Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №1/2008

Methodisches

Was die Forschung über lernwirksamen Unterricht weiß

Lehr- und Lernforschung kann und soll nicht im Elfenbeinturm stattfinden. Sie ist dort angesiedelt, wo Kinder und Jugendliche lernen: in der Schule. Diese Informationen sind für Lehrpersonen gedacht, die sich dafür interessieren, woran im Arbeitsbereich Lehr- und Lernforschung an der ETH Zürich und verwandten Gruppen geforscht wird und wie dieses Wissen in der Schule eingesetzt werden kann.

Alle reden vom Wissen. Wir reden vom Vorwissen
Menschen lernen erfolgreich, wenn sie neue Informationen in ihr eigenes, bestehendes Wissen einbetten können. Lernwirksamer Unterricht beginnt deshalb bei den Schülerinnen und Schülern: Besitzen Lehrpersonen eine Ahnung vom Vorwissen, das Schüler in einem bestimmten Inhaltsbereich mitbringen, können sie Aufgaben und Erklärungen anbieten, die Möglichkeiten zur Anbindung an das Vorwissen erlauben.
Der Begriff «fachspezifisches pädagogisches Wissen» ist hier von Bedeutung: Lehrpersonen sollten nicht nur ihr Fachgebiet und das Einmaleins der Pädagogik beherrschen. Sie sollten auch die Schwierigkeiten der Schüler beim Erwerb bestimmter Inhalte kennen. Ein Beispiel: Müssen Schüler proportionale Konzepte wie Geschwindigkeit oder Stückpreis aus einem Graphen ableiten, so konzentrieren sie sich zunächst eher auf die Länge der Geraden statt auf ihre Steigung.

Wissenschaftsgeschichte bleibt aktuell ...
Man sollte den Vergleich zwischen früheren Forschern und Jugendlichen nicht strapazieren. Dennoch finden sich Ähnlichkeiten zwischen der Art, wie Wissenschaftler früher Phänomene erklärten, und den intuitiven Fehlvorstellungen heutiger Jugendlicher. Die Impetustheorie ist ein solches Beispiel: Bevor Newton die Physik revolutionierte, ging man davon aus, dass eine Bewegung nur möglich sei, solange eine Kraft auf einen Körper wirke – eine Vorstellung, die noch heute unter Jugendlichen und erwachsenen Laien weit verbreitet ist. Kennen Lehrer die Entstehungsgeschichte ihres Stoffgebietes, können sie besser auf Defizite ihrer Schüler reagieren – und verstehen außerdem, dass 200 Jahre Fortschritt nicht in zwei Stunden Unterricht nachgeholt werden können.

Wie man wirkungsvolle Lernumgebungen gestaltet
Aus internationalen Vergleichsstudien und Schul­experimenten weiß man, wie Schüler gefesselt und bei der Stange gehalten werden: Man konfrontiert sie mit Anforderungen, die sie nicht auf Anhieb bewältigen können, für deren Lösung sie aber bereits Vorwissen mitbringen. Dieses Vorwissen lässt sich durch gezielte Übungs- und Gesprächsangebote aktivieren. Irrtümer und Fehler der Schüler werden dabei zugelassen und können von der Lehrperson konstruktiv genutzt werden. Die Schülerinnen und Schüler erhalten dadurch Gelegenheit, ihr bestehendes Wissen zu erweitern, zu revidieren und an die spezielle Anforderung anzupassen.

Weshalb die Methode zweitrangig ist
Viele Schülerinnen und Schüler erwerben in naturwissenschaftlichen Fächern nur ein sehr oberflächliches Verständnis des Stoffes. Dies deshalb, weil sie mit eigenen Vorstellungen von Naturphänomenen in den Unterricht kommen. Gewicht wird beispielsweise mit «schwer sein» gleichgesetzt. Wird nun die Vermittlung des Phänomens «Gewicht» hauptsächlich als Methodenfrage betrachtet, ist dies, als ob man ohne Wolle stricken würde. Zwar bietet sich in der Physik zum Beispiel eine Gruppenarbeit an, doch lernen die Schüler nur etwas dazu, wenn ihre Aufmerksamkeit auf die richtigen Inhalte gelenkt wird.

Wie Lernstrategien erlernt werden
Bearbeitet ein Schüler eine anspruchsvolle Aufgabe, fällt ein wertvolles Nebenprodukt an: meta­strategisches Wissen. Dieses Wissen beinhaltet zum Beispiel die sorgfältige Überprüfung einer Aufgabenstellung, bevor die Lösung abgerufen wird, oder die Fähigkeit, mit Tabellen zu arbeiten. Diese Art von Metawissen kann sich in sehr unterschiedlichen Lernkontexten entwickeln. Die direkte Instruktion solcher Lern- und Denkstrategien ist nicht effizient (Gehirnjogging), hingegen ist eine indirekte Förderung möglich: Aufgaben müssen so gestellt werden, dass sie die Anwendung bestimmter Strategien nahelegen.

