Bildung und Erziehung
Studie: Große Mehrheit der Deutschen ist nicht Teil der digitalen Gesellschaft
Zunehmend verlagern sich Kommunikation, wirtschaftliches Handeln, aber auch politische Willensbildung und Willensäußerung in das Internet. Zwar sind laut (N)ONLINER Atlas 2009 knapp 70 Prozent der Deutschen online, aber für nur 26 Prozent der Bevölkerung sind die digitalen Medien fester Bestandteil des täglichen Lebens.
Dass aber eine große Mehrheit der Deutschen nicht an den durch die digitalen Techniken eröffnenden Möglichkeiten partizipiert, zeigt erstmals die Studie «Digitale Gesellschaft in Deutschland – Sechs Nutzertypen im Vergleich» der Initiative D21, für die TNS Infratest 1 014 Personen deutschlandweit befragt hat. Die Typologie zeigt auf, dass mit 35 Prozent digitalen Außenseitern und 30 Prozent Gelegenheitsnutzern eine deutliche Mehrheit der deutschen Bevölkerung entweder gar nicht oder nur bedingt an einer digitalen Gesellschaft teilhat.
«Wir sprechen bereits seit geraumer Zeit von einer digitalen Gesellschaft, sehen aber anhand der jetzt vorliegenden Ergebnisse recht deutlich, dass in Deutschland ein Großteil noch nicht darin angekommen ist. Diese Teilung der Gesellschaft in Teilnehmer und Nichtteilnehmer an den neuen Informations- und Kommunikationstechniken und ihren Möglichkeiten ist angesichts des einhergehenden Strukturwandels für eine Wissensgesellschaft das zentrale Zukunftsproblem, deren Lösung sich auch die Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag annehmen muss», so Dr. Ulrich Hermann, Mitglied des D21-Gesamtvorstandes und Geschäftsführer der Wolters Kluwer Deutschland GmbH.
Diese neue digitale Spaltung zieht sich nicht mehr ausschließlich entlang einer Ausstattungsgrenze, sondern definiert sich im Hinblick auf Kompetenz, Wissen, Nutzungsvielfalt und -intensität sowie die Einstellung gegenüber den digitalen Medien. Auf dieser Basis lässt sich durch die Typologie der Deutschen ein exaktes Bild der digitalisierten Gesellschaft in Deutschland wiedergeben. Sechs Gruppen konnten dabei identifiziert werden.
Die digitalen Außenseiter (35 Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung)
Die digitalen Außenseiter sind die größte und gleichzeitig mit einem Durchschnittsalter von 62,4 Jahren die älteste Gruppe. Im Vergleich zu den anderen Typen haben sie das geringste digitale Potenzial, die geringste Computer- und Internetnutzung sowie die negativste Einstellung gegenüber digitalen Themen. Nur ein Viertel verfügt bei der digitalen Infrastruktur über eine Basisausstattung (Computer und Drucker). Kompetenzen im Umgang mit den digitalen Medien sind folglich kaum vorhanden. Selbst Begriffe wie E-Mail, Betriebssystem oder Homepage sind den digitalen Außenseitern weitgehend unbekannt und nur ein Fünftel der digitalen Außenseiter ist in der Lage, sich im Internet zurechtzufinden.
Die Gelegenheitsnutzer (30 Prozent)
Die Gelegenheitsnutzer sind durchschnittlich 41,9 Jahre alt. Sie nehmen im Vergleich zu den digitalen Außenseitern zumindest teilweise am Geschehen in der digitalen Gesellschaft teil. 98 Prozent besitzen einen PC oder ein Notebook, drei Viertel bereits eine Digitalkamera. Passend dazu verbringen nahezu alle Gelegenheitsnutzer Zeit mit Computer und Internet – vor allem für private Zwecke. Der Gelegenheitsnutzer kennt bereits viele Basisbegriffe der digitalen Welt, hat aber besonders beim Thema Sicherheit großen Nachholbedarf1. Insgesamt erkennt dieser Typ klar die Vorteile des Internets, fördert aber nicht seine Weiterentwicklung und bevorzugt eher klassische Medien.
