Sonderthema
Gedichte von Oswald von Wolkenstein
Wach auff, mein hort! |
Wach auf, mein Schatz! |
Tenor |
Tenor |
‹Ich klag das mort, des ich nicht ger, |
‹Ach, ich beklage das, was ich nicht herbeisehne. Schon hört man die kleinen Vögel mit heller Stimme im Gebüsch singen. O Nachtigall, dein wunderschönes Lied macht mich unglücklich, dafür danke ich dir nicht. Ich muss mehr klagen, als eine Frau ertragen kann.› |
«Mit urlob fort! deins herzen sper |
«Laß mich gehen! Wie ein Speer verwundet mich dein Herz, da ich nicht bleiben kann. Der Schmerz über die Trennung stimmt mich traurig. Dein rotes Mündchen bedrängt mich voller Sehnsucht, der bittere Tod würde mich weniger bedrücken. Fortgehen zu müssen macht mich ganz mutlos.» |
Mittelhochdeutsch |
neuhochdeutsche Übersetzung |
hort, hart |
Schatz, Reichtum; Fülle; Besitz |
mengen, mingen (mit, ze, durch, in, under) |
vermischen, durchsetzen, verbinden (mit); mischen (unter); trüben; drängen (durch/zu) |
schanz, tschanze |
Chance, Aussicht; Spiel, Spieleinsatz; Wurf, Gewinn; Wagnis; Zufall; Glück |
mort |
(Adj.) tot; (Subst.) Totschlag, Tod, Morden, Blutbad; Untat |
gern, geren |
verlangen, begehren, wünschen, wollen, erbitten, fordern |
hac |
Hecke; Zaun, Garten, Park, Wald, Gebüsch |
spæhe, spâhe |
kunstvoll, schön, herrlich, fein |
lônen, lânen |
belohnen, vergelten, bezahlen |
urlôb, urloub |
Abschied, Verabschiedung |
sper |
Speer, Lanze |
schîdlich |
endgültig |
senelich |
sehnsüchtig, schmerzlich, leidvoll, jammervoll, traurig |
zwingen, twingen |
bedrücken, überwältigen, quälen |
dringen |
belästigen, drücken |
verzagen |
verzagen, sich fürchten, erschrecken, den Mut verlieren |
Es fúgt sich
Es fúgt sich, do ich was von zehen jaren alt,
ich wolt besehen, wie die werlt wer gestalt.
mit ellend, armút mangen winkel, haiss und kalt,
hab ich gebawt bei cristen, Kriechen, haiden.
Drei pfenning in dem peutel und ain stúklin brot,
das was von haim mein zerung, do ich loff in not.
von fremden freunden so hab ich manchen tropfen rot
gelassen seider, dass ich want verschaiden.
Ich loff zu fúss mit swerer búss, pis das mir starb
mein vater zwar, wol vierzen jar, nie ross erwarb,
wann aines roupt, stal ich halbs zu mal mit valber varb
und des geleich schied ich da von mit laide.
Zwar renner, koch so was ich doch und marstaller,
auch an dem rúder zoch ich zu mir, das was swer,
in Kandia und anderswo, ouch widerhar.
vil mancher kittel was mein bestes klaide.
Gen Preussen, Littwan, Tartarei, Túrkei, uber mer,
gen Frankreich, Lampart, Ispanien mit zwaien kúnges her
traib mich die minn auf meines aigen geldes wer;
Ruprecht, Sigmund, baid mit des adlers streiffen.
franzoisch, mörisch, katlonisch und kastilian,
teutsch, latein, windisch, lampertisch, reuschisch und roman,
die zehen sprach hab ich gebraucht, wenn mir zerran;
auch kund ich fidlen, trummen, paugken, pfeiffen.
Ich hab umbfarn insel und arn, manig lant,
auf scheffen gros, der ich genos von sturmes bant,
des hoch und nider meres gelider vast berant;
die swarzen see lert mich ain vas begreiffen,
Do mir zerbrach mit ungemach mein wargatein,
ain koufmann was ich, doch genas ich und kom hin,
ich und ain Reuss; in dem gestreuss houbtgút, gewin,
das súcht den grund und swam ich zu dem reiffen [...]
(1416)
Neuhochdeutsche Übertragung
Es fügte sich, als ich zehn Jahre alt war,
da wollte ich sehen, wie die Welt wäre.
In Not und Armut, in manchem heißen und kalten Ort
habe ich seither gehaust, bei Christen, Orthodoxen,
Heiden.
Drei Pfennig im Gepäck und ein Stück Brot,
mehr gab’s von zuhause nicht, so lief ich ins Elend.
Im Streit mit Fremden und Freunden habe ich manchen
Tropfen Blut
seitdem gelassen, daß ich schon zu sterben glaubte.
Ich lief zu Fuß wie ein Büßer, dann starb mein Vater,
ich war gerade mal vierzehn Jahre, und nie hatte ich
ein Pferd besessen,
nur eines, halb geraubt, halb gestohlen, ein Schimmel,
und genauso wurde ich ihn wieder los, aber mit Schaden.
Ich war Laufbote, Koch, sogar mal Pferdemeister,
auch am Ruder habe ich gezogen, das war schwer,
bis nach Kreta und sonstwohin und wieder zurück.
Oft war ein einfacher Kittel mein bestes Kleid.
Gegen Preußen und Litauen, Rumänien, die Türkei
(Asien),
gegen Frankreich, Italien, gegen Spanien (unter zwei
Königen),
alles aus Liebe, nicht aus Gewinnsucht,
gegen Ruprecht und Sigismund, beide mit den polnischen
Zeichen.
Französisch, arabisch, katalanisch und kastilisch,
deutsch, lateinisch, böhmisch, italienisch, russisch und
französisch,
diese zehn Sprachen brauchte ich, wenn ich weiter mußte,
außerdem konnte ich fiedeln, trommeln, pauken und
trompeten...
Durch Barbarei, Arabia
Durch Barbarei, Arabia,
durch Harmanei in Persia,
durch Tartarei in Suria,
durch Romanei in Türggia,
Ibernia, der sprüng hab ich vergessen.
Durch Preussen, Reussen, Eiffenlant,
gen Litto, Liffen, übern strant,
gen Tenmark, Sweden, in Prabant,
durch Flandern, Frankreich, Engelant,
und Schottenlant hab ich lang nicht gemessen.
Durch Arragun, Kastilie,
Granaten und Afferen,
auss Portigal, Ispanie
pis gen dem vinstern steren,
von Provenz gen Marsilie –
in Races pei Saleren,
daselben plaib ich in der e,
mein ellend da zu meren
vast ungeren.
Auff ainem kofel rund und smal,
mit dickem wald umbvangen,
vil hoher perg und tieffe tal,
stain, stauden, stück, snestangen,
der sich ich täglich ane zal.
noch aines zwingt mich pangen,
das mir der klainen kindlin schal
mein oren dick bedrangen
hat durchgangen.
Ach senliches Leiden
Ach senliches leiden
meiden neyden schaiden das tut we
besser wer versunken jn dem see
zart minnikliches weib
dem leib mich schreibt und treibt gen josophat
hertz mut syn gedanck ist worden mat
es schaidt der tod
ob mir dem gnad nicht hellfen wil
auss großer not
mein angst ich dir verhil
dem mundlin rot
hat mir so schier mein gier erwecket vil
des wart ich genaden an dem zyl