Weshalb Erklärungen wenig bringen ...
Kaum ein anderes Lehrwerkzeug ist so weit verbreitet wie die Erklärung.
Alexander Renkl von der Universität von Freiburg und seine MitautorInnen fassen in einer neuen Publikation zusammen, welche Probleme Erklärungen mit sich bringen können. So zeigt die Forschung beispielsweise, dass Erklärungen dem Lernerfolg nicht förderlich sind oder ihn gar behindern:
• in Schülergruppen lernen nicht diejenigen dazu, die von den Mitschülern Erklärungen bekommen, sondern vor allem diejenigen, die Erklärungen geben;
• Erklärungen, welche die Rückmeldung ergänzen, dass eine gegebene Antwort falsch war, erhöhen den Lernerfolg nicht oder sind ihm gar abträglich;
• beim Lernen aus Lösungsbeispielen ist es vielfach effektiver, die Lernenden dazu anzuregen, sich den Stoff selbst zu erklären, statt auf Erklärungen zu bauen.

... und fünf Thesen dazu
Renkl und seine MitautorInnen haben aufgrund verschiedener Studien verschiedene Thesen aufgestellt, wie die Erklärungen beschaffen sein müssen, um den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Erklärungen sollten:
• minimalistisch sein;
• auf ein Prinzip oder eine Funktion fokussiert sein;
• an das Vorwissen der Lernenden angepasst sein;
• von den Lernenden weiterverarbeitet und in die eigene Wissensbasis eingearbeitet werden;
• nur dann abgegeben werden, wenn die Aufforderung zu einer Selbsterklärung keine Aussichten auf Erfolg hat.

Verschiedene Lerntypen: Ignorieren erlaubt
Es ist eine weit verbreitete Vorstellung, Lernende könnten in «Visualisierer» und «Verbalisierer» eingeteilt werden. Diese Aufteilung ist jedoch wissenschaftlich nicht begründet. Menschen verfügen zur Bewältigung geistiger Anforderungen über eine große Zahl spezieller Fähigkeiten und Strategien, die sie unterschiedlich gut beherrschen. Im Mathematik- als auch im Physikunterricht müssen sprachliche und räumlich-visuelle Informationen integriert werden können. Entdeckt man bei einem Schüler Defizite in der Nutzung räumlich-visueller Veranschaulichungen, wäre es kontraproduktiv, die Inhalte zu versprachlichen, statt den Schüler zu unterstützen, sein räumliches Vorstellungsvermögen zu nutzen. Oder in anderen Worten: Welche Form der Wissensrepräsentation benötigt wird, wird durch den Inhalt bestimmt und nicht durch die Vorliebe der Lernenden.

Der Mythos vom Latein und der Logik
Die Vorstellung, das Hirn könne trainiert werden, logisch, vernetzend oder kreativ zu denken, hat auch die Lerninhalte der Schulen beeinflusst. Eine Begründung für den Lateinunterricht ist beispielsweise, dass dieser das logische Denken sowie den Erwerb von Lernstrategien fördere – auch in anderen Fächern. Für diesen Transfer des logischen Denkens gibt es jedoch keine empirische Evidenz. Im Gegenteil: Sie wurde von Haag und Stern 2003 widerlegt. Ähnliche Resultate brachten Untersuchungen aus der Mathematik: Selbst bei Mathematikaufgaben, denen die gleiche Formel zugrunde liegt, können auf Seiten der Lernenden so unterschiedliche Wissensstrukturen aktiviert werden, dass die Gemeinsamkeiten gar nicht erkannt werden.

Vom Umgang mit Unterschieden
Unterschiede zwischen der Intelligenz von Individuen und damit der Lernfähigkeit stellen eine besondere Herausforderung an die Schulen dar. Einerseits sind sich die Schüler nicht ähnlich genug, um von gleichen Lerngelegenheiten in gleichem Maße zu profitieren. Andererseits sind sie sich zu ähnlich, um eine rigorose Trennung zu rechtfertigen. Ganz allgemein gilt, dass der Erfolg von Bildungssystemen daran gemessen werden kann, wie erfolgreich sie mit – zu einem großen Teil genetisch bedingten – interindividuellen Unterschieden umgehen. Der Anspruch auf einen gleichen Lerngewinn muss deshalb aufgegeben werden.

Der Text ist entnommen aus:
http://www.ifvll.ethz.ch/lu/index