Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №3/2008

Sonderthema

Moderner Klassiker mit Kanten

Zum 110. Geburtstag von Bertolt Brecht

Eugen Berthold Friedrich Brecht kam am 10. Februar 1898 in Augs­burg zur Welt. Sein Vater war Berthold Friedrich Brecht, leitender Angestellter und später Direktor einer Papierfabrik. Der junge Brecht wurde Eugen genannt – Bertolt wählte er als Rufnamen erst später. Er war ein eher schüchterner, immer etwas kränkelnder Junge, der stets liebevoll von seiner Mutter umsorgt wurde. Nach der Volksschule besuchte er von 1908 bis 1917 das Peutinger-Realgymnasium in Augsburg, welches er mit Notabitur abschloss.

Der junge Eugen legt sich bereits früh auf den Dichterberuf fest und beginnt bald damit, sich mit großer Zielstrebigkeit der Umsetzung dieses Wunsches zu widmen. Vorbehalte seiner Eltern hat er dabei nicht zu fürchten. Eher im Gegenteil. Seine Mutter Sophie, die kurze Zeit nach der Geburt des jüngeren Bruders Walter (1900) dauerhaft erkrankt, wird als schöngeistig und sanft beschrieben. Ihre Mutter wiederum, die Großmutter Friederike Brezing, versorgt den jungen Eugen mit ihren Nacherzählungen von Bibelstoffen mit einer geistigen Munition, von der er sein Leben lang zehren sollte.

Der Vater, der Überlieferung nach eher nüchtern und keineswegs liberal, hält zwar wenig von den Ambitionen seines «Dichterlings», wie er ihn Bekannten gegenüber nannte. Er schien aber früh zu begreifen, dass jeder Widerstand dagegen zwecklos gewesen wäre. Nachdem es unbedingt die Schriftstellerei sein sollte, vermittelte der Vater früh Veröffentlichungsmöglichkeiten über einen Freund, den Redakteur der «Augsburger Neuesten Nachrichten».

Studium

Von 1917 bis 1918 studierte Brecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München Naturwissenschaften, Medizin und Literatur. Sein Studium musste er allerdings im Jahr 1918 schon unterbrechen, da er in einem Augsburger Lazarett als Sanitätssoldat eingesetzt wurde.

Hier lernte er hautnah die Schrecken des Krieges kennen. Bis dahin war er, vermutlich dank der Beziehungen seines Vaters, vom Armeedienst zurückgestellt worden. Vor einer Einziehung an die Front rettet ihn wenige Wochen später die Novemberrevolution.

Die unmittelbare Konfrontation mit den Folgen des Zusammenbruchs der bereits vorher von Brecht verachteten Welt der Spießer, Krämer und Kaiserverehrer wird für diesen zu einem dritten lebenslangen Motiv seiner Arbeit als Schriftsteller und politischer Mensch. Die anderen zwei Motive, eine heute kaum mehr vorstellbare Natur­erfahrung und freie und gemeinsame kreative Arbeit mit Freunden, hatten zuvor bereits einen Großteil seiner Jugend geprägt.

Zu dieser Zeit lernte Brecht Paula Banholzer als seine große Jugendliebe kennen. Aus der Beziehung ging der gemeinsame Sohn Frank Banholzer hervor, der nach dem von Brecht verehrten Dichter Frank Wedekind auf den Namen Frank getauft wurde.

Der kleine Frank blieb die ersten drei Lebensjahre in Kimratshofen in Pflege. Danach kümmerten sich abwechselnd die Großeltern sowie Brechts neue Freundinnen Marianne Zoff und Helene Weigel um ihn. Im Zweiten Weltkrieg unter anderem an der Ostfront eingesetzt, kam Frank Banholzer 1943 in Porchow (Sachsen) ums Leben.

