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Sonderthema

August der Starke – Der königliche Kraftprotz

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König August II. im Harnisch und Hermelinmantel sowie mit der Schärpe des Ordens vom Weißen Adler, gemalt von seinem Lieblingsmaler de Silves­tre; zu seiner Linken die polnischen Kronjuwelen und der sächsische Kurhut.

Ein starker Typ und ein schwieriger Charakter – so sahen Zeitgenossen ihren Kurfürsten Friedrich August I. und beschrieben sein gewinnendes Wesen und das aufbrausende Temperament, die enor­me Körperkraft und ein ausgeprägtes Machtbewusstsein. Viele Züge, die ihn zum Kurfürsten prädestinierten. Aber August war, als er am 12. Mai 1670 zur Welt kam, nur der Zweitgeborene, und sein älterer Bruder Johann Georg IV. trat nach dem Tod des Vaters 1691 dessen Nachfolge an. Doch schon drei Jahre später starb Johann Georg an den Pocken und August stand in der Pflicht. Er regierte mit absolutis­tischem Gepränge und verhalf seinem Kurstaat zu wirtschaftlichem Aufschwung. Seine politischen und militärischen Erfolge waren dagegen eher durchwachsen: Zwar wurde er als August II. zum König von Polen gewählt, doch zum Preis hoher Bestechungsgelder und erst nach dem Übertritt zum katholischen Glauben.
Und obwohl es August gelang, Sachsen als dritte mitteleuropäische Macht neben Preußen und den Habsburgern aufzubauen, war die Eröffnung des Nordischen Kriegs gegen Schweden eine Fehlentscheidung. Seine Truppen und seine Taktik waren dem Schwedenkönig Karl XII. unterlegen, August verlor eine Schlacht nach der anderen und vorübergehend sogar die Königskrone. Was dennoch den Ruhm seiner fast 40-jährigen Regentschaft begründete, war die besondere Förderung von Architektur und Kunst, die Dresden aufgrund der Anzahl und Pracht seiner Bauwerke bis heute weltweiten Ruhm als «Elbflorenz» beschert. Auch waren der Kurfürst und sein Sohn leidenschaftliche Sammler – zu sehen bis heute in den Pretiosenzimmern des «Grünen Gewölbes» und in der Gemäldegalerie «Alte Meister». Und noch eines seiner Talente hinterließ Spuren: Mit unzähligen Geliebten und Mätressen soll er circa 250 bis 360 Nachkommen gezeugt haben, sodass sich bis heute etwa 50 Familienlinien im Raum Dresden auf August den Starken zurückführen. Angeblich hat er sogar seine Fettstoffwechselerkrankung unters Volk gebracht: In Sachsen leiden überdurchschnittlich viele Menschen am sogenannten metabolischen Syndrom. Er selbst ist am 1. Februar 1733 in Warschau an Diabetes gestorben. Sein Körper wurde in Krakau bestattet, sein Herz aber nach Dresden überführt.

