Sonderthema
Fürst Hermann von Pückler-Muskau: Abenteuerliche Lebensreise
Fürst Pückler in orientalischer Tracht
Rüdiger von Bechelaren, der Held des Nibelungenliedes, soll nach einer alten Familientradition der Ahnherr der Grafen von Pückler gewesen sein. Hermann von Pückler lächelte später über diesen romantischen Ahnennachweis, aber die Skepsis, die er zur Schau trug, war nicht ganz echt. Noch im Alter forschte er auf einer Reise an der Donau nach den Spuren des Markgrafen, und im Park von Muskau wollte er ihm ein Standbild errichten. Jedenfalls war er stolz auf das Alter seines Geschlechts. Als einmal der spätere König Friedrich Wilhelm IV. als Kronprinz bei ihm zu Gast war und fragte: «Seit wann führen die Pücklers einen Adler im Wappen», antwortete er: «Etwa solange wie die Hohenzollern.»
Hermann von Pückler wurde am 30. Oktober 1785 im Schloss Muskau in der Lausitz geboren. Von seiner Mutter hatte er französisches Blut in den Adern.
Sie war eine junge, lebenslustige Frau, die mit vierzehn Jahren den mehr als doppelt so alten Grafen geheiratet hatte, einen mürrischen und geizigen Mann, von dem sie sich später trennte. Der Knabe wurde zunächst in die Herrnhutische Erziehungsanstalt in Uhyst, dann auf das berühmte Pädagogium in Halle geschickt, empfing aber in beiden Schulen nur eine lebenslange Abneigung gegen jede Form der pietistischen Lebensauffassung. Mit sechzehn Jahren bezog er die Universität Leipzig, um Jura zu studieren. Schon ein Jahr später gab er das Studium auf und trat als Leutnant in ein feudales Regiment in Dresden ein. Maßlose Schulden, Liebschaften und Duelle verschafften ihm bald den Ruf des «tollen Pückler». Auch das Soldatenleben passte ihm nicht, und so beschloss er, mit den kargen Mitteln, die ihm sein Vater knurrend gab, auf Reisen zu gehen.
Jugendwanderungen
Die Reise führte ihn zunächst ziemlich planlos durch Süddeutschland, dann in die Schweiz, das südliche Frankreich und Italien. Es war nicht ganz die übliche Kavaliersreise eines jungen Edelmannes im Stile des 18. Jahrhunderts. Dazu fehlte ihm vor allem das Geld. Aber sie brachte ihm die ersehnte Befreiung von der Aufsicht des Vaters und weckte in ihm den Sinn für die Reize fremder Landschaften und Menschen. In einem Dachzimmer in Marseille mit großartiger Aussicht auf Hafen und Meer versuchte er sich bei der Ausarbeitung seiner Reiseaufzeichnungen zum ersten Male als Schriftsteller. Seine Beobachtungen sind nicht immer sonderlich tief, aber nie langweilig. Auf diesen Reisen erwacht in dem künftigen Parkschöpfer von Muskau die Liebe zur Natur und zur Gartenkunst, wenn sie auch zunächst noch überschattet wird durch seine jugendliche Begeisterung für rauschende Geselligkeit und absonderliche Reiseerlebnisse.
Nur schweren Herzens trennte sich Pückler von dem heiteren Leben in Rom und Neapel, als er auf Befehl seines Vaters nach Muskau zurückkehren musste. Ein Leben mit dem Vater, der immer unleidlicher wurde, erschien ihm jetzt unerträglich. Er floh von Muskau, so oft es anging. Bei einem Aufenthalt in Weimar wurde er von Goethe empfangen, der Gefallen an dem jungen Manne fand und sich eine Stunde lang mit ihm über Gartenkunst und Parkanlagen unterhielt. Zum Schluss sagte Goethe: «Verfolgen Sie diese Richtung. Sie scheinen Talent dafür zu haben. Die Natur ist das dankbarste, wenn auch unergründlichste Studium, denn sie macht den Menschen glücklich, der es sein will.» Prophetische Worte des Dichters, die Pückler in seinem Herzen bewahrte und bewegte.
Pückler war 25 Jahre alt, als ihn der Tod seines Vaters 1811 plötzlich zum Herrn von Muskau machte. Mit Feuereifer wollte der junge Herr sich sogleich auf seine Pläne zur Bewirtschaftung und Verschönerung seines Besitztums werfen, aber die kriegerischen Zeiten ließen das zunächst nicht zu. Er nahm am Freiheitskriege teil und kam bis nach Paris, wo er als Verbindungsoffizier zwischen dem Großherzog von Weimar und dem Zaren tätig war. Nach kurzem Aufenthalt in England kam er erst 1815 wieder nach Muskau zurück.
Trotz seines Interesses für die Arbeiten in Muskau hielt er es nicht dauernd dort aus. Er war viel auf Reisen, häufig in Berlin. Durch absonderliche Einfälle erneuerte er immer wieder seinen Ruf eines extravaganten jungen Edelmannes. Er fuhr unter den Linden spazieren mit einer von vier gezähmten Hirschen gezogenen Kutsche und machte mit dem Luftschiffer Reichhard einen Ballonaufstieg, bei dem beide in der Nähe von Potsdam unsanft landeten. Der Spaß kostete ihn sechshundert Taler.
Undenkbar war für Pückler ein Leben ohne Frauen. Er besaß eine faszinierende Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht. Bis ins Greisenalter durchziehen sein Leben die seltsamsten Liebesabenteuer. Schon als Zwanzigjähriger träumte er von einer reichen Heirat. Alle Welt war überrascht, als er sich im Jahre 1816 mit Lucie von Hardenberg, der Tochter des Staatskanzlers, verlobte. Sie war mit einem Grafen von Pappenheim verheiratet, lebte aber von ihm getrennt. Zur Zeit der Verlobung mit Pückler war sie vierzig Jahre alt, neun Jahre älter als er, hatte eine 19-jährige Tochter und eine erwachsene Pflegetochter. Pückler scheint kurze Zeit geschwankt zu haben, ob er die Mutter oder die Tochter heiraten sollte. Er entschied sich für die Mutter.
