Bildung und Erziehung
Respekt und Toleranz müssen vorgelebt werden
München – Der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) Klaus Wenzel hat die von Ministerpräsident Günther Beckstein unterstützte Initiative «Werte machen stark» begrüßt.
«Kinder und Jugendliche müssen lernen, was richtig und falsch ist, sie müssen lernen, respektvoll und tolerant miteinander umzugehen und zentrale Regeln des menschlichen Miteinanders vermittelt bekommen. Lehrerinnen und Lehrer müssen sich auf öffentliche Anerkennung und Unterstützung verlassen können. Die Werteerziehung an Schulen ist von zentraler Bedeutung – zur Farce1 wird sie jedoch, wenn sie außerhalb der Schulen nicht vorgelebt, sondern konterkariert2 wird.»
Ohne das Einhalten von Regeln, ohne Disziplin und die Vermittlung von Werten kann Schule nicht gelingen. Tatsache ist jedoch, dass traditionelle Orientierungshilfen, Werte und Normen ihre Verbindlichkeit weitgehend verloren haben. «Wertevorstellungen driften immer weiter auseinander. Gesellschaftliche Verbindlichkeiten wie soziale Verantwortung und Solidarität nehmen ab», stellte Wenzel fest.
«Vielmehr müssen Erwachsene wie Kinder und Jugendliche mit extremen Spannungen fertig werden: Wohlstandsfassaden hier, neue Armut dort, Konsum und Genuss auf der einen Seite, Selbstzweifel und Sinnleere auf der anderen, der Wunsch nach Bindungslosigkeit und Unabhängigkeit einerseits, die Sehnsucht nach menschlicher Zuverlässigkeit andererseits, die Suche nach neuen Lebensstilen hier und die Beschwörung traditioneller Lebensformen dort. Hinzu kommen veränderte Familienstrukturen, die Kindern und Jugendlichen oftmals Orientierung und Halt nehmen. Die Zahl der Ein-Kind-Familien wächst ebenso wie die der Alleinerziehenden. Heranwachsende erleben, dass Familienmitglieder austauschbar sind. Stabilität und Sicherheit schwinden. Orientierungslosigkeit ist die Folge. Auch gemeinsam verbrachte Zeit wird rar, weil Eltern wenig Zeit haben.»
Hinzu kommt eine unüberschaubare Flut an Informationen. «Kinder und Jugendliche sind ihr weitgehend ungeschützt ausgeliefert.» Wie selbstverständlich verfügen sie über eigene Fernsehgeräte und Computer. «Bereits Grundschüler sind ‹verkabelt› und mit hochmodernen technischen Medien ‹verschaltet›, die sie oftmals unkontrolliert nutzen – an den Wochenenden oft mehr als zehn Stunden. Viele Schüler sitzen länger vor Fernseher und Computer als in der Schule», betonte der BLLV-Präsident. Zu viel Medienkonsum macht Kinder nicht nur nervös, wortarm, fantasielos und ängstlich, «er führt auch dazu, dass eine Mentalität der sofortigen Bedürfnisbefriedigung entstehen kann».
Diese Entwicklungen sind alarmierend und sie machen vor der Schule nicht halt. «Es ist daher zweifellos notwendig, dass Lehrerinnen und Lehrer ihren Schülern Werte vermitteln, gerade weil sie wissen, dass viele ihrer Schützlinge täglich mit Gewalt, Zynismus, Konsumverherrlichung und bizarrem wie kritiklosem Starkult konfrontiert werden», erklärte Wenzel. Gleichzeitig können die Bemühungen oftmals nicht richtig greifen, da außerhalb der Schule Werteerziehung keine große Rolle mehr spielt.
Die Folgen sind in den Schulen deutlich zu spüren: Ständige soziale Konflikte, verbale und körperliche Aggressionen, Unterrichtsstörungen und Disziplinprobleme. «Sie gelten bei den meisten Lehrerinnen und Lehrern als die größten Stressfaktoren, von denen sie sich stark belastet fühlen.» Der BLLV-Präsident bezeichnete es auch deshalb als «notwendig und richtig, wenn die Bayerische Staatsregierung durch entsprechende Aktionen auf Werteerziehung aufmerksam macht. Das allein ist aber nicht genug», betonte er, «denn das Einhalten von Werten muss in allen gesellschaftlichen Bereichen konsequent vorgelebt werden. Schulen müssen zudem Orte sein, an denen Kinder und Jugendliche spüren können, dass sie etwas ‹wert› sind und dass sie unabhängig von ihren Noten geschätzt werden.»
1Far|ce die; -, -n: Angelegenheit, bei der die vorgegebene Absicht, das vorgegebene Ziel nicht mehr ernst zu nehmen ist (u. nur noch lächerlich gemacht, verhöhnt wird); lächerliche Karikatur auf ein bestimmtes Ereignis: die Vereidigung war eine einzige F.
2kon|ter|ka|rie|ren <sw.V.; hat> [frz. contrecarrer] (bildungsspr.): hintertreiben, durchkreuzen: eine Politik, jmds. Maßnahmen k.
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