Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №9/2009

Sonderthema

Hintergrundinformationen

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Cosmas Damian Asam (1686–1739)

Befreiungskunst
Was in barocken Kirchen heute schwer nachvollziehbar erscheint, war für die Menschen des 17. und 18. Jahrhunderts offensichtlich: Die Kunst war Befreiung – von den Entbehrungen des Dreißigjährigen Krieges, von der Strenge und Statik der Spätgotik, von den Anfechtungen des katholischen Glaubens durch den protestantischen Gegenentwurf. An die Stelle der Angst vor der Auflösung aller Strukturen trat eine Phase der Restauration: Der König herrschte absolut, die katholische Kirche wurde von einer wiedererwachten Religiosität beseelt, der Adel hatte die Geschmackshoheit zurückgewonnen. In diesem Gefüge verband sich die neue ekstatische Frömmigkeit mit weltlicher Lebensfreude. Sie spiegelte sich in den üppigen Formen des Barock, in ihren bewegten Linien und der pathetischen Pracht. Statt gerade und ein wenig langweilig zu verlaufen, kam auf einmal Schwung in die Kunst, sie wurde «barocco»: schief und nicht immer dem guten Geschmack entsprechend. Das Leben und der Glauben feierten sich selbst und der Gestaltungsfreiheit waren keine Grenzen mehr gesetzt.

Quellen der Inspiration
In dieses Klima der wirtschaftlichen Konsolidierung einerseits und der kirchlichen Prachtentfaltung andererseits wurden die Brüder Asam hineingeboren. Der Vater, Hans Georg Asam, war der Sohn eines Klosterkochs – aber künstlerisch so begabt, dass er zu den führenden Kirchenmalern seiner Zeit wurde. Innerhalb weniger Jahre schuf Hans Georg Asam für die Basilika in Benediktbeuern 58 Einzelgemälde als Fresken, zum Teil in Temperatechnik gemalt (auch ein Werk von Cosmas Damian ist in Benediktbeuern zu sehen: Im Todesjahr des Vaters 1711 entstand das Altarbild Der heilige Antonius als Beschützer von Benediktbeuern). Maria Theresia Prugger, die Mutter, arbeitete als Miniaturmalerin und verdiente mit ihren winzigen Porträts manchmal mehr als der Vater mit den kirchendeckengroßen Szenen.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es zwei Richtungen, nach denen sich junge Künstler orientierten: der niederländische oder der italienische Hochbarock. Zumindest der ältere Asam suchte in Italien Inspiration. Cosmas Damian brachte von seiner Romreise 1713 eine Reihe von Anregungen mit: von Tizian die harmonische Farbgebung, vom Architekten Borromoni die effektvolle Raumgestaltung und von Gian Lorenzo Bernini die Kunst, Architektur und plastische Elemente miteinander in Einklang zu bringen und im Theatrum sacrum zu verschmelzen.

Die Kirche als Bühne
Und noch eine andere Sache hatte Cosmas Damian im Gepäck, als er aus Italien zurückkam: den ersten Preis seiner Malerklasse in der Accademia di San Luca, Roms Akademie der schönen Künste. Papst Clemens XI. überreichte die Auszeichnung. Ausgestattet mit dieser Referenz und den besten Beziehungen zum Benediktinerorden (Cosmas war in Benediktbeuern zur Welt gekommen) machten sich die Brüder an ihre erste gemeinsame Arbeit: die Abteikirche des Klosters Weltenburg, malerisch gelegen am Donaudurchbruch bei Kehlheim. Zum Gemeinschaftswerk steuerte der ältere Bruder den Bauplan der Abteikirche und die Deckenfresken bei, der jüngere gestaltete den Hochaltar und die Seitenaltäre. Äußerlich schlicht, offenbart die Kirche von Bayerns ältestem Kloster ihre Schätze im Innern. Mächtige Säulen rings um das Oval des Kirchenraums, darüber das strukturierte Gewölbe mit der abgeflachten Decke wirken wie Bühnendekor für eine illusionistische Inszenierung, in deren Mittelpunkt der Hochaltar steht. Als würde er aus dem Altar heraussprengen, reitet der heilige Georg auf den Betrachter zu. Die geschlossene Gesamtwirkung der Abteikirche war derart überwältigend, dass schon bald nach der Fertigstellung (die Inneneinrichtung wurde erst 1735 vollendet) vom «Wunder von Weltenburg» die Rede war.
Der Sprung vom Podest – in der Klosterkirche der Augustinerchorherren in Rohr/Niederbayern ist er geglückt. Befestigt an drei unsichtbaren Stangen, entschwebt Maria in Richtung Himmel. Die Apostel schauen ihr hinterher, staunend, erschreckt, zutiefst bewegt. Sie stehen gebannt vor dem göttlichen Ereignis wie der moderne Mensch vor dem Hochaltar von Egid Quirin Asam. Selbst die Beleuchtung ist bedacht: Durch ein Fenster fällt Sonnenlicht auf die Szene und taucht sie mal in goldenes, mal in glutrotes Licht. Der Altar gilt als Meisterstück des Zusammenspiels von Architektur und barocker Plastik, als Höhepunkt des illusionistischen Theatrum sacrum.