Während Lucie in Berlin ihre Scheidung betrieb, richtete Pückler in Muskau einen standesgemäßen Haushalt ein. Die Briefe, die er ihr von dort schrieb, sprechen wenig von Leidenschaft, viel von einer herzlichen Übereinstimmung der beiden in Fragen des Geschmacks und der ganzen Lebensauffassung, am meisten von Schulden. Unentwegt predigt Pückler sich selbst und Lucie Sparsamkeit. Die Praxis sah anders aus. Nichts Minderwertiges darf ihm ins Haus kommen.
Am meisten beschäftigt ihn die Gestaltung des Parks, für den er große Pläne hat. Lange Zeit beschäftigt er bei den Parkarbeiten täglich einhundertzwanzig Arbeiter. Die Gesamtkosten für die Anlage des Muskauer Parks, wie sie ihm vorschwebt, taxiert er auf zweihunderttausend Taler.
Zu Beginn des Sommers 1817 war endlich Lucies Scheidung erfolgt. Sie zog nach Muskau; die offizielle Hochzeit fand jedoch erst im Oktober statt.
1818 ging Pückler nach Aachen zum ersten Kongress der Heiligen Allianz. Von keinerlei amtlichem Auftrag beschwert, tummelte er sich unter den dort versammelten Herrschern und Staatsmännern wie unter seinesgleichen. Der Kaiser von Österreich empfängt ihn in Privataudienz, und der König von Preußen nimmt ihn in sein Gefolge auf. Er plaudert mit Wellington über Pferdezucht und findet Lord Castlereagh den bestaussehenden Mann von allen. Lady Castlereagh imponiert ihm durch ihre groteske Erscheinung, die Gräfin Schuwaloff durch ungeheure Perlen und ein fantastisches Diadem aus Diamanten. Auch Madame Recamier ist da. Über alle seine Erlebnisse schreibt er an Lucie unglaublich lange Briefe, oft mehrmals am Tag.
Pückler verfolgte auf dem Kongress auch sehr reale persönliche Ziele. Durch seinen Schwiegervater hoffte er, einen hohen diplomatischen Posten zu bekommen. Besonders Konstantinopel reizte ihn. Dort wollte er nach orientalischer Sitte wie ein Pascha leben. Aber Fürst Hardenberg zeigte sich kalt, und auch Pücklers spätere Bemühungen um Madrid und Paris führten nicht zum Ziele.
Eine Entschädigung für diese vergeblichen Hoffnungen wurde ihm im Jahre 1822 zuteil durch die Erhebung in den Fürstenstand. Mit dieser Auszeichnung eines sächsischen Adligen hoffte Preußen, in den neuerworbenen Gebieten Sympathien zu gewinnen.
Pücklers finanzielle Lage hatte sich von Jahr zu Jahr verschlechtert. Er hatte sich Hoffnungen auf eine Erbschaft beim Tode seines Schwiegervaters gemacht. Als aber Fürst Hardenberg im Jahre 1822 starb, stellte es sich heraus, dass er Lucie enterbt hatte. Trotz dauernder Ansätze zur Sparsamkeit konnten weder Pückler noch Lucie sich so einschränken, wie die Lage es verlangte. Vor allem die Arbeiten um Park verschlangen große Summen. Aber gerade hierin konnte er sich am wenigsten zu Einschränkungen verstehen. Das ganze Leben, meinte er, würde für ihn jeden Sinn verlieren, wenn er diesen seinen Lieblingsplan aufgeben müsste.
Um alle diese Schwierigkeiten mit einem Schlage zu beheben, fanden schließlich beide einen höchst einfachen Ausweg: Die Scheidung und Pücklers Wiederverheiratung mit einer reichen Erbin. Es ist nicht ganz klar, von wem der Gedanke ausging. Lucie war es jedenfalls, die ihn zuerst offen aussprach. Sie kämpften lange mit dem Entschluss, beide redeten sich mehr und mehr ein, dem anderen dies Opfer schuldig zu sein, und beide wurden mehr als einmal wieder schwankend. Als sich aber durchaus kein anderer Ausweg zeigen wollte, leiteten sie die Scheidung ein. Auch jetzt war es keineswegs Pücklers Absicht, sich endgültig von seiner Frau zu trennen. Mit kindlichem Optimismus meinte er, es werde sich schon irgendwie ein Weg finden lassen, mit beiden Frauen, der alten wie der neuen, gemeinsam und sorgenfrei zu leben. Seine ersten, nicht allzu eifrig betriebenen Versuche in Berlin überzeugten ihn, dass er in Deutschland kaum zu dem gewünschten Erfolg kommen würde. Er beschloss darum, sein Glück in England zu versuchen.
Neues Schloss im Park von Muskau. Der Fürst-Pückler-Park in Bad Muskau gehört seit 2005 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Briefe eines Verstorbenen
Anfang September 1826 reiste Pückler von Muskau ab. Lucie begleitete ihn bis Bautzen. Der Abschied war herzzerreißend. Schon aus Dresden schrieb er ihr: «Gott gebe uns bald ein so freudiges Wiedersehen, als der Abschied traurig war.»
In Weimar stattete er Goethe einen Besuch ab, der ihn in ein langes Gespräch über Walter Scott und Lord Byron verwickelte und seinen Besuch in Muskau in Aussicht stellte. Pückler berichtete darüber an Lucie: «Er sagte mir dann auch viel Gütiges über Muskau und mein dortiges Streben, mild äußernd, wie verdienstlich er es finde, den Schönheitssinn zu wecken, es sei auf welche Art es wolle, wie aus dem Schönen dann immer auch das Gute und alles Edle sich mannigfach von selbst entwickele.»