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«800 Taler monatlich mit dem Wein, ohne Extraordinaire; 175 Taler Hausmiete; 80 Taler für Pferde zu unterhalten; 34 Taler für die Kutsche, welche der Herr Graf gemietet; 224 Taler Kostgeld, für den Dekor, den Geistlichen, den Sekretär und andere Bediente;
65 Taler für Exerzitien; 23 Taler für den französischen und spanischen Sprachmeister; 50 Taler für den Herrn Grafen als Handgeld; 15 Taler für den Tanzmeister; 160 Taler für Oper, Komödien und Reisen nach Versailles...»
Insgesamt 1633 Taler monatlich für die Kavalierstour eines 17-Jährigen. Der Vater, Johann Georg III. Kurfürst von Sachsen, aus dem Geschlecht der Wettiner, lobte die Sparsamkeit des Sohnes, denn er hatte 2000 Taler angesetzt. Der junge Herr reiste inkognito. Das ersparte den Gastgebern anderer Höfe die komplizierte Etikette.
Natürlich wusste jeder, wer dieser Graf von Leißnik wirklich war: Friedrich August – damals noch Herzog von Sachsen, samt Gefolge.
Der Besuch anderer Herrscherhäuser – so hofften die Eltern, der Kurfürst von Sachsen Georg III. und Kurfürstin Anna Sophie, Prinzessin von Dänemark und Norwegen, «möge die wohlanständigen fürstlichen Tugenden» ihres Zweitgeborenen perfektionieren!
Eine solche Reise war ein Muss für Söhne aus adeligem Hause. Oft dauerte sie Jahre.
Für August waren drei angesetzt. Es wurden weniger. Schicksalsbedingt.
«Von der Natur mit tausend Geschicklichkeiten, mit Schönheit und einer Riesenstärke begabt, mit Neigungen zum Glanz, zur Pracht, zum Wohlleben überreichlich versehen, war er ein galanter Held in einem Grad, wie es außer dem Roman in der Geschichte wenige geben möchte.»
Friedrich August, wie Johann Gottfried Herder ihn 1802 in seiner Adrastea beschrieben hat. Noch bevor das Leben des am 12. Mai 1670 in Dresden Geborenen zum Roman wurde, hatte dieser selbst versucht, einen zu Papier zu bringen, mit sich als Hauptperson. Ein unvollendetes Werk: «Schon in seiner jugend zeigte sich, dass er von leibe gliedern und constitution stark werden würde, von gemüte güttig freigebig nichts anderes als was eine sehr liebende sehl anstendig thun sohl. Liebte geschickt alle exercitia zu lernen, hingegen wohlte er sich zum studiren nicht applicieren, sagend er wierd nichts als ein mahl den degen zu seinem fortkohmen bedierffen dero halben ihm in der zarten jugend schon das soltahten wessen eingepflanzet wahr.»
Und der Krieg begann schon im Kinderzimmer, mit dem zwei Jahre älteren Bruder Johann Georg, dem zukünftigen Kurfürsten. «Grün» waren sie einander nicht gerade – der kräftige und gutmütige August und der schwächliche, aber als «zornig und melancholisch» geschilderte Kurprinz. Der Ältere neidete dem Jüngeren das bessere Aussehen, während der Jüngere dem Älteren das Privileg der Erstgeburt missgönnte. Für solche Probleme gab es pädagogisch ausgewiesene Hofmeister, für jeden Prinzen einen. In den Kinderjahren waren beide Brüder vor allem in der Obhut der frommen Mutter aufgewachsen. Auch wenn es vom kleinen August hieß, dass er, «als er noch nicht reden gekonnt schon allerhand schöne Gebetlein gelernt und ihm bereits im vierten Jahre der Catechismus Doktor Luthers in die Seele gedrückt worden sei», sollte sich später herausstellen, dass der mütterliche Einfluss keinerlei prägende Auswirkungen hatte. Schon im zarten Alter von 16 Jahren zeigte August mehr Interesse an Mamas Kammerzofe als am Kirchgang. Anna Sophie entließ das «Objekt der Begierde» und reiste mit ihrem Jüngsten flugs nach Dänemark, um ihn dort ihren königlichen Verwandten zu präsentieren.
Trotz aller Vorliebe für Hoffräuleins, Actricen und Tänzerinnen galt es, eine standesgemäße Partie zu machen. Die inzwischen verwitwete Kurfürstin hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, das Leben Augusts in vernünftige Bahnen zu lenken.

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Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth.

Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth war die Schwiegertochter ihrer Wahl: Gottesgläubig und bescheiden!
«Durchlauchtigste princessin!
Sie haben in ihren henden, einen gehorsamen sklaven glicklich oder unglicklich zu machen... indessen empfehle ich mich der schensten princessin von der wehlt zur beharrlichen gnade der ich bis in doht verharre Getreister knecht, Friedrich August, Herzog von Sachsen.»
Das Schreiben war eben seine Sache nicht. Er war ein Mann der Tat, der um zu imponieren neben den üblichen aristokratischen Vergnügungen – wie Reiten, Jagen und Fechten – auch gerne seine sprichwörtliche körperliche Stärke unter Beweis stellte, indem er Eisenstangen und Zinnteller verbog und Hufeisen zerbrach. Das mochte das gemeine Volk ergötzen, eine Prinzessin aber galt es auf andere Weise zu erobern. So viel vorweg. Eine glückliche Ehe wurde es nicht. August machte sich schon zwei Monate nach der Hochzeit daran, seine Kavalierstour fortzusetzen. Ohne die Gattin, versteht sich. Wobei ihn Venedig ebenso faszinierte wie Versailles. Beide Orte lieferten genügend Inspirationen für seine spätere Hofhaltung, die Ausschmückung seiner Residenzen und die Verfeinerung des kulturellen Lebens. Oft tauchte August tagelang unter im farbenprächtigen Gewühl der Lagunenstadt, was seine Begleiter – und nicht zuletzt die daheimgebliebene Ehefrau – mit großer Sorge erfüllte.
Mitnichten. Der Herzog von Sachsen genoss das Leben in vollen Zügen: den Karneval, die Komödie, die Oper, die schönen Frauen ... und die Musik Vivaldis!
Wahrscheinlich wäre Friedrich August noch ein Weilchen durch Arkadien getourt, hätte ihn unterwegs nicht die Nachricht vom Tod seines Bruders Johann Georg IV., Kurfürst von Sachsen, ereilt.
Schluss mit dem Dolce Vita ... galt es doch, daheim die Kurwürde in Empfang zu nehmen, um die der Jüngere den Älteren so sehr beneidet hatte.
Das Augusteische Zeitalter konnte beginnen!
Friedrich August I. war 24 Jahre jung, voller Tatendrang und reichlich Selbstbewusstsein.
Vorbereitet auf sein Amt hatte man ihn nicht!
«Das Land jubelte, mich an die Stelle meines Bruder treten zu sehen, da man mein sanftes Gemüt kannte. Ich hatte seit dem 18. Lebensjahr nur militärische Studien getrieben und nicht die geringste Kenntnis von den Geschäften. Mein einziger Wunsch war kriegerischer Ruhm!»
Ein «sächsischer Mars» wie sein Vater, der sich – im Gegensatz zu ihm – im Kampf gegen die Türken hervorgetan hatte, ist August nicht geworden.
1696 – ein Schicksalsjahr für Kurfürst August I. von Sachsen. Der König von Polen stirbt. In Dresden wird Kronprinz Friedrich August geboren.
Noch im Wochenbett erfuhr die Kurfürstin von der Existenz eines zweiten Stammhalters.