Legende vom toten Soldaten

1917 entgeht Brecht nach einem Aufsatz, in dem er jene «Hohlköpfe» nennt, die es im Sinne von Horaz als «süß und ehrenvoll» empfinden, «für das Vaterland zu sterben», nur knapp dem Rauswurf aus dem Gymnasium. Im Jahr 1918, das deutsche Kaiserreich reagiert mit der Rekrutierung von Versehrten auf den ungeheuren Menschenverschleiß des Stellungskriegs, rechnet Brecht mit dem Schlachten ab. In der Legende vom toten Soldaten beschreibt er mit Blick auf die Ludendorff-Offensive, wie sogar noch Tote ausgegraben und als kriegsverwendungsfähig gemustert werden. Das Gedicht, das Brecht zu einer selbst komponierten Melodie singt, bringt ihm Schläge von Soldaten ein, die den Inhalt missdeuten. Im Jahr 1935 dient es den Nazis als Begründung für die Ausbürgerung Brechts, der damit «den Soldaten des Weltkriegs verhöhnt» habe.

Aus Eugen Berthold wird Bert Brecht

Um die Zeit der Entstehung der Legende vom toten Soldaten wird aus Eugen Berthold, wie er bislang seine Beiträge unterschrieben hatte, Bert Brecht. Der weiche Berthold mutiert zum Bertolt, der an seinem ersten Drama arbeitet. In regem Austausch mit seinen Freunden entsteht das Stück Baal. Das Porträt über das amoralische Leben und Sterben der nach Augsburger und literarischen Motiven entwickelten expressionistischen Dichterfigur Baal ist drastisch in Handlung und Dialogen. Ein kontrollierter Schrei gegen eine Welt, deren Moral soeben mit dem Krieg donnernd zerbrochen war.

 

Bertold Brecht, um 1918

Am 1. Mai 1920 stirbt Brechts Mutter nach einem fast 20-jährigen Krebsleiden. Walter Brecht berichtet in seinen Erinnerungen, der Bruder habe am selben Abend «verächtlich jeder Gefühlsäußerung» seine Freunde in seine Mansardenwohnung im Elternhaus eingeladen, wo es lärmend wie immer zugegangen sei. Das mag der eine Bertolt Brecht in diesem Alter gewesen sein. Der andere verfasste einen Psalm auf seine Mutter, von dem eine Strophe heute auf einer Erinnerungstafel für seine Eltern auf dem Augsburger Friedhof zu lesen ist: «Viele gehen von uns, ohne dass wir sie halten. Wir sagten ihnen alles, es gab nichts mehr zwischen ihnen und uns, unsere Gesichter wurden hart beim Abschied. Aber das Wichtige haben wir nicht gesagt, sondern gespart am Notwendigen.»

Der junge Theater-Kritiker

Für Brecht beginnt mit dem Antritt des Studiums in München ein Pendlerdasein zwischen Isar und Lech. Er behält nach wie vor seine Mansardenwohnung im elterlichen Haus in Augsburg. Sich selbst auf der Gitarre begleitend, trägt Brecht hier wie am Lech oder in den Augsburger Kneipen mit Vorliebe Selbstgebänkeltes oder Wedekind-Verse vor.

Strenge Maßstäbe beginnt er ab 1919 auch an das Augsburger Stadttheater anzulegen. Für den «Volkswillen», die Zeitung der Unabhängigen Sozialisten, schreibt Brecht regelmäßig Kritiken über die dortigen Aufführungen. Die Verachtung des zornigen jungen Mannes für das, was er auf der Bühne sieht, ist von Legenden umrankt. Nachdem er bei einer Aufführung von Friedrich Hebbels Judith seinem Unmut noch während der Aufführung lautstark Ausdruck verleiht, schlägt der Theaterausschuss vor, ihm seine Pressekarten künftig zu entziehen.

