Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №11/2009

Sonderthema

Hintergrundinformationen

Die Jung’sche Methode
«Die ‹Wirklichkeit der Seele› ist meine Arbeitshypothese, und meine Haupttätigkeit besteht darin, Tatsachenmaterial zu sammeln, zu beschreiben und zu erklären. Ich habe weder ein System noch eine allgemeine Theorie aufgestellt, sondern nur Hilfsbegriffe formuliert, die mir als Werkzeug dienen, wie dies in jeder Naturwissenschaft üblich ist.» C. G. Jung umschreibt seine Methode in der Tradition empirischer Forschung in einem Brief an den Philosophen Martin Buber.

Werdegang mit Widersprüchen
Die zweite Spur auf der Suche nach einem Zugang zur menschlichen Seele und ihren Verletzungen führte für C. G. Jung über die Träume. «Die Imaginationen bilden zugleich den Urstoff meiner wissenschaftlichen Arbeit. Sie waren wie feurig-flüssiger Basalt, aus welchem sich der zu bearbeitende Stein auskristallisiert», umschreibt Jung diese Quelle seiner Inspiration. Sensibilisiert für die tiefgründige Welt war Jung durch seine Mutter, Emilie Preiswerk, deren Familie eine besondere mediale Begabung besaß. Carl Gustav Jung erlebt seine Mutter als liebevoll und fürsorglich und zugleich als mächtige und unheimliche Persönlichkeit. Diese «Doppelzügigkeit» spürt der junge Carl auch in sich: einerseits ist er der sich selbst bewusste Schuljunge und andererseits ein weiser Mann, der sich eher dem 18. Jahrhundert zugehörig fühlt als dem Fin de Siècle. Jung nennt das Zusammenwirken von Persönlichkeit «Nr. 1» und «Nr. 2» ein «Spiel und Gegenspiel» und fühlt sich keineswegs gespalten. Seine Persönlichkeit Nr. 2 betrachtet Jung als die maßgebliche, als sein Selbst. «Jungs Hauptbetonung des Selbst, im Gegensatz zum Ich, wurde als die kopernikanische Revolution in der Psychologie bezeichnet», so der Psychoanalytiker Anthony Stevens. Diesen Aspekt – wie viele weitere seines Werks auch – hat Jung aus der Selbstbeobachtung und -analyse entwickelt.
Nach dem Schulabschluss ist Jung hin- und hergerissen zwischen einem geistes- und einem naturwissenschaftlichen Studium, er entscheidet sich schließlich für Medizin. Wie übergreifend seine Interessen sind, zeigt der Titel seiner Dissertation. Nach der Lektüre von Kant und Schopenhauer und von spiritistischer Literatur promoviert Jung 1902 über «okkulte Phänomene». Wahre Begeisterung für sein eigentliches Fach, die Medizin, weckt erst der Wechsel zur Psychiatrie, wobei er seine Fälle zunächst unter pathologischen Aspekten betrachtet: Was geht in Geisteskranken vor? Was trennt sie vom Normalen? Sigmund Freuds Studien zur Hysterie und zur Traumdeutung beeinflussen Jung stark, aus ihnen heraus entwickelt er seine Theorie der «gefühlsbetonten Komplexe». Auch die Veröffentlichung Über die Psychologie der Dementia Praecox von 1907, Jungs internationaler Durchbruch, lehnt sich an Freuds Schriften an. Im gleichen Jahr begegnen sich die Wissenschaftler in Wien und reden 13 Stunden ohne längere Pausen miteinander. Beide profitieren zunächst von der Begegnung und ihrer Zusammenarbeit, doch bahnt sich bereits der spätere Konflikt aus der ungünstigen Vater-Sohn-Konstellation an, mit der sie ihr Verhältnis umschreiben.

Krisen- und Erfolgsgeschichte
Während Freud ihn zum Kronprinzen kürt, fühlt Jung nach einer gemeinsamen Reise in die USA schon 1909 die «Vaterautorität» auf sich lasten. Über Freuds Sexualtheorie und Jungs Beitrag Wandlungen und Symbole der Libido kommt es zum Bruch, Jung legt sein Amt als Präsident der «Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung» nieder. Auch privat steht nicht alles zum Besten. Der Erste Weltkrieg wirft in Visionen Jungs seine Schatten voraus. Aus dieser Zeit der persönlichen Krise, die ihn auch dazu zwingt, seine Praxis zeitweilig zu schließen, formuliert Jung zwei wichtige Leitsätze: die «Analytische» oder «Komplexe Psychologie» in Abgrenzung zu Freud und die Erkenntnis, dass «es Dinge in der Seele gibt, die nicht ich mache, sondern die sich selber machen und ihr eigenes Leben führen». Diesen Aspekt seiner Seele nennt er «Anima», sein weiblicher Anteil, der zwischen Bewusstem und Unbewusstem vermittelt. Während Jung 1916–1918 als Sanitätsarzt in einem englischen Internierungslager arbeitet, folgt die Erkenntnis, dass es kein übergeordnetes Ich gibt: die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewussten spiegeln Jungs Erfahrungen in seiner persönlichen Krise wissenschaftlich wider.
Mit dem Wunsch, Abstand zu gewinnen, unternimmt Jung längere Reisen nach Afrika und nach Nordamerika. Über ein taoistisches Traktat bekommt Jung Kontakt zu fernöstlichen Lehren, außerdem beschäftigt er sich mit Alchemie – und beide uralten Welten bestätigen den unermüdlichen Seelenerforscher in seiner Theorie der «Archetypen», Urbilder, die allen Menschen gemeinsam sind. Den Nationalsozialismus umschreibt Jung als Ausbruch des Archetypus – wobei auch ihm selbst die Abgrenzung zur Ideologie der Nazis nicht immer leicht fällt.

Religion und Traum
Obwohl oder gerade weil C. G. Jung im Pfarrhaus aufgewachsen ist, gestaltet sich sein Verhältnis zur christlichen Religion schwierig. Jesus Christus, zu dem er jeden Abend beten muss, empfindet der Junge als «eine Art Totgott». Viel lebendiger erscheinen dem Kind dagegen seine Träume und Visionen, die er stets für sich behält. «Dieser Besitz an Geheimnissen hat mich damals stark geprägt. Ich sehe es als das Wesentliche meiner frühen Jugendjahre an.» Der vom Vater geforderte Glauben ohne Verstehen dagegen gelingt dem Sohn immer weniger, nach der Konfirmation fällt er – wie er selbst formuliert – aus der Kirche heraus. Nach Jungs Auffassung liegt vielen seelischen Störungen die Frage nach dem Sinn des Lebens zugrunde. Beeindruckt von der Tiefe fernöstlicher Religion und Philosophie hält er sie doch nicht auf den westlichen Menschen übertragbar, vielmehr müsse die christliche Lehre um neue Aspekte erweitert werden – etwa die Verbindung des weiblichen mit dem männlichen Prinzip (Anima/Animus). Ziel aller Konzepte aber soll die Entwicklung des Menschen auf ein erweitertes Bewusstsein und seine Individuation inmitten der sozialen Umwelt sein – glaubt man Schilderungen aus seinem direkten Umfeld, ist Jung dies unmittelbar vor seinem Tod gelungen, eine solche Einheit herzustellen.