Nachrichten aus Deutschland
Was den Deutschen Angst macht
Frauen blicken ängstlicher in die Zukunft als Männer, Ostdeutsche fürchten stärker um ihren Arbeitsplatz als Westdeutsche: Eine neue Studie legt offen, welche Sorge die Menschen in der Bundesrepublik umtreibt. Ein Faktor eint jedoch alle.
Berlin – Die Sorge um die wirtschaftliche Zukunft des Landes treibt die Deutschen um. In einer Studie über die «Ängste der Deutschen 2009» im Auftrag der R+V Versicherung rückte sie an Platz eins.
Um 18 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr nahm die Angst vor höherer Arbeitslosigkeit in Deutschland zu und nimmt nun mit 65 Prozent Platz zwei ein. Allerdings erreicht die Angst vor eigener Arbeitslosigkeit nur einen Wert von 48 Prozent.
Die Angst vor einer schlechteren Wirtschaftslage nahm um acht Prozentpunkte zu und liegt bei 66 Prozent.
Dafür sank aber die Befürchtung steigender Lebenshaltungskosten um 13 Prozent, die in den vergangenen fünf Jahren Spitzenreiter auf der Skala der großen Ängste war. Sie nahm mit 63 Prozent aber immerhin noch den dritten Rang ein.
Das Angstniveau – errechnet aus allen abgefragten Ängsten insgesamt – blieb seit 2007 mit 44 Prozent stabil.
Der Politologe Manfred Schmidt führte dies darauf zurück, dass das «Krisenmanagement der Großen Koalition wie eine Beruhigungspille wirkt». Sozialstaatliche Programme wie Kurzarbeit und die Erhöhung der Altersrenten sendeten ebenfalls beruhigende Signale, sagte Schmidt. Schließlich würden der immer noch hohe Wohlstand und der soziale Frieden im Land wie ein Sicherheitspolster wahrgenommen.
Außerdem sei den Deutschen Preisstabilität sehr wichtig. Die abnehmende Inflation werde daher sehr genau registriert und positiv bewertet.
Doch genau aus den Maßnahmen, die jetzt als beruhigend wahrgenommen werden, ergeben sich zugleich neue Befürchtungen, nämlich dass die hohe Staatsverschuldung infolge der staatlichen Konjunkturprogramme und Rettungsschirme Steuererhöhungen oder einen Abbau der Sozialleistungen nach sich ziehen wird. «Zwei Drittel aller Bürger befürchten, dass ihnen die Rechnung dafür noch serviert wird», sagte Schmidt.
Angst vor eigener Arbeitslosigkeit im Osten höher
Trotz der gemeinsamen Sorge um wirtschaftliche Themen bleiben Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Am gravierendsten zeigt sich das bei der Angst vor eigener Arbeitslosigkeit, die im Osten um zwölf Prozentpunkte höher liegt. Das allgemeine Angstniveau differiert zwischen Ost und West jedoch lediglich um zwei Prozentpunkte.
Mit 56 Prozent lag auch die Angst vor Naturkatastrophen, die das traditionell hohe Umweltbewusstsein der Deutschen dokumentiert, noch auf den vorderen Rängen sowie die Furcht, im Alter ein Pflegefall zu werden. Sie ist mit Abstand die größte persönliche Sorge und stieg leicht auf 54 Prozent. Die Angst vor Altersarmut sank mit 37 Prozent auf den niedrigsten Wert seit 2002.
Sinkender Lebensstandard im Alter ist auch eine Befürchtung, die Frauen häufiger haben als Männer. Die Leiterin des R+V-Infocenters Rita Jakli wies darauf hin, dass Frauen häufig eine schlechtere Altersversorgung hätten als Männer. Frauen sind in fast allen Punkten ängstlicher als Männer. Sie fürchten insbesondere schwere Krankheiten mit 13 Prozentpunkten Unterschied deutlich mehr. Sie haben allerdings weniger Angst vor eigener Arbeitslosigkeit.
Um fünf Prozentpunkte angestiegen ist bei den Deutschen die Angst vor Terrorismus, die nun ein Niveau von 46 Prozent erreicht. Um acht Prozent abgenommen hat trotz der Diskussionen um Alkopops und Komasaufen die Angst davor, dass die eigenen Kinder drogensüchtig werden könnten.
Befragt wurden 2 400 Bürger nach ihren 16 großen Ängsten.
Didaktisierungsvorschlag
1. Einführende Aufgaben
1.1. Lesen Sie das Gedicht von Sigrun Hopfensperger und betiteln Sie es.
Ich habe Angst vor dem was ist
und ich habe Angst vor dem was kommt.
Wird uns Frieden leben lassen
oder wird Krieg
um uns herum
uns in der Seele töten?
Angst lähmt, Angst hemmt
die Füße, die zu gehen bereit sind.