Die Rezensionen, in denen die Inszenierungen der städtischen Bühne weitaus schärfer besprochen werden als die Dramenvorlagen, sind rein destruktive Kritik. Die unveränderte Bühnenkunst aus Kaisers Zeiten wird für ihn zur Karikatur dessen, was er sich unter Theater vorstellt. Mit seinen 21 Jahren hat er bereits mehrere Freunde auf Schlachtfeldern verloren und ein Reich untergehen sehen. Ein damals allgemeines Schicksal, dessen Abbildung er sehen will, wenn der Vorhang hochgeht.

In München: Am Riss entlang

München im Winter 1917/18: Auf den Straßen vor Hunger zusammenbrechende Zugpferde werden von Passanten in Minutenschnelle ausgeschlachtet. Keine Besonderheit der bayerischen Landeshauptstadt. Überall im Reich waren 1914 schnelle Siege, Kolonien und der «Platz an der Sonne» (Wilhelm II.) versprochen worden. Spätestens ab 1916 wurden jedoch allenfalls noch Kunsthonig, Rübenmarmelade und vorwiegend mit Kleie gebackenes Brot ausgeliefert. Auch München hatte längst den letzten Rest der zweifelhaften Herrlichkeit eingebüßt, derentwegen die Zeit zwischen 1871 und 1914 von denen, die sie erlebt hatten, später als «die gute alte» bezeichnet wurde.

Das Frühjahr 1918 bringt zwei wichtige Ereignisse von großer Tragweite für den jungen Brecht. Das eine, den Streik in den Munitions­fabriken, nimmt er nur am Rande wahr. Der Ausstand (der angesichts der Abwesenheit der Männer vor allem von Frauen getragen wird) ist ein Vorbote der Revolution, die im November das Ende der Wittelsbacher-Herrschaft bedeutet. Brecht, der in München ein Zimmer in der Nähe des Hauptbahnhofs hat, ist hingegen voll und ganz mit der Arbeit an seiner Schriftsteller-Karriere beschäftigt. Von früh morgens bis mittags wird geschrieben, anschließend geht er meist zusammen mit Freunden ins Wirtshaus, berichtet seine Münchner Freundin Hedda Kuhn. Im Februar 1918 nimmt Brecht, der medizinische Vorlesungen kaum besucht, an einer Lesung des Dramatikers, Schauspielers und Bänkelsängers Frank Wedekind teil. Das Idol stirbt wenige Wochen später.

Requiem für die Boheme

Die Beerdigung Wedekinds auf dem Waldfriedhof, an der Brecht teilnahm, geriet zu einem Schauspiel spukhafter Symbolik für den Riss durch das kulturelle München. Nach übereinstimmender Einschätzung von Augenzeugen hätte es aus der Feder des Verblichenen nicht stilechter stammen können. Hinter seinem Sarg hatte sich nämlich das Establishment ebenso versammelt wie die Boheme und, unter den angewiderten Blicken der Arrivierten, sogar einige Prostituierte. Mit Wedekind wurde ein klassischer Vertreter der Münchner Boheme begraben. Der Kämpfer gegen die kaiserliche Zensur hatte wie viele andere Künstler vor dem Krieg das liberalere München anderen deutschen Großstädten vorgezogen. Die Boheme überlebt ihn nicht lange. Manche ihrer Vertreter haben im Krieg ihr Leben verloren. Viele andere verlassen München in den darauffolgenden Jahren in dem Maß mehr oder weniger fluchtartig, in dem sich die bis dahin führende deutsche Kunststadt in die «Hauptstadt der Bewegung» verwandelt.

Erste Stücke

Die Revolutionszeit verbringt Brecht vorwiegend in Augsburg. Um die Jahreswende 1918/19 sucht Brecht Lion Feuchtwanger auf, einen Schriftsteller und Mitarbeiter an Otto Falckenbergs Kammerspielen. Mit dem vierzehn Jahre älteren promovierten Literaturhistoriker entsteht in den folgenden Jahren eine enge Zusammenarbeit und Freundschaft. Feuchtwanger ist auch nützlich, als es darum geht, die Finanzierung von Brechts Leben durch den Vater zu sichern. Der beobachtet mit Sorge, dass der Wunsch des Sohnes, Schriftsteller zu werden, immer manifester wird. Vater Brecht nähert sich dem Problem kaufmännisch nüchtern. In München fragt er Feuchtwanger, ob der Sohn das Talent zum Dichter­beruf habe. Das Ja des Mentors bedeutet für den jungen Brecht eine Fortsetzung der Zuschüsse.

