Главная страница «Первого сентября»Главная страница журнала «Немецкий язык»Содержание №7/2010

Bildung und Erziehung

Was zufrieden macht

Das neue Forschungsfeld positive Psychologie konzentriert sich nicht auf Defizite, sondern will dem Geheimnis des guten Lebens bei gesunden Menschen auf die Spur kommen.

Wer sich ganz altmodisch mit Eifer und Energie an die Arbeit macht, wird mit Zufriedenheit belohnt, und zwar unabhängig vom Berufsfeld. Willibald Ruch hat für diese Arbeitshaltung das Wort Enthusiasmus gewählt: «Gemeint ist ein energiegeladenes Anpacken, nicht etwa mit Aktionismus zu verwechseln.» In einer ganzen Reihe von Studien konnte er zeigen, dass Enthusiasmus überaus stark mit Arbeitszufriedenheit einhergeht und überdies mit einer Einstellung, die im Beruf eine Berufung sieht.
Das Zusammenspiel von Charakterstärken und Arbeitszufriedenheit ist ein neues Forschungsfeld der positiven Psychologie, die sich seit rund zehn Jahren der Erforschung der guten Lebensführung bei gesunden Menschen widmet. Willibald Ruch, Professor für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der Universität Zürich, ist seit Jahren massgeblich an der Einführung dieser Forschung im deutschen Sprachraum beteiligt.
In Bezug auf Arbeit und Beruf unterscheidet die positive Psychologie drei Orientierungen oder Einstellungen: Man kann arbeiten, um Geld zu verdienen, wobei das eigentliche Leben in die Freizeit verlagert wird. Man kann, zum Zweiten, um der Karriere willen arbeiten, also um irgendwann irgendwohin zu kommen. Schließlich kann man, drittens, den Beruf als eine Berufung empfinden, als eine Tätigkeit also, die man um ihrer selbst willen ausübt.

Genuss oder tätiges Leben
Sowohl die Arbeitszufriedenheit wie auch die Lebenszufriedenheit überhaupt sind sehr stark mit dieser dritten Art der Berufsorientierung verbunden. «Wie stark Enthusiasmus mit Arbeitszufriedenheit verkoppelt ist und wie stark die Arbeitszufriedenheit zur Lebenszufriedenheit beiträgt und dass überdies beides mit ähnlichen Charakterstärken verbunden ist – das hat man bisher sehr unterschätzt», erklärt Ruch.
Das Ergebnis passt aber gut zu Erkenntnissen, die die positive Psychologie zur Lebenszufriedenheit allgemein gewonnen hat. Auch in Bezug auf die Art und Weise, wie Menschen Glück und Zufriedenheit suchen, unterscheidet sie nämlich drei Orientierungen oder Lebensstile: Menschen können ihre Zufriedenheit in erster Linie im Genuss suchen, also auf dem Weg des Hedonismus. Sie können als zweite Variante danach streben, ihr Potenzial in einem engagierten, tätigen Leben zu verwirklichen. Und schließlich gibt es den Weg der Sinnsuche. Alle drei Lebensstile führen zu Zufriedenheit, am stärksten ist jedoch das engagierte Leben mit Lebenszufriedenheit verbunden – und zwar nahezu weltweit.
Die positive Psychologie hat sich zum Ziel gesetzt, eine Psychologie zu ergänzen, die sich seit ihrer Etablierung als Wissenschaft vor hundert Jahren fast ausschließlich mit Störungen, Krankheiten und Fehlentwicklungen befasst hat. Rund 30 Prozent aller Menschen erkranken einmal im Leben an einer psychischen Störung. «Doch auch die 70 Prozent der psychisch Gesunden haben Bedürfnisse: Sie wollen sich entfalten, aus ihrem Leben etwas machen, sie suchen Glück und Zufriedenheit», erklärt Ruch. Für diese Suche waren lange Religion und Philosophie zuständig, heute kommt dazu eine immens anschwellende Ratgeberliteratur, der Zen-Buddhismus oder der esoterische Guru in Indien.
Dieses ebenso alte wie weite Feld der guten Lebensführung erforscht die positive Psychologie. Ihr Begründer, der amerikanische Psychologe Martin Seligman, hat dafür zunächst in Anlehnung an die große Tradition der Philosophie einen Katalog von 6 Kern-Tugenden erstellt und diesen 24 Charakterstärken zugeordnet, die Menschen aller Kulturen schon immer für wichtig hielten. Über ausgefeilte und ausgetestete Fragebogen im Internet kann sich jeder und jede über die eigenen Stärken und Lebensorientierung klar werden – Teilnehmende bekommen eine individuelle Rückmeldung.
Gleichzeitig stellen sie der Forschung eine große Menge von anonymisierten Daten zur Verfügung. Das weltweit gesammelte Datenmaterial lässt sich gleichzeitig nach verschiedensten Kategorien auswerten: So zeigte sich etwa, dass es in Sachen Lebensorientierung und -zufriedenheit kaum ausgeprägte Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt und dass diese Zufriedenheit über Dutzende von Ländern hinweg am stärksten mit den immer gleichen fünf Charakterstärken verbunden ist: nämlich mit Optimismus, Neugierde, Enthusiasmus, Bindungsfähigkeit und Humor. Gleichzeitig erfordern aber verschiedene Berufe jeweils ein anderes Profil von Charakterstärken – Erkenntnisse, welche etwa die Laufbahnberatung nutzt.
Ist es nicht etwas trivial, wenn sich nun herausstellt, dass Arbeiten nur um des Geldverdienens willen nicht besonders befriedigend ist? «Das mag so erscheinen», sagt Ruch. Im Unterschied zum Alltagswissen, zu den guten Ratschlägen der Großmutter und den Anweisungen des Gurus sucht die positive Psychologie jedoch ihre Erkenntnisse wissenschaftlich abzusichern: «Ohne jedes Eigeninteresse können wir sagen, welche Dinge in welcher Kombination zu welchen Effekten führen – oder eben nicht.»