Die Füße gehen trotzdem, weil
das Leben uns zu gehen zwingt.
Doch wäre nicht die Angst,
sie würden vor Freude springen!
1.2. Beantworten Sie die Fragen.
a) Welche Ängste hat die Autorin?
b) Was macht Angst mit dem Menschen?
c) Wie verstehen Sie die letzten Zeilen: «Die Füße gehen trotzdem, weil/das Leben uns zu gehen zwingt./Doch wäre nicht die Angst,/sie würden vor Freude springen!»?
Sind Sie damit einverstanden?
d) Hat jeder Mensch Ängste? Welche Ängste haben Sie?
1.3. Der Artikel heißt «Was den Deutschen Angst macht». Was meinen Sie: Was macht den Deutschen Angst? Schreiben Sie es auf.
2. Wortschatz
um|trei|ben <st. V.; hat>: jmdn. mit Unruhe, unruhiger Sorge erfüllen, ihm keine Ruhe lassen, ihn stark beschäftigen: Angst, die Sorge um die Zukunft, die Frage nach dem Sinn des Lebens, sein [schlechtes] Gewissen trieb ihn um.
dif|fe|rie|ren <sw. V.; hat> (bildungsspr.): voneinander verschieden sein, abweichen: die Ansichten differierten in manchen Punkten; die Preise differieren um zehn Euro.
3. Arbeit am Wortschatz
3.1. Schreiben Sie den Wortschatz, der zum Sachbereich «Soziologie» gehört, aus dem Text heraus.
3.2. Bestimmen Sie das Genus der folgenden Substantive und gruppieren Sie sie.
Abbau • Angst • Arbeitslosigkeit • Auftrag • Faktor • Frieden • Inflation • Koalition • Konjunktur • Maßnahme • Niveau • Platz • Programm • Prozent • Rang • Rechnung • Signal • Skala • Sorge • Studie • Terrorismus • Vergleich • Versicherung • Versorgung • Wert • Wohlstand • Zukunft
Feminina |
Maskulina |
Neutra |
|
|
|
3.3. Ordnen Sie zu.
1. die Kurzarbeit
2. die Konjunktur
3. die Inflation
4. das Krisenmanagement
a) (Wirtsch.) gesamtwirtschaftliche Lage mit bestimmter Entwicklungstendenz
b) die Gesamtheit der Maßnahmen zur Lösung politischer, wirtschaftlicher o. ä. Krisen und Konflikte
c) verkürzte Arbeitszeit, die bei entsprechender Kürzung des Lohnes vom Unternehmer wegen Auftragsmangels o. Ä. angeordnet wird
d) (Wirtsch.) mit Geldentwertung und Preissteigerungen verbundene, beträchtliche Erhöhung des Geldumlaufs im Verhältnis zur Produktion
3.4. Finden Sie im Text die entsprechenden Zusammensetzungen.
a) Person, die wegen Gebrechlichkeit pflegebedürftig ist, deren Leiden durch einen weiteren Krankenhausaufenthalt aber nicht mehr zu heilen ist – ...
b) Alkoholexzesse – ...
c) Als «Hyperdrinks» bezeichnete alkoholhaltige süße Limonaden in poppiger Aufmachung, die bevorzugt von Jugendlichen im Alter bis zu 16 Jahren getrunken werden (Alkoholgehalt liegt zwischen 4 bis 5,5 Vol %) – ...
d) Kosten für die gesamte Lebenshaltung – ...
3.5. Schreiben Sie die Wörter der Wortfamilie «Angst» aus dem Text heraus.
3.6. Synonymreihe: befürchten – sich scheuen – Angst haben – sich ängstigen – erschrecken – fürchten – sich fürchten – Furcht haben – gruseln – sich gruseln – graulen – sich graulen – sich entsetzen – grauen – sich grauen – grausen – sich grausen – schaudern.
Beantworten Sie die Fragen.
a) Wie sind die Synonyme in der Reihe angeordnet? Welche Verben drücken das größte Angstniveau aus?
b) Welche Verben kommen im Text vor? Wie werden sie gebraucht?
c) Welches Verb hat die Bedeutung: «etwas Unangenehmes, was vielleicht eintreten könnte, aufgrund bestimmter Anzeichen oder intuitiv erwarten, kommen sehen»?
d) Welches Verb bedeutet «Furcht empfinden, weil man glaubt, dass man etw. Übles, Unangenehmes von jmdm., etwas erleiden könne»?