Selbst damit beschäftigt, eine Einziehung an die Front zu verhindern (auch sein Medizinstudium betreibt er unter anderem, um vom Kriegsdienst zurückgestellt zu werden), meldet Brecht im Juni 1918 seinem Freund Caspar Neher die Fertigstellung seines ersten Stückes Baal. Der von ihm als «Komödie» apostrophierte Sechsakter zeichnet in expressiv-derber Weise das Leben und «Verrecken» des Dichters Baal. Der Figur liegt neben Frank Wedekind, Paul Verlaine und François Villon ein Augsburger Dichter und Trunkenbold zugrunde. Sie schreckt in ihrer zerstörerischen «Vitalität» zwischen Saufen und Singen auch nicht davor zurück, eine Bett­genossin auf schnellstem Weg in den Selbstmord zu treiben.

Baal weist jedoch wie das ein Jahr später entstehende Stück Trommeln in der Nacht bereits einen vollständigen Bruch mit der verachteten klassischen Dramenform Schillers auf. Während viele Anhänger der politischen Strömung, auf deren Seite sich Brecht in den kommenden Jahren stellen wird, im Zuge der Niederschlagung der Revolution ermordet, zu Festungshaft verurteilt oder zur Flucht gezwungen werden, verhält sich Trommeln in der Nacht allerdings noch so ignorant zur Revolutions-Problematik wie sein Protagonist, der Kriegsheimkehrer Kragler.

Kleist-Preis für Trommeln in der Nacht

Bertold Brecht. Holzschnitt. Arno Fleischer, 1966

Es folgt 1922 die Zuerkennung des Kleist-Preises für Trommeln in der Nacht. Brecht verdankt sie dem Theaterkritiker Herbert Jhering, vielleicht dem ersten «Brechtianer» überhaupt. Jhering schreibt, Brecht habe «über Nacht das dichterische Antlitz Deutschlands verändert». Spätestens von diesem Zeitpunkt an hätte man nach heutiger Lesart beginnen müssen, Brecht als einen «erfolgreichen Dramatiker» zu bezeichnen. In der Tat verschafft ihm Trommeln in der Nacht erste regelmäßige Einkünfte aus seiner Arbeit als Bühnenautor. Ebenso wie Im Dickicht der Städte (1923) wird ihm das Stück jedoch später «fremd», wie er 1941 bemerkt. Er kritisiert dann an den frühen, expressionistischen Arbeiten eine Idealisierung der Protagonisten. Hier der gute Mensch, dort die feindliche Umgebung. In seiner späteren epischen Dramatik soll hingegen die Verantwortung des Individuums für seine Geschichte gezeigt werden.

Im Jahr 1922 heiratete Brecht die Schauspielerin und Opernsängerin Marianne Zoff. Ein Jahr später bekamen sie am 12. März die Tochter Hanne. Kurz danach lernte er seine spätere Frau Helene Weigel kennen, die 1924 seinen zweiten Sohn Stefan gebar. Drei Jahre später ließ er sich von Marianne Zoff scheiden. Nach der Heirat mit Helene Weigel 1929 kam Tochter Barbara zur Welt.