Augusts Geliebte, Aurora von Königsmarck, ist – diskreter Weise anonym und weit weg von Dresden – niedergekommen. Moritz von Sachsen, ihr Sohn, wird dem Vater äußerlich sehr ähnlich, aber im Gegensatz zu seinem Erzeuger auch ein berühmter Feldherr werden. Während seine zartfühlende Mutter das Schicksal aller Mätressen ereilt, durch neue Liebschaften ersetzt, aber gut abgefunden zu werden. Mit seiner Hauptfavoritin, der Gräfin Cosel, verfuhr der Fürst allerdings weniger galant. Die selbstbewusste Dame hätte gern mitregiert. Als sie ihm auch noch ein schriftliches Heiratsversprechen abtrotzte und nicht wieder herausrücken wollte, wurde es August zu viel. So ging sie nicht nur ihres Vermögens, sondern auch ihrer Freiheit verlustig. Außer den drei Kindern aus der neunjährigen Beziehung mit der in Ungnade gefallenen Gräfin von Cosel, soll er der Legende zufolge noch 351 uneheliche Kinder gezeugt haben ... die acht, zu denen er sich offiziell bekannte, hätten seiner Gattin, Christiane Eberhardine, auch gereicht. Hatte sie sich mit Aurora von Königsmarck noch arrangieren können, verzweifelte die sittenstrenge Kurfürstin an den weiteren Eroberungen des Gatten. Trost suchte sie im Gebet oder beim Vater.
Ohne ihr «seliges Ende» abzuwarten, zog sich Christiane Eberhardine schließlich vom Schauplatz ihrer Schmach nach Schloss Pretzsch zurück. An der Macht- und Prachtentfaltung ihres Gatten – in Dresden und später auch in Warschau – nahm die Kurfürstin wenig Anteil.
Eine Münze zeigt August siegesbewusst im Löwenfell mit der Keule in der Hand: Herkules saxonicus! Mit seiner kräftigen Statur, seiner für die Zeit ungewöhnlichen Größe von 176 Zentimetern und seiner legendären Muskelkraft muss er recht beeindruckend auf seine Zeitgenossen gewirkt haben.
«Der Bau seines Leibes ist stark und wohlgewachsen ... Die Züge seines Gesichts formieren eine solche Bildung, die mit einmal etwas Großes und Erhabenes ausdrückt. Man findet darin nichts als männliche Zeichen, einen hohen Mund, starke Augenbrauen, eine hohe Stirn und breite Kinnbacken. Die Augen mischen in ihr Feuer einen Blick, der huldreich und freundlich ist.»
Durch Äußerlichkeiten ließen sich allerdings die sächsischen Stände nicht beeindrucken. Diese Vertretung aus Adel, Klerus und aufstrebendem Bürgertum hatte sich in Sachsen ein besonders weitgehendes Mitspracherecht gesichert. Wollte der Kurfürst Projekte realisieren – wie Bau und Verschönerung seiner Schlösser, Förderung von Kultur und Wissenschaft, Aufstockung des Militärbudgets oder der persönlichen Apanage – so galt es, in langwierigen Verhandlungen mit den Ständen, Geschick und Ausdauer zu beweisen. Oft aber überging August die Stände, beispielsweise, als er, um König von Polen werden zu können, heimlich vom Protestantismus zum Katholizismus konvertierte. Nun hatte er es nicht nur mit den Ständen, sondern auch mit seinem empörten Volk zu tun. Galt Kursachsen doch als Hochburg des lutherischen Glaubens!
Die lauthals angestimmten Kirchenlieder gerieten zu reinsten Protestgesängen und wurden vom Kurfürsten kurzerhand verboten! Sie anzustimmen, galt als Aufruhr gegen die Staatsgewalt.

