Wissenschaft und Technik
Hamburger Studenten bauen römisches Kriegsschiff nach
Im Jahr 9 nach Christus tobte im Teutoburger Wald die Varusschlacht, in der Arminius die Römer vernichtend schlug. Zur 2000-Jahrfeier des Ereignisses bauen Hamburger Studenten derzeit ein römisches Kriegsschiff nach – auch im Namen der Wissenschaft.
In der Luft der Werkstatthalle schweben Sägespäne, ein ohrenbetäubendes Kreischen von Kettensägen und anderen Werkzeugen erfüllt den Raum. Knapp ein Dutzend Hamburger Studenten und Auszubildende in blauen Latzhosen bearbeiten einen hölzernen Schiffsrumpf. Auf der Werft im Stadtteil Harburg entsteht derzeit ein originalgetreuer Nachbau eines römischen Kriegsschiffes aus antiker Zeit. Rechtzeitig zur 2000-Jahrfeier der Schlacht im Teutoburger Wald 2009 soll das Replikat fertig sein.
Im Jahre 9 nach Christus besiegte der Cheruskerfürst Arminius in der Varusschlacht mehrere römische Legionen mit 20 000 Soldaten. Damit war der Versuch, die rechtsrheinischen Gebiete Germaniens zur römischen Provinz zu machen, endgültig gescheitert. Unter dem Motto «Imperium Konflikt Mythos – Varusschlacht 2009» wird nächstes Jahr in einem länderübergreifenden Projekt in Haltern am See an das römische Imperium, in Kalkriese an den Konflikt und in Detmold an den Mythos vom unbesiegbaren Germanen erinnert.
Der Schiffsnachbau, der auf der Vorlage eines Fundes aus der Oberpfalz basiere, soll im kommenden Frühjahr zu Wasser gelassen werden, erläutert der Historiker und Projektleiter Christoph Schäfer von der Universität Hamburg. «Die Römer haben seinerzeit mit diesem Schiffstyp im Vorfeld der Schlacht Truppen auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen transportiert», erklärt Schäfer. 2008 soll das rekonstruierte Kriegsschiff deshalb an verschiedenen Orten auf dem Rhein Halt machen und über die Ausstellungen informieren.
Doch bis dahin haben die jungen Bootsbauer in Hamburg noch alle Hände voll zu tun, müssen sie hämmern und sägen wie einst die Römer. Erste Resultate sind bereits sichtbar. Die hölzerne Grundkonstruktion, das sogenannte Spantengerippe, ist schon fertig und lässt die imposante Gestalt des Schiffes erahnen.
«Selbst die Holznägel haben wir angefertigt»
Nach seiner Fertigstellung erhoffen sich die Hamburger Studenten wissenschaftliche Erkenntnisse über das 16 Meter lange und drei Meter breite Römerschiff. «Wir wissen aus archäologischen Funden, dass es in der Antike diese Kriegsschiffe gab, aber wir kennen weder die genauen Funktionen noch die Leistungsfähigkeit dieses Schiffstyps», sagt Schäfer. Auf Testfahrten sollen deshalb Informationen zu Höchstgeschwindigkeit, Seetauglichkeit und Belastbarkeit erhoben und anschließend publiziert werden.
«Uns interessiert, wie praktikabel und wichtig diese Kriegsschiffe für die Militärstrategie waren», so der Historiker. Deshalb würden nur Materialien verbaut, die damals auch zum Bau der Originalschiffe verwendet worden seien. «Das Schiff besteht komplett aus Eichen- und Lärchenholz, und selbst die Holznägel haben wir angefertigt», sagt Schäfer. Der Nachbau sei der erste aus dieser Epoche und liefere somit bedeutende Erkenntnisse zum Schiffbau im ersten Jahrhundert.
Gleichzeitig verschafft das Bauprojekt arbeitslosen Jugendlichen eine neue berufliche Perspektive. «An dem Schiff werden 30 Jugendliche zum Bootsbauer ausgebildet», sagt Teamleiter Gerrit Wagener. «Die Zusammenarbeit zwischen den Azubis und den Studenten läuft super, und die Handgriffe sitzen mittlerweile, sodass wir gut im Zeitplan liegen», berichtet der Student. Insgesamt bauen 14 Geschichtsstudenten in ihrer Freizeit an dem Boot mit.
Die Schirmherrschaft des Projekts haben Spitzenpolitiker um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übernommen. Die Ausstellungen sollen fünf Monate dauern. «Wir können schon jetzt sehr zufrieden sein», sagt Schäfer. An der Varusschlacht selber sind die Schiffe selbstredend nicht beteiligt gewesen. Das tagelange Gemetzel zwischen Römern und Germanen hat aller Wahrscheinlichkeit nach in einem Sumpfgebiet am Teutoburger Wald stattgefunden.
Katarina Sass, ddp
Der Text ist entnommen aus: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,520457,00.html