Eingeholt von der Politik

Die politische Situation in Bayern, in der Brecht bislang auf der linken Seite allenfalls eine Sympathisanten-Rolle eingenommen hatte, beginnt ihn einzuholen. Die «Völkischen», wie die Anhänger Hitlers seinerzeit in München genannt werden, haben Brecht frühzeitig als «Asphalt-Literaten» ausgemacht. Gemeinsam mit Lion Feuchtwanger steht er, mittlerweile Dramaturg an den Kammerspielen, beim Hitler-Putsch am 9. November 1923 auf der schwarzen Liste der zu Verhaftenden. Ebenfalls mit Feuchtwanger erörtert Brecht unter dem Eindruck des ersten braunen Umsturzversuches, ob und wie lange man sich noch in Deutschland aufhalten könne. In München hält er sich nicht mehr lange auf. Die «Augsburger Neuesten Nachrichten» melden im Mai 1924 Brechts Engagement als Dramaturg und Regisseur unter Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin. Im September 1924 zieht er fest in die Hauptstadt.

Schaffenszeit vor dem Exil

Parallel zur Entwicklung Brechts politischen Denkens verläuft ab 1926 die Entwicklung des epischen Theaters. Die Zusammenarbeit mit Kurt Weill in mehreren musikdramatischen Werken war für die Entwicklung des epischen Theaters wesentlich.

Mit seinen Werken wollte Brecht gesellschaftliche Strukturen durchschaubar machen, vor allem in Hinsicht auf ihre Veränderbarkeit. Literarische Texte mussten für ihn einen Gebrauchswert, einen Nutzen haben.

Die Marxismusrezeption Brechts wurde dabei sowohl von undogmatischen und parteilosen Marxisten wie Fritz Sternberg und Ernst Bloch als auch von der offiziellen KPD-Linie beeinflusst. Es entstand eine Reihe marxistischer Lehrstücke. Die Werke aus dieser Zeit sind beeinflusst durch das Studium der Schriften von Hegel und Marx. Die 1927 veröffentlichte Gedichtsammlung Bertolt Brechts Hauspostille besteht jedoch weitestgehend aus früher verfassten Texten. 1928 feierte Brecht mit seiner von Kurt Weill vertonten Dreigroschenoper einen der größten Theatererfolge der Weimarer Republik. Mit den Tantiemen aus diesem bis heute erfolgreichsten deutschen Musical konnte sich Brecht sein erstes Haus in Utting am Ammersee kaufen.

Eine verbreitete Vorstellung sieht im Welterfolg ein Missverständnis: geschrieben als Gesellschaftskritik, umjubelt von jenen, die Brecht kritisieren wollte. Von anderen Forschern werden die unscharfen Konturen der Gesellschaftskritik insbesondere in der Fassung von 1928 hervorgehoben und die These eines Missverständnisses abgewiesen. In späteren Überarbeitungen – vor allem in seinem von den Produzenten abgelehnten Drehbuch für die Verfilmung der Dreigroschenoper und in seinem Dreigroschenroman (1934) – verschärfte Brecht die kritische Tendenz des Stoffes erheblich.

Das Geburtshaus des Dichters in Augsburg, heute Brechthaus (Gedenkstätte)

Brecht wollte immer mit seinen Auftritten Einfluss nehmen und suchte sich gezielt Medien wie etwa das Radio oder das Theater aus, mit denen er das entsprechende Publikum erreichen konnte. Er strebte eine allmähliche gesellschaftliche Umwälzung an, in der es zur Inbesitznahme der Produktionsmittel durch die Arbeiterklasse kommen sollte.

Leben im Exil

Zu Beginn des Jahres 1933 wurde eine Aufführung von Die Maßnahme durch die Polizei unterbrochen. Die Veranstalter wurden wegen Hochverrats angeklagt. Am 28. Februar – einen Tag nach dem Reichstagsbrand – verließ Brecht mit seiner Familie und Freunden Berlin und flüchtete über Prag, Wien und Zürich schließlich nach Dänemark, wo er sich die nächsten fünf Jahre aufhielt. Im Mai des Jahres wurden seine Werke von den Nationalsozialisten verbrannt. Die Machthaber erkannten ihm 1935 die deutsche Staatsbürgerschaft ab.