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Für Moritz von Sachsen, der die Kurwürde erlangte, wurde Schloss Moritzburg bei Dresden 1546 im Stile der Renaissance erbaut. August der Starke ließ es dann 1732 von seinem Architekten Matthias Daniel Pöppelmann und dem Franzosen Longuelune in barocker Manier völlig neu anlegen: mit künstlicher Insel und einem Gondelhafen.

Frieden kehrte erst wieder ein, als der Kurfürst sicherstellte, dass seine Untertanen beim evangelischen Glauben bleiben durften, und er den Grundstein zur Dresdner Frauenkirche legen ließ. Fortan ein Symbol für aufrechten Bürgersinn! Für die Baukosten ist August I. allerdings nicht aufgekommen. Die durften seine Untertanen bezahlen und direkt oder indirekt, auch seine kostspieligen Vorlieben für Gemälde, Juwelen und Porzellan. Auf Letzteres war der Fürst nämlich so versessen, dass er dem Preußenkönig 600 Soldaten samt Pferden für 151 chinesische Vasen bot!
Da traf es sich gut, dass 1709 Johann Friedrich Böttger, den der alchimiegläubige Kurfürst in «Schutzhaft» hielt, weil es von ihm hieß, er könne Gold herstellen, stattdessen herausbekam, was es mit dem Porzellanmachen auf sich hatte! Porzellan war damals mindestens so kostbar wie Gold. Gebrannt in den Meißner Manufakturen und versehen mit den gekreuzten blauen Wettiner Schwertern – wurde es bald zum «Verkaufsschlager» auf der staatlich geförderten Leipziger Messe, die damals schon ein wichtiger Umschlagplatz für Waren aller Art war.
Der Kurfürst liebte es, das Messetreiben zu besuchen und einzukaufen, was den Umsatz der sächsischen Waren natürlich gehörig ankurbelte. Damit Handel und Wandel blühen konnten, hatte er das Straßen- und Wegenetz sanieren und ausweiten lassen. Die kursächsischen Postkutschen galten bald als die schnellsten und pünktlichsten im deutschen Reich.
Noch zu Augusts Lebzeiten wurden in Sachsen über 20 Manufakturen gegründet, die neben Porzellan auch Spiegel, wertvolle Tuche, Farben und Gewehre produzierten. Um unabhängiger von den Ständen zu werden, die ja über das Steuerwesen wachten, führte der Kurfürst eigenmächtig indirekte, das heißt verbrauchs­orientierte, Abgaben ein. Mehr und mehr avancierte Dresden zur tonangebenden Metropole Europas. Händel und Bach komponierten zu Ehren des Kurfürsten.
Hatte die sächsische Residenzstadt 1694 – beim Regierungsantritt Augusts des Starken – rund 20 000 Einwohner, so lebten bereits drei Jahre später 45 000 Menschen hier. Das rege Bauwesen sicherte Arbeitsplätze für Handwerker und Gewerbetreibende. Berühmte Baumeister und Künstler schufen Neid erregende Kunstwerke, prächtige Schlösser und Gartenanlagen. Sie brachten es dank Augusts Gunst auch zu beträchtlichem persönlichen Wohlstand. Seien es die Orgelbauer Silbermann, der französische Maler Louis de Silvestre, der Architekt Matthäus Daniel Pöppelmann oder der aus Bayern stammende Bildhauer Balthasar Permoser. Der Hofjuwelier Johann Melchior Dinglinger schuf die atemberaubenden Pretiosen aus Silber, Gold, Edelsteinen und Elfenbein, die noch heute im Dresdner «Grünen Gewölbe» zu bestaunen sind:
«Das Auge sieht sich nimmer satt,
sagt Salomon in seinen Sprüchen.
Ach, dass er Dresden nicht
gesehen hat!»
Zweifellos, Kurfürst August I. von Sachsen liebte wie die meisten Herrscher seiner Zeit Luxus und Überschwang. Doch berauschte er sich nicht nur aus persönlicher Habgier oder Eitelkeit an Gold, Silber und Edelsteinen. Er schleppte seine Prachtstücke oft auch auf Reisen mit, zu Besuchen an andere Höfe oder sogar ins Heerlager, um Reichtum, Macht und Stärke auch außerhalb seines Landes zu demonstrieren. Das weckte Vertrauen bei potenziellen Bündnispartnern. Und war einer wie er nicht geradezu ausersehen, eine Königskrone zu tragen? Die Chance ergab sich in Polen, wo der neue König von der Elite des Landes gewählt wurde. Es kostete allerdings Unsummen, den dortigen Adel und Klerus zu bestechen. Von «einer sonderbaren göttlichen Schickung», wie August seinen Erfolg nannte, konnte also kaum die Rede sein, als er am 15. September 1697 in Krakau zum König von Polen gekrönt wurde. Er war nun Kurfürst August I. von Sachsen und August II. König von Polen.
Während der stundenlangen Krönungszeremonie in der Krakauer Kathedrale geriet der Kurfürst dann ziemlich ins Schwitzen. Im prächtigen Ornat – allein der goldene Brustpanzer wog 20 Kilogramm, dazu der mächtige pelzverbrämte Brokatumhang, die mit Edelsteinen besetzten Stiefel und das kapitale Schwert – fiel der starke August einfach in Ohnmacht...
Um sich militärischen Respekt und seinen Ländern Sachsen und Polen Gebietserweiterungen zu verschaffen, ließ sich der königliche Kurfürst auf Seiten des Zaren Peter I. auf den «Nordischen Krieg» ein. Mit dem jungen unerfahrenen Karl XII., König von Schweden, würde man schon fertig werden! Preußens König Friedrich Wilhelm I. lehnte es ab, mitzumischen: «Wie der König von Pohlen seinen Krieg führen wirdt, da lasse ich ihn für sorgen und bin zufrieden, dass ich nichts damit zu thun habe; da will ich stille sitzen und zusehen.»
Was auch gescheiter war. Denn die Fehde dauerte 21 Jahre und bescherte allen Beteiligten große Verluste. Der Traum vom Machtzuwachs und vom direkten Zugang zur Ostsee ging nicht in Erfüllung. Statt einer Gebietserweiterung mussten die Sachsen jahrelang die schwedische Belagerung erdulden und finanzieren. August büßte vorübergehend sogar die polnische Krone ein und durfte später noch die Bevormundung seines russischen Bündnispartners hinnehmen. Sieger blieben die Schweden.
Doch Optimismus und Lebensfreude hat sich August der Starke auch in Krisenzeiten immer bewahrt.