Asams Hauskirche
Die Klosterkirchen von Weltenburg und Rohr nehmen deshalb im Leben der Brüder eine besondere Stellung ein, weil sie ausschließlich von den Asams gestaltet wurden. Das war im Werkverzeichnis nur noch ein weiteres Mal der Fall: beim Bau und der Ausstattung der St. Johann Nepomuk Kirche in Münchens Sendlinger Straße. Die Kirche ist derart eingebaut in die Umgebungsarchitektur, dass sie beim Vorübergehen kaum auffällt.
Ursprünglich war St. Johann Nepomuk als Privatkapelle gedacht. Egid Quirin hatte zwischen 1729 und 1733 vier angrenzende Grundstücke erwerben können: Platz, um neben einem Wohnhaus die Kirche und ein Priesterhaus zu bauen. Als die Bevölkerung des Viertels gegen den Privatgebrauch protestierte, konzipierten die Asams sie als Beichtkirche für junge Menschen. Das passte auch zum 1729 heilig gesprochenen Patron Johann Nepomuk, der wegen der Wahrung des Beichtgeheimnisses zum Märtyrer wurde.
In der Gestaltung aber waren die Brüder vollkommen unabhängig. Kein Auftraggeber, der seine Vorstellungen verwirklicht finden wollte oder das Budget deckelte. Niemand, der sich an der unüblichen Ausrichtung der Kirche Richtung Westen störte. Die Asams arbeiteten auf eigene Rechnung und ganz nach ihrem Geschmack und das bedeutete: reiche Ausstattung mit Stuck, Silber und Gold, optimale Nutzung des mit 22 mal acht Metern knappen Raumangebots, perfekte Beleuchtung durch indirekten Lichteinfall. Die Kirche ist in drei Bereiche gegliedert. Der ungewöhnlich dunkle Eingang war für die einfachen Kirchenbesucher geschaffen und spiegelt das Leiden der Welt wider. Im mittleren, schon helleren Abschnitt, der dem Kaiser vorbehalten war, dominieren Weiß und Blau, während im hinteren Teil sozusagen Gottes Reich anbricht und die Farben förmlich explodieren. Hier findet sich mit den vier Säulen des Hochaltars eine Reminiszenz an Gian Lorenzo Berninis Petrusgrab in Rom (immerhin birgt auch die Asam-Kirche Reliquien: die Gebeine des Patronatsheiligen Johann Nepomuk sind unterhalb des Tabernakels aufbewahrt).
Die Fresken in ihrer Hauskirche zählen zu den letzten Werken von Cosmas Damian – der Vergleich zu früheren Decken zeigt, dass sich hier die Perspektive vom Raum zu lösen scheint, ihn nach oben ausdehnt. Das Fresko stellt Gott in seiner Ewigkeit dar und, als humorvolles Detail, einen Engel von unten. Die Illusion ist perfekt gelungen, die Bayern konnten direkt in den Himmel sehen.

Zwei Leben für die Kunst
Inwieweit die Asam-Brüder bei ihrem straffen Terminplan, den auswärtigen Baustellen und der Neigung, die wichtigsten Arbeiten selbst zu übernehmen, ein Privatleben führen konnten, ist nicht bekannt. Die Ausstattung ihrer Kirche lässt darauf schließen, dass die begehrten Brüder sich ihre Kunst gut entlohnen ließen. Zeitzeugen berichten, dass sie Freude an ihrer Arbeit hatten und es sich nach ihrem Tagwerk gut gehen ließen – auch von der offenen Atmosphäre und dem regen Austausch mit anderen Künstlern ist die Rede. Cosmas Damian Asam starb im Alter von 53 Jahren 1739, sein Bruder elf Jahre später. Wie die meisten barocken Biografien war auch das Leben der Asams auf Gott ausgerichtet: Egid Quirin hat von seinem Wohnhaus in der Sendlinger Straße sogar ein Fenster zum Kirchenraum geöffnet, mit Blick auf den Hochaltar. Aber vielleicht wollte er sich auch nur an seinem «heiligen Theater» erfreuen.