Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №17/2008

Sonderthema

Der Schriftsteller Wilhelm Raabe

Raabe als Autor
«Was für gute Ratschläge habe ich schon seit Beginn meiner schriftstellerischen Laufbahn, seit dem Erscheinen der Chronik bekommen ... Frische und Originalität werden nicht leichter vernichtet als durch die Befolgung guter Ratschläge. Ich fühle, dass ich noch Besseres leisten kann, als ich bis jetzt geleistet habe; aber ich kann zu diesem Besseren wie gesagt nur auf meinem eigenen Weg gelangen und das ist nicht die ausgetretene Heerstraße.»

Wilhelm Raabe, 1859

Wilhelm Raabe gehört neben Theodor Fontane und Theodor Storm zu den bedeutendsten Realisten der deutschen Literatur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Rund 70 Romane und Erzählungen entstehen während seiner Schriftstellertätigkeit, viele von ihnen besitzen weltliterarisches Format. Raabe entscheidet sich ganz bewusst für den Beruf des Schriftstellers. 1856 veröffentlicht er unter dem Pseudonym Jakob Corvinus seinen ersten Roman Die Chronik der Sperlingsgasse, der von der öffentlichen Kritik seiner Zeit – auch von Friedrich Hebbel – begeistert aufgenommen wird. In Selbststilisierung benennt Raabe später den 15. November 1854 als Federansetzungstag. In seinem Erstlingswerk verknüpft Raabe virtuos verschiedene Erzähltechniken: Briefe, Erinnerungen, traumartige Rückblenden, Aufzeichnungen aus Vergangenheit und Zukunft.
Fast die Hälfte seiner Romane und Erzählungen, darunter sein bedeutendes Spätwerk, sind in Braunschweig entstanden. Hier sollen nur einige wenige genannt werden: Horacker (1876), der Roman, der noch zu Raabes Lebzeiten vierzehn Auflagen erreicht. Pfisters Mühle (1884), einer der ersten literarischen Texte, die das Problem der Umweltverschmutzung thematisieren. Das Odfeld (1888), eine historische Erzählung, die Raabe selbst sehr viel höher einschätzt als sein viel gelesenes Frühwerk. Stopfkuchen (1891), inhaltlich die Enthüllung eines Kriminalfalls und wegweisend für spätere Erzähltechniken des Genres. Die Akten des Vogelsangs (1896), einer seiner letzten vollendeten Romane, in dem Raabe alle Register seines schriftstellerischen Handwerks zieht und den gerade die Raabe-Forschung besonders hoch bewertet.
Wilhelm Raabe ist in erster Linie Autor von zahlreichen epischen Werken, in denen er immer wieder seine Zitier- und Verweiskunst unter Beweis stellt, sein lyrisches Schaffen dagegen dauert im Wesentlichen nur bis 1862. In seinen letzten Lebensjahren bezeichnet er sich selbst als «Schriftsteller a. D.» – er betreut nur noch die Neuauflagen seiner Werke.

Raabe als Realist
Wilhelm Raabe ist einer der bedeutendsten Erzähler des poetischen Realismus. Seine Werke greifen räumlich und zeitlich weit aus, sie umfassen die Zeit vom 13. Jahrhundert bis zur Schwelle des 20. Jahrhunderts. Raabes Erzählungen und Romane sind einerseits geprägt von Pessimismus, andererseits durchdrungen von einem hintergründigen Humor. Trotz der vorwiegenden Rückschau und der historischen Themen ist Raabes Erzählkunst keine romantische Flucht, sondern oft gekoppelt mit ironischer Kulturkritik an dem Materialismus seiner Zeit. Wenn sich Raabe der eigenen Zeit zuwendet, steht im Hintergrund der wechselnden, symbolisch gestalteten Themen die Erfahrung, dass Egoismus, Skrupellosigkeit, Gerissenheit äußerlich über den inneren Seelenfrieden triumphieren. So schildert er Charaktere, die oft im Alltagsleben unterliegen, innerlich jedoch Freiheit erlangen. Nicht selten stehen in seinen Werken Außenseiter der bürgerlichen Welt im Zentrum des Geschehens. In dem Roman Abu Telfan oder Die Heimkehr vom Mondgebirge von 1867 erzählt Raabe beispielsweise die Geschichte eines Heimkehrers, dem ein Leben als Sklave in Afrika erstrebenswerter erscheint als eine bürgerliche Existenz inmitten des deutschen Spießertums. Damit setzt der Schriftsteller in Abu Telfan zu einer umfassenden Gesellschaftskritik an. Der kritische und ebenso pessimistische Roman findet aber kaum Resonanz bei Publikum und Kritik seiner Zeit. Ebenso verhält es sich mit der 1884 erschienenen Erzählung Pfisters Mühle, in der Wilhelm Raabe seinen bemerkenswerten Weitblick für Gegenwartsthematik unter Beweis stellt. Ein authentischer Prozess liegt Pfisters Mühle zugrunde, den zwei Müller gegen eine wasserverseuchende Zuckerfabrik führen.
Es ist jedoch nicht so, dass der Realist Raabe dem Leser das Urteil über Zustände und Konsequenzen abnimmt, vielmehr will er sein Publikum zu einem eigenen Standpunkt animieren. Er gibt in seinem Werk Hinweise, zwingt den aufmerksamen Leser dazu, die Oberfläche seiner anspielungsreichen Erzähltechnik zu durchbrechen, um die eigentliche Intention des jeweiligen Werkes zu erkennen.

Der Text ist entnommen aus: http://www.literaturzentrum-braunschweig.de