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«Goldener Reiter» – Reiterstandbild Augusts des Starken in Dresden-Neustadt.

Drei Flaschen Wein trank er täglich. Bei Festivitäten konnten es auch sechs bis sieben Bouteillen werden. Und natürlich zechte er ungern allein! «Die Wache schützte vor, niemand den Ausgang zu gestatten. Einige Gäste sahen so blass aus, ihre Köpfe wackelten auf den Schultern, und ihre Füße taten ungewisse Schritte. Ein polnischer Herr erweckte mir ein Mitleiden, das Wasser tropfte ihm durch die Unterkleider herunter; er tat nicht anders, als ob er den Geist aufgeben wollte.»
Augusts unerschütterliches Selbstbewusstsein, sein Machtstreben und das Aufrüsten seiner heruntergekommenen Armee musste den Herrscher Preußens ziemlich verunsichern. Denn: «Der König in Polen und der Kurfürst von Sachsen können unmöglich größer und mächtiger werden, ohne dass Preußen und Brandenburg dabei verlieren!»
Um die Verwandten an der Spree nicht unnötig zu beunruhigen – schließlich suchte er keinen Streit mit seinen militärisch versierten Nachbarn – setzte August auf seinen Charme und seine Feste samt Truppenvorführungen. Auch wenn Friedrich Wilhelm I. solche Spektakel als «Militärspiel» abtat, soll er 1730 beim Anblick der 30 000 frisch eingekleideten und bestens gedrillten kursächsischen Soldaten doch leicht irritiert ausgerufen haben: «Die Canaille hat uns alles gestohlen!»
Ansonsten konnte der zu Hause recht sparsam wirtschaftende Soldatenkönig den barocken Lustbarkeiten des sächsischen Kurfürsten dann doch noch allerhand abgewinnen und kam gar nicht auf die Idee, die tatsächliche Stärke von dessen Armee durch eine kriegerische Herausforderung zu prüfen: «Ich bin in Dresden und springe und tanze, ich bin mehr ermüdet, als wenn ich alle Tage zwei Hirsche tot hetze.»
Außer mit raffiniert inszenierten Hetzjagden, nach antiken Themen ausgerichteten Maskenbällen, Gondelfahrten à la Venezia, italienischen Opern und französischen Komödien liebte es August, seine Gäste durch stundenlanges Feuerwerk zu entzücken...
Wein und Champagner flossen in Strömen. Ein neun Meter langer Dresdner Stollen wurde per Pferdewagen herangerollt und mit einem extra angefertigten Riesenmesser angeschnitten... Ochsen, Schweine und Lämmer brutzelten an Spießen, dazu gab es Kapaune, Karpfen in Honigsauce, Weinbergschnecken und Eierkuchen. Und auch die mit dem «Austern-Express» herbeigeschafften Meeresfrüchte werden ihre Abnehmer gefunden haben ... Doch obwohl der preußische König beim letzten Zusammentreffen mit dem sächsischen Kurfürsten noch hatte verlauten lassen, dass der «so wohl und gesund wie ein junger Adler sei», war August der Starke bereits schwer angeschlagen. Sein ausschweifendes Leben, eine nicht heilen wollende Wunde und seine damals noch nicht diagnostizierbare Zuckerkrankheit setzten ihm schwer zu. Gegen den Rat seiner Ärzte begab er sich – ein letztes Mal – auf die Reise nach Polen: «Ich fühle die mir drohende Gefahr, doch bin ich verpflichtet, mehr Bedacht zu nehmen auf meine Völker als auf meine Person.»
Am 1. Februar 1733 ist Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen, und August II., König von Polen, im Alter von 62 Jahren in Warschau gestorben.

