Landeskunde
Adventsbräuche
Lesetext
Der Adventskranz
Erfunden wurde der Adventskranz von dem evangelischen Theologen Johann Hinrich Wichern (*1808, †1881), Gründer einer Waisenschule für Kinder und Jugendliche aus asozialen Verhältnissen, des «Rauhen Hauses». 1839 hängte er im Betsaal dieser Waisenschule den ersten Adventskranz auf, einen Kranz aus Holz mit 23 Kerzen für jeden Tag. Im Rahmen einer adventlichen Andacht wurde jeden Tag eine Kerze mehr angezündet. Die Zeit des Wartens auf Weihnachten sollte somit sinnlich gestaltet werden. Die Jugendlichen schmückten den Kranz später auch mit Tannenzweigen, als Zeichen für das Leben. In den folgenden Jahren wurde er dann auf vier Kerzen verkleinert (für jeden Adventssonntag eine) und schließlich durch die von Wichern ausgebildeten Diakone der «Inneren Mission» in ganz Deutschland verbreitet. Die heutige Adventszeit ist keine Fastenzeit mehr wie früher, sondern eine Zeit der Erwartung und Hoffnung.
Der Adventskalender
Eigentlich ist der Adventskranz auch eine Art Adventskalender. Im 19. Jahrhundert wurden viele verschiedene Advents-Zeitmesser entwickelt, um insbesondere Kinder auf das Weihnachtsfest hinzuführen: Kalender zum Abreißen, Weihnachtsuhren, deren Zeiger man jeden Tag weiterrücken konnte, stückweise abbrennende Kerzen oder Strohhalme, die man in die Krippe legen sollte und noch vieles mehr. Der Adventskalender aus Papier oder Pappe mit Bildchen und Türchen, wie man ihn heute kennt, erschien erstmals 1908 in München bei Reichhold & Lang. Sein Erfinder war Gerhard Lang. Der erste Adventskalender in dieser Form hieß «Das Christkind» und später «Im Lande des Christkinds» und wurde von dem Illustrator Richard Ernst Kepler gestaltet, der damals sehr bekannt war. Innerhalb weniger Jahre wurden solche Kalender populär und fanden nach 1920 auch international Anerkennung. Die kommerzielle Nutzung der Adventskalender führte dazu, dass christliche Motive in den Hintergrund und Comicfiguren an deren Stelle traten.
Der Barbaratag, Barbarazweige
Der 4. Dezember ist der Gedenktag der heiligen Barbara. Das Brauchtum der Barbarazweige geht auf die Legende der heiligen Barbara zurück. Sie ist eine der 14 Nothelfer der katholischen Glaubenswelt und gilt als Schutzpatronin der Artilleristen, Bergleute, die für sie am Barbaratag ein Licht im Stollen brennen lassen, Gefangenen, Glöckner, Architekten und Waffenschmiede. Besonders bekannt und verbreitet ist die Sitte, am Barbaratag einen Apfel-, Kirsch-, Kastanien-, Pflaumen-, Holunder-, Rotdorn- oder Forsythienzweig zu schneiden und in das geheizte Zimmer zu stellen. Zum Weihnachtsfest soll der Zweig dann zum Blühen kommen. Das wird von vielen als gutes Zeichen für die Zukunft gewertet. Doch religiös zeigt die – artfremd – reagierende Natur, dass durch die Geburt Gottes die Normalität außer Kraft gesetzt wird. Wo Gott auftaucht, erblüht alles – selbst wenn dies zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen ist.
Der Einlege- und Einkehrbrauch des heiligen Nikolaus
Der 6. Dezember ist der Gedenktag des heiligen Nikolaus. Das heimliche Einlegen von Äpfeln, Nüssen und Süßigkeiten in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember hat selbst Martin Luther noch bis 1535 in seiner Familie praktiziert. Mit der Verlegung des Schenktermins auf Weihnachten fiel der Brauch jedoch in den meisten protestantischen Regionen weg oder übertrug sich auf Weihnachten und das Christkind. Das «Einlegen» der Gaben ist wohl abgeleitet von dem legendären «Einlegen» der Goldklumpen in das «Haus der drei Mädchen». Das durch den Kamin eingeworfene oder eingelegte Gold hat sich nach alter Tradition in den am Kamin zum Trocknen aufgehängten Strümpfen der Mädchen verfangen. Im angelsächsischen Einflussbereich sind deshalb Strümpfe oder Schuhe gängige «Empfangsbehälter». In katholischen Regionen wurde im 17. Jahrhundert der Einlegebrauch durch den Einkehrbrauch abgelöst.
Nachdem das Nikolausfest durch die Reformation als Kinderbeschenktag veraltet war, reagierte die Gegenreformation, indem sie dem Fest ein katechetisch-pädagogisches Gepräge gab. Nikolaus und Gefolge kehrte in jedes Haus mit Kindern ein und prüfte diese. Abgefragt wurde, ob die Kinder ihre Gebete verrichtet hatten und den Anordnungen der Eltern gefolgt waren. Die Guten wurden belohnt und die Nachlässigen verwarnt. Der Einkehrbrauch hat durch die vielfach komödienhafte Inszenierung und die Ausnutzung als «Angstmacher» gelitten. Auch heute noch kann man den Einkehrbrauch verantwortlich inszenieren, wenn man mit dem Brauch keine Angst auslöst und die Kinder die Güte des Heiligen erleben lässt. Knecht Ruprecht darf nicht als Angstmacher bedrohlich werden. Ein Sack, in den Kinder gesteckt werden (könnten), hat mit dem Heiligen nichts zu tun. Beim Einkehrbrauch des heiligen Nikolaus übernimmt der heilige Nikolaus die Rolle eines gütigen Richters, der aus katechetischen Gründen lobt oder straft.
Didaktisierungsvorschlag
- Informiere dich in einem Lexikon oder im Internet über Herkunft und Entstehung des Advents. Wozu war der Advent damals gedacht, wozu heute?
- Suche im Internet Informationen über Johann Hinrich Wichern und das «Rauhe Haus».
- Welchen Sinn erfüllen Adventskränze und Adventskalender?
- Durch die kommerzielle Ausrichtung des Adventskalenders traten der eigentliche Sinn und die christlichen Bezüge und Motive in den Hintergrund. Überlege dir andere, alternative Formen von Adventskalendern, die nicht kommerziell sind und «sinnvoll» auf das Weihnachtsfest hinführen.
- Informiere dich über die Legende der heiligen Barbara.
- Woher kommen Einlege- und Einkehrbrauch des heiligen Nikolaus? Welchen Sinn soll der Einkehrbrauch erfüllen?
- Welche Adventsbräuche kennst du noch?
Quellen: Dr. theol. Manfred Becker-Huberti, Köln: www.nikolaus-von-myra.de;
Morgenroth, Matthias: Heiligabend-Religion. Von unserer Sehnsucht nach Weihnachten. München 2003.