Der Berufsnutzer (Neun Prozent)
Durchschnittlich 42,2 Jahre alt, hat diese Gruppe den höchsten Anteil an Berufstätigen. Im Vergleich zu den Gelegenheitsnutzern haben die Berufsnutzer eine deutlich bessere digitale Infrastruktur an ihrem Arbeitsplatz und nutzen dementsprechend auch dort überdurchschnittlich das Internet. Hingegen ist die private Nutzung sogar leicht unter dem Niveau der Gelegenheitsnutzer. Die Nutzungsvielfalt der Berufsnutzer beschränkt sich eher auf nützliche Anwendungen wie E-Mail oder Textverarbeitung.
Die Trendnutzer (Elf Prozent)
Diese Gruppe hat sowohl den höchsten Männer- (78 Prozent) als auch Schüleranteil (13 Prozent). Das Durchschnittsalter der Trendnutzer ist mit 35,9 Jahren recht jung. Bei den Trendnutzern ist häufig die ganze Bandbreite an digitalen Geräten vorhanden. Der Trend geht dabei klar zum Zweitcomputer. Die Mitglieder dieser Gruppe verfügen über umfassende Kompetenzen am Computer und kennen sich bis auf wenige Ausnahmen bestens in der digitalen Welt aus. Die Trendnutzer wenden besonders gerne Web 2.0-Applikationen an und erkennen die großen Vorteile der digitalen Medien für sich.
Die digitalen Profis (Zwölf Prozent)
Der durchschnittliche digitale Profi ist 36,1 Jahre alt, meist männlich und berufstätig. Dieser Typus verfügt sowohl zu Hause als auch im Büro über eine sehr gute digitale Infrastruktur. Seine Kompetenzen sind umfangreich, was sich insbesondere in seinen professionellen Fähigkeiten widerspiegelt. Ob Makroprogrammierung oder Tabellenkalkulation, der digitale Profi fühlt sich auch auf diesem komplexen Terrain2 zuhause.
Eher selten suchen die digitalen Profis im Vergleich zu den Trendnutzern und der digitalen Avantgarde Zerstreuung in der digitalen Welt oder nutzen diese zur Selbstdarstellung. Bei der Nutzungsvielfalt stehen daher nützliche Anwendungen, wie z. B. Online Shopping, Preisrecherche und Nachrichtenlesen, im Vordergrund.
Die Digitale Avantgarde (Drei Prozent)
Die jüngste Gruppe (Durchschnittsalter 30,5 Jahren) ist gleichzeitig mit drei Prozent auch die kleinste Gruppe. Die digitale Avantgarde hat dabei ein eher geringes Einkommen und lebt oft in einem Singlehaushalt. Ihre digitale Infrastruktur lässt kaum Wünsche offen. Auffällig hoch sind dabei die mobile und geschäftliche Internetnutzung.
In allen Bereichen verfügt die digitale Avantgarde über sehr hohe Kompetenzen und bildet bei den komplexen digitalen Themen die Spitze der Gesellschaft. Ihr Wissensstand um die digitale Welt ist dagegen nicht ganz so ausgeprägt wie bei den digitalen Profis. Mehr durch «trial and error» statt das Lesen von Anleitungen eignet sich die digitale Avantgarde seine Kompetenzen an. Von den digitalen Medien lässt diese Gruppe kaum ab: Durchschnittlich elf Stunden verbringen sie täglich vor dem Computer. Neben der Arbeit ist daher auch das Freizeitverhalten oft von den digitalen Medien bestimmt.
«Mit dieser Studie steht erstmals ein Instrument zur Verfügung, mit dem in den nächsten Jahren die Entwicklung der digitalen Gesellschaft in Deutschland genau gemessen werden kann. Besonders im Hinblick auf ihre eigenen Aktivitäten für die digitale Gesellschaft kann die Initiative D21 damit deutlich machen, dass das Warten auf Veränderungen alleine nicht zum Ziel führen wird. Nur mit auf einzelne Gruppen zugeschnittenen Maßnahmen lässt sich Deutschland besser auf die Herausforderungen der digitalen Welt im 21. Jahrhundert vorbereiten», kommentiert Robert A. Wieland, Mitglied des D21-Gesamtvorstandes und Geschäftsführer der TNS Infratest GmbH die Ergebnisse zur digitalen Gesellschaft.
Über die Initiative D21
Die D21 ist Deutschlands größte Partnerschaft von Politik und Wirtschaft für die Informationsgesellschaft. Sie umfasst ein parteien- und branchenübergreifendes Netzwerk von 200 Mitgliedsunternehmen und -institutionen sowie politischen Partnern aus Bund, Ländern und Kommunen. Ihr Ziel ist es, die Digitale Gesellschaft mit gemeinnützigen, wegweