Sonderthema
Josef Fraunhofers Bedeutung
Fraunhofers genialer Ansatz der optischen Forschung
Josef von Fraunhofer hat gegen Ende seines kurzen Lebens eine Entdeckung gemacht, die das Potenzial hatte, einen großartigen industriellen Aufstieg zu begründen: die physikalische Beziehung zwischen dem Auflösungsvermögen eines Mikroskops und der Wellenlänge des Lichts.
Fünfzig Jahre später hat Ernst Abbe in Jena diesen Zusammenhang neu aufgedeckt und zur Grundlage des überragenden Erfolgs von Zeiss gemacht. Er sagte 1887 bei der für Fraunhofer veranstalteten Hundertjahrfeier in Jena: «Der frühzeitige Tod Fraunhofers war für die praktische wie für die wissenschaftliche Optik ein unersetzlicher Verlust. Weittragende Ideen, die er in den letzten Lebensjahren verfolgt hat, deren Verwirklichung die Optik noch um Jahrzehnte weiter vorwärtsgebracht haben würde, sind erweislich mit ihm zu Grabe gegangen. Die Arbeit zweier nachfolgender Generationen ist erforderlich gewesen, die Wege wieder aufzufinden, die er schon angebahnt hatte...»
Nicht nur deshalb darf Fraunhofer als Genie gelten; dafür sprechen weitere Fakten:
– Fraunhofer hat sich sein umfassendes Wissen als Glaserlehrling ohne akademische Bildung selbst erarbeitet,
– er war zugleich Wissenschaftler und Unternehmer,
– er schuf die mit Abstand höchste Güte optischer Systeme und damit auch die leistungsfähigsten astronomischen Fernrohre seiner Zeit,
– er erschloss wie kaum einer vor ihm die Wellennatur des Lichts,
– er entwickelte eine völlig neue Denkweise der technischen Entwicklung und Fertigung und schuf damit eine Grundlage der modernen industriellen Arbeitsweise.
Frühes Aufstreben und Förderung
Fraunhofers Jugend wurde oft beschrieben, manchmal etwas rührselig.
Sicher hatte er es nicht leicht, doch entsprach dies den Zeitumständen. Er erlernte ein solides Handwerk, eine Schwester sorgte für ihn als einzigen Bruder, als er Waise war, die Familie besaß in Straubing ein schönes Haus und die Glasergerechtigkeit. Was ihn wirklich drückte, war die Engstirnigkeit seines Lehrherrn, der jede theoretische Weiterbildung für unnötig hielt und alles Lesen unterband.
Eine Katastrophe, der Hauseinsturz im Münchener Thiereckgäßl 1801, bei dem der junge, von Wissensdurst getriebene Bursche knapp mit dem Leben davonkam, brachte den Umschwung: Utzschneider, der weitsichtige Unternehmer und Wirtschaftspolitiker, entdeckte ihn, der Kurfürst sagte ihm Beistand zu und machte ihm ein Geldgeschenk. Er wurde gefördert, auch durch den klugen Benediktinerpater Ulrich Schiegg, der eine maßgebende wissenschaftlich-technische Autorität war. So konnte sich Fraunhofer weiterbilden und seine Ideen entwickeln.
Als dann 1806 Utzschneider den 19-Jährigen in seine Fabrik für optische Instrumente holte, weil er dringend einen Mann brauchte, der für die fertigen, aber «blinden» Geräte die nötigen hochwertigen Linsen herstellt, zeigten sich Fraunhofers außerordentliche Fähigkeiten: Er brach mit dem Überkommenen, fand seine eigenen Wege und erfüllte in kürzester Zeit alle Anforderungen quantitativ, qualitativ und kostenmäßig besser als erwartet.
Die Firma hatte der bedeutende Ingenieur und Erfinder Georg von Reichenbach zusammen mit Utzschneider ins Leben gerufen. 1807 wurde sie aus München nach Benediktbeuern in das von Utzschneider erworbene Klostergebäude verlagert. Fraunhofer legte, erst 21 Jahre alt, ein neues Unternehmenskonzept vor und verlangte die Teilhaberschaft. So wurde er Unternehmer und 1814 alleiniger Leiter.
Neue Wege für Wirtschaft und Wissenschaft
Nun zeigte sich erneut das Außergewöhnliche: Nachdem er schon die Fertigungstechnik revolutioniert hatte, entwickelte Fraunhofer nicht nur neue Instrumente von bis dahin ungeahnter Qualität, sondern wurde zugleich zum Wissenschaftler und erforschte die Wellennatur des Lichts.
