Methodisches
Arbeit mit authentischen Texten im Deutschunterricht
Erstellt von Jelena Stawizkaja, Moskau
Die Arbeit mit und an zielsprachigen Sach-, Gebrauchs- und literarischen Texten steht im Mittelpunkt des fremdsprachigen Deutschunterrichts.
Ich möchte den Didaktisierungsvorschlag eines Textes vorstellen, der aus interkulturellen Gründen interessant ist.
Elena Stawizkaja
Vor dem Lesen
1. Die Lehrerin zeigt den Schülern die Fotos und wendet sich an sie mit der Frage: «Aus welchem Land kommen die Personen?»
Die Schüler sprechen ihre Vermutungen aus, z. B.:
– aus China;
– aus Japan;
– aus Korea;
– aus der Mongolei;
– aus den Philippinen;
– aus Kirgisien;
– aus Russland (z. B. aus Burjatien, Jakutien usw.)
und erklären, warum sie so denken.
2. Dann stellt die Lehrerin noch eine Frage: «Was denkt ihr, worum geht es in diesem Text?»
Die Schüler sprechen ihre Hypothesen aus. Sie äußern ihre Vermutungen, tauschen die Meinungen aus und versuchen, das Thema zu erraten.
Spuren asiatischer Kultur kann man in Düsseldorf an vielen Stellen entdecken.
3. Dann zeigt die Lehrerin noch ein Foto mit der Unterschrift und fragt:
«Aus welchem Grund ist der Junge in Deutschland?»
Die Schüler sprechen ihre Vermutungen aus:
– Er ist Austauschschüler.
– Er ist Student.
– Er ist Tourist.
– Er ist Flüchtling.
– Er ist Gastarbeiter.
– Er ist ein Gastarbeiterkind.
4. Dann wird noch ein Foto gezeigt und die Schüler sprechen noch eine Hypothese aus, er sei vielleicht Sportler und nehme an einer Meisterschaft in Deutschland teil.
Natürlich können die Schüler andere Ideen haben, worum es in diesem Text geht.
– Wahrscheinlich geht es in diesem Text um einen Jungen und ein Mädchen.
Der Junge ist im Moment in Deutschland. Er vermisst seine Freundin, hat vielleicht Heimweh.
Die Lehrerin kann noch eine Frage stellen, ob die Jugendlichen doch Kontakt zueinander haben.
Vielleicht schicken sie sich oft E-Mails oder telefonieren miteinander usw.
– Vielleicht sind die beiden Jugendlichen im Moment in Deutschland. Sie kommen aus ein und demselben Land, sie haben sich aber erst in Deutschland kennengelernt.
Während des Lesens
5. Mithilfe des Overhead-Projektors oder des interaktiven Whiteboards lesen die Schüler den Text vor. Dabei wird absatzweise oder satzweise vorgelesen, so sehen die Schüler nicht den ganzen Text und können nur vermuten, wie es weitergeht.
Einige Sätze liest die Lehrerin vor, dabei macht sie an bestimmten Stellen Pausen (so wie im Text unten) und wendet sich an die Klasse mit Fragen, die das Denken der Schüler stimulieren.
Während des Lesens können die Schüler ihre Vermutungen aussprechen.
Lesetext
Nippon am Rhein
Über 5 500 Japaner und 420 japanische Firmen sind in Düsseldorf zu Hause. Mai und Yuuki, zwei japanische Jugendliche, leben mit ihren Eltern hier.
Mai, 17, und Yuuki, 18, sind in Japan geboren und aufgewachsen. Ihre Väter kamen vor einigen Jahren nach Deutschland. Sie arbeiten in der Niederlassung ihrer japanischen Firma in Düsseldorf. Die Familien folgten.
«Nippons Hauptstadt am Rhein» – so nennt man die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt auch. Japanische Geschäfte und Restaurants, aber auch einen Tempel und einen japanischen Garten kann man hier finden. Ein Hauch von Fernost, und das mitten in Deutschland!
Wie erlebten Yuuki und Mai ihren Umzug nach Europa?
Pause. Die Lehrerin wendet sich mit dieser Frage an die Schüler.
Yuuki zögert nicht lange mit seiner Antwort. Er hat sich sehr darüber gefreut, erklärt er. In Japan stand er kurz vor einer wichtigen und schwierigen Prüfung an seiner Schule. Der Wechsel kam ihm sehr gelegen. «Der Leistungsdruck an einer japanischen Schule ist viel größer als hier», berichtet er. Mai bestätigt das.
