Bildung und Erziehung
Die Hightech-Spicker: So überlistet die Generation Internet ihre Lehrer
Noch nie war Schummeln und Spicken in der Schule so einfach wie heute. Denn längst haben die Schüler das Internet für sich entdeckt und tauschen dort Hausaufgaben, Halbjahresarbeiten und raffinierte Spicktipps aus.
Als Lehrer muss man ganz schön auf Zack sein, um nicht das Nachsehen zu haben. Denn wenn ein Schüler während einer Klassenarbeit eine unverdächtige Flasche auf dem Tisch stehen hat, kann das einfach nur ein Zeichen dafür sein, dass er Durst hat – oder aber ein ganz raffiniertes Spickzettelversteck.
Der Trick ist denkbar einfach – und einfach brillant: Um mit der Flasche zu spicken, wird das Papieretikett abgelöst und am Computer eingescannt. Mit einem Bildbearbeitungsprogramm wird dann das Etikett ein wenig umgearbeitet. Dort, wo normalerweise die Inhaltsstoffe des Getränks aufgelistet sind, wird der Spickertext platziert. Anschließend wird das Etikett einfach ausgedruckt und auf die Flasche geklebt. Da muss der Lehrer schon sehr genau hinschauen, um den Spicker zu entdecken. Der Trick klappt nicht nur mit Flaschen, alternativ kann auch eine Tafel Schokolade neu verpackt werden – oder der Hilfstext wird direkt in die Schokolade gekratzt. Das hat den Vorteil, dass man den Spicker bei Gefahr im Verzug einfach aufessen kann.
Auf Internetseiten wie www.spicktipps.org oder www.spicken.net tauschen sich die Schüler über erfolgreiche Schummelmethoden aus – und Lehrer, die dort nicht mitlesen, haben bei Klassenarbeiten oft das Nachsehen. «Ich denke, die meisten Lehrer haben keine Ahnung von diesen Tricks», meint Peter Lauenstein, Realschulrektor der Albert-Einstein-Schule in Laatzen bei Hannover. Der neueste Trick, von dem er gehört hat: «Ein Schüler hatte sich den Spickzettel auf die Rückseite eines T-Shirts drucken lassen. Das musste dann sein Vordermann anziehen.» Auf den ersten Blick sah es so aus, als sei das ein Fan-Shirt von einem Festival, auf dem Bandnamen abgedruckt waren. Erwischt wurde der Schüler nicht. «Das wurde uns erst hinterher erzählt», sagt Lauenstein. Er nimmt es aber sportlich. «Wenn es ein guter Trick ist, dann ist das in Ordnung.» Außerdem hätte die Schummelei auch einen pädagogischen Nutzen: «Wer sich einen guten Spickzettel macht, braucht ihn hinterher meist gar nicht, weil er dabei alles gelernt hat.»
Weniger tolerant ist Lauenstein allerdings bei Schummeleien mit Hausaufgaben – auch da bietet das Internet Schülern jede Menge Möglichkeiten zur Arbeitsvermeidung. Auf vielen Seiten werden fertige Hausaufgaben angeboten. Ausdrucken, abschreiben, fertig. Schon Schüler der sechsten und siebten Klassen versuchen, sich auf diese Weise das Leben leicht zu machen. Im Gegensatz zu den Hightech-Spickern fliegen die Hausaufgabenschummler aber schneller auf. «Das merkt man als Lehrer, wenn der Text einfach aus dem Internet kopiert wurde», sagt Lauenstein. Bei jüngeren Schülern fällt zum Beispiel auf, wenn die Sprache plötzlich nicht mehr kindgerecht ist oder Formulierungen benutzt werden, die normalerweise nicht zum Repertoire des Schülers gehören. Mit einer Googlesuche sind die Übeltäter dann auch leicht zu überführen.
Wer sich seine Hausaufgaben aus dem Internet lädt, anstatt sie selbst zu machen, läuft überdies Gefahr, selbst hereinzufallen. Denn im Internet tummeln sich viele unseriöse Anbieter, die mit Hausaufgabenseiten Schüler abzuzocken versuchen. Die meisten dieser betrügerischen Webseiten funktionieren nach dem gleichen Prinzip: Um an die Inhalte zu kommen, muss sich der Benutzer anmelden und im Zuge der Registrierung auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) akzeptieren. In denen verbirgt sich dann der Hinweis, dass das Angebot kostenpflichtig ist. Meist wird versucht, den Nutzern einen Abovertrag mit einer Mindestlaufzeit von zwei Jahren unterzujubeln – es wird eine monatliche Gebühr fällig, die für ein Jahr im Voraus zu entrichten ist. Es ist also ratsam, die AGB immer sorgfältig zu lesen.
Wer dennoch in eine Abofalle geraten ist, sollte auf keinen Fall zahlen – auch dann nicht, wenn das Unternehmen einen Rechtsanwalt damit beauftragt, das Geld einzutreiben. Denn ein wirksamer Vertrag ist auf diese Weise keineswegs zustande gekommen. Wichtig ist allerdings, den Anbieter darüber zu informieren, dass man das Vertragsverhältnis bestreitet. Bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gibt es einen entsprechenden Musterbrief, der per Einschreiben an den Anbieter geschickt werden sollte. Damit werden sich die Abzocker in der Regel allerdings nicht zufriedengeben und weiter Geld fordern. Wer dem Vertrag widersprochen hat, kann das jedoch guten Gewissens ignorieren. Reagieren muss man aber, wenn der Anbieter ein gerichtliches Mahnverfahren einleitet. Trifft ein solches Schreiben ein, muss dem Mahnverfahren unbedingt widersprochen werden. Hilfestellung dabei leistet unter anderem die Verbraucherzentrale Niedersachsen.