Die Seefahrt von Rotterdam nach London war stürmisch; Pückler wurde seekrank. Statt der üblichen 20 Stunden brauchte das Schiff doppelt so lange und blieb zuletzt noch auf einer Sandbank in der Themsemündung liegen. Erst mitten in der zweiten Nacht ging es an der London Bridge vor Anker.
Pückler hatte zu Hause alle verfügbaren Werte flüssig gemacht, um in England als deutscher Fürst standesgemäß auftreten zu können. Er war jetzt 41 Jahre alt, noch immer eine blendende jugendliche Erscheinung, ein charmanter Plauderer und Weltmann. So waren eigentlich alle Voraussetzungen erfüllt, um sein Vorhaben zu einem glücklichen Ende zu führen.
Im Grunde war es die Liebe zu Lucie, die Pückler bei allen seinen Versuchen am Erfolg hinderte. Auf seinem Schreibtisch stand stets ihr Bild, mit dem er einen wahren Kult trieb, und in der Gesellschaft machte er aus seiner Neigung zu ihr nie einen Hehl. Der preußische Gesandte von Bülow sagte zu ihm: «Fürst, diese Sentimentalität tut Ihnen mehr Schaden, als Sie glauben.» Pückler erwiderte darauf: «Lieber Bülow, nur Judas verriet seinen Herrn um Silberpfennige.» Zahlreiche Briefstellen belegen es, dass diese «Sentimentalitäten» schließlich stärker waren als sein Wille zur neuen Heirat.
Die unbändige Lust zur Mitteilung all seiner Erlebnisse an die geschiedene und noch immer geliebte Frau macht ihn zum Schriftsteller. Seine Briefe schwellen immer mehr an. Er hat die Gabe des geborenen Reiseschriftstellers, die Details des Reiselebens mit Behagen zu genießen und die gleiche Freude beim Niederschreiben noch einmal zu empfinden. Nichts ist ihm unbedeutend oder belanglos. Allgemeine Betrachtungen liegen ihm nicht; aus tausend lebendigen Einzelbeobachtungen formt sich in seinen Schilderungen das Bild Englands, seines Gesellschafts- und Staatslebens, der Persönlichkeiten und Zustände. Sein Urteil ist keineswegs beeinflusst durch eine vorgefasste Sympathie des Autors zu seinem Gegenstand. Er bleibt skeptisch und kritisch, bemüht sich aber um strenge Wahrhaftigkeit. Als Liberaler geißelt er den Hochmut der englischen Lords. Wenn sich die Aristokratie nicht von Grund aus ändert, ist ihre Rolle nach Pücklers Meinung in fünfzig Jahren ausgespielt. Die zukunftsreichen Elemente der britischen Nation sieht er im Bürgertum und im Landadel. Hier fand er gesunde nationale Traditionen, ein schönes Familienleben, anständige Gesinnung und Gastfreundschaft. Mit der Geistlichkeit kann er sich in England ebenso wenig befreunden wie in anderen Ländern. Die englische Politik kritisiert er scharf.
Als Pücklers Hoffnungen auf Verwirklichung seiner Heiratspläne immer mehr schwanden, packte ihn wieder die Reiselust. Er durchstreift England, Wales und Irland. Als Kenner genießt er die vortrefflichen englischen Landstraßen. Zu Pferde und auf Fußwanderungen dringt er auch in abgelegene Gegenden vor. Er besucht alle Orte, die den Ruhm Old Englands ausmachen.
Schon in Deutschland hatte Pückler die Werke der bekannten englischen Gartenkünstler studiert, einen von ihnen, Repton, ließ er sogar nach Muskau kommen. Jetzt hat er endlich Gelegenheit, die berühmten englischen Parkanlagen im Lande selbst kennenzulernen, und er gibt sich diesem Studium methodisch und mit Eifer hin. Er ist begeistert und gesteht es offen ein. Gleich in London entzückt ihn der Regent Park, besonders durch seine Wasserpartien. Er sieht dann den Park und das Schloss von Warnick, dessen dunkle Steinmasse sich über uralten Zedern vom Libanon, Eichen und Linden senkrecht aus den Felsen am Ufer des Avon erhebt.
Mit der Rückkehr von Irland beendete Pückler seinen Aufenthalt auf den britischen Inseln. Anfang 1829 reiste er von Dover über Paris in die Heimat zurück. Am 10. Februar kam er in Muskau an, genau so, wie er es Lucie in einem Brief vorausgesagt hatte: «Nicht ein Haar anders, als er ausging, stets ein großer Libertiner, ein großer Narr und ein großes Kind.»
Den eigentlichen Zweck seiner Reise hatte Pückler verfehlt. Zwei Lebensjahre schienen ihm vergeudet, umsonst die kummervolle Trennung von Lucie, viel Geld war nutzlos vertan. Grund genug zu melancholischen Betrachtungen. «Indessen, ich ließ mich nicht ganz dadurch niederbeugen ... Etwas Nutzen fällt doch immer mit ab, und auch ich habe viel in diesen zwei Jahren in anderen Rücksichten profitiert, ich bin in vielem klarer und fester geworden, habe mir viele neue Erinnerungen gewonnen, bin ein perfekter Gärtner geworden.»
Ein weiteres Ergebnis der Reise stellte sich erst nachträglich heraus. Sein Freund Varnhagen von Ense bestimmte ihn, seine Reisebriefe zu veröffentlichen. Das Werk erschien bei Hallberger in Stuttgart unter dem Titel Briefe eines Verstorbenen. Ein fragmentarisches Tagebuch aus Deutschland, Holland und England, geschrieben in den Jahren 1826 bis 1829. Die Anonymität wählte Pückler aus Rücksicht auf seine Stellung am Hofe. Aber das war nur eine Formsache, bald kannte jeder den Verfasser.
