Bildung und Erziehung
Dumme Sprüche und Schikanen: Wenn Lehrer Schüler auf dem Kieker haben
Er hört einfach nicht auf! In jeder Stunde nimmt sich der Lehrer immer wieder denselben Schüler vor: Der wird schikaniert, muss ständig zum Vorrechnen an die Tafel, bekommt ungerechte Noten und muss sich Sätze anhören wie: «Dafür bist du ja wohl offenbar zu dumm.»
Wird man vom Lehrer gemobbt, hilft es nichts, den Frust in sich hineinzufressen. Als Erstes sollte Hilfe gesucht und dann der Lehrer zur Rede gestellt werden.
Beim Begriff «Mobbing» ist aber Vorsicht geboten, sagt Klaus Seifried: «Mobbing liegt erst dann vor, wenn jemand zielgerichtet und ohne erkennbaren Grund immer wieder herabgesetzt, gedemütigt und gequält wird», erklärt der Schulpsychologe aus Berlin. Konflikte im Unterricht drehen sich aber meist um Noten und Regeln, und darüber gab es zwischen Lehrern und Schülern schon immer Streit.
Die Grenze zum Mobbing sei allerdings fließend, wenn Lehrer zynische, abwertende Kommentare vor versammelter Klasse abgeben und sich zum Beispiel über die Leistung eines einzelnen Schülers lustig machen, sagt Seifried. «Dass Schüler von Lehrern gemobbt werden, ist aber die absolute Ausnahme.» Ist das der Fall, gibt es für den Schüler keinen Grund, sich zu schämen oder sich zurückzuziehen. «Er sollte diesen Teufelskreis durchbrechen und sich auf jeden Fall wehren», rät der Schulpsychologe.
Unternimmt man nichts, hinterlassen solche Attacken Spuren. Dann fällt es den Betroffenen schwer, überhaupt zur Schule zu gehen. «Viele bekommen schon Kopf- und Bauchschmerzen, wenn sie morgens nach dem Aufstehen an den Unterricht denken, oder sie leiden mit der Zeit unter Leistungsstress, weil sie die Anforderungen nicht mehr erfüllen können», erklärt die Diplom-Pädagogin Marthe Kniep aus München. «Das geht sogar bis zum Wunsch, die Schule zu schwänzen.»
So weit sollte es besser nicht kommen! Fühlt man sich vom Lehrer gemobbt, ist der erste Schritt, sich mit Klassenkameraden auszutauschen, denen man vertraut. «Die können dann sagen, wie sie die Situation sehen», rät die Erziehungsberaterin Maria El-Safti-Jütte vom Berliner Kinder- und Jugendtelefon. «So lässt sich auch herausfinden, ob man nicht Sachen auf sich bezieht, die die anderen ganz anders sehen.»
Viele Schüler trauen sich aber nicht, das Problem anzusprechen. «In den meisten Mobbing-Fällen kommt es gar nicht erst zur Konfrontation», sagt Seifried. «Da versuchen die Betroffenen dann, das einfach wegzustecken.» Ein Grund sei die Angst, dass eine Beschwerde Nachteile haben könnte. «Sie fürchten, dass sie schlechtere Noten oder eine Mitteilung für die Eltern bekommen.»
Doch es ist wichtig, sich Mut zu machen und den Lehrer auf die Situation anzusprechen, sagt El-Safti-Jütte: «Allein und auf eigene Faust sollte das aber auf keinen Fall geschehen», rät sie. «Am besten ist, man holt sich noch eine Vertrauensperson mit ins Boot, die einem den Rücken stärken kann.» Unterstützung kann man sich zum Beispiel beim Vertrauenslehrer der Schule, bei einer psychologischen Beratungsstelle oder bei den Eltern holen.
Wenn sich ein Schüler nicht helfen lassen will, kann das unterschiedliche Gründe haben: «Es könnte beispielsweise daran liegen, dass die Schüler Angst davor haben, nicht ernst genommen zu werden», sagt Kniep. «Oder sie fürchten, dass die Erwachsenen das letzte Wort haben und solche Sachen sagen wie: ‹Du hast dich ja auch frech benommen.›»
Vorher weiß man nie, wie ein Gespräch mit dem Lehrer ausgeht. «Sicher kann es vorkommen, dass der Lehrer alles abstreitet und abweisend reagiert», sagt El-Safti-Jütte. Spätestens in solchen Fällen sollte die Schulleitung eingeschaltet werden. «Soweit muss es aber gar nicht erst kommen, denn das Gespräch kann auch gut verlaufen und die Probleme aus dem Weg räumen.»
Sascha Rettig
Der Text ist entnommen aus:
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