriftsteller Heinrich Heine ein zunehmendes Interesse bei Nachwuchswissenschaftlern und engagierten Zeitgenossen, was ohne Zweifel auch durch die Studentenbewegung forciert wurde. Dass die Bundesrepublik in Sachen Heine-Rezeption mit der DDR gleichgezogen hatte, brachte die Veranstaltung zweier konkurrierender Heine-Kongresse im Jubiläumsjahr 1972 sinnfällig zum Ausdruck. Ein weiteres Resultat der deutsch-deutschen Konkurrenz war der nahezu zeitgleiche Erscheinensbeginn zweier groß angelegter historisch-kritischer Werkausgaben: der Düsseldorfer Heine-Ausgabe und der Heine-Säkularausgabe in Weimar.

In den 1980er Jahren nahm die ideologisch geprägte Auseinandersetzung um Heine spürbar ab und wich einer gewissen «Normalisierung». Die Fachwissenschaft wandte sich bisher vernachlässigten Fragestellungen zu, darunter u. a. dem späten Heine. Sein Werk fand zunehmend Aufnahme in die Lehr- und Lektürepläne, was auch zu einer deutlichen Zunahme didaktisch orientierter Heine-Literatur führte. Ihren vorläufigen Höhepunkt fand die Heine-Renaissance mit den zahlreichen Veranstaltungen, die aus Anlass seines 200. Geburtstages im Jahr 1997 stattfanden.

Ungeachtet weltanschaulicher Auseinandersetzungen und fachwissenschaftlichen Paradigmenwechsels erfreut sich besonders Heines Lyrik ungebrochener Popularität, ließen sich doch seine romantischen, oft volksliedartigen Gedichte – allen voran das Buch der Lieder – erfolgreich mit der Musik verbinden. Ein Standardwerk über Heine in der Musik weist annähernd 10 000 Vertonungen nach, unter denen Friedrich Silchers Bearbeitung der Loreley von 1838 herausragt. Auch Opernkomponisten ließen sich von Heine inspirieren, zuletzt Günter Bialas zu seiner 1992 in Kiel uraufgeführten Oper Aus der Matratzengruft. Im Theater hingegen ist Heine mit eigenen Stücken wenig präsent. Zu erwähnen ist aber Tankred Dorsts Harrys Kopf aus dem Heine-Jahr 1997, das sich der Persönlichkeit des Dichters nähert.

Der Text ist entnommen aus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Heine
http://www.heinejahr-2006.de/