Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №7/2008

Wissenschaft und Technik

Die Zellen, aus denen die Träume sind

Erst maßgeschneiderte embryonale Stammzellen beim Affen, nun umprogrammierte Hautzellen beim Menschen – kurz hintereinander gelangen Wissenschaftlern wichtige Durchbrüche. In die Stammzellforschung setzen die Mediziner all ihre Hoffnungen und Erwartungen – zu Recht?

Sie haben eine kaputte Leber? Lassen Sie sich doch einfach eine neue züchten. Sie haben Parkinson? Die abgestorbenen Zellen in Ihrem Gehirn bauen wir Ihnen einfach neu. Sie brauchen tägliche Insulin-Spritzen gegen Diabetes? Schluss damit! Wir machen Ihnen eine neue Bauchspeicheldrüse.
Kaputte Organe neu herstellen und ersetzen zu können – das wäre der größte Traum der Mediziner. Möglich wird das, so hoffen sie, mit maßgeschneiderten embryonalen Stammzellen. Sie sind zellulare Alleskönner, denn sie haben das Potential, sich wie in einem Embryo in jede beliebige Gewebezelle des Körpers zu entwickeln.
Zwei große Hürden auf dem Weg zum Einsatz in der Medizin sind noch zu nehmen: Man muss einen Weg finden, die embryonalen Stammzellen effizient und maßgeschneidert für einen Patienten herzustellen. Und man braucht das Wissen und die Technik, sie in jede Zellart des Körpers zu verwandeln.
Nun sind Forschern zwei entscheidende Durchbrüche gelungen. Dabei verfolgten sie zwei verschiedene Ansätze: das therapeutische Klonen und die Reprogrammierung von Körperzellen.
Shoukrat Mitalipov vom Oregon National Primate Research Centre im US-Bundesstaat Oregon und seine Kollegen haben das therapeutische Klonen zwar noch nicht am Menschen geschafft, aber am Affen. Dennoch ist das ein Durchbruch, denn er zeigt, dass die Technik des therapeutischen Klonens an Zellen von Primaten möglich ist. Primaten sind eine Tiergruppe, zu der neben dem Affen auch der Mensch gehört. Nach Ansicht von Jürgen Hescheler, Stammzellforscher an der Universität Köln, ist daher davon auszugehen, dass das therapeutische Klonen auch am Menschen gelingen wird.
Therapeutisches Klonen funktioniert so: Man nimmt den Zellkern einer beliebigen Körperzelle, pflanzt ihn in eine entkernte Eizelle, aus der Zelle entwickelt sich ein Embryo und aus dem gewinnt man die embryonalen Stammzellen. Jede Zelle des Körpers hat das komplette Erbgut im Zellkern, aber große Teile sind ausgeschaltet – wozu sollte eine Hautzelle die Gene einer Leberzelle aktivieren? In der Eizelle wird das Erbgut der Körperzelle wie ein Computer neu gestartet. Aus der spezialisierten Körperzelle wird so eine Stammzelle, die wieder aus dem vollen genetischen Fundus schöpfen kann. Sie ist pluripotent, wie die Mediziner sagen – sie kann alles.

Therapeutisches Klonen vs. Reprogrammierung
Der Vorteil des therapeutischen Klonens: Man hat embryonale Stammzellen, die sich in jedes Körpergewebe entwickeln können – das potentielle Ersatzteillager im Reagenzglas. Der Nachteil: Die Methode ist sehr umständlich und ineffizient. US-Forscher Mitalipov hatte beim Affen eine Erfolgsquote von 0,7 Prozent. Beim Menschen angewandt, bräuchte man für jeden Patienten 150 weibliche Eizellen – was medizinisch und ethisch völlig inakzeptabel wäre. Weiterer gravierender Nachteil der Methode: Bei der Gewinnung der Stammzellen wird der Embryo zerstört. Wegen dieses Dilemmas ist die Herstellung embryonaler Stammzellen in vielen Ländern verboten.
Der zweite große Durchbruch in der Stammzellforschung gelang zwei Teams parallel: Shinya Yamanaka von der Universität von Kyoto und James Thomson von der Universität von Wisconsin-Madison im US-Bundesstaat Wisconsin programmierten Körperzellen – in diesem Fall Hautzellen – einfach in Stammzellen um, ohne den Umweg über Eizelle und Embryo zu gehen. Das gelang ihnen durch das Einschleusen von vier Steuerungsgenen, nach denen viele Wissenschaftler schon lange gesucht hatten. Eine sehr elegante Methode, die den großen Vorteil besitzt, dass keine Embryonen hergestellt und wieder verbraucht werden müssen – sie ist ethisch unbedenklich. «Das ist ein großer Schritt für die embryonale Stammzellforschung», sagt Hescheler. Allerdings hat das Reprogrammieren auch Nachteile: Es ist nicht sicher, dass die so hergestellten Stammzellen wirklich genau solche Alleskönner sind wie die embryonalen Stammzellen.

