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Sonderthema

Rudolf Diesel
Leben und Werk

Rudolf Diesel wurde am 18. März 1858 als zweites Kind von Theodor Diesel und dessen Ehefrau Elise in Paris geboren. Der gelernte Buchbinder Theodor Diesel war etwa zehn Jahre zuvor aus Augsburg fortgezogen, ausgewandert und 1855 Elise Strobel begegnet, der Tochter eines Nürnberger Gürtlermeisters und Galanteriewarenhändlers, die sich nach der Auflösung des väterlichen Geschäftes als Hausdame und Gesellschafterin durchgeschlagen hatte. In Paris arbeitete Theodor Diesel zunächst in einer Lederwarenfabrik und richtete dann selbst einen kleinen Betrieb zur Herstellung von Lederwaren ein, der jedoch ständig vom Bankrott bedroht war. Als Frankreich wegen des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71) alle Ausländer auswies, mussten Anfang September 1870 auch Theodor und Elise Diesel mit ihren 14, 12 bzw. 11 Jahre alten Kindern Louise, Rudolf und Emma das Land verlassen.

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Für die Dauer des Krieges zogen sie nach London, wo Elise Diesel vor der Eheschließung als Hausdame tätig gewesen war. Aus finanziellen Gründen schickten die Diesels den zwölfjährigen Rudolf einige Wochen später allein nach Augsburg, zu seinem Onkel Christoph Barnickel und seiner Tante Barbara. Rudolf Diesel, der zunächst noch besser französisch als deutsch sprach, besuchte in Augsburg die «Königliche Kreis-Gewerbsschule», an der Christoph Barnickel Mathematik unterrichtete. Mit vierzehn Jahren teilte er seinen Eltern in einem Brief mit, er wolle Ingenieur werden. Nachdem er 1873 die Gewerbeschule als Jahrgangsbester abgeschlossen hatte, wechselte er zur neu gegründeten Industrieschule in Augs­burg, und 1875 immatrikulierte er sich als Stipendiat an der Königlich Bayerischen Technischen Hochschule in München – gegen den Willen seiner Eltern, denen es aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage lieber gewesen wäre, wenn er Geld verdient hätte.
Der dort lehrende außerordentliche Professor für Theoretische Maschinenlehre, Carl von Linde, hatte seinen Studenten 1878 in seiner Vorlesung über Thermodynamik erläutert, dass der Wirkungsgrad der Dampfmaschine nur bei etwa 6 bis 10 Prozent lag, sich nach dem Carnot’schen Kreisprozess aber bei gegebenen Temperaturgrenzen wesentlich höhere Wirkungsgrade erzielen lassen müssten.
Rudolf Diesel notierte sich damals als Student: «Studieren, ob es nicht möglich ist, die Isotherme praktisch zu verwirklichen.» Rückblickend schrieb er dann nach einem Vierteljahrhundert: «Damals stellte ich mir die Aufgabe! Das war noch keine Erfindung, auch nicht die Idee dazu. Der Wunsch der Verwirklichung des Carnot’schen Idealprozesses beherrschte fortan mein Dasein. Ich verließ die Schule, ging in die Praxis, musste mir meine Stellung im Leben erobern. Der Gedanke verfolgte mich unausgesetzt.»

Berufsanfang bei der französischen Zentrale von Linde-Eismaschinen
Wegen einer Typhuserkrankung konnte Rudolf Diesel im Juli 1879 nicht am Examen teilnehmen. Während er auf den nächsten Prüfungstermin wartete, sammelte er bei der Maschinenfabrik der Gebrüder Sulzer in Winterthur praktische Erfahrungen. Im Januar 1880 holte er seinen Abschluss nach, und zwar mit der besten Leistung seit Bestehen der Hochschule. Danach reiste er nach Paris, half beim Aufbau einer Eisfabrik der im Jahr zuvor von seinem Münchner Maschinenbau-Professor Carl von Linde gegründeten Gesellschaft für Lindes Eismaschinen – und brachte es dort innerhalb eines Jahres zum Direktor.
