Bildung und Erziehung
«Schule muss sich als Dienstleister1 begreifen»
Wie sollte die Schule von morgen aussehen? Der Forchheimer Schulamtsdirektor Gerhard Koller hat da recht konkrete Vorstellungen. Für ihn ist es nicht selbstverständlich, dass die Schule unbedingt um 8 Uhr morgens beginnt oder dass eine Unterrichtsstunde 45 Minuten dauert.
Es gelte bei der Organisation des Unterrichts, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen2. Die Schüler sollten dann lernen, wenn sie den Lehrstoff am besten aufnehmen können. Deshalb sollte der Unterricht erst nach einer Aufwärmphase3 beginnen, später also. Die Unterrichtseinheiten sollten verlängert und nicht schon nach 45 Minuten abgebrochen werden. Als Vision4 für die Grund- und Hauptschule der Zukunft schwebt5 dem engagierten Pädagogen eine Ganztagsform vor, in der nicht nur einzelne Züge oder Klassen in Ganztagsform geführt werden, sondern die Schule insgesamt als Ganztagsschule in gebundener Form. Erst damit könnte der Tagesablauf für Kinder sinnvoll strukturiert und rhythmisiert werden. Der immer wieder geforderten Individualisierung könne durch einen geänderten Unterricht, Übernahme von Diensten in der Mittagszeit oder Beschäftigungen in Arbeitsgemeinschaften oder Werkgruppen wesentlich besser Rechnung getragen werden. Dass so ganz nebenbei mit dieser Form der Ganztagsschule ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familienleben geleistet werde, erwähnt Koller nur am Rande. Auftrieb gibt ihm die vor wenigen Wochen in Forchheim durchgeführte Tagung zum Thema Ganztagsschule. 350 Konferenzteilnehmer hatten sich zwei Tage lang intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt. Da gab es auch viel Lob für den Landkreis Forchheim, der sich beim Thema Ganztagsschule als bayernweiter Vorreiter erwiesen habe. Koller will es allerdings bei den Modellversuchen in Poxdorf, Wiesenthau oder Hiltpoltstein nicht belassen. Seiner Meinung nach wird es in zehn Jahren nur noch Ganztagsschulen geben. Schule müsse dann allerdings anders gedacht werden, dürfe nicht nur Kostenfaktor sein, müsse vielmehr als Lebensraum gesehen werden, in dem Eltern, Politiker, Wirtschaft und Vereine zusammenarbeiten.
Heute sei Schule zu sehr wie eine Verwaltung organisiert. Das müsse sich ändern, meint Koller. Es gelte, sich als Dienstleister für die Schüler zu begreifen, der den optimalen Lernerfolg für die jungen Menschen erreichen will. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt Koller an der Basis an. Bildung sollte seiner Meinung nach mehr in kommunaler Verantwortung wahrgenommen werden. Deshalb wünscht er sich mehr Kooperation mit den Gemeinden. Eine solche «Bildungsreform von unten» habe die besseren Chancen.
1Dienst|leis|ter, der; -s, -: a) jmd., der eine Dienstleistung erbringt; b) Dienstleistungsbetrieb. Dienst|leis|tung, die:
a) Dienst, den jmd. freiwillig leistet od. zu dem jmd. verpflichtet ist: eine kleine D.; b) (Wirtsch.) Leistung, Arbeit in der Wirtschaft, die nicht unmittelbar der Produktion von Gütern dient: eine D. in Anspruch nehmen; der steigende Bedarf an -en.
2be|rück|sich|ti|gen <sw. V.; hat>: bei seinen Überlegungen, seinem Handeln beachten, nicht übergehen, in seine Überlegungen einbeziehen: das Wetter b.; einen Antrag b. (sorgfältig prüfen); einen Antragsteller b. (sich näher mit seinen Anliegen, Wünschen o. Ä. befassen u. sie anerkennen).
3auf|wär|men <sw. V.; hat>: 1. (etw. Gekochtes) noch einmal, wieder warm machen: das Essen vom Mittag a.; Ü alte Geschichten, einen alten Streit wieder a. (ugs. abwertend; erneut zur Sprache bringen, aufleben lassen). 2. <a. + sich> sich an einer Wärmequelle o. Ä. wieder wärmen: sich in einer Kneipe, am Ofen, mit einem Grog wieder a. 3. <a. + sich> (Sport) durch leichte Übungen die Muskulatur lockern, den Körper warm werden lassen (als Vorbereitung auf eine sportliche Betätigung): der Sprinter wärmt sich vor dem Start auf.
4Vi|si|on, die; -, -en [mhd. vision, visiun = Traumgesicht; Erscheinung < lat. visio (Gen.: visionis) = das Sehen; Anblick; Erscheinung, zu: visum, Visage]: a) übernatürliche Erscheinung als religiöse Erfahrung: die -en der Apokalypse; b) optische Halluzination: sie hat öfter -en; c) in jmds. Vorstellung bes. in Bezug auf Zukünftiges entworfenes Bild: die V. eines geeinten Europas, vom Übermenschen; sie wollte ihre künstlerische, politische V. verwirklichen; -en für das 21. Jahrhundert.
5vor|schwe|ben <sw. V.; hat>: in jmds. Vorstellung [als Ziel] vorhanden sein: jmdm. als Ziel, als Ideal v.; mir schwebt eine andere Lösung, etwas völlig Neues vor.
Der Text ist entnommen aus: http://www.coburgertageblatt.de/cms/index.php