Heute besuchen beide die «International School of Düsseldorf». Die Unterrichtssprache ist
Welche?
Englisch. Außerdem lernt man
Was?
Deutsch und Japanisch in einer rein japanischen Klasse.
In der Kantine der Schule gibt es
Welches?
deutsches Essen. Daran haben sich beide erst einmal gewöhnen müssen.
Zu Hause kommen japanische Gerichte,
Welche?
viel Reis, Gemüse und Fisch auf den Tisch; traditionell essen beide Familien mit Stäbchen.
Ansonsten ist ihr Lebensstil aber sehr westlich orientiert, sagt Mais Vater in fließendem Deutsch. Von ihm hat Mai sehr viel über Deutschland erfahren – er hat das Land schon als Student bereist und kennengelernt.
Mai schätzt vor allem die Natur an Deutschland. «Hier kann man sehr gut spazieren gehen. In der Nähe unseres Wohnhauses gibt es einen Wald», erzählt sie. Ganz anders dagegen sei es in Japan! «Die Familien machen dort selten Spaziergänge in der Natur», meint sie.
Anders als in Deutschland sind die Geschäfte in Japan rund um die Uhr geöffnet. Viele nutzen das Wochenende, um einkaufen zu gehen.
Yuuki hat ein neues Hobby in Deutschland gefunden. Er spielt in seiner Freizeit besonders gern
Was?
Billard. «In Japan ist das Spiel nicht so stark verbreitet», erklärt er. Die meisten Jugendlichen finden dort Computerspiele viel spannender. Ob er Karate kann? Yuuki reagiert höflich auf die stereotype Frage und antwortet mit einem klaren
Pause
«Nein.» Dann fügt er lächelnd hinzu: «Aber ich mache Kendo – zusammen mit deutschen Jugendlichen in einem Sportclub.»
Wer ihn zu Hause besucht, lernt vor dem Betreten der Wohnung eine japanische Sitte kennen:
Welche?
An der Wohnungstür bittet der Gastgeber, dass man die Straßenschuhe auszieht.
In seinem Zimmer sitzt Yuuki oft an seinem Computer. Über das Internet hält er Kontakt mit seinen japanischen Freunden in der Heimat. Im Internet hat er auch eine eigene Homepage eingerichtet. Auf diesen Seiten kann man sich auf Japanisch oder Englisch über Deutschland informieren.
Beispielsweise über die unübersichtlichen Tarife in den Düssel-
dorfer Straßen- und U-Bahnen, wie es sie in Japan nicht gibt. Dagegen ist das Reisen in den Düsseldorfer Bahnen viel bequemer als in den überfüllten japanischen Zügen, meint Yuuki. Rund 16 000-mal wurden seine Seiten bislang aufgerufen. Yuuki ist erstaunt über diesen Erfolg.
In zwei Jahren endet der Deutschlandaufenthalt der Väter. Die beiden jungen Japaner haben dann ihren Schulabschluss in der Tasche. Es ist also möglich, dass sie andere Wege gehen als ihre Eltern. Was sie heute dazu meinen?
Mai freut sich schon darauf, wieder nach Japan zu kommen.
Yuuki dagegen kann sich sehr gut vorstellen, irgendwo anders zu studieren und zu leben.
Nach dem Lesen
6. Antwortet auf die Fragen.
- Sind die beiden Jugendlichen in Deutschland geboren worden?
- Stammen sie aus ein und derselben Familie?
- Wann sind sie nach Deutschland gekommen?
- Besuchen Mai und Yuuki eine deutsche Schule?
- Gibt es in ihrer Klasse Schüler aus anderen Ländern?
- Haben Mai und Yuuki Kontakt zu deutschen Jugendlichen? Wo?
- Wann bekommen die beiden Japaner Schulabschluss?
7. Richtig oder falsch sind folgende Aussagen? Kreuzt an, was zutrifft.
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R |
F |
1. Die beiden Jugendlichen wohnen in München. |
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2. Yuuki hat sich über den Umzug nach Deutschland sehr gefreut. |
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3. Es ist viel schwieriger, an einer japanischen Schule zu lernen als an einer europäischen. |
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4. In der Schulkantine gibt es japanisches Essen. |
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5. Mai und Yuuki wohnen jetzt in Deutschland und sie essen zu Hause nicht mehr mit Stäbchen. |
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6. Mais Vater spricht kein Deutsch. |
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7. Yuuki spielt in seiner Freizeit gern Fußball. |
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8. Yuuki schreibt oft E-Mails an seine japanischen Freunde. |
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9. Mai will nach dem Schulabschluss in Deutschland bleiben und weiter studieren. |
8. Füllt die Tabelle aus.
Beim Ausfüllen der Tabelle wäre es wünschenswert, die Arbeit in Paaren zu organisieren. Dabei konzentriert sich jedes Schülerpaar auf seine Frage (z. B. Geschäfte, Verkehr usw.).