Nach der Ansicht seines Sohnes Eugen gründete Diesels erfinderisches Wirken von Beginn an auf einer sozialen Motivation. Er begründet dies unter anderem damit, «dass die großen Dampfmaschinen der Großindustrie pro Pferdekraftstunde billiger arbeiteten als die kleinen Dampfmaschinen, welche das Kleingewerbe und die Handwerker zu verwenden gezwungen waren. ... Darum ist bis in die 90er Jahre des 19. Jahrhunderts eine unermüdliche Bewegung festzustellen, sparsame kleine Kraftmaschinen zu bauen. Das versuchte man, ehe der Sieg der Elektromaschinen entschieden war, auf sehr verschiedene Weise.»
Seine zweite große Vision war die Lösung der Arbeiterfrage, an deren Lösung er sich – zumindest politisch – jedoch als Deutscher in seinem Gastland Frankreich nicht beteiligen konnte. In einem Brief vom 22. Juni 1880 heißt es wörtlich: «Ich habe hier ja dem Staate gegenüber keine Rechte, kann nicht wählen, mich nicht am öffentlichen Leben beteiligen, was doch mir mit Lebenszweck ist, da mir die Arbeiterfrage sehr am Herzen liegt. Nein, ich bin mir meiner Empfindungen in dieser Beziehung klar bewusst und habe auch mein Ziel vor Augen, aber nicht in Frankreich.»
Allerdings wurden ihm als Betriebsleiter auch die Risiken eines zu naiven sozialen Engagements für die Belange seiner Arbeiter deutlich vor Augen geführt: «Ich wollte es mit den Arbeitern in Güte und Milde versuchen, aber ich bin total gescheitert, streng muss man sein, dreinfahren wie ein Donnerwetter, sonst ist unter diesem Volk keine Disziplin.»
Im Februar 1881 traf sich Rudolf Diesel mit Heinrich Buz, dem Direktor der Maschinenfabrik Augsburg (ab 1908: Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG, MAN) und vereinbarte mit ihm eine Zusammenarbeit beim Bau einer Versuchsanlage für die Herstellung von Klareis in Flaschen. Für das Verfahren erhielt Rudolf Diesel am 24. September ein kaiserliches und am 24. Oktober ein französisches Patent. Zwei Jahre später wurde die Anlage in Paris fertiggestellt.
Wegen seiner vertraglichen Bindung an die Linde-Gesellschaft war es Rudolf Diesel aufgrund des geltenden Patentgesetzes nicht möglich gewesen, seine Erfindungen und Konzeptionen selbst auszuwerten, was ihn sehr störte. Dies entsprach der allgemein herrschenden Ansicht (in Deutschland hatte sich Werner von Siemens in diesem Sinne für eine entsprechende Ausgestaltung des Patentgesetzes von 1877 eingesetzt), wonach ein angestellter Ingenieur im Allgemeinen Erfindungen nicht für eigene Zwecke verwerten durfte, da diese in der Regel dem Umfeld der Firma bzw. mit den in dieser erworbenen Kenntnissen verwirklicht wurden. Aus diesem Grund setzten die Werksverträge der Firmen meistens fest, dass die Erfindungen seiner Ingenieure ihr Eigentum waren. Andernfalls würde sich das Unternehmen der Gefahr aussetzen, dass im eigenen Haus eine bedrohliche Konkurrenz heranwächst.
Als Diesel später seinen Dieselmotor von seinen Ingenieuren weiterentwickeln ließ, verfuhr er ebenso: «Da mir mein Kontrakt mit Linde vollständig die Hände bindet, indem ich für Lebzeiten verpflichtet bin, keine eigene Erfindung an Eismaschinen ausbeuten zu dürfen, so habe ich natürlich die Eismaschine und was damit zusammenhängt in meinen Privatstudien völlig über Bord geworfen, und mich nach anderer Richtung gewandt. Ich hoffe bis Ende dieses Jahres einen gewissen Abschluss meiner Studien zu erreichen und vielleicht nächstes Jahr anzufangen, finanzielle Erfolge davon zu erblicken. – Bis das aber sicher ist, betreibe ich, als Broterwerb, die Anlage von Lindes Eismaschinen.»
Sein «unzähmbarer Trieb nach Selbstständigkeit» (Eugen Diesel) ließ sich mit dieser Einengung seiner kreativen Möglichkeiten nicht vereinbaren, woraufhin er sein Angestelltenverhältnis bei Linde beendete. Als freier Kaufmann und Ingénieur civil leitete er dann ohne festes Gehalt die Vertretung von Lindes Eismaschinen, behielt aber mit 3600 Francs Gehalt seine Position als Direktor der Eisfabrik. Dies bedeutete bereits einen höheren Grad an persönlicher Freiheit, wenn er auch in vielerlei Hinsicht an die Firma gebunden blieb.