Der Erfolg war ungeheuer. Goethe, sonst kein milder Richter zeitgenössischer Literatur, schrieb eine seitenlange Besprechung, die mit den Worten begann: «Ein für Deutschlands Literatur bedeutendes Werk. Hier wird uns ein vorzüglicher Mann bekannt.» In Berlin waren die Briefe eines Verstorbenen die Sensation des Tages. Sie wurden am Hofe vorgelesen, die Zeitungen brachten lange Kritiken, bald war kein Exemplar mehr zu haben. Man rühmte den geistvollen und zugleich lässigen Stil, der an Heines Reisebilder erinnerte, das andere literarische Ereignis dieser Jahre. Eine englische und eine französische Übersetzung wurden vorbereitet. Varnhagen schrieb an Pückler: «Solch ein glänzender Erfolg ist für einen Deutschen innerhalb und außerhalb Deutschlands unerhört und dürfte den aufgeregtesten Ehrgeiz befriedigen.»
Schloss Branitz
Andeutungen über Landschaftsgärtnerei
Pücklers Ehrgeiz war befriedigt, sein Tätigkeitsdrang suchte nach neuen Zielen. Zunächst beschäftigten ihn Wirtschaft und Park von Muskau. Schließlich begann er eine literarische Arbeit, die ihn schon lange beschäftigte, ein Buch über die Grundlagen der Parkgestaltung, dem er den bescheidenen Titel Andeutungen über Landschaftsgärtnerei gab. Er vereinigte darin die Erfahrungen seiner eigenen Arbeiten in Muskau mit den Anregungen, die er auf seinen Reisen in England und anderen Ländern gewonnen hatte.
Die Parkleidenschaft packte ihn schon in jungen Jahren und begleitete ihn bis an sein Ende. Sie ist der einzige feste Pol in diesem rastlosen Leben. «Wer mich ganz kennen will», schrieb er einmal, «muss meinen Park kennen, denn mein Park ist mein Herz.»
Pückler ging nicht von vorgefassten Theorien aus. Seine Anschauungen entwickelten sich organisch durch viele Jahrzehnte. Die räumliche Ausdehnung des Parks ist nach Pücklers Ansicht nicht entscheidend. Gerade hierin kann der Gartenkünstler oft erstaunliche Wirkungen hervorzaubern, indem er auch auf beschränkter Fläche durch geschickte Gliederung den Eindruck der Weiträumigkeit erzielt. Für unentbehrlich hält er dagegen eine feste äußere Umschließung, die freilich möglichst unsichtbar bleiben soll. Sie ist nicht nur aus praktischen Gründen notwendig, sondern sie allein gibt erst ein Gefühl der Heimlichkeit, des gesicherten Besitzes, das dem Beschauer den Genuss der Schönheit verdoppelt. In diesem Rahmen hat der Gartenkünstler die Elemente seines Wirkens harmonisch zu ordnen. Diese Elemente sind im Grunde nur wenige: Rasenflächen, Baumgruppen, Wasser, Wege und Gebäude.
«Üppiger frischer Rasen», schreibt Pückler, «ist der Landschaft, was der Goldgrund alten Heiligenbildern, auf dem sich die treuen, liebevollen Gesichter noch einmal so anmutig ausnehmen.» Im Pleasure Ground, dem Übergangsgebiet von Schloss und Gärten zum Park, ist es der glatte, smaragdgrüne Rasenteppich, in der freien Parklandschaft dagegen die weiten Flächen des nur von wilden Blumen durchwirkten, breit hinflutenden Grases, «in dem der Wind wollüstig wühlt wie der Jüngling im Haar der Geliebten».
Glücklich ist der Mann, dem seine Vorfahren hohe Wälder und einzeln stehende uralte Bäume hinterlassen haben. «Er erblicke sie nie ohne Ehrfurcht und Freude und halte sie hoch wie seinen Augapfel, denn alles beinahe schafft Geld und Macht, aber kein Krösus und kein Alexander vermögen die tausendjährige Eiche in ihrer Majestät wieder herzustellen, wenn der arme Tagelöhner sie einmal gefällt hat.» Ein alter Baum ist für Pückler ein hohes Heiligtum. «Dennoch aber weiche das Einzelne, wo es nottut, auch hier immer dem Ganzen.» Denn nicht selten kommt es vor, dass man im wörtlichen Sinne vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht. Dann muss man sich doch entschließen, einige seiner Lieblinge zu opfern, wenn es nicht möglich ist, sie zu verpflanzen.
Wasser in jeder Form, als schimmernde Seefläche, als murmelnder Bach, selbst als Springbrunnen kann den Reiz einer Landschaft unendlich erhöhen. Aber auch hier muss die Hand des Menschen eingreifen, um alles dem Ganzen einzuordnen, und am schwierigsten ist die Aufgabe dort, wo es gilt, dies kostbare Element künstlich zu schaffen. Nur sorgsames Studium der Natur kann hierbei befriedigende Ergebnisse bringen.
Die Wege des Parks schließlich sind dazu da, den Betrachter mit unsichtbarer Hand auf die schönsten Stellen hinzuführen, ihn nicht nur Einzelheiten, sondern das Ganze kennen und verstehen zu lehren.
Auch der vollendete Park bedarf dauernder Pflege, denn er ist ja kein abgeschlossenes, fixierbares Werk, sondern ein lebendiger Organismus. Das Werkzeug bei der Anlage ist der Spaten, gleichsam der Pinsel oder Meißel des Gartenkünstlers. Das Hauptwerkzeug beim Erhalten und Fortarbeiten ist die Axt. Sie darf keinen Winter ruhen, muss Raum, Licht und Luft schaffen und die ewig sich erneuernde Natur in der Form halten, die der Parkschöpfer ihr vorschreibt.