Brechts Zeit im Exil war sicherlich die härteste Zeit seines Lebens, obwohl er in diesen Jahren einige seiner größten Werke verfasste. 1938 entstand das Leben des Galilei. Das Stück handelt vom Leben des großen Naturwissenschaftlers, der angesichts der Folterinstrumente der Heiligen Inquisition seine Lehre von der Bewegung der Erde widerrief. In der ersten, dänischen Fassung stellte Galilei den unabhängigen Wissenschaftler dar. In der zweiten, amerikanischen Fassung wird sein Forschertum durch politisches Versagen zu einem rücksichtslosen Laster, das nur den Machthabern dient. In der dritten, Berliner Fassung (1956) beklagt Galilei seine Verantwortungslosigkeit.

Außer Dramen schrieb Brecht auch Beiträge für mehrere Emigrantenzeitschriften in Prag, Paris und Amsterdam. Im Jahre 1939 verließ Brecht Dänemark, lebte ein Jahr in einem Bauernhaus in der Nähe Stockholms und im April 1940 in Helsinki. In Finnland wurde sein Stück Herr Puntila und sein Knecht Matti verfasst.

Im Exil äußerte sich Brecht nie explizit kritisch gegenüber Obrigkeit, Staat und Gesellschaft, sondern immer nur unterschwellig; gerade so kritisch, dass er sich nicht selbst zum Märtyrer seiner Ideen machte.

Im Sommer 1941 fuhr er via Moskau im Transsibirienexpress nach Wladiwostok. Vom Osten der UdSSR fuhr er mit dem Schiff nach Kalifornien, wo er in Santa Monica in der Nähe von Hollywood lebte. Er stellte sich vor, als Drehbuchautor eine Rolle im Filmgeschäft zu spielen. Dazu kam es nicht. Er hatte kaum Möglichkeit zur politischen Arbeit und bezeichnete sich selbst angesichts des Desinteresses der US-Amerikaner als «Lehrer ohne Schüler». Mit Charles Laughton, der später in Brechts einziger Theaterarbeit im amerikanischen Exil die Hauptrolle spielte, übersetzte er sein Stück Leben des Galilei, dessen ursprüngliche Fassung am 9. September 1943 im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt wurde.

Die USA unterstellten ihm eine kommunistische Einstellung, weshalb er am 30. Oktober 1947 vom Komitee für unamerikanische Aktivitäten vorgeladen und verhört wurde. Auf die Frage, ob er jemals Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen wäre oder noch sei, entgegnete Brecht, dass er diese Frage für nicht gerechtfertigt erachte, er aber trotzdem mit dem Verlesen eines vorbereiteten Statements dazu Stellung beziehen wolle. Dies wurde nicht erlaubt und so stellte Brecht fest, dass er nicht Mitglied der oder einer Kommunistischen Partei gewesen war oder sei, auch nicht der Kommunistischen Partei Deutschlands. Einen Tag später reiste er über Paris nach Zürich. Dort hielt er sich ein Jahr auf, da die Schweiz das einzige Land war, in das er noch einreisen durfte. Die Einreise nach West-Deutschland wurde ihm untersagt. Drei Jahre später erlangte er die österreichische Staatsbürgerschaft.

Theater Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm

Rückkehr nach Berlin

Am 22. Oktober 1948 kehrte Brecht mit tschechoslowakischem Pass über Prag nach Ost-Berlin zurück. Zunächst wohnte er im notdürftig in Stand gesetzten Hotel Adlon, bis er in das später «Brecht-Haus» genannte Domizil in Berlin-Weißensee einziehen konnte.

Als es am 17. Juni 1953 in Berlin zu Massenprotesten der Arbeiter kam, äußerte er noch am selben Tag in einem Brief an Walter Ulbricht Zustimmung zu den Maßnahmen der DDR-Regierung und zum Eingreifen der sowjetischen Truppen. Eine Haltung, die er anschließend mit der Aussage relativierte, die Unruhen seien vom Westen instrumentalisiert worden. In der poetischen Reflexion der Ereignisse nahm er im Juli/August 1953 eine deutlicher distanzierte Haltung ein, die er in den Buckower Elegien im Gedicht Die Lösung artikulierte.