Im November 1883 vermählte sich Rudolf Diesel in München mit Martha Flasche, der Tochter eines Notars in Remscheid, die er im Jahr zuvor in Gent kennengelernt hatte.
In Frankreich hatte siebzehn Jahre nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen 1870/71 der Deutschenhass immer mehr zugenommen, was Rudolf Diesel schließlich überlegen ließ, das Land zu verlassen. Auch Streitereien mit Käufern und inkompetente Mitarbeiter zermürbten Diesel zunehmend, sodass er schrieb: «Immer stärker wird der Wunsch in mir wach, mich von den lumpigen Eismaschinen loszumachen. Ich habe genug davon! Ich habe auch nicht mehr lange Geduld. Wenn nur die Vernunft noch aushält, bis es Zeit ist und nicht vor der Zeit lahm wird.»
Unterdessen hatte er weiter an seinem Motor gearbeitet, gut verdient und Geld für seine Erfindungen zurückgelegt. Die Prototypen und Geräteteile gab er bei diversen Unternehmen in Auftrag, damit er seine Erfindung geheim halten konnte. Dies war mit gro­ßem finanziellen Aufwand verbunden – zudem verursachte seine starke Einbindung in die laufenden Geschäfte der Linde-Eisfabrik immer wieder Unterbrechungen in seiner Erfindungstätigkeit:
Am 21. Februar 1890 zog Rudolf Diesel mit seiner Frau und den Kindern Rudolf, Heddy und Eugen nach Berlin, übernahm die Leitung des technischen Büros der Gesellschaft für Lindes Eismaschinen und ließ sich in den Vorstand der neu gegründeten Aktiengesellschaft für Markt- und Kühlhallen wählen.

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Erster funktionsfähiger Dieselmotor
aus dem Jahr 1897

Berlin – Augsburg – München: Die Entstehung des Dieselmotors
1885 hatten Gottlieb Daimler und Ernst Wilhelm Maybach in Cannstatt bei Stuttgart einen am 29. August 1885 patentierten Verbrennungsmotor als Antrieb eines zweirädrigen, hölzernen Versuchsfahrzeuges ausprobiert. Kurze Zeit später, am 29. Januar 1886, hatte Karl Friedrich Benz in Mannheim ein Fahrzeug mit einem ähnlichen Motor zum Patent angemeldet («Patentmotorwagen»). Den drei Konstrukteuren war es gelungen, den von Nikolaus August Otto und Eugen Langen konstruierten und von der Gas-Motoren-Fabrik Deutz AG am 5. Juni 1876 zum Patent angemeldeten atmosphärischen Gasverbrennungsmotor («Ottomotor») zum schnell laufenden Benzinmotor weiterzuentwickeln. Während es Gottlieb Daimler und Ernst Wilhelm Maybach vor allem auf den Motor angekommen war, hatte Karl Friedrich Benz das Ziel verfolgt, ein motorisiertes Straßenfahrzeug – ein Automobil – zu bauen.
In einer 1893 veröffentlichten Schrift mit dem Titel Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärmemotors zum Ersatz der Dampfmaschine und der heute bekannten Verbrennungsmotoren legte Rudolf Diesel seine Idee einer «neuen rationellen Wärmekraftmaschine» dar, für die er am 27. Februar 1892 Patentschutz angemeldet hatte und ein Jahr später rückwirkend erhielt.
Weil die Gas-Motoren-Fabrik Deutz AG nicht daran interessiert war, entwickelte Rudolf Diesel sein Konzept unter finanzieller Beteiligung der Firma Friedrich Krupp bei der Maschinenfabrik Augsburg und schloss außer mit diesen Unternehmen auch mit der Maschinenfabrik der Gebrüder Sulzer in Winterthur einen Kooperationsvertrag. Ende November 1893 reichte Rudolf Diesel ein weiteres Patent für seinen Motor ein, in dem er Irrtümer in seiner Patentschrift vom Vorjahr nach seinem aktuellen Wissensstand korrigierte.
