Methodisches
Deutsche Sprichwörter
Lesetext
«Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer» – kaum jemand denkt bei diesem Sprichwort tatsächlich an Vögel oder warmes Wetter.
Die Warnung, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, kommt dagegen bei fast jedem an. Sprachbilder wie dieses gibt es für nahezu alle Lebenslagen und fast immer werden sie beim Sprechen unbewusst eingesetzt. Sie prägen die alltägliche Kommunikation und sind in vielen Gesprächen unverzichtbar. Wie bekannt, Sprichwörter spiegeln auch Werte, Normen und Verhaltensweisen des Volkes wider.
Woher die prägnanten Aussprüche ursprünglich kommen, ist bei vielen von ihnen selbst unter Sprachwissenschaftlern nicht mehr genau bekannt. Andere dagegen haben sich erst in den letzten Jahren gebildet. So ist beispielsweise die Redensart «Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben» bereits so fest in die deutsche Sprache integriert. Dabei ist der Ausspruch eher ein Jüngling unter den Sprichwörtern, geht er doch auf eine Rede zurück, die Michail Gorbatschow 1989 anlässlich des 40. Geburtstags der DDR gehalten hat. Seitdem hat der Satz eine bemerkenswerte Karriere hingelegt – und dabei ein Eigenleben entwickelt, das ihn völlig unabhängig von seinem ursprünglichen Kontext macht.
Genau das zeichnet aus Sicht der Sprachforscher ein Sprichwort aus. Denn die meisten Sinnsprüche, auch wenn sie einen historischen Ursprung haben, können auf eigene Bedürfnisse oder aktuelle Ereignisse übertragen werden. Dabei werden sie nicht selten so verändert, dass sie humorvolle Anspielungen enthalten – wie zum Beispiel in «Wer zu spät kommt, den bestraft die Ehefrau».
Sprichwörter spiegeln die Normen und Regeln der Zeit wider, in der sie entstanden sind. Die in Floskeln verpackten Verhaltensweisen oder Ereignisse lassen sich leicht in die geltenden Wertvorstellungen einordnen. Der Spruch «Wer rastet, der rostet» enthält zum Beispiel eine klare Anweisung für die Lebensführung und zeigt gleichzeitig, dass Fleiß einen hohen Stellenwert hat.
Ändern sich jedoch die sozialen Gegebenheiten, gehen viele darauf anspielende Sprichwörter im Lauf der Zeit verloren. So weiß heute praktisch niemand mehr, was der aus dem 19. Jahrhundert stammende Spruch «Dem ärgsten Zimmermann das stärkste Beil» eigentlich bedeuten sollte. Andere Sprichwörter erhalten sich dagegen auch dann, wenn sie keinen modernen Bezug mehr haben. So ist die aus dem gleichen Zeitraum stammende Redewendung «Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul» auch heute noch gebräuchlich.
Die starke Prägung gebräuchlicher Aussprüche durch die Gewohnheiten einer Gesellschaft lässt sich auch bei E-Mail- und Internetnutzern beobachten. Auch in den Massenmedien und in der Werbung sind Sprichwörter sehr beliebt. Sie vermitteln Bilder, die einen komplexen Zusammenhang kurz, klar und prägnant wiedergeben. Die Bilder machen den Zuhörer oder Leser aufmerksam und ihm erschließt sich die Bedeutung auch dann, wenn er die genauen Hintergründe oder Details nicht kennt.
Einzige Einschränkung: Um die Bedeutung mancher Redewendungen erfassen zu können, muss der Leser ein gewisses Maß an Allgemeinbildung haben. Wenn jemand zum Beispiel nicht weiß, dass Rinder in Indien heilige Tiere sind, die weder geschlachtet noch sonst wie verletzt werden dürfen, kann er das Bild der «heiligen Kuh» für einen unumstößlichen Grundsatz nicht einordnen.
Aufgaben
Aufgaben zum Inhalt
1. Schauen Sie den Text nochmals an – mit welchen Adjektiven werden Sprichwörter charakterisiert? Zum Beispiel: kurz, prägnant.
2. Welche Ausdrucksmöglichkeiten haben Sprichwörter? Zum Beispiel: Sprichwörter prägen die alltägliche Kommunikation, vermitteln Bilder.
3. Von wem stammt das Sprichwort «Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben»?
4. Welche Bedeutung hat das Sprichwort «Wer rastet, der rostet»?
5. Was geschieht mit Sprichwörtern mit der Zeit? Verlieren sie ihre Aktualität? Werden Sprichwörter auch heutzutage gebraucht?