Wenn alle Schülerinnen und Schüler die ganze Tabelle ausfüllen, dann sind sie bald müde und verlieren Interesse an der Arbeit am Text!
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Deutschland |
Japan |
Leistungsdruck an der Schule |
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Essgewohnheiten |
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Gewohnheiten zu Hause |
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Spaziergänge mit der Familie |
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Geschäfte |
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Verkehr |
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Eigentlich kann man an dieser Tabelle weiterarbeiten und alle Punkte in Bezug auf Russland besprechen. (z. B. Öffnungszeiten in Geschäften, Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei Essgewohnheiten usw.)
Beim Ausfüllen der Tabelle können die Schülerinnen und Schüler nicht nur die Informationen aus dem Text benutzen, sondern auch landeskundliche Informationen aus anderen Quellen oder aus ihren Reisen nach Deutschland.
9. Pro – Contra.
Stell dir vor, deine Eltern fahren dienstlich ins Ausland für einige Jahre. Du willst aber aus irgendwelchen Gründen nicht mitfahren. Kannst du deine Wünsche den Eltern erklären?
Welche Argumente für die Reise finden deine Eltern?
Es werden zwei Gruppen in der Klasse gebildet, eine Gruppe findet Argumente Für (Pro), die andere Gruppe findet Argumente Wider (Contra).
Die beiden Gruppen schreiben ihre Argumente an die Tafel in Stichpunkten.
Pro |
Contra |
– Du bekommst eine gute Gelegenheit, deine Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern. |
– Ich habe hier viele Freunde, ich will sie nicht für einige Jahre verlassen. |
10. Die leistungsstarken Gruppen können als Hausaufgabe einen Aufsatz zur folgenden Situation schreiben:
Stell dir vor, dein Vater ist Diplomat und fährt für einige Jahre ins Ausland. Die Familie fährt mit. Der Vater kann aber das Land wählen. In welches Land möchtest du fahren? Erkläre, warum.
11. Projektarbeit
In Schulen in den Großstädten, wo es deutsche Konsulate und deutsche Vertretungen gibt, kann man ein Projekt erarbeiten «Deutsche Jugendliche in Russland».
In Moskau kann man mit der Deutschen Schule bei der Deutschen Botschaft in Kontakt kommen und deutsche Schüler interviewen.
Deutsche Schule Moskau:
http://www.dsmoskau.ru/
Deutsche Konsulate gibt es in Moskau, Sankt-Petersburg, Nowosibirsk, Kaliningrad und Jekaterinburg. Die Adressen kann man auf der Internetseite der Deutschen Botschaft in Russland finden:
http://www.moskau.diplo.de/Vertretung/moskau/ru/Startseite.html
Lösungen
Zu 6: 1. Nein, sie sind in Japan geboren worden und aufgewachsen.
2. Nein, sie stammen aus verschiedenen Familien. (Im ersten Absatz des Textes steht «ihre Väter...»)
3. Sie sind nach Deutschland vor einigen Jahren gekommen.
4. Nein, sie besuchen die «International School of Düsseldorf».
5. Nein, sie lernen in einer rein japanischen Klasse.
6. Yuuki hat Kontakt mit deutschen Jugendlichen in einem Sportclub.
7. Die beiden jungen Japaner absolvieren die Schule in zwei Jahren.
Zu 7: 1. Falsch. Sie wohnen in Düsseldorf.
2. Richtig. Ja, in Japan musste er eine schwierige Prüfung ablegen.
3. Richtig. Ja, der Leistungsdruck an einer japanischen Schule ist viel größer als an einer deutschen.
4. Falsch. In der Schulkantine gibt es deutsches Essen.
5. Falsch. Traditionell essen beide Familien mit Stäbchen.
6. Falsch. Mais Vater spricht fließend Deutsch. Er hat das Land schon als Student bereist und kennengelernt.
7. Falsch. Nein, er spielt gern Billard.
8. Richtig. Ja, er hält Kontakt mit seinen japanischen Freunden in der Heimat über das Internet.
9. Falsch. Nein, Mai wartet auf die Rückkehr nach Japan. Sie freut sich schon darauf, wieder nach Japan zu kommen.
Der Text und die Fotos sind entnommen aus:
http://www.auslandsschulwesen.de