Wie beim Ottomotor liefert auch beim Dieselmotor die chemische Energie des Treibstoffs Wärmeenergie (Verbrennung), die einen Kolben in einem Zylinder bewegt und auf diese Weise in mechanische Energie weiterverwandelt wird. Die beiden Motorarten unterscheiden sich vor allem in der Art der Gemischbildung und Zündung. Der Dieselmotor saugt im ersten Takt statt eines brennbaren Luft-Benzin-Gemisches nur Luft an, die bei der Abwärtsbewegung des Kolbens im zweiten Takt verdichtet und dadurch stark erhitzt wird. Erst jetzt erfolgt die Einspritzung des öligen Kraftstoffes, der sich aufgrund der hohen Temperatur von selbst entzündet. Die Explosion treibt den Kolben wieder zurück (Arbeitstakt), und mit der gegenläufigen vierten Bewegung stößt der Kolben das verbrannte Luft-Treibstoff-Gemisch aus. Dann beginnt der Zyklus von vorn. Beim Dieselmotor sind also weder Zündanlage noch Vergaser erforderlich. Umso komplizierter ist allerdings die Einspritzanlage. Dieselmotoren laufen nicht mit Benzin, sondern mit einem billigeren Zwischenprodukt der Erdöl-Raffinerien, einem Leichtöl, das nach dem Erfinder des Motors «Diesel» genannt wird.
Der Weg von der patentierten Erfindung bis zum funktionstüchtigen Motor war jedoch noch weit. Mehrere Versuchsreihen mit dem neuartigen Motor verliefen ohne befriedigendes Ergebnis; erst nach zwei Jahren Forschung und Entwicklung zeichneten sich erste Erfolge ab, und im November 1895 lief der erste Versuchsmotor im Dauertest. Auch der von April bis Dezember 1896 gebaute zweite Prototyp funktionierte und wurde am 17. Februar 1897 offiziell abgenommen: Er leistete 14 kW und war in seinem Wirkungsgrad sowohl der Dampfmaschine als auch dem Ottomotor überlegen. Nach diesem Erfolg focht die Gas-Motoren-Fabrik Deutz Rudolf Diesels Patente an, und um den Rechtsstreit abzuwenden, schlossen die Firma Friedrich Krupp und die Maschinenfabrik Augsburg einen Lizenzvertrag mit dem Unternehmen in Deutz. Am 31. Juli klagte der französische Ingenieur Emil Capitaine gegen einen Patentschutz des neuen Motors, mit der Begründung, dass die Bauweise nicht der Beschreibung in Rudolf Diesels Patentschriften entsprach. (Auch hier kam es am Ende zu einem Vergleich.)
Diesel schwieg zu den inhaltlichen Vorwürfen Capitaines, wohl weil er Capitaine in manchen Punkten recht geben musste. Dafür jedoch ließ er das ihm recht gebende Urteil in voller Länge veröffentlichen. Diesel gelang durch dieses Verhalten die Rettung seiner Patente, da das Einspruchsrecht im Jahr 1898 nach fünf Jahren abgelaufen war. Aber so blieb er auch bis zu seinem Lebensende der fortwährenden Kritik seiner Gegner ausgesetzt, die ihm vorwarfen, dass er an seiner Behauptung festhalte, «den Carnot-Prozess, wenn auch nur für ganz kleine Leistungen» verwirklicht zu haben.
Das direkte Ergebnis dieser Anfeindungen aus der Wissenschaft war seine – im September 1913 erschienene – Beschreibung Die Entstehung des Dieselmotors. Rudolf Diesel schrieb selbst einleitend: «Eine Erfindung besteht aus zwei Teilen: der Idee und der Ausführung. Wie entsteht die Idee? Mag sein, dass sie manchmal blitzartig auftaucht, meistens wird sie sich aber durch mühevolles Suchen aus zahllosen Irrtümern langsam herausschälen, sich allmählich durch Vergleiche, Ausscheiden des Wichtigen vom Unwichtigen mit immer größerer Deutlichkeit dem Bewusstsein aufdrängen, bis sie endlich klar vom Geiste geschaut wird.
Die Idee entsteht dabei weder durch Theorie noch durch Deduktion, sondern intuitiv. Die Wissenschaft ist bloß Hilfsmittel zum Suchen, zum Prüfen, aber nicht Schöpferin des Gedankens. Aber selbst wenn die wissenschaftliche Nachprüfung die Richtigkeit des Gedankens erwiesen hat, ist die Erfindung noch nicht reif. Erst wenn die Natur selbst die durch den Versuch an sie gestellte Frage bejahend beantwortet hat, ist die Erfindung vollendet. Auch dann ist sie immer nur ein Kompromiss zwischen dem Ideal der Gedankenwelt und dem Erreichbaren der realen Welt.»
