Bildung und Erziehung
Muslime in Deutschland – Sehr religiös und zugleich tolerant
Berlin (RPO). Muslime in Deutschland sind sehr religiös und zugleich tolerant. 90 Prozent von ihnen seien religiös, davon 41 Prozent sogar hochreligiös, ergab die Sonderstudie «Religionsmonitor 2008 – Muslimische Religiösität in Deutschland», die die Bertelsmann-Stiftung in Berlin vorstellte.
In der gesamtdeutschen Bevölkerung könnten hingegen nur 70 Prozent mit Blick auf ihre Anschauungen und Glaubenspraxis als religiös und davon 18 Prozent als hochreligiös bezeichnet werden. Am stärksten ausgeprägt ist die Religiosität bei der Konfession der Sunniten1 (92 Prozent), gefolgt von Schiiten2 (90 Prozent) und schließlich den Aleviten3 mit 77 Prozent.
Die Umfrage kommt außerdem zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass eine ausgeprägte Religiösität gleichzeitig mit einer großen Toleranz gegenüber anderen Religionen einhergeht4. So bejahten gut zwei Drittel der befragten Muslime, dass jede Religion einen wahren Kern habe.
Unter den Hochreligiösen lag die Zustimmungsrate mit 71 Prozent sogar etwas höher. 86 Prozent sprachen sich für Offenheit gegenüber anderen Religionen aus, nur sechs Prozent lehnten dies ab. Eine Minderheit von 31 Prozent ist der Studie zufolge der Meinung, dass vor allem Muslime zum Heil5 gelangten. 24 Prozent sind der Ansicht, dass vor allem ihre Religion recht habe.
Der Befragung zufolge bedeuten den Muslimen in Deutschland Bekleidungsvorschriften wie das Kopftuch für Frauen weniger als Speisevorschriften und rituelle Reinheitsgebote. Eine Mehrheit von 53 Prozent lehnte das Kopftuchtragen ab, 33 Prozent sprachen sich dafür aus. An das Verbot, Schweinefleisch zu essen, halten sich nach eigenen Angaben 86 Prozent der Befragten, 58 Prozent verzichten vollständig auf Alkohol.
Unmittelbare Auswirkungen hat der Glaube der Studie zufolge bei der Mehrheit der Muslime etwa auf Einstellungen zu Kindererziehung, Umweltschutz und den Umgang mit Krankheit und Lebenskrisen. Nur bei einer Minderheit spiele der Islam hingegen eine wichtige Rolle bei der Wahl des Ehepartners, bei Sexualität und der politischen Einstellung.
«Diese neuen Ergebnisse des Religionsmonitors brechen viele Klischees auf», erklärte die ehemalige Bundestagspräsidentin und frühere Vorsitzende des Sachverständigenrats für Zuwanderung und Integration Rita Süssmuth (CDU). So sei bislang die Religiosität von Muslimen als sehr politisch wahrgenommen worden; tatsächlich spielten bei den Muslimen Politik und die politische Einstellung aber «eine sehr untergeordnete Rolle».
1 Sun|nit, der; -en, -en: Anhänger der orthodoxen Hauptrichtung des Islams, die sich auf die Sunna stützt. Sun|na, die; - [arab. sunnah, eigtl. = Brauch; Satzung]: Gesamtheit der überlieferten Aussprüche, Verhaltens- u. Handlungsweisen des Propheten Mohammed als Richtschnur muslimischer Lebensweise.
2 Schi|it, der; -en, -en: Anhänger der Schia. Schia, die; - [arab. ši`ah = Partei]: religiöse Gruppe des Islam, die allein Ali, den Schwiegersohn des Propheten Mohammed, sowie dessen Nachkommen als rechtmäßige Stellvertreter des Propheten anerkennt.
3 Ale|vit, der; -en, -en [arab; nach dem Kalifen Ali, dem Schwiegersohn des Propheten Mohammed]: Anhänger einer islamischen Religionsgemeinschaft in Vorderasien.
4 ein|her|ge|hen <unr. V.; ist> (geh.): 1. (in bestimmter Weise, an einem bestimmten Ort o. Ä.) vor jmds. Augen umher-, vorbeigehen: mit gesenktem Kopf neben seinem Pferd e. 2. gleichzeitig mit etw. auftreten, vorkommen, erscheinen; mit etw. verbunden sein: die Krankheit geht meist mit Fieber einher.
5 Heil, das; -[e]s: a) etw., was jmdm. das ersehnte Gute bringt; jmds. Wohlergehen, Glück: eine H. bringende Wirkung; sein H. in der Entsagung, Vergangenheit suchen; sein H. nur im Alkohol sehen; bei jmdm. [mit etw.] sein H. versuchen (Erfolg zu haben versuchen); (als Gruß- od. Wunschformel:) H. den Siegern!; b) (Rel.) Erlösung von Sünden u. ewige Seligkeit: die H. bringende Botschaft; das ewige H.; das H. seiner Seele.