Bildung und Erziehung
GEW: Maximal 20 Kinder je Klasse
Ahrensburg. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Stormarn sieht den Unterricht an Grundschulen in Gefahr. «Es kommen immer neue Aufgaben auf uns zu, ohne dass das Personal aufgestockt1 wird», sagt der stellvertretende GEW-Kreisvorsitzende Wolfram Springer. Mit der Umsetzung der «Inklusiven Bildung» sei die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Das im Schulgesetz verankerte Konzept sieht vor, dass künftig alle Kinder in der Grundschule unterrichtet werden – auch jene, die wegen ihrer Lernbehinderungen bislang eine Förderschule besucht haben. «Dafür reichen unsere Ressourcen nicht aus», sagt Springer.
Die GEW fordert die Reduzierung der Klassenfrequenzen auf 20 Kinder, die Senkung der Lehrerpflichtstunden von 28 auf 24 und zehn zusätzliche Stunden pro Klasse von Lehrern aus Förderzentren. Eine Resolution an das Bildungsministerium in Kiel ist unterwegs. Sie wurde bei einer außerordentlichen Konferenz in Ahrensburg einstimmig verabschiedet.
«Die Kollegen stehen alle voll hinter den Forderungen», sagt Corinna Opitz, Klassenlehrerin an der Grundschule am Schloss in Ahrensburg. «Das heißt aber nicht, dass wir gegen Integration sind. Wir halten das Ziel, alle Kinder in der Grundschule zu unterrichten, für richtig. Aber die Förderung muss gewährleistet sein», sagt die Pädagogin. Und das sei nicht der Fall. Nach dem alten Integrationsmodell habe es zwei zusätzliche Lehrerstunden pro Integrations-Kind
(I-Kind) gegeben. Jetzt gebe es zwei zusätzliche Stunden pro Klasse. Opitz: «Das heißt, die Förderung ist so gut wie weg.»
Genauso sieht es Kirsten Feddersen von der Grund- und Hauptschule in Zarpen: «Das ist der Knackpunkt. Zwei Stunden sind zu wenig. In Musik, Sport oder Kunst ist es vielleicht kein so großes Problem. Aber in den Kernfächern Deutsch und Mathematik brauchen wir mehr fachliche Unterstützung von außen, um die Lerngruppen auch mal teilen zu können.»
Außerdem müssten die Klassen kleiner werden. «Und wir brauchen mehr Möglichkeiten zur Fortbildung. Schließlich habe ich mich bewusst für eine Ausbildung als Grundschullehrerin entschieden. An Förderschulen zu unterrichten, habe ich mir nicht zugetraut», sagt die Lehrerin, die seit mehr als 20 Jahren unterrichtet. «Das ist aufreibend, aber ich mache meine Arbeit total gern», sagt Feddersen. Sie vermutet, dass bei den Reformen auch der Sparzwang eine Rolle spielt. Und das gefällt ihr nicht. Feddersen: «Das ist eine Krux2 und gegenüber Eltern und Kindern nicht in Ordnung.»
Im Kieler Bildungsministerium kann man die Aufregung nicht verstehen. «Es handelt sich nicht um Veränderungen von jetzt auf gleich. Seit mehr als 20 Jahren wird die Integration ausgebaut. Und Sonderschulpädagogen aus den Förderzentren helfen dabei», sagt Ministeriumssprecher Sven Runde. Außerdem hänge die neue Verordnung mit einer UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen zusammen, die von der EU unterzeichnet und von Deutschland ratifiziert wurde. Runde: «Sie ist also rechtlich verbindlich.»
Die GEW-Forderung, die Klassenfrequenz auf 20 Kinder zu senken, sei unrealistisch, zumal gerade in die Grundschulen viel investiert worden sei. Runde: «Es gibt 1100 zusätzliche Lehrerstellen in 2009 und 2010 für alle Schularten, so viel wie noch nie.»
Der Gewerkschafter Springer, der an der Stadtschule in Bad Oldesloe unterrichtet, sieht das anders. «Wir müssen uns ja nicht nur um lernbehinderte Kinder besonders kümmern. An unserer Brennpunktschule haben wir Kinder aus sozial schwachen Familien, es gibt Kinder mit Sprachproblemen. Und wir haben viele Migranten. Zum Glück ist uns für kommendes Schuljahr eine Stelle für einen Sozialpädagogen bewilligt worden.»
Von Martina Tabel
Der Text ist entnommen aus: http://www.abendblatt.de
1 auf|sto|cken <sw. V.; hat>: etw. um eine bestimmte größere Menge, Anzahl o. Ä. vermehren, erweitern: einen Etat, einen Kredit [um 10 Millionen auf 50 Millionen] a.; die Gesellschaft stockt auf (erhöht ihr Kapital).
2 Krux, Crux, die; - [lat. crux = Kreuz] (bildungsspr.): a) Last, Kummer, Leid: seine K. tragen; man hat schon seine K. mit dir; b) Schwierigkeit: die K. bei der Sache ist, dass ...