Von Bedeutung sind auch Diesels Aussagen zur Praxiseinführung seiner Erfindung: «Das Laboratorium hatte demnach in ungefähr fünfjähriger Tätigkeit seine Aufgabe gelöst, die Erfindungsgedanken zu verkörpern und die grundlegenden Gesetze und typischen Konstruktionsformen des Dieselmotors so festzulegen, dass die Fabriken den Bau der Maschinen aufnehmen konnten. Die Aufgabe des Erfinders war damit erfüllt.
Nun war die Arbeit des Fabrikanten einzusetzen, d. h. die Ausbildung der Fabrikationsmethoden, die Vereinheitlichung der konstruktiven Formen mit Rücksicht auf die Serienfabrikation und damit die Herabsetzung der Herstellungspreise, ferner die allmähliche Vergrößerung der Dimensionen und die Ausbildung der verschiedensten Motortypen, mit einem Wort, die ‹Entwicklung› der Erfindung. Diese Aufgaben können nicht mehr vom Einzelnen in stiller Laboratoriumsarbeit gelöst werden, sondern nur von den Fabriken selbst in ihrem lebendigen Werkstattbetrieb und unter dem fortwährenden Druck der Bedürfnisse der Praxis und der jahrelangen Betriebserfahrungen.
Selbstverständlich war die Fabrik, in deren Hallen die Maschine entstanden war, deren Personal vom Konstrukteur bis zu Meister jahrelang alle Zwischenfälle und Schwierigkeiten mit erlebt und mit überwunden hatte, für diese Aufgabe die geeignetste. Deshalb blieb die Maschinenfabrik Augs­burg – die sich später mit Nürnberg vereinigte – die klassische Erbauerin des Dieselmotors und die Führerin in der Entwicklung. Dort war die hohe Schule, wo sich alle später Gekommenen Rat und Hilfe holten. Dasselbe war der Fall mit der Firma Fried. Krupp, als später die Marinemaschine zu Bedeutung gelangte, insbesondere für alle Größen und Formen von Schiffs-Dieselmotoren.
Die ganze Entwicklung ist, obgleich sich später zahlreiche Auslandsfirmen auch daran beteiligten, ganz und gar deutschen Ursprungs. Ich habe schon oft Gelegenheit genommen, den beiden Firmen Maschinenfabrik Augsburg und Fried. Krupp öffentlich meinen Dank auszusprechen; ein historischer Überblick wäre unvollständig, wenn die außerordentlichen Verdienste dieser beiden Firmen darin nicht nochmals ausdrücklich hervorgehoben würden. Diese bestanden einerseits in der opferwilligen Hergabe der Mittel, in dem unbeirrten Durchhalten durch fast unüberwindlich scheinende Schwierigkeiten während der Schöpfungszeit der Maschine und nach dieser Zeit in der ausgezeichneten Werkstattausführung und der vorzüglichen Entwicklung der Maschine, d. h. der konstruktiven Durchbildung, wodurch diese beiden Firmen allen anderen als Vorbild dienten.»

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Diesels Patenturkunde

Rudolf Diesel als Unternehmer
1898 wurden die Dieselmotorenfabrik Augsburg und – zur Verwaltung der Patente – die Allgemeine Gesellschaft für Dieselmotoren gegründet, aber der Betrieb in Augsburg musste bereits im Jahr darauf wieder schließen. Rudolf Diesel war zwar ein genialer Ingenieur, aber kein erfolgreicher Unternehmer; obwohl er bei seinen Geschäfts- und Vortragsreisen viele Menschen traf, fehlte ihm der Bezug zur Realität des Wirtschaftslebens. Aufgrund der vertraglichen Verhältnisse hätte die Dieselmotorenfabrik Augsburg pro Jahr 100 000 Mark Lizenzgebühren zahlen müssen. «Es ist, wie wenn man Apfelwein von seinem eigenen Apfelbaum kauft», klagte Rudolf Diesel.