Pücklers Landschaftsästhetik geht also keineswegs von Rousseau aus, der die Natur nur dort gelten lässt, wo sie unberührt vom Menschen ist. «Natur, durch Kunst veredelt» ist für Pückler das Ziel seines Strebens. Er leugnet nicht, dass auch die wilde, ungebrochene Natur tiefe Empfindungen hervorrufen kann. Aber wahrhaft geliebt wird die Natur von ihren Freunden erst dort, «wo sie mit der schaffenden Hand des Menschen vereint erscheint, wie ja der rohe Edelstein auch durch die Politur erst seine höchste Schönheit erlangt».
Der Schriftsteller Friedrich Förster hat im Jahre 1832 als Erster eine ausführliche Schilderung des Muskauer Parks gegeben. Er schreibt darin: «Die Natur hat sich dankbar gegen den erwiesen, der sich ihrer in ihrer Dürftigkeit so freigebig und mit so vieler Liebe annahm. Das Nadelholz ist verschwunden, die Hügel sind mit Laubholz bedeckt, aus dem sich der Ahorn, die Ulme, die Eiche mit beherrschenden Gipfeln hervorheben; in gefälligen Windungen durchströmt der Fluss einen grünen Wiesengrund, durch Abzugsgräben sind Wasserfälle, kleine Seen, Springbrunnen gebildet, und in die Gegend ist eine Mannigfaltigkeit der Ansichten gebracht. Der Fürst verfährt bei seinen Anlagen ebenso wie ein geistreicher poetischer Landschaftsmaler, wie unser Schinkel bei seinen Kompositionen verfährt; wie dieser auf der Leinwand, so verfügt er in der Landschaft über Seen, Flüsse, Wasserfälle, Rasenplätze, Baumgruppen, Brücken und Mühlen, die er zu seinen landschaftlichen Partien nach Belieben verwendet.»
Tutti Frutti
Die Verwaltung von Muskau und Pflichten am Hofe verlangten oft Pücklers Anwesenheit in Berlin. Auch hier führte er gemeinsam mit Lucie ein glänzendes Haus. Beide schlossen sich eng an Varnhagen und dessen Frau an. Pückler verehrte die geistvolle Rahel und schickte ihr oft Ananas, Wild oder das berühmte Muskauer Bier. Bei Varnhagens lernte er eine ehrgeizige Frau kennen, die sich mit exaltierter Heftigkeit um seine Freundschaft bewarb: Bettina von Arnim. Varnhagen schrieb von ihr: «Bettina hat eine Art von Wut auf bedeutende geistreiche Männer und möchte sie alle abnagen, die Knochen dann den Hunden hinwerfen.» Erst waren Beethoven und Goethe ihre Opfer, dann Schleiermacher; nun lockte sie der literarische Ruhm des Fürsten. Pückler verhielt sich reserviert, aber sie verfolgte ihn bis nach Muskau.
Der unerwartete Erfolg der Briefe eines Verstorbenen hatte Pückler sein literarisches Talent bestätigt. Er beschloss, zu dieser Schilderung englischer Sitten und Zustände ein deutsches Gegenstück zu schreiben, und nannte es Tutti Frutti.
Tutti Frutti lässt sich kaum in eine der üblichen Literaturgattungen einordnen. Er zieht darin die Summe seiner Erlebnisse und Betrachtungen in den Jahren nach der Englandreise, schildert das Leben in der preußischen Hauptstadt und Provinz. Kaum verhüllte Selbstbiographie wechselt mit reiner Erfindung, romanhaften Elementen, politischen und religiösen Traktaten. Dabei hatte er das Pech, dass sich manche Personen gerade dort getroffen und in ihrer Ehre gekränkt fühlten, wo er nur seine Fantasie hatte spielen lassen. Das Werk erschien 1834 in fünf Bänden und erregte einen «Höllenspektakel». Sein literarischer Wert kommt dem der Briefe nicht gleich, aber der Publikumserfolg war enorm.
Pückler war über den Erfolg seiner Werke selbst am meisten verblüfft. Schrieb er anfangs nur aus Vergnügen an der Schriftstellerei, so kam bald auch die Freude an der zusätzlichen Geldquelle hinzu, nicht immer zum Vorteil seiner späteren Schriften, deren Umfang mehr und mehr wuchs.
Semilasso in Afrika
Schon lange verfolgte Pückler zwei Lieblingspläne: Eine Reise in andere Weltteile und die Teilnahme am nächsten Krieg gegen die Türken. Da der Türkenkrieg ausblieb, entschloss er sich zur Weltreise. Pückler war europamüde. Er nennt sich selbst auf dieser Reise «Semilasso», den Halbmüden. Die Skandale, in die ihn die Veröffentlichungen von Tutti Frutti verwickelt hatte, brachten ihm die ganze Enge der preußischen Verhältnisse zum Bewusstsein. Durch eine Reise nach Amerika, das damals gerade große Scharen deutscher Auswanderer anzog, hoffte er sich von all dem zu befreien.
Wie Goethe seine italienische Reise, so begann auch Pückler seine größte Reise in Karlsbad, auch er heimlich. Erst von unterwegs teilte er Lucie seine wirklichen Absichten mit. Ende Juli 1834 kam er in Paris an. Madame Recamier brachte ihn mit Chateaubriand zusammen, «dem Vornehmsten im Reiche des Genius in Frankreich». Bei einem Diner traf er Balzac, «einen kleinen vergnügten Dicken mit großem Kopf und Kindergesicht ... sehr witzig in der Unterhaltung, ganz natürlich und anspruchslos». Das Königspaar empfing ihn in den Tuilerien. Pückler führte die Königin zu Tisch. Ludwig Philipp sagte ihm Schmeicheleien über die Briefe eines Verstorbenen und gab ihm eine Menge guter Ratschläge für die Reise nach Amerika, während Pückler Vorschläge für den Tuileriengarten machte. Durch eine Duellaffäre versäumte er den Termin zur Abreise nach Amerika. Ohne zu zögern, warf er den Plan der Amerikareise über den Haufen und beschloss, stattdessen nach Nordafrika zu gehen. Als Lucie ihn jammernd zur Heimkehr drängte, antwortete er: «Du bleibst Henne, ich Ente. Das kann kein Gott mehr ändern.»
Gemächlich reiste er durch Südfrankreich. In den Pyrenäen blieb er fast zwei Monate, um schon hier den ersten Band seines neuen Reisewerkes fertigzustellen.
Im Februar 1835 landet er in Algier. Erst wenige Jahre vorher hatte Frankreich mit der Eroberung begonnen. Das Land war noch keineswegs befriedet. Gerade diese Zustände reizen Pückler. Er interessiert sich brennend für die Anfänge der französischen Kolonisation, hat auch gleich eigne Vorschläge, wie man es besser machen könnte. In der soeben begründeten Fremdenlegion traf er viele Deutsche. Einen deutschen Legionär nimmt er als Sekretär und Reisebegleiter in seine Dienste.
Es ist vor allem der Reiz des Exotischen, der den Europamüden fesselt. Das Volksgewühl in den Städten, das Leben der Franzosen zwischen arabischem Glanz und europäischkolonialem Komfort, die Reize der maurischen Baukunst faszinieren ihn. Das Leben hier kommt ihm vor wie eine Geschichte aus Tausend und einer Nacht.
Noch unberührter von europäischen Einflüssen fand Pückler das afrikanische Leben in Tunis. In den Ruinen von Karthago sann er über das Geschick Hannibals nach und verglich es mit dem Schicksal Napoleons. Die Beduinen erschienen ihm als eine der vollendetsten Formen des Menschentums; sie sind gastfreundlich, rechtschaffen und ritterlich und scheinen ihm Rousseaus Lehre zu bestätigen, dass der Mensch erst mit der Entfremdung vom natürlichen Leben verdorben wird. Zur Ansiedlung von Europäern hält er Tunesien für sehr geeignet.
Der Tumulus im Park von Branitz
Südöstlicher Bildersaal
Griechenland war sein nächstes Ziel. Im rauen Winter durchstreift er die Gebirge des Peloponnes und macht dann eine ausgedehnte Kreuzfahrt durch die griechische Inselwelt. Er reist auf den Spuren des Odysseus und auf denen Lord Byrons und erlebt so das antike und das moderne Griechenland.
In Athen genoss Pückler nach dem entbehrungsreichen Leben in Afrika wieder die heitere Geselligkeit der diplomatischen Welt. Er traf hier zwei Herrscher, den jungen schönen König Otto von Griechenland und dessen Vater, König Ludwig I. von Bayern, der zu Besuch in Athen weilte. Beide empfingen ihn mit viel Entgegenkommen. Zu Ehren König Ludwigs wurde eines Abends die Akropolis mit bengalischem Feuer beleuchtet. Pückler war hingerissen von dem nächtlichen Schauspiel. Als er dann bei Tage die ehrwürdigen Bauwerke noch einmal besichtigt, prägt er den Satz: «Gebäude sind inhaltsschwere Worte, die die Vergangenheit zur Nachwelt spricht.»
Vom modernen Griechenland war Pückler enttäuscht. Dieses Volk, dessen Aufstand gegen die türkische Herrschaft ganz Europa begeistert hatte, zeigte wenig von den romantischen Eigenschaften, die ihm angedichtet wurden. Die bayrische Verwaltung war unfähig, sie erstarrte in Bürokratie und fand keinen Widerhall in der Bevölkerung.
Ein volles Jahr brachte Pückler in Griechenland zu. Der literarische Niederschlag dieser Zeit ist der Südöstliche Bildersaal, ein seltsames Gemisch von Reisetagebuch, archäologischen, politischen und philosophischen Betrachtungen, denen, offenbar unter dem Einfluss E.T.A. Hoffmanns, mit dem Pückler sich in Berlin angefreundet hatte, höchst romanhafte Begebenheiten eingeflochten sind, wodurch die Grenze zwischen realem Erleben und der Welt des Unwirklichen und Fantastischen in krauser Weise verwischt wird, ein gefährliches Rezept für ein Reisebuch, das darum trotz vieler reizvoller Schilderungen im Ganzen weniger befriedigt als Pücklers frühere Werke.
In Mehemed Alis Reich
In Kreta betrat Pückler das Reich des Vizekönigs von Ägypten, Mehemed Ali, der in Europa als ein roher orientalischer Despot galt. Pückler fand in ihm einen Staatsmann von wirklichem Format, der fortschrittliche und weise Reformen in seinem Lande einführte und berufen schien, die entscheidende Rolle in der Politik des Orients zu spielen. Mit seinem stets zur Heldenverehrung neigenden Sinn sah Pückler in ihm den orientalischen Napoleon, dessen Bild in der Weltöffentlichkeit er richtigstellen wollte. Mehemed Ali wusste den schriftstellerischen Einfluss des Fürsten richtig zu schätzen und empfing ihn mit so viel Entgegenkommen, wie er noch nie einem Europäer gezeigt hatte.
An Werken der altägyptischen Baukunst sah Pückler fast alles, was dem Reisenden damals zugänglich war, die Sphinx und die Pyramiden, den Karnak-Tempel, das hunderttorige Theben. Auch für seine Anschauungen über Gartenkunst fand er neue Anregungen.
Auf Schiffen Mehemed Alis macht er eine Reise nilaufwärts, die ihn bis tief in den Sudan führte. Wochenlange Flussfahrten wechselten mit Wüstenreisen. Pückler gab lästige europäische Gewohnheiten wie das Rasieren und das Haarfärben auf und entdeckte dabei, dass sein Haar weiß geworden war. Das Klima machte ihm wenig aus. «Glauben Sie mir», schrieb er an Varnhagen, «es gibt keine heißen Länder, dies ist nur ein Vorurteil unserer Vorfahren.» Die Strapazen dieses Lebens sind gewaltig. Trotzdem kommt er zu dem Schluss: «Märchenhafter gibt es kein Leben als das hiesige!» Nach einer Abwesenheit von acht Monaten kam er wieder in Kairo an. Mehemed Ali und Pückler schieden als Freunde voneinander.
Noch immer war Pücklers Reiselust nicht gebrochen. In Palästina hielt er sich längere Zeit in Jerusalem auf und machte Ausflüge an den Jordan und zum Toten Meer. Doch sagen ihm die heiligen Stätten der Christenheit nur wenig, und seine Schilderungen bleiben hier meist an Äußerlichkeiten haften.
Zwei Jahrzehnte lang hatte Pückler davon geträumt, als preußischer Gesandter in Konstantinopel einzuziehen. Nun sah er es als Reisender, wurde wieder zum Weltmann und stürzte sich mit Wonne in den Strudel der diplomatischen Gesellschaft. Er nahm an einem glänzenden Gartenfest im Sommerpalast des russischen Botschafters am Ufer des Bosporus teil und lernte beim preußischen Gesandten drei deutsche Instrukteure des türkischen Heeres kennen; einer davon war Moltke.
Machbuba
Pückler hatte aus Ägypten eine junge abessinische Sklavin mitgebracht, die als Kind bei einem Kriegszug geraubt und schließlich an Sklavenhändler verkauft worden war. Machbuba hatte ihn seitdem auf allen seinen Reisen begleitet, er konnte sich das Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Pückler war entschlossen, auch in Europa nicht auf Machbuba zu verzichten, er war sich aber auch klar darüber, dass dies nicht ohne heftigen Kampf mit Lucie abgehen würde. Die ganze Angelegenheit erforderte sorgsame Vorbereitung und diplomatischen Takt.
Schon in einem Brief aus Jerusalem hatte er Lucie Andeutungen gemacht: «An meinen kleinen Harem bin ich aber so gewöhnt, dass ich ihn selbst im Kloster di terra santa nicht von mir lasse.» Später wurde er deutlicher, was es mit dem «kleinen Harem» auf sich hatte. Der Erfolg war wie erwartet. Lucie war aufs Tiefste gekränkt und drohte, Muskau zu verlassen. Aber auch auf sie wollte Pückler nicht verzichten. Er redete ihr in seinen Briefen gut zu: Wenn Frauen Kammerdiener haben dürfen, so könne man wohl auch ihm eine Kammerfrau nicht verweigern. Die Frage blieb zunächst offen, aber sie war jetzt in aller Schärfe gestellt.
Ein anderer Streit entbrannte um Muskau. Pückler war bereit, sein Besitztum zu verkaufen, wenn er einen annehmbaren Preis dafür bekommen könnte. Jetzt fand sich ein Käufer, der eine Million dreihunderttausend Taler zahlen wollte. Pückler war einverstanden. Lucie erfuhr davon und war empört. Während der Abwesenheit des Fürsten hatte sie wie eine Penelope ohne Freier in Muskau auf ihn gewartet, hatte den Besitz allein bewirtschaftet und ihn erst jetzt richtig lieben gelernt. Pückler stellte ihr vor, dass ihnen nach Bezahlung aller Schulden mehr als eine halbe Million Taler blieben. Damit könnten sie frei von Sorgen leben.
Mit diesen beiden ungelösten Problemen vor Augen verließ Pückler Konstantinopel. Ende September 1839 kam er mit Machbuba, einem Mohren für Lucie, zwölf arabischen Pferden und einer ganzen Menagerie in Budapest an. Lucie kam ihm bis hierhin entgegen. Das Verhältnis zwischen beiden war nie gespannter als bei diesem Wiedersehen nach fünfjähriger Trennung. Die Auseinandersetzung endete mit einem Kompromiss. Pückler verzichtete auf den Verkauf von Muskau, dafür gab Lucie ihren Widerstand gegen Machbuba auf. Pückler blieb zunächst noch in Wien zurück. Gleich nach ihrer Abreise schrieb ihm Lucie wieder einen zärtlichen Brief, aber zum Schluss kam der alternden Frau doch die bittere Bemerkung: «Warum bin ich nicht jung und nicht aus Abessinien?»
Der nordische Winter bekam Machbuba schlecht, die ersten Anzeichen einer beginnenden Lungentuberkulose machten sich bemerkbar. Pückler fuhr mit ihr nach Marienbad, aber auch das half wenig. Als er schließlich im September 1840 in Muskau ankam, brachte er eine Schwerkranke mit. Wenige Wochen später starb sie. Pückler war gerade auf einer Reise in Berlin, sodass er bei ihrem Begräbnis nicht anwesend sein konnte.
Pücklers Schmerz über den Tod Machbubas war heftig und tief, aber seine Lebenskraft blieb ungebrochen. Der Besitz von Muskau freilich war ihm jetzt gänzlich verleidet, und auch Lucie gab ihren Widerstand auf. 1845 wurde der Verkauf mit 1,7 Millionen Taler abgeschlossen. Am Tage der Abreise ritt Pückler bei einem furchtbaren Unwetter noch einmal durch den Park, seine Lebensarbeit durch mehr als drei Jahrzehnte. Vor der Schlossterrasse hielt er an, warf noch einen letzten Blick auf sein Werk und sprengte davon.
Branitz
Sein neuer Sitz wurde Branitz, ein Schloss in der Niederlausitz, an der Spree nahe Cottbus gelegen, alter Familienbesitz, um den Pückler sich bisher kaum gekümmert hatte. Auch hier packt ihn wieder die Parkleidenschaft, und mit faustischem Schaffensdrang macht er sich noch einmal ans Werk.
