Bildung und Erziehung
Die Jugend der Welt ist religiöser als ihr Ruf
Weltweit betrachtet sind Jugendliche und junge Erwachsene viel religiöser als gemeinhin angenommen wird. Dies ist das Ergebnis einer internationalen Sonderstudie der deutschen Bertelsmann Stiftung aus Anlass des katholischen Weltjugendtages in Australien. So sind global betrachtet etwa vier von fünf jungen Erwachsenen (85 Prozent) religiös und sogar fast die Hälfte (44 Prozent) als hochreligiös einzuschätzen. Lediglich 13 Prozent haben mit Gott und Glauben nichts im Sinn.
Allerdings zeigt sich ein sehr divergierendes Bild in den einzelnen Ländern und unter den verschiedenen Konfessionen. Während junge Erwachsene in islamischen Staaten und Entwicklungsländern besonders stark religiös sind, zeigen sich vor allem junge Christen in Europa vergleichsweise religionsfern. So sind zum Beispiel 80 Prozent aller jungen Protestanten außerhalb Europas hochreligiös und 18 Prozent religiös. Unter den europäischen jungen Protestanten sind gerade einmal sieben Prozent Hochreligiöse zu finden, 25 Prozent müssen dagegen als Karteileichen ihrer Kirchen betrachtet werden. Bei den jungen Katholiken bietet sich ein ähnliches Bild. Hier sind immerhin 25 Prozent der Europäer hochreligiös, außerhalb Europas sind es 68 Prozent. Von den jungen Menschen in Osteuropa und Russland ist gerade noch jeder Dritte getauft, die meisten haben jedweden Bezug zu Glaube und Kirche verloren. Lediglich 13 Prozent sind hochreligiös. Dagegen konnte die Studie auch feststellen, dass jeder Dritte der weltweit befragten jungen Menschen (35 Prozent), die sich selbst als konfessionslos bezeichnen, trotzdem als religiöse Menschen eingestuft werden können.
Gelebte religiöse Praxis
Das divergierende Bild über die Religiosität unter jungen Menschen in den verschiedenen Ländern und Konfessionen zeigt sich auch in Bezug auf ihre religiöse Praxis. Während etwa die jungen Erwachsenen in hochreligiösen Ländern wie Nigeria oder Guatemala zu 90 Prozent mindestens einmal täglich beten, tun dies in Ländern wie Indien, Marokko oder der Türkei immerhin noch drei von vier der Befragten. Weitgehend unüblich ist das tägliche Gebet inzwischen dagegen unter jungen Europäern. In Frankreich beten gerade einmal noch neun Prozent der jungen Leute täglich, in Russland sind es acht Prozent und in Österreich nur etwa sieben Prozent.
Eine große Ausnahmeerscheinung zwischen westlich geprägten Industrieländern auf der einen und Entwicklungsländern bzw. den islamisch geprägten Staaten auf der anderen Seite bilden die USA. Wie auch unter den Erwachsenen finden sich in den USA in der jüngeren Generation weitaus mehr religiöse Menschen als in den meisten anderen westlichen Ländern. Von den jungen Amerikanern geben 57 Prozent an, täglich zu beten. Und in den freikirchlichen und Pfingstbewegungen der USA sind unter den jungen Erwachsenen praktisch nur religiöse Menschen zu finden, fast 90 Prozent von ihnen sind sogar hochreligiös.
Fromme Alte – laue Junge?
Dass junge Menschen weniger religiös sind als noch ihre Eltern und Großeltern, ist ebenfalls eine eher typisch europäisch-westliche Vorstellung als die weltweite Realität. So glauben die Jungen in den Entwicklungsländern und in islamischen Staaten nicht weniger intensiv als die übrigen Erwachsenen. In Marokko glauben etwa 99 Prozent an Gott und ein Leben nach dem Tod. Auch unter Brasilianern, Türken oder Nigerianern stimmen dem 90 Prozent zu, in Israel, Indonesien und Italien immerhin auch noch 80 Prozent. Die Länder, in denen die jüngeren sich weniger intensiv mit dem Glauben auseinandersetzen, liegen fast alle im westlichen Kulturkreis von Australien bis Spanien. Allerdings gibt es auch hier gegenläufige Tendenzen. So sprechen in Großbritannien die Jüngeren dem Glauben häufiger zu als die Älteren. Und junge Israelis zeigen sich mit signifikantem Abstand glaubensfester als ihre Väter. Dr. Martin Rieger, Leiter des Projektes Religionsmonitor bei der Bertelsmann Stiftung, folgert daraus: «Die These, dass Religiosität von Generation zu Generation kontinuierlich schwindet, kann nach unseren weltweiten Erhebungen – auch in vielen Industriestaaten – eindeutig widerlegt werden.»
Politik ist Privatsache – Sex nicht überall
Einen Zusammenhang zwischen religiöser Orientierung der jungen Leute und ihrer Haltung zu Politik und Sexualität konnte die Studie der Bertelsmann Stiftung ebenfalls nachweisen. Für die meisten Europäer und «Westler» gilt dabei, dass Religion keinen Einfluss auf ihre politischen Überzeugungen hat. Auch für die meisten der religiösen jungen Menschen außerhalb Europas gilt dies, wenn auch nicht so strikt. Nicht ganz so klar liegt die Sache beim Thema Sex und Partnerschaft. Auch hier sagen die meisten der europäischen Gläubigen: Sex ist Privatsache, und nur eine Minderheit meint, dass ihr Glaube Einfluss auf ihre intime Partnerschaft hat. Für lediglich sieben Prozent der jungen Protestanten in Europa haben religiöse Überlegungen Auswirkungen für die Gestaltung ihres Liebeslebens, für allenfalls zwölf Prozent der Orthodoxen und nur noch 14 Prozent der Katholiken. Anders sieht dies jedoch außerhalb Europas aus: Hier geben immerhin 67 Prozent der Protestanten und 68 Prozent der Freikirchler einen Zusammenhang zwischen Religiosität und Sexualität an. Die außereuropäischen Katholiken geben sich hier emanzipierter. Nur die Hälfte (52 Prozent) sagt, der persönliche Glaube habe auch Auswirkungen auf das eigene Intimleben.
Der Text ist entnommen aus: http://www.teachersnews.net