Bildung und Erziehung
Schulen bereiten Jugendliche schlecht auf das Berufsleben vor
Studie deckt Defizite bei Lehrern und im Schulsystem auf.
Die ideale Schule könnte so aussehen: kleine Klassen, eine individuelle Förderung der Schüler, kaum Ausfall von Schulstunden und ein fundierter Fachunterricht, in dem die Schüler auch in ihrer Sozialkompetenz geschult werden. Das würden sich viele Bundesbürger wünschen, wie aus einer jetzt vorgestellten repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach hervorgeht, die von der Vodafone Stiftung Deutschland in Auftrag gegeben wurde und Defizite im Schulunterricht aufdeckt.
Über 1 800 Bundesbürger beantworteten Fragen zur Qualität des deutschen Schulsystems: Was müssen Schulen leisten, und wie werden Lehrer ihrer Aufgabe gerecht? Die Befragten stellen ein schlechtes Zeugnis aus: Die Berufsorientierung in der Schule, die auch von der Wirtschaft seit vielen Jahren gefordert wird, wird nicht gut bewertet.
70 Prozent der Befragten meinen, dass die Schulen schlecht auf das Berufsleben vorbereiten. 61 Prozent halten zudem große Klassen für das größte Manko an Schulen, und mehr als die Hälfte sieht in dem häufigen Unterrichtsausfall einen Grund für das Scheitern vieler Schüler. Und 40 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, dass die Kinder mehr ihren Begabungen entsprechend gefördert werden müssten; sie fordern auch mehr Deutschunterricht für Migrantenkinder.
Auch die Lehrer erhalten schlechte Noten. Es gelinge den Lehrern nicht, den Unterrichtsstoff angemessen zu vermitteln, ist ein Ergebnis der Umfrage. Fast 70 Prozent der Befragten sind außerdem der Meinung, dass die Lehrer in ihren Klassen überfordert sind, machte Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung bei der Vorstellung der Ergebnisse deutlich.
Das hat auch mit den sehr hohen Erwartungen an Schule und Lehrer in Deutschland zu tun. «Die Anforderungen sind höher als in anderen europäischen Ländern», sagt Heinz-Peter Meidinger, Bundesvorsitzender des Deutschen Philologenverbands. «Die Schule gilt als Reparaturbetrieb und soll die Erziehungsdefizite der Eltern ausgleichen. Das können die Lehrer nicht leisten.»
Ein interessantes Ergebnis ist, dass die Vermittlung von Allgemeinbildung und Sozialkompetenzen wie Pünktlichkeit, Hilfsbereitschaft und Konzentrationsfähigkeit von den Befragten für weit wichtiger gehalten wird als Fachwissen in Mathematik und Naturwissenschaften – trotz aller Initiativen zur Förderung dieser Fächer. Das ist nach Ansicht von Mark Speich alarmierend für den Wissens- und Innovationsstandort Deutschland.
Interessant ist die Diskrepanz zwischen den befragten 360 Eltern, die schulpflichtige Kinder haben, und den übrigen Befragten. Die Eltern beurteilen die Lehrer, die sie vor Ort kennen, um einiges positiver als die übrigen Teilnehmer der Umfrage. 44 Prozent der Eltern gegenüber
16 Prozent der übrigen Befragten sagen, dass die Lehrer sich um einen interessanten Unterricht bemühten.
Dennoch will die Umfrage keine Lehrerschelte betreiben, sondern einen neu geschaffenen Lehrerpreis flankieren, mit dem die Vodafone Stiftung und der Deutsche Philologenverband gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kreative Lehrer unterstützen und fördern will. Die aktuelle Umfrage mache deutlich, sagte Heinz-Peter Meidinger, dass die Lehrer dringend etwas für ihr Image tun müssten, auch damit qualifizierter Nachwuchs gewonnen werden kann.
Der «Deutsche Lehrerpreis – Unterricht innovativ» setzt sich aus zwei Kategorien zusammen. Lehrer können sich mit ihren innovativen und modernen Unterrichtskonzepten bewerben. Schüler von Abschlussklassen können außerdem einen Lehrer nominieren, der sie durch seine Persönlichkeit besonders beeindruckt hat.
Die Vodafone Stiftung Deutschland engagiert sich für den Lehrerpreis, weil sie ihre Bildungsaktivitäten ausbauen will. Sie wird künftig auch soziale Entrepreneure finanziell unterstützen, die als Unternehmensgründer innovative Bildungsprojekte aufbauen und damit die in Deutschland bestehende Schere zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg abmildern wollen, kündigte Speich von der Stiftung an.
Doch bei aller Kritik an Lehrern und Schülern: Die Bundesbürger nehmen auch die Eltern und Schüler in die Verantwortung: Fast 70 Prozent glauben, dass die schlechten Leistungen der Schüler auf zu viel Fernsehen und Computerspielen beruhten. Außerdem sagen fast zwei Drittel, dass die Eltern sich zu wenig um die schulischen Angelegenheiten ihrer Kinder kümmerten. In Hinblick auf eine ideale Schule könnte auch das eine wichtige Rolle spielen.
Der Text ist entnommen aus:
http://www.handelsblattmachtschule.de