Mit einem Teil seiner alten Arbeiter aus Muskau ging er an die Arbeit. Er steckt Wege ab und lässt Teiche graben. Der schwermütige Kiefernwald wird gelichtet und mit Rasenflächen und kunstvoll geordneten Gruppen von Laubbäumen und Buschwerk durchsetzt. Die Wiederherstellung des Schlosses übertrug er dem Dresdener Architekten Gottfried Semper. Eine Pergola wurde mit Medaillons von Thorwaldsen und Abgüssen nach griechischen Statuen geschmückt. In Gedenken an die Pyramiden Ägyptens schuf er zwei Erdpyramiden, deren eine, mitten in einer großen Wasserfläche gelegen und Tumulus genannt, er für sich zur Grabstätte bestimmte.
Im Jahre 1854 starb Lucie im Alter von 78 Jahren. Sie blieb die einzige Frau unter den vielen, die er geliebt hat, der er sich unzertrennlich verbunden fühlte. Sie hat es verstanden, die schwierige Rolle, die ihr in Pücklers Leben beschieden war, mit Takt und angeborener Vornehmheit durchzuführen.
Auch in den beiden letzten Jahrzehnten seines Lebens verlor Pückler nichts von seiner ungeheuren Vitalität. Sie sind ein Wirbel von Reisen, stets neuen Begegnungen mit bedeutenden oder absonderlichen Menschen, literarischen Freundschaften und Liebschaften bis ans Lebensende. Soweit möglich benutzte er auf seinen Reisen gern die Eisenbahn; er war glücklich, diese Epoche noch erlebt zu haben. 1851 fuhr er nach London zur ersten Weltausstellung, drei Jahre später nach Paris, um Napoleon III. kennenzulernen, in dem er den großen Mann der neuen Zeit sah. Dieser zog ihn als anerkannte Autorität bei der gärtnerischen Gestaltung des Bois de Boulogne zu Rate, wie es vorher schon Prinz Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm I., getan hatte, der ihm die Aufsicht über die Anlage des Schlossparks von Babelsberg übertrug.
Varnhagen von Ense war der einzige Mann, mit dem Pückler eine lebenslange Freundschaft verband. Im vertrauten Gespräch und in umfangreichem Schriftwechsel erörterte er mit ihm durch Jahrzehnte Tagesereignisse, Fragen der Literatur, der Politik und der Weltanschauung.
Heinrich Heine, der schon für die Briefe eines Verstorbenen eingetreten war, fühlte sich dem liberalen Grandseigneur durch viele gemeinsame Auffassungen verbunden. Pückler besuchte den Dichter 1854 auf seinem Krankenlager in Paris, und Heine widmete ihm seine Lutetia. In der Vorrede nennt er Pückler «den romantischen Anacharsis, den fashionabelsten aller Sonderlinge, den Diogenes zu Pferde, dem ein eleganter Groom die Laterne vorträgt».
Auch in seinen letzten Lebensjahren verfolgte er die politischen Ereignisse mit lebhafter Anteilnahme. Als 1866 der Krieg ausbrach, erhielt er auf seine Bitte die Erlaubnis, das Heer ins Hauptquartier zu begleiten. Das Gleiche versuchte er 1870 beim Ausbruch des Krieges gegen Frankreich, doch versagte König Wilhelm diesmal mit Rücksicht auf das Alter des Fürsten seine Zustimmung. Pückler sollte das Ende des Krieges nicht mehr erleben. In einer kalten Februarnacht des Jahres 1871 endete dies ruhelose Leben nach mehr als 85 Jahren. Er fühlte den Tod kommen, befahl, für sein Lieblingspferd zu sorgen, dann sagte er: «Man öffne mir den Weg zum Tumulus!»
Pücklers Wunsch gemäß wurden die sterblichen Überreste in der großen Erdpyramide in Branitz bestattet. Später wurde auch Lucies Sarg an der gleichen Stelle beigesetzt. Pückler selbst hatte als Inschrift für die Pyramide den Koranspruch bestimmt: «Gräber sind Bergspitzen einer fernen schöneren Welt.»
Schon zu seinen Lebzeiten ging Pückler in die Literatur ein. Seine Gestalt geistert durch eine Novelle von E.T.A. Hoffmann und erscheint in wenig verhüllter Form in einer Erzählung von Tieck und in Romanen von Fontane, Laube und Friedrich Förster. Aber auch seine literarischen und politischen Gegner, vor allem Börne und Herwegh, bemächtigten sich seiner Figur; Grillparzer, den Pückler verehrte, widmete ihm zwei boshafte Satiren, und Immermann nahm ihn sich bissig als Vorbild für seinen Lügenbaron Münchhausen. Die Höhe seines Ruhmes als Schriftsteller wie als Mensch erreichte Pückler in den beiden Jahrzehnten vor 1848. Als er starb, brach eine neue Welt an. Die Gründerzeit hat sich nicht viel um ihn gekümmert. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er wiederentdeckt. Auszüge aus seinem umfangreichen Briefwechsel und mehrere seiner Werke wurden neu gedruckt, nicht nur in Deutschland, sondern auch in England und in Amerika. Vor allem die Briefe eines Verstorbenen bewahrten auch hundert Jahre nach der ersten Veröffentlichung ihren Ruf als eine der geistvollsten Reisebeschreibungen in deutscher Sprache.
Das andere bleibende Dokument von Pücklers Leben sind seine Parkschöpfungen. Die letzte Eintragung in seinem Tagebuch, zwei Monate vor dem Tode geschrieben, lautet: «Kunst ist das Höchste und Edelste im Leben, denn es ist Schaffen zum Nutzen der Menschheit. Nach Kräften habe ich dies mein langes Leben hindurch im Reiche der Natur geübt.» Muskau und Branitz wurden zum Vorbild für zahllose ähnliche Parkanlagen weit über Deutschland hinaus, und die Ideen und Anregungen seiner Andeutungen über Landschaftsgärtnerei sind auch heute noch lebendig und fruchtbar.
Der Text ist entnommen aus:
http://gaebler.info/ahnen/paul/johannes-pueckler.pdf