Bildung und Erziehung
Wenn Studenten bei Mama bleiben
Studenten, deren Elternhaus in der Nähe ihrer Wunsch-Uni liegt, stehen deshalb oft vor derselben Frage: Ausziehen oder die Bequemlichkeiten und Vorzüge des Hotel Mama genießen? So war es auch beim 21-jährigen Florian aus Schwerte. Lange hat er mit sich gerungen: Umzug nach Dortmund oder nicht?
«Zu Hause gibt es natürlich den großen Vorteil, dass man mehr Freizeit hat», sagt der Journalistik-Student. Kochen, waschen, bügeln – all das erledige zum Großteil seine Mutter. Auch Florian Miller vom Allgemeinen Studierendenausschuss (ASTA) der Universität München sieht das als großen Pluspunkt des Elternhauses: «Zu Hause wohnen kann auch im Studium helfen. Wenn man viel lernen muss, kümmert sich wenigstens jemand um eine warme Mahlzeit.»
Die meisten Studenten entscheiden sich allerdings eher unfreiwillig gegen einen Auszug. Ihnen fehlt schlicht das Geld, sagt Miller. «Nebenkosten wie Strom, Wasser, Telefon, Heizung bezahlen die Eltern. Selbst Lebensmittel werden meist von ihnen eingekauft. Das spart schon einiges.» Auch ein Auto steht zu Hause meistens zur Verfügung. Zudem seien die Mieten in großen Städten wie München fast unerschwinglich, selbst für WG-Zimmer. Nebenher zu jobben, um das zu finanzieren, könne den Druck im Studium erhöhen.
Dennoch gehen etwa drei Viertel aller Studenten einem Nebenjob nach, erklärt Alexander Kramer von der Zentralen Studienberatung der Universität Bremen. «Dabei ist jobben nach der Umstellung von Diplom auf Bachelor wirklich schwieriger geworden. Dadurch, dass jede Note in die Endnote einfließt, ist der Druck natürlich höher.» Ein Leben bei den Eltern kann das Finanzierungsproblem verringern.
Trotzdem ziehen die meisten Pendler nach ein bis zwei Semestern zu Hause aus, hat Kramer beobachtet. «Das macht Studieren ja ein Stück weit aus. Das Studium ist auch eine Art Reifeprüfung, bei der man lernt, auf eigenen Füßen zu stehen.»
Auch Florian sieht die Freiheit und Eigenständigkeit als Argument gegen den Verbleib im Elternhaus: «Man erreicht halt irgendwann ein Alter, in dem man sein eigenes Ding machen will.» Oft war er zu Hause davon genervt, dauernd irgendwelche Anweisungen zu hören zu bekommen. «Unterbewusst will ich ihnen vielleicht zeigen, dass ich das alles auch alleine kann!»
Das Leben von A bis Z selbst meistern, sich abnabeln – diese Aspekte findet Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk in Berlin sehr wichtig: «Wer es sich finanziell leisten kann, sollte sich unbedingt die Freiheit nehmen, auszuziehen.» Gerade in einer Wohngemeinschaft lerne man die Spielregeln des Zusammenlebens. Auch das Verhältnis zu den Eltern verbessere sich erfahrungsgemäß. «Man begegnet sich mit neuem Respekt, lernt sich neu zu schätzen.»
Die eigenen vier Wände und die damit eventuell verbundene Geldnot sollten aber nicht auf Kosten des Studiums gehen. «Es gibt auch Möglichkeiten, sich im Elternhaus zu arrangieren. In jedem Fall sollte der Student so im Haushalt mitarbeiten, dass er nicht mehr nur Kind ist», rät Grob. Ein kleiner Geldbetrag zum Beispiel – und sei es nur ein symbolischer Wert – könne den Eltern zeigen: Das Kind wird selbstständig.
Florian Miller vom ASTA München hat zwei Jahre in einer WG gewohnt, bevor er wieder in sein Elternhaus zog. Seine Selbstständigkeit musste er dafür nicht aufgeben. «Ich wasche selber, bügle, putze und beteilige mich am Kochen. Zudem wohne ich nicht auf dem gleichen Stockwerk wie meine Eltern und komme ihnen daher auch bei einer nächtlichen Heimkehr nicht in die Quere.»
Was die Auszugsfrage anbelangt, rät Alexander Kramer, einfach mutig zu sein und es auszuprobieren: «Es ist vielleicht nervig, sich um Papierkram und Wohnungssuche zu kümmern, aber die Erfahrung muss jeder einmal machen.» Und wenn es nicht auf Anhieb klappt, bleibt das Elternhaus für einen Rückzug meistens nicht versperrt.
Florian hat sich entschieden. Er zieht im September in eine Wohngemeinschaft. Finanziell muss er sich zwar etwas einschränken, aber das sei eben der Preis für mehr Freiheit. Ob es klappt? Egal, einen Versuch ist es ihm jedenfalls wert.
Der Text ist entnommen aus:
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