Der Dieselmotorenfabrik gelang zunächst die Akquirierung einer Reihe von Aufträgen, da der Diesel-Motor seine Nützlichkeit auf der Münchener Ausstellung im Sommer 1898 bewiesen zu haben schien. Allerdings versagten dann alle von der Dieselmotorenfabrik ausgelieferten Motoren, die nicht nach den MAN-Zeichnungen hergestellt, sondern auf Drängen Diesels neu konstruiert worden waren. In erster Linie verantwortlich für diese Ausfälle waren die schnell verschmutzenden Siebzerstäuber und die einstufigen Einblasepumpen. Der Imageverlust des Unternehmens war gewaltig, der Aktienwert sank gegen Null, und die MAN sah sich am 27. Mai 1900 in einem Brief an die Frankfurter Zeitung genötigt, «sich von dem katastrophalen Versagen der Dieselmotorenfabrik zu distanzieren», um den Verkauf der überwiegend problemlos laufenden eigenen Dieselmotoren nicht zu gefährden. Die Firma wurde schließlich 1906 liquidiert und 1911 gelöscht.
Diesels Sohn Eugen schreibt: «Diesel hatte einen wahren Hunger nach Betätigung. Jemand hat einmal gesagt, dass die Arbeit eine Erscheinungsform der Lust sei. Sie war auch bei Diesel die Befriedigung eines bei ihm angeborenen mächtigen Triebes, der sowohl von Ehrgeiz und Erfolgswillen wie von sittlichen Vorstellungen gelenkt wurde. Die immer unheimlicher werdende Zersplitterung begann den Keim zu vielen Leiden und schließlich zum Unglück zu legen. Aber hätte sich Diesel damals anders verhalten, so musste er fürchten, um die Früchte seines Erfolges gebracht zu werden.»
Ganz deutlich tritt hier der Charakter eines Menschen mit einem hohen Bedürfnis nach Leistung in Erscheinung, der sich vollständig in den Dienst seiner eigenen Schöpferkraft und seiner Erfindung stellt und bei dem der hohe Anspruch an sich selbst sich weitgehend verselbstständigt hat.
Überlastung, Fehlspekulationen, finanzielle Sorgen, jahrelange Patentstreitigkeiten und Angrif­fe von Wissenschaftlern zerrütte­-
ten Rudolf Diesels Gesundheit. Nach einem Nervenzusammenbruch im Herbst 1898 verbrachte er einige Zeit in der Heilanstalt Neuwittelsbach bei München. Ein Jahr später, als er auf der Suche nach billigem Treibstoff zu den galizischen Ölfeldern reiste, litt er erneut unter heftigen Kopfschmerzen und Erschöpfungszuständen.
Auf der Weltausstellung 1900 in Paris wurde der Dieselmotor mit dem «Grand Prix» ausgezeichnet. Österreichische, französische, englische, schottische und amerikanische Unternehmen schlossen Lizenzverträge für den Bau von Dieselmotoren ab. Das brachte Rudolf Diesel mehrere Millionen ein. Er pflegte einen großbürgerlichen Lebensstil und bezog mit seiner Familie im Frühjahr 1901 eine repräsentative Villa in München-Bogenhausen.
Dort schrieb er das Buch Solidarismus, natürliche wirtschaftliche Erlösung der Menschen, das 1903 veröffentlicht wurde. «Eine ungeheure Sehnsucht nach Besserem und Höherem erfüllt die Menschheit», heißt es darin, «alles sehnt sich nach Gerechtigkeit und Liebe.» Mit seinen Vorstellungen von einer genossenschaftlichen Gesellschaftsordnung stieß Rudolf Diesel jedoch auf Desinteresse, Ablehnung und Spott. Darunter litt er sehr, denn die Sozialreform hielt er für wichtiger als seinen Motor.
Dieselmotoren müssen wegen der hohen Kompression besonders massiv gebaut werden. Aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts waren Dieselmotoren erst einmal für den stationären Einsatz konzipiert. Beispielsweise errichtete die Maschinenfabrik Augsburg 1905 zur Stromerzeugung für die städtischen Straßenbahnen in Kiew das erste Dieselkraftwerk der Welt. 1903 erlebte Rudolf Diesel die Jungfernfahrt des französischen Kanalboots «Petit Pierre», des ersten Fahrzeugs der Welt, das mit einem Dieselmotor angetrieben wurde. Fünf Jahre später kamen Diesel-Lokomotiven auf. 1912 lief die dänische «Selandia», der erste Ozeandampfer mit Dieselantrieb, vom Stapel. Inzwischen wurden die Motoren kleiner. Die serienmäßige Ausstattung von MAN-Lastwagen mit Dieselmotoren ab 1923 und das erste serienmäßige Auto mit Dieselantrieb (Mercedes-Benz 260 D) im Jahr 1936 sollte Rudolf Diesel nicht mehr erleben.