3.7. Setzen Sie die passenden Vokabeln aus Aufgabe 3.6 ein.
a) Aber er wagt es nicht, Eva von seinem Hunger zu sprechen, er ... ... vor der schweigenden Frau. (Fallada, «Jeder stirbt für sich allein»)
b) Als Gauleiter Rumpf am nächsten Tage in der Liste der Verhafteten den Namen Fahle las, bekam er einen Wutanfall, und Rittmeister Möhn, der ihm die Liste überreichte, ... (Prät.) zum ersten Mal, von ihm niedergeschlagen zu werden. (Kellermann, «Totentanz»)
c) [...] aber Anna erwartete ihn zum Mittagessen, und er ... (Prät.) ..., überflüssiges Geld im Restaurant auszugeben. (Feuchtwanger, «Exil»)
d) Wir ... ... weniger vor der Zukunft, als mehr vor uns selbst! (Thomas Lutter)
e) Wer vor nichts mehr zu zittern hat, der ... die Götter nicht mehr. (Schiller, «Die Räuber»)
f) «Sie kann Schadenersatz verlangen.» Diederich ... (Prät.) (H. Mann, «Untertan»)
g) Von Klamm ist es bekannt, dass er sehr grob ist; er spricht angeblich stundenlang nicht, und dann sagt er plötzlich eine derartige Grobheit, dass es einen ... (Kafka, «Das Schloss»)
h) Die Kinder ... ..., die Scheune zu betreten, weil dort Ratten sind.
i) Sie ... sich vor Schlangen.
j) Wir ... ... bei diesem Anblick.
k) Die Kinder ... (Prät.) ... vor der Hexe, aber trotzdem baten sie mich, das Märchen weiter zu erzählen.
3.8. Nehmen Sie Stellung zu den folgenden Äußerungen.
a) Fürchte nichts, vorausgesetzt, dass du fürchtest. Aber wenn du nichts fürchtest, dann fürchte dich. (Blaise Pascal)
b) Neun Zehntel alles Bösen in der Welt geschieht aus Furchtsamkeit. (Friedrich Wilhelm Nietzsche)
c) Die Angst ist der Fluch des Menschen. (Fjodor Dostojewskij)
d) Wenn die Angst größer wird als die Neugier, wird man bald erwachsen. (Bruno Ziegler)
e) Es gibt Wesen, die verlassen ihr Schneckenhäuschen nur, wenn die Sonne scheint. (Daniel Mühlemann)
f) Groß ist, den man fürchtet, auch wenn er nicht droht. (Christian Friedrich Hebbel)
g) Keine Maus kann sich einen ängstlichen Kater vorstellen. (Pavel Kosorin)
3.9. Erklären Sie die folgenden Komposita.
das Sicherheitspolster • die Preisstabilität • die Staatsverschuldung • der Lebensstandard • der Rettungsschirm • die Steuererhöhung • das Angstniveau • die Sozialleistungen • das Umweltbewusstsein • die Altersarmut
3.10. Bilden Sie die partizipialen Wortgruppen nach dem Muster: Der Lebensstandard sinkt → der sinkende Lebensstandard.
a) Die Signale beruhigen →
b) Die Inflation nimmt ab →
c) Die Angst nimmt zu →
d) Die Sorgen steigen an →
Bilden Sie mit den entstandenen Wortgruppen Sätze.
3.11. Fügen Sie passende Verben hinzu.
a) Platz ...
b) den Wert ...
c) das Niveau ...
d) Ängste ...
e) die Inflation ...
f) die Sozialleitungen ...
abbauen • abfragen • befürchten • bewerten • dokumentieren • einnehmen • errechnen • erreichen • fürchten • haben • registrieren • wahrnehmen
Bringen Sie Satzbeispiele.
4. Arbeit am Text
4.1. Hatten Sie recht mit Ihren Annahmen (Aufgabe 1.3)?
4.2. Füllen Sie die Lücken aus.
Studie über ____________________________________,
durchgeführt im Auftrag __________________________.
Befragt wurden ___________ Bürger
nach ihren ________ großen Ängsten.
4.3. Erklären Sie die folgenden Textstellen.
a) Eine neue Studie legt offen, welche Sorge die Menschen in der Bundesrepublik umtreibt. Ein Faktor eint jedoch alle.
b) Der Politologe Manfred Schmidt führte dies darauf zurück, dass das «Krisenmanagement der Großen Koalition wie eine Beruhigungspille wirkt».
c) Schließlich würden der immer noch hohe Wohlstand und der soziale Frieden im Land wie ein Sicherheitspolster wahrgenommen.
c) «Zwei Drittel aller Bürger befürchten, dass ihnen die Rechnung dafür noch serviert wird», sagte Schmidt.
4.4. Stimmt das?
a) Die Sorge um die wirtschaftliche Lage des Landes treibt die Deutschen um.
b) Die Angst vor höherer Arbeitslosigkeit nahm im Vergleich zum Vorjahr ab.
c) Die Befürchtung steigender Lebenshaltungskosten ist Spitzenreiter auf der Skala der großen Ängste.
d) Das Angstniveau blieb seit 2007 stabil.
e) Männer sind in fast allen Punkten ängstlicher als Frauen.
f) Ostdeutsche fürchten stärker um ihren Arbeitsplatz als Westdeutsche.
4.5. Ordnen Sie zu.
1. 66 % a) die Befürchtung steigender Lebenshaltungskosten
2. 65 % b) die Angst vor höherer Arbeitslosigkeit
3. 63 % c) die Angst vor eigener Arbeitslosigkeit
4. 56 % d) die Angst vor einer schlechteren Wirtschaftslage
5. 54 % e) das Angstniveau bleibt stabil
6. 48 % f) Angst vor Naturkatastrophen
7. 46 % g) die Furcht, im Alter ein Pflegefall zu werden
8. 44 % h) die Angst vor Altersarmut
9. 37 % i) Angst vor Terrorismus
4.6. Setzen Sie die Präpositionen auf, bei, mit oder um ein.
a) Die Angst vor einer schlechteren Wirtschaftslage nahm ... 8 Prozentpunkte zu und liegt ... 66 Prozent.
b) Die Angst vor höherer Arbeitslosigkeit in Deutschland nahm im Vergleich zum Vorjahr ... 18 Prozentpunkte zu und nimmt nun ... 65 Prozent Platz zwei ein.
c) Die Befürchtung steigender Lebenshaltungskosten sank ... 13 Prozent und nimmt ... 63 Prozent den dritten Rang ein.
d) Die Furcht, im Alter ein Pflegefall zu werden, stieg leicht ... 54 Prozent.
e) Die Angst vor Altersarmut sank ... 37 Prozent ... den niedrigsten Wert seit 2002.
f) Die Angst vor Terrorismus ist ... 5 Prozentpunkte ... 46 Prozent angestiegen.
g) Die Angst davor, dass die eigenen Kinder drogensüchtig werden, nahm ... 8 Prozent ab.
h) Das Angstniveau blieb seit 2007 ... 44 Prozent stabil.
4.7. Setzen Sie die Aussagen fort.
a) Eine neue Studie legt offen, ...
b) Dass das Angstniveau seit 2007 stabil bleibt, führte der Politologe Manfred Schmidt darauf zurück, dass ...
c) Beruhigende Signale sendeten auch ...
d) Zwei Drittel aller Bürger befürchten, dass ...
e) Trotz der gemeinsamen Sorge um wirtschaftliche Themen ...
f) Die Leiterin des R+V-Infocenters Rita Jakli wies darauf hin, dass ...
4.8. Beantworten Sie die Fragen.
a) Welche Sorge treibt die Deutschen um?
b) Warum blieb das Angstniveau bei den Deutschen seit 2007 stabil?
c) Welche neuen Befürchtungen ergeben sich aus den Maßnahmen, die als beruhigend wahrgenommen werden?
d) Welche Unterschiede gibt es zwischen den Ängsten
– der West- und Ostdeutschen;
– der Frauen und Männer in Deutschland?
4.9. Sprechen Sie mithilfe des Diagramms über die Ängste der Deutschen 2009.
5. Weiterführende Aufgaben
5.1. Was meinen Sie: Welche Sorge treibt die Menschen in Russland um? Stellen Sie eine Prognose über die Ängste der Bevölkerung in Russland.
5.2. Recherchieren Sie. Finden Sie Materialien (in der Presse, im Internet etc.) über die Ängste der russischen Bevölkerung. Stimmt Ihre Prognose?
Lösungen
3.2: Feminina: die Angst, die Arbeitslosigkeit, die Inflation, die Koalition, die Konjunktur, die Maßnahme, die Rechnung, die Skala, die Sorge, die Studie, die Versicherung, die Versorgung, die Zukunft; Maskulina: der Abbau, der Auftrag, der Faktor, der Frieden, der Platz, der Rang, der Terrorismus, der Vergleich, der Wert, der Wohlstand; Neutra: das Niveau, das Programm, das Prozent, das Signal.
3.3: 1. c; 2. a; 3. d; 4. b.
3.4: a) der Pflegefall; b) das Komasaufen; c) die Alkopops; d) die Lebenshaltungskosten.
3.7: a) hat Angst; b) befürchtete; c) scheute sich; d) fürchten uns; e) fürchtet; f) erschrak; g) schaudert; h) grausen sich; i) graut; j) entsetzten uns; k) graulten sich.
4.5: 1. d; 2. b; 3. a; 4. f; 5. g; 6. c; 7. i; 8. e; 9. h.
4.6: a) um, bei; b) um, mit; c) um, mit; d) auf; e) mit, auf; f) um, auf; g) um; h) mit.
Didaktisiert von Natalia Konstantinowa
Der Text ist entnommen aus: http://www.spiegel.de