Bildung und Erziehung
Arbeitsbelastung der Lehrer so hoch wie vor 1914
«Bisher wurden stets die Tarifabschlüsse für die angestellten Kollegen auch für die verbeamteten Kollegen übernommen. Jetzt scheint das aber nicht mehr zu gelten», nennt Peter Müller einen der Gründe, weshalb rund 200 Lehrer und Lehrerinnen aus dem Gießener Land zusammen mit einigen Schülern an einer zentralen Kundgebung in Wiesbaden teilgenommen haben.
Müller gehört zum Vorstand des Gießener Stadtverbands der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), die zu einer «symbolischen Arbeitsniederlegung» in der Landeshauptstadt aufgerufen hatte. Weitaus mehr als eigentlich gedacht seien gekommen, auch Schüler hätten sich eigens zur Unterstützung ihrer Lehrer mit auf den Weg gemacht, berichtete Klaus Steup vom Gießener Kreisvorstand der GEW erfreut.
Worauf sind die Lehrer so sauer, dass sie auch als Beamte die Arbeit für einen Tag niederlegen, dass sie Gehaltsabzüge und Einträge in ihren Personalakten riskieren? «Wir wollen zum einen die 40-Stunden-Woche wieder zurück wie die angestellten Kollegen. Für uns soll es aber bei der 42-Stundenwoche bleiben», erklärte Müller. Dies stelle im Grunde einen Verstoß des Dienstherren, also des Landes, gegen die Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten dar. Und wie anders als mit einer Demonstration könnten die verbeamteten Lehrer auf diese Ungleichbehandlung hinweisen? «Im Übrigen ist auch Beamten nach EU-Recht das Streikrecht nicht verboten», betonte Müller.
Außerdem möchten die Lehrer, dass die bisherige Altersteilzeitregelung beibehalten wird und es keine Erhöhung des Alters gibt, ab dem ein Lehrer in den Ruhestand treten kann: «Rund 60 Prozent der Lehrer müssen ohnehin vorzeitig aus Krankheitsgründen den Ruhestand beantragen», erklärte Müller. Die gegenwärtige Arbeitsbelastung der Lehrer sei so hoch wie vor 1914, also noch vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs. Die sei ein Unding.
«Obwohl der Arbeitsmarkt für Lehrer wie leergefegt ist, gerade auch in Mangelfächern, werden keine zusätzlichen Lehrer eingestellt oder die frei werdenden Stellen neu besetzt», betonte Steup. Die GEW fordere Lehrkräfte für 10 000 zusätzliche Unterrichtsstunden.
«Unser Kapital ist unsere Bildung. Das ist inzwischen eigentlich allgemein akzeptiert. Nur so wie zurzeit von der Politik damit umgegangen wird, gefährden wir dieses Kapital», stellte Steup fest.
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