Das Ergebnis des Fabrikanten: Seine Fernrohre gingen in die ganze Welt und gaben der astronomischen Wissenschaft neue Impulse. Die großen Teleskope und Heliometer finden wir z. B. in München und Moskau, in Cincinnati und Christiania, in Greenwich, Mexiko und Sydney. Der vor dem Versand öffentlich ausgestellte Dorpater Refraktor Fraunhofers galt als Gipfel der feinmechanischen und optischen Technik und wurde darüber hinaus zu einem Symbol des technischen Fortschritts.
Der Erfolg des Wissenschaftlers: Die Absorptionslinien des Sonnenspektrums – zunächst nur als objektiver Maßstab für die Entwicklung und Prüfung des Optikglases gedacht – wurden von ihm systematisch untersucht, vermessen und veröffentlicht; sie gingen als «Fraunhofer’sche Linien» in die physikalische Terminologie ein und trugen wesentlich zur Entwicklung von Spektralanalyse und Astrophysik bei.
Dies war für ihn nur der Auftakt der wissenschaftlichen Ergründung der Natur des Lichts: Fraunhofer erbrachte den endgültigen Beweis der Young’schen Wellentheorie und führte mit dem von ihm erfundenen optischen Gitter als Erster absolute Wellenlängenmessungen des Lichts durch.
Seine Werte weichen nur um Promille von den heute gemessenen ab.
Herausragende Leistung sorgt für frühe Anerkennung
So erntete Fraunhofer auch internationale wissenschaftliche Anerkennung, wurde Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und anderer wissenschaftlicher Vereinigungen und Ehrendoktor der Universität Erlangen.
Als Professor hielt er Vorlesungen über Optik. Der König, der bei der Errettung des Glaserlehrlings aus dem eingestürzten Haus zugegen gewesen war, ernannte ihn 1824 zum Ritter des «Civil-Verdienst-Ordens der Baierischen Krone», verbunden mit dem persönlichen Adel.
Diese frühen Ehrungen konnten aber noch nicht Fraunhofers vielleicht nachhaltigste Leistung bewerten, nämlich die Einführung einer gänzlich neuen Methode zur Entwicklung und Fertigung von gewerblichen Gütern.
Er erkannte, dass es nicht genügt, das Überkommene weiterzuentwickeln, und untersuchte deshalb unvoreingenommen und systematisch jede einzelne Komponente bei Material, Fertigung und Produkt, und er entwickelte neue Werkstoffe, Fertigungsvorrichtungen und Prüfmethoden.
Damit machte er sich von den menschlichen Unzulänglichkeiten unabhängig und konnte so Qualität, Ausstoßmenge, Zeit und Kosten vollständig beherrschen. Das war eine völlig neue Denkweise!
Auch das hat Abbe erkannt, wenn er sagt, der Gedanke, der bildenden Hand nur die Verkörperung der vollendeten Idee zu überlassen, sei für die damalige Zeit ein absolutes Novum gewesen, und weiter wörtlich: «Jeder wirkliche Fortschritt ist – auch da, wo er nicht direkt in Fraunhofers Arbeiten vorbereitet war –, auf dessen Wegen zustande gekommen.»
Ein Vordenker für die Nachwelt
So wurde Fraunhofer zum Vordenker der modernen industriellen Methode bei der Entwicklung neuer Werkstoffe, Bauelemente, Maschinen und Apparate, bei Vorrichtungen, Arbeitstechniken und Prüfmitteln.
Es war folgerichtig, dass 1949 eine Institution für die angewandte Forschung bei ihrer Gründung Fraunhofer als Leitbild und Namensgeber gewählt hat: die Fraunhofer-Gesellschaft.
Fraunhofers Gedankengut hat starke Impulse gegeben und ist bis heute lebendig geblieben. Von seiner materiellen Hinterlassenschaft ist durch glückliche Fügungen vieles erhalten geblieben, voran seine Glashütte im Kloster Benediktbeuern. Aber auch wichtige Teile seiner Werkstatteinrichtung wurden gerettet, vor allem durch die Weitsichtigkeit von Dr. Loher, dem Initiator des Münchener Fotomuseums.
Davon kann nun einiges der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – und das sogar in einem Raum, den Fraunhofer selbst für die Herstellung der Präzisionsoptiken benutzt hat.
Weitere Objekte warten im Depot auf ihre Wiederbelebung. Fraunhofers zentrale Bedeutung für die Geschichte der physikalischen Optik, für die Astronomie und für die Methoden der Güterproduktion rechtfertigt ein kleines Museum, das sich auf die Fertigungstechnik konzentriert und auf diesem Sektor die wertvollen Bestände des Deutschen Museums an Instrumenten museal ergänzt.
Carl R. Preyß
Der Text ist entnommen aus:
http://www.fraunhofer.de