Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №21/2009

Wissenschaft und Technik

Warum nur Männer Spitzen-Mathematiker sind

Mädchen sind in der Schule besser als Jungs. Nur unter den Mathe-Genies bilden Frauen immer noch die Minderheit. Überfordern verzwickte Arithmetik und komplizierte Algebra das weibliche Gehirn? Diese Frage glauben Forscherinnen nun beantworten zu können. Mit Mathematik.

Mädchen können nicht besonders gut rechnen? Von wegen. Dieses Klischee gilt schon lange als widerlegt.
In den USA gibt es bei Schulprüfungen in Mathematik praktisch keine Unterschiede mehr zwischen den Geschlechtern – das ergab eine «Science»-Studie 2008. Mädchen aus Ländern wie Russland, Singapur, Armenien oder Iran erzielen in den Vergleichstests Pisa und TIMSS durchschnittlich sogar die höheren Punktzahlen. In Deutschland liegen die Jungen beim Rechnen zwar noch vorn, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind aber deutlich kleiner als etwa bei der Lesekompetenz – einer Domäne der Mädchen. Und wie gut Mädchen tatsächlich rechnen können, wenn sie nur entsprechend gefordert und gefördert werden, zeigt ein Vergleich der deutschen Bundesländer. Schülerinnen aus Sachsen zum Beispiel erreichten bei Pisa 2006 einen Mittelwert von 517 Punkten – in lediglich 4 der 16 Bundesländer kamen Jungen auf höhere Werte in der mathematischen Kompetenz.
Soweit sind die Ergebnisse, was das Basiswissen der Mathematik betrifft.
Ganz anders sieht es aus, wenn es um die Spitze geht.
Die begehrten Fields-Medaillen, auch als Nobelpreis der Mathematik bezeichnet, wurden bislang ausschließlich an Männer vergeben. Weibliche Mathegenies hat es in den vergangenen Jahrzehnten sicherlich gegeben. Aber bis ganz nach oben hat es keines geschafft.
Warum nur?
Denken Frauen und Männer schlicht anders?
Und macht das dann den Unterschied, wenn es ums Knacken von Jahrhundertproblemen wie der Fermat’schen Vermutung oder der Poincaré-Vermutung geht? Beide Theoreme wurden von Männern bewiesen, Andrew Wiles (1994) und Grigori Perelman (2003).
Das Rätsel der wenigen weiblichen Spitzenmathematikerinnen glauben Janet Hyde und Janet Mertz von der University of Wisconsin nun gelöst zu haben – mit viel Statistik und etwas Kurvendiskussion.
Ausgangspunkt ihrer Untersuchung war die These, dass Jungen und Mädchen zwar im Mittel gleich gut rechnen können, die Streuung bei Jungen aber – aus welchen Gründen auch immer – größer ist. Mit anderen Worten: Es gibt mehr männliche Schüler und Erwachsene in der Spitze, aber auch mehr unter den besonders leistungsschwachen.

Kaum Mädchen unter den Top-Talenten
Schon 1894 hatte der Brite Havelock Ellis die Behauptung aufgestellt, dass die intellektuellen Fähigkeiten bei Männern stärker variieren als bei Frauen. Nimmt man an, dass eine Gauß’sche Glockenkurve die Verteilung der Mathe-Künste in der gesamten Bevölkerung beschreibt, dann müsste die Kurve der Frauen spitzer und höher sein als die der Männer. In den Randzonen weitab vom Mittelwert würde die Männerkurve jedoch deutlich über der der Frauen liegen.
Daten des US-Bundesstaats Minnesota bestätigen diese These, schreiben Hyde und Mertz im Fachblatt «Proceedings of the National Academy of Sciences». Unter den besten fünf Prozent der Studenten befänden sich fast anderthalb mal mehr Männer als Frauen – beim obersten Prozent seien es sogar mehr als doppelt so viele. Beide Werte entsprächen ziemlich genau den theoretischen Vorhersagen, die auf zwei unterschiedlich spitzen Normalverteilungen beruhten.
Auch die Teilnehmerstatistiken der Internationalen Mathematik­olympiaden (IMO) untermauern den Anschein der männlichen Dominanz an der Spitze – und zwar auf beeindruckende Weise. Pro Jahr darf jedes Land sechs Teilnehmer im Höchstalter von 19 Jahren stellen. Zur IMO schaffen es nur die absoluten Ausnahmetalente. «Das ist das Einer-von-einer-Million-Level», sagen die Forscherinnen. Junge Frauen finden sich nur selten in den Teams, Serbien und Russland erreichen mit einem Anteil von 21 Prozent noch die höchsten Quoten.
Für Hyde und Mertz belegen diese Statistiken über Schüler und Mathe-Genies gleichwohl, dass mathematisches Talent nicht an ein bestimmtes Geschlecht gebunden ist. Bei der Pisa-Studie von 2003 waren in Ländern wie Island, Thailand und Großbritannien im obersten Prozent genauso viele Mädchen wie Jungs.
Und selbst die IMO-Daten zeigen nach Meinung der Forscherinnen, dass Mathe-Genies öfter auch weiblich sind, wenn nur die Unterstützung da ist. Ausgerechnet das geteilte Deutschland soll dafür ein Beleg sein: «Die DDR war mit am erfolgreichsten auf der Welt, wenn es darum ging, Mädchen mit außergewöhnlicher mathematischer Begabung zu identifizieren und zu fördern», so Mertz.
Über Jahrzehnte hätte das Team der Bundesrepublik ausschließlich aus Jungen bestanden, während die DDR in den 13 Jahren bis zur Wiedervereinigung fünf Mädchen entsandt habe – darunter mit Karin Kröger im Jahr 1984 sogar eine Goldmedaillengewinnerin, die die volle Punktzahl erreichte. «Diese Erkenntnisse stellen die These von der größeren Variabilität unter Männern in Frage», stellen die Forscherinnen fest.

Sind genetische Faktoren entscheidend?
Die zwischen den IMO-Teams aus Deutschland, Tschechien, der Slowakei und Südkorea beobachteten großen Unterschiede und Veränderungen in der Frauenquote könnten primär kaum mit biologischen Faktoren erklärt werden, schreiben die beiden Wissenschaftlerinnen. Dazu stünden die Populationen einander genetisch zu nahe. Anders gesagt: Jungen sind nicht von Natur aus besser in Mathe.
Dass Frauen bei der IMO bislang nicht über eine Quote von 20 Prozent hinauskamen, erklärt Mertz mit einer «Mischung aus soziokulturellen Faktoren, Bildung und Umfeld». Bei diesen Faktoren gebe es aber von Land zu Land große Unterschiede.
Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV) hält Frauen für genauso begabt wie Männer. «Mathematisches Talent ist nicht an ein bestimmtes Geschlecht gebunden», sagt DMV-Sprecher Thomas Vogt. Bei den Studienanfängern im Fach Mathematik sei die Frauenquote in Deutschland mittlerweile auf etwa 50 Prozent gestiegen.
In der Spitze, bei den Doktoranden und Professoren, nehme der Anteil der Frauen wieder ab – «nicht weil sie aufhören, exzellent zu sein, sondern weil eine Karriere in Wissenschaft und Wirtschaft mit Kindern und Familie immer noch schwierig ist». Negativ wirkten aber auch Vorurteile und Erwartungen der Gesellschaft, der Eltern, der Freunde und Freundinnen gegen ein technisches Fach. «Und es fehlen eben auch die Vorbilder – ein Teufelskreis», sagt Vogt.

Sind Mädchen einfach zu schnell?
Inge Schwank vom Institut für Kognitive Mathematik der Universität Osnabrück hat eine Vermutung, warum es Frauen so selten bis an die Spitze schaffen. Schon in Zwergenolympiaden, die ihr Institut seit dem Jahr 2001 für begabte Drittklässler der Region Osnabrück organisiert, seien unter den Top-Schülern praktisch ausschließlich Jungen. «Mädchen lernen früher sprechen als Jungen», sagt sie. Das könne von Nachteil sein, wenn es darum gehe, ein Gefühl für Zahlen zu entwickeln. Das frühe Denken in Zahlwörtern schade womöglich der Entwicklung einer Zahlenvorstellung.
Der Schlüssel zu Veränderungen liegt laut Schwank auch in der vorschulischen Bildung. «Es kommt darauf an, an welchen Stellen man die positive Verstärkung gibt», sagt die Didaktik-Expertin. Sie hofft, dass sie eines Tages nicht mehr den Satz zu hören bekommt, den ihr Grundschullehrer schon öfter gesagt haben: «Mädchen sind fleißig, Jungs können denken.»

Von Holger Dambeck

Der Text ist entnommen aus:
http://www.spiegel.de