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Dresdner Zwinger.

Das Resumee der Regierungszeit Friedrich Augusts I. zieht Johann Gottfried Herder in seiner Abhandlung Adrastea. Einerseits bedauert er, dass der Kurfürst aufgrund «der polnischen Wirrungen und Kriege» nicht «für Deutschland allein gelebt» und so die Chance verpasst habe, Dresden zur Metropole des evangelischen Glaubens, der Wissenschaft und der Forschung zu machen. Andererseits weiß er aber die Errungenschaften des Herrschers durchaus zu würdigen, beispielsweise die kulturellen Hinterlassenschaften – wie die prachtvolle Architektur der Gebäude in seinem Reich.
«Vor allem aber sind die Kunst- und Alterthumssammlungen, die er mit ansehnlichen Kosten stiftete, Trophäen seiner Regierung. Was ... Friedrich August I. im Anfange des 18. Jahrhunderts begann, hat – sein Sohn – Friedrich August II. am Ende desselben vollendet. Durch sie ist Dresden in Ansehung der Kunstschätze ein deutsches Florenz geworden.»

Autorin: Gabriele Bondy
Redaktion: Hildegard Hartmann
© Bayerischer Rundfunk

 

August der Starke
Zeittafel

1670 12. Mai: Geburt Friedrich Augusts I., des späteren August II.
1685 Brand des alten Dresden.
1687 Beginn der Kavalierstour des Prinzen Friedrich August.
1691 Regierungsantritt des Kurfürsten Johann Georg IV.
1693 10. Januar: Hochzeit Friedrich Augusts mit Christiane Eberhardine, Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth.
1694 11. Juli: Regierungsantritt des Kurfürsten Friedrich August I. (August der Starke).
1696 7. Oktober: Geburt Friedrich Augusts II., des späteren August III.
1697 15. September: Krönung des Kurfürsten Friedrich August I. in Krakau unter dem Namen August II. zum König von Polen.
1700 Februar: Beginn des Nordischen Kriegs.
1701 25. März: Brand des Residenzschlosses.
1706/1707 Besetzung Sachsens durch schwedische Truppen.
1708 15. Januar: Erfindung des Hartporzellans durch Johann Friedrich Böttger.
1709 Juni: Treffen der drei Friedriche: Friedrich IV. von Dänemark, Friedrich August I. und Friedrich I. von Preußen in Berlin und Potsdam, um ihre Allianz gegen den König Karl XII. von Schweden zu besiegeln; Einzug Augusts II. mit seinen Truppen in Polen.
1710 23. Januar: Offizielle Verkündung der Erfindung des Porzellans, Gründung einer Porzellanmanufaktur in Dresden, die am 6. Juni auf die Albrechtsburg in Meißen verlegt wurde.
1711 Wichtigstes Jahr in der Baugeschichte des Zwingers.
1715 7. Januar: Anstellung Louis de Silvestres in Dresden als Erster Hofmaler des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen; Ankunft François Coudrays in Dresden, Bestellung zum Hofbildhauer.
1719 20. August: Heirat des Kurprinzen Friedrich August von Sachsen mit Maria Josepha von Habsburg, Tochter des Kaisers Karl VI., in Wien.
1722 Auftrag an Georg Bähr zum Bau einer neuen Frauenkirche.
1723–1729 Umbau des Grünen Gewölbes.
1733 1. Februar: Tod Augusts II. in Warschau. Friedrich August II. folgt ihm im Kurfürstentum Sachsen nach.

Der Text ist entnommen aus:
http://www.br-online.de