Schließlich führte er in Berlin ein relativ gut situiertes Leben. Im Herbst 1949 gründete er mit Helene Weigel das Berliner Ensemble. Anschließend arbeitete er wieder engagiert für das Theater und erreichte sogar einige Gastspiele in europäischen Großstädten. Nicht nur deshalb kam es bald zu Spannungen mit Vertretern der DDR-Kulturbürokratie. Es wurden auch diverse Stücke abgelehnt, wie etwa Die heilige Johanna der Schlachthöfe und der Film Kuhle Wampe.

In seinen letzten Lebensjahren widmete sich Brecht als Leiter des Berliner Ensembles intensiv der Förderung schriftstellerischer wie theatralischer Talente. Es war dabei sein grundsätzliches Bestreben, alle, die er für begabt hielt, in die praktische Theaterarbeit einzubinden, was ihm freilich bei den Schriftstellern nur selten gelang.

In Österreich wurde ein Boykott gegen die Aufführung der Werke von Bertolt Brecht an den Wiener Bühnen durchgesetzt, der bis 1963 anhielt. In der Bundesrepublik Deutschland hingegen werden alle Werke von Brecht bis heute ungehindert verbreitet. 1954 erhielt Brecht den Internationalen Stalin-Friedenspreis, den er persönlich in Moskau entgegennahm.

Tod

Grabstätte Brecht und Weigel

Im Mai des Jahres 1956 wurde Brecht mit einer Grippe in das Berliner Charité-Krankenhaus eingeliefert. Zu seiner Erholung verbrachte er die Sommerfrische im Landhaus am Buckower Schermützelsee in der Märkischen Schweiz. Am 12. August 1956 erlitt er einen Herzinfarkt. Er starb am 14. August 1956 in der Berliner Charité. Am 17. August wurde er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und im Beisein zahlreicher Vertreter aus Politik und Kultur beerdigt. Zusammen mit seiner 1971 verstorbenen Frau Helene Weigel liegt er auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin begraben.

Nachleben und Wirkung

«Der größte Dramatiker des 20. Jahrhunderts», so Marcel Reich-Ranicki über ihn, sei (inzwischen) in Deutschland statistisch gesehen wenig bekannt, entsprechend der Interpretation einer repräsentativen Studie (vom Literaturmagazin «bücher») zum 50. Todestag. 55 Prozent hatten nur in der Schulzeit Kontakt mit Brechts Werk, in diesem oder im vorigen Jahr haben nur zwei Prozent etwas davon gelesen. 42 Prozent der Bundesbürger haben das noch nie oder erinnern sich nicht daran. Auch Brechts Bio­grafie ist den meisten Deutschen unbekannt. Dass er das Berliner Ensemble gründete, wissen acht Prozent. Drei Prozent denken irrtümlich an die Berliner Schaubühne, die übrigen 89 Prozent haben keine Ahnung, welches Theater Brecht gegründet haben könnte.

Der Suhrkamp-Verlag erwiderte: «Welcher deutsche Autor wird heute noch 300 000 mal im Jahr verkauft? (Zur Umfrage und ihrer Interpretation) […] ist doch zumindest anzumerken, dass die angeblichen Umfragewerte auch genau umgekehrt interpretiert und kommentiert werden können: Immerhin haben nämlich 55 Prozent der Befragten Werke von Brecht in der Schulzeit gelesen. Von welchem Autor, von welcher Autorin kann dies wohl behauptet werden? Über 16,5 Millionen Bücher von Bertolt Brecht hat der Suhrkamp Verlag bislang ver­kauft, jährlich kommen durchschnittlich 300 000 Exemplare dazu. Sein Werk ist übersetzt in über 50 Sprachen. Und Brecht ist nach wie vor führend auf den Spielplänen deutscher Theater.»

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