Viel Kaviar macht nicht glücklich
Wenn mit wissenschaftlicher Evidenz gezeigt werden kann, dass die Fokussierung auf möglichst viel Kaviar oder Sex nicht wirklich zufrieden macht, das engagierte, tätige Leben dagegen schon, dass die Lebenszufriedenheit stark mit Optimismus einhergeht und die Arbeitszufriedenheit in erster Linie mit Enthusiasmus, dann ist das tatsächlich nicht trivial. «Die positive Psychologie rehabilitiert mit diesen Korrelationen auch das Werte-Denken: Sie befreit alte Tugenden wie Eifer, Ausdauer oder Dankbarkeit von ihrem etwas angestaubt-puritanischen Image und aus der Vereinnahmung durch fundamentalistische Christen und Konservative», erklärt Ruch.
Die bloße Feststellung von Koppelungen lässt jedoch zwei wichtige Fragen offen. Sind es gewisse Charakterstärken, die zu Zufriedenheit führen, oder ist nicht umgekehrt die Zufriedenheit eine Folge dieser Stärken? Und damit verknüpft: Sind Charakterstärken Schicksal, das heißt angeboren, oder lassen sie sich verändern, will heißen steigern?
Antworten auf beide Fragen sucht die positive Psychologie mithilfe sogenannter positiver Interventionen: Übungen, die eine bestimmte Charakterstärke wie Humor, Freundlichkeit oder Dankbarkeit trainieren sollen und die gegen willkürlich gewählte Fantasie-Übungen (die damit einem Placebo gleichkommen) getestet werden.
So hat Martin Seligman etwa in einer Studie mit über 500 Teilnehmern verschiedene Übungen zur Steigerung der Charakterstärke «Dankbarkeit» gegeneinander getestet: Die Teilnehmer sollten zum Beispiel ihre Aufmerksamkeit für positive Ereignisse erhöhen, indem sie über sechs Wochen jeden Tag drei Dinge notierten, die gut verlaufen waren. Die Intervention zeigte Erfolg, indem die Lebenszufriedenheit dieser Gruppe messbar anstieg. Die «Placebo-Übung» – sie bestand darin, ein Tagebuch über frühe Erinnerungen zu führen – brachte dagegen keinerlei Veränderung.
Willibald Ruch selbst, der seit Jahren die Charakterstärke Humor erforscht, hat zeigen können, dass sich selbst der Sinn für Humor, der zum Teil vererbt wird, durch ein schrittweise aufgebautes Humortraining verbessern lässt und dass damit auch die Lebenszufriedenheit ansteigt. Dieser messbare Anstieg der Lebenszufriedenheit beantwortet auch die Frage nach der Kausalität: Gewisse Charakterstärken scheinen tatsächlich Grund für und nicht Folge von Lebenszufriedenheit zu sein.
Die positive Psychologie geht heute davon aus, dass viele Charakterstärken trainierbar sind: «Es ist wie beim Geigenspielen – man muss das gute Verhalten so lange willentlich üben, bis ein Automatismus eintritt, dann wird es ein Teil der Persönlichkeit», erklärt Ruch. Natürlich sei eine Steigerung von einem Extrem ins andere kaum möglich, also etwa Angst durch Mut ersetzen. «Das würde ja heißen, eine Schwäche – Angst – zu reduzieren, und das ist Sache der Psychologie. Nein, in der positiven Psychologie geht es darum, den Mut zu stärken, auch wenn man von Natur aus eher ängstlich ist.»

Von Kathrin Meier-Rust

Der Text ist entnommen aus:
http://www.nzz.ch