Am 29. September 1913 brach der Fünfundfünfzigjährige zu einem Treffen der Consolidated Diesel Manufacturing Ltd. in London und zur Einweihung einer Fabrik für Dieselmotoren in Ipswich auf. Als ihn seine Begleiter am 30. September morgens während der Überfahrt von Antwerpen nach Harwich auf dem Postdampfer «Dresden» wecken wollten, fanden sie seine Kabine leer und sein Bett unbenützt vor. Am 10. Oktober entdeckte die Besatzung des niederländischen Regierungslotsenbootes «Coertsen» eine stark verweste männliche Leiche im Meer, die sie wegen des starken Seegangs nicht bergen konnte. Einige mit Kleidungsstücken aus dem Wasser gefischte Gegenstände – Portemonnaie, Taschenmesser, Pastillendose, Brillenetui – wurden drei Tage später von Rudolf Diesels Söhnen wiedererkannt. War der Erfinder ermordet worden? Etwa von Konkurrenten? Oder im Auftrag der Ölindustrie, weil er über Bio-Diesel nachdachte? Am wahrscheinlichsten ist es, dass Rudolf Diesel sich wegen seiner Überschuldung selbst das Leben genommen hatte und auf dem Ärmelkanal über Bord gesprungen war.
Für den in der Forschung als wahrscheinlichste Todesursache angenommenen Freitod Rudolf Diesels gibt es nach der Einschätzung Hans Joachim Brauns mehrere auslösende Faktoren: «Die erwähnten Schwierigkeiten mit dem Motor, dauernde Patentprozesse, Überarbeitung sowie finanzielle Fehlspekulationen. Seine Grundstücksspekulationen im Münchener Raum erwiesen sich als unglücklich, Ölfelder, die er später in Galizien erwarb, warfen kaum einen Ertrag ab, sein großes Haus in München und eine aufwendige Lebensführung vergrößerten seine Schulden.»
Eugen Diesel nimmt ebenfalls an, dass sein Vater aufgrund der bedrohlich gewordenen familiären Vermögensverhältnisse durch Selbstmord aus dem Leben schied, wenn er sich auch nicht darauf festlegt. Wörtlich schreibt Eugen Diesel: «Alles war in peinlichster Ordnung. In seinem Notizbuch befand sich hinter dem 29. September, mit Bleistift eingetragen, ein kleines Kreuz. Ich berichte die Tatsache, ohne sie zu deuten. Das Kreuz sollte vielleicht nur den Reisetag bezeichnen.»

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165 Tonnen wiegt dieser Schiffsdiesel.
Leistung: knapp 20 000 PS.

Rudolf Diesel als Erfinder
Die Stellung Rudolf Diesels als Erfinder beurteilt Hans-Joachim Braun ambivalent: «Trotz des Erfolges, den Diesel und der Dieselmotor letztlich verbuchen konnten, gibt es doch eine Fülle von Paradoxien in Diesels Leben und Wirken. Der Carnot’sche Kreisprozess, der den Anstoß zu Diesels Arbeiten gegeben hatte, ließ sich nicht, auch nicht annähernd, verwirklichen. Die Selbstzündung, die wir heute im Zusammenhang mit dem Dieselmotor mit an erster Stelle nennen, spielte für Diesel selbst kaum eine Rolle. Der Verbundmotor, der Diesel als der von ihm eigentlich zu entwickelnde Motor vorschwebte, erwies sich als völlig unwirtschaftlich, da er doppelt so viel Brennstoff wie der Einzylindermotor verbrauchte.
Sein ursprünglicher Plan, den Motor zu einer (stationären) ‹Kraftmaschine des Volkes›, nämlich des gewerblichen Mittelstandes zu machen, schlug fehl, ebenso erwies sich seine gesellschaftliche ‹Solidarismuskonzeption› als undurchführbar, deren Verwirklichung er als wichtigste Lebensaufgabe betrachtete. Er, der Ingenieurwissenschaftler, entwickelte sich zum Finanzspekulanten und ruinierte sich damit wirtschaftlich. Viele dieser Paradoxien lassen sich erklären, es bleibt jedoch ein Rest, der sich der rationalen Begründung entzieht.»
Braun weist darauf hin, dass Entwicklung und Markteinführung des Dieselmotors für Technikhistoriker und Ingenieure aufschlussreich sei, weil der Fokus der Untersuchungen so auf Bereiche im Erfindungsprozess gelenkt werde, «die teilweise in der technikgeschichtlichen Forschung vernachlässigt wurden». Besonders die Anfangsphase in der Entstehung des Dieselmotors veranschauliche, «welche große Bedeutung dem Entwicklungsprozess, dem Umkonstruieren, Verbessern, Beheben von Fehlern und Schwachpunkten der Konstruktion usw. zukommt». Obwohl der Dieselmotor in der Augsburger Fabrik ganz überwiegend problemlos lief, sei der um 1897 noch nicht «marktfähig» gewesen. Und weiter schreibt Braun: «Wie wir heute wissen und wie auch Diesel erfahren musste, sind jedoch die Bedingungen des Einsatzes einer Maschine im Produktionsprozess nicht mit denen zu vergleichen, unter denen die Maschinen beim Hersteller selbst laufen.»
Die grundsätzliche Frage nach dem innovativen oder konstruktionstechnischen Anteil von Mitarbeitern am Erfindungs- und Entwicklungsprozess großer Erfinderpersönlichkeiten beantwortet Braun in Bezug auf Diesel differenziert. Zwar habe Diesel gelegentlich mitgeteilt, dass ihm «ein Mitarbeiter beigegeben wurde», die Bedeutung dieser Mitarbeit werde in der Forschungsliteratur zu Diesel jedoch zu wenig untersucht: «Die Fixierung auf große Erfinderpersönlichkeiten versperrt häufig den Blick auf die Realitäten von Forschung und Entwicklung, zumal Biografien dieser Art einen größeren Markt finden.» Besondere Bedeutung für die Optimierung des Dieselmotors kommt demnach den Arbeiten Imanuel Lausters zu, der den verschmutzungs- und damit störanfälligen Siebzerstäuber durch den wesentlich betriebssichereren Plattenzerstäuber ersetzte. Ähnlich wichtig sei der Beitrag von Diesels Mitarbeitern bei der zweistufigen Verdichtung der Einblaseluft gewesen.
Über die historische Rolle Rudolf Diesels bei der Entwicklung des Dieselmotors schreibt Friedrich Sass in seinem Standardwerk Geschichte des deutschen Verbrennungsmotorenbaues von 1860 bis 1918: «Der ‹erste› Dieselmotor, der Motor von 1897, ist allein Diesels Leistung gewesen. Diesel war durchaus berechtigt, später, im Mai 1911 zu schreiben, dass er ‹bis zum Jahre 1897 das meiste allein gemacht habe›. Natürlich hat er damit nicht sagen wollen, dass er seine drei Versuchsmotoren eigenhändig konstruiert und gebaut habe; eine solche Aussage wäre sinnlos. Ihm stand für die Ausführung eine der besten Maschinenfabriken zur Verfügung, die es damals gab; aber er war es, der sie gewählt hat.
Die Anregung zu seiner Erfindung hat er von Carnot erhalten, aber er hat sehr bald erkannt, dass der Carnot-Prozess unausführbar ist, und hat ihn durch seinen eigenen Prozess ersetzt, den wir heute als Dieselverfahren bezeichnen. Was geschehen musste, um dieses Verfahren in einer Maschine zu verwirklichen, das hat Diesel allein angegeben, anfangs unsicher tastend, allmählich mit zunehmendem Umfang der Erkenntnisse zielsicherer, wenn auch manche seiner Pläne sich als Irrwege herausstellten, und schließlich mit dem großen Erfolg, über den er der VDI-Hauptversammlung in Kassel berichten konnte. Der Motor von 1897, der in seiner Arbeitsweise das Vorbild aller später gebauten Dieselmotoren werden sollte, ist Diesels ureigenstes Werk. Von einem ‹Dieselmythos› zu sprechen ist Geschichtsfälschung.»

Der Text ist entnommen aus: http://www.dieterwunderlich.de
http://www.heinrich-beck-institut.de