6. Gibt es Extrabedingungen oder Einschränkungen beim Verstehen der Sprichwörter?
Lexikalische Aufgaben
1. Übersetzen Sie folgende deutsche Sprichwörter adäquat ins Russische.
a) Übung macht den Meister.
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b) Ohne Fleiß kein Preis.
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c) Morgenstunde hat Gold im Munde.
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d) Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.
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e) Viele Köche verderben den Brei.
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f) Ende gut, alles gut.
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2. Finden Sie zu jedem Sprichwort (1–6) ein passendes Synonym (a–f).
1. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.
2. Ein Mann ist kein Mann.
3. Eile mit Weile.
4. Andere Länder, andere Sitten.
5. Übung macht den Meister.
6. Der Schein trügt.
a) Ende gut, alles gut.
b) Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
c) Erst besinn’s, dann beginn’s.
d) Leere Fässer klingen hohl.
e) Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.
f) Andre Städtchen, andre Mädchen.
3. Finden Sie zu jedem Sprichwort (1–4) ein passendes Antonym (a–d).
1. Frisch gewagt ist halb gewonnen.
2. Glück und Glas, wie leicht bricht das.
3. Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute.
4. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
a) Alte Liebe rostet nicht.
b) Morgenstunde hat Gold im Munde.
c) Übung macht den Meister.
d) Erst besinn’s, dann beginn’s.
4. Welche Teile der Sprichwörter gehören zusammen? Verbinden Sie sie.
1. Ein Mann, |
a) sind tief. |
2. Aus den Augen, |
b) kommt Rat. |
3. Stille Wasser |
c) ein Wort. |
4. Aller Anfang |
d) das halbe Leben. |
5. Es ist noch nicht aller Tage |
e) faules Mädchen. |
6. Kommt Zeit, |
f) aus dem Sinn. |
7. Ordnung ist |
g) Abend. |
8. Langes Fädchen, |
h) beleidigt man keinen. |
9. Mit Schweigen |
i) ist schwer. |
5. Finden Sie den Anfang der Sprichwörter im Schüttelkasten.
Jeder ist • Mein Name ist Hase, • Probieren • Wer rastet, • Gleich und Gleich • Ein gutes Gewissen • Lügen |
1. … der rostet.
2. … haben kurze Beine.
3. … gesellt sich gern.
4. … geht über Studieren.
5. … ich weiß von nichts.
6. … ist ein sanftes Ruhekissen.
7. … seines Glückes Schmied.
6. Welchem Thema sind folgende Sprichwörtergruppen gewidmet?
1.
Ohne Fleiß kein Preis.
Morgenstunde hat Gold im Munde.
Geduld und Fleiß erringt den Preis.
Thema: ___________________________________
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2.
Gleich und Gleich gesellt sich gern.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
Adler brüten keine Tauben.
Thema: ___________________________________
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3.
Ein Mann, ein Wort.
Lügen haben kurze Beine.
Trau, schau, wem.
Thema: ___________________________________
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7. Wie heißt es richtig?
1. Keine Rose ohne Haare.
2. Man soll den Sperling nicht vor dem Abend loben.
3. Unverhofft tut selten gut.
4. Übermut kommt oft.
5. Wer wagt, getan.
6. Gesagt, gewinnt.
7. Andere Jahre, andere Dornen.
8. Besser ein Tag in der Hand, als eine Taube auf dem Dach.
Kreative Aufgaben
1. Was meinen Sie, in welchen Textsorten gebraucht man Sprichwörter?
2. Sprichwörter können auch in Horoskopen gebraucht werden. Hier werden einige Beispiele angeführt. Merken Sie sich die Anwendung von Sprichwörtern.
Widder
Kommt Zeit, kommt Rat. In dieser Woche wird das Problem, über das Sie sich schon seit langem Gedanken machen, zufällig gelöst. Unverhofft kommt oft.
Stier
Das Werk lobt seinen Meister. Diese Woche ernten Sie endlich den verdienten Erfolg und Ruhm.
Zwillinge
Andere Jahre, andere Haare. Sie sind kein heuriger Hase mehr und lassen sich schon nicht an der Nase herumführen.
Krebs
Übermut tut selten gut. Haben Sie es nicht so eilig. Lassen Sie sich Zeit vor dem Hauptsprung.
Kinder befragen ihre Mitschüler nach ihren Sternzeichen. Dann fertigen sie füreinander Horoskope an, die mindestens ein Sprichwort enthalten sollen. Die Horoskope werden danach vorgelesen und verglichen.
Der Text ist entnommen aus:
http://www.sprachkreis-deutsch.ch
Didaktisiert von Jekaterina Batalina,
5. Studienjahr, MGPU