Beide Methoden sind noch nicht effizient genug
Miodrag Stojkovich, deutscher Stammzellforscher in Valencia am Principe Felipe Centro de Investigacion, sieht die Reprogrammierungsmethode deshalb noch weit entfernt von der Anwendung. «Die Methode des Gentransfers mit Viren ist zu heikel», sagte Stojkovich. Das Viren-Erbgut könne sich in das Erbgut der menschlichen Zellen integrieren und Mutationen oder gar Krebs hervorrufen. Zudem benutzte Yamanaka ein Krebsgen für die Reprogrammierung – auch das beinhalte ein zu großes Krebsrisiko, meint Stojkovich.
Wie auch beim therapeutischen Klonen ist die Effizienz der Reprogrammierung noch nicht gut genug: Nur bei zehn von 50 000 Zellen gelang den Forschern die Umwandlung in Stammzellen. Gleichwohl glaubt Stojkovich, dass die Reprogrammierungsmethode schneller zur medizinischen Anwendung gelangen wird als die des therapeutischen Klonens.

Wann gibt es die erste Stammzell-Therapie?
Alle träumen von einer Stammzelltherapie der Zukunft – doch wie realistisch sind die Hoffnungen, die in diese Zellen gesetzt werden?
Adulte Stammzellen, Zellen mit eingeschränkter Differenzierungsfähigkeit, werden heute schon in der Behandlung von Leukämie und Herzinfarkt eingesetzt – mit Erfolg. Und embryonale? «Eine US-amerikanische Forschergruppe hat angekündigt, nächstes Jahr Rückenmarksgeschädigte mit embryonalen Stammzellen behandeln zu wollen», sagt Stojkovich.

«Es muss noch sehr viel Grundlagenforschung gemacht werden»
Wann allerdings embryonale Stammzellen in der Medizin routinemäßig zur Anwendung kommen werden, kann Stojkovich nicht sagen. Er glaubt, dass sie zuallererst bei Querschnittsgelähmten, Parkinson-Kranken und Herzinfarktpatienten eingesetzt werden. «Man hat bei der Ausdifferenzierung embryonaler Stammzellen in Nerven- und Herzzellen mittlerweile die meiste Erfahrung und kann gute Resultate vorweisen», so Stojkovich.
Jürgen Hescheler ist fest davon überzeugt, dass einmal die gro­ßen Volkskrankheiten – Diabetes, Herzinfarkt, Hirnschlag, Parkinson – mit Stammzellen geheilt werden könnten. «Die Sache ist jedoch viel komplexer als herkömmliche Therapien mit Medikamenten», sagt Hescheler. «Und es wird zu wenig Geld in die Stammzellforschung investiert. Daher kann man auch nicht erwarten, dass die Dinge schnell vorangehen.»
Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster glaubt, dass am ehesten eine Zelltherapie für Parkinson-Patienten kommen wird – jedenfalls eher als das Züchten ganzer Organe. Der Wissenschaftler vermutet, dass man Krankheiten vielleicht erst einmal nur wird lindern können. Man brauche einfach Geduld. Eine Ansicht, die Hescheler teilt: «Es liegt noch sehr viel Grundlagenforschung vor uns.» Da die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen in Deutschland rechtlich eingeschränkt ist, werde es bis zur Anwendung hierzulande noch zehn bis zwanzig Jahre dauern. «Für die USA könnte ich mir vorstellen, dass in drei bis fünf Jahren der Durchbruch kommen könnte – dort wird massiv Geld investiert», sagt Hescheler.

Aus Stamm- mach Körperzelle
Die zweite Hürde, die für eine routinemäßige Therapie zu nehmen ist: Stammzellen in Körperzellen zu verwandeln. Aus einer Stammzelle entwickelt sich eine bestimmte Körperzelle, indem in ihr in einem komplizierten Zusammenspiel verschiedene Gene zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiv werden. Wachstumsfaktoren beeinflussen die Genaktivität und lenken die Entwicklung der Zelle. Um eine Stammzelle beispielsweise in eine Herzmuskelzelle zu verwandeln, müssen die richtigen Wachstumsfaktoren zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Konzentration zu der Zelle gegeben werden. Hat man das richtige Wachstumsfaktoren-Rezept einmal herausgefunden, besitzt man die Blaupause für die Herstellung einer bestimmten Zellart.
Eine sehr wertvolle Blaupause übrigens, so wertvoll, dass manche Pharmakonzerne bereits in die Stammzellforschung eingestiegen sind. Nach Ansicht von Stojkovich wird es für sie das Geschäft der Zukunft sein. Dann werden sie sich nicht mehr Medikamente für eine Krankheit patentieren lassen, sondern gleich das Rezept für die Züchtung von Zellen oder ganzen Organen.

Von Jens Lubbadeh

Der Text ist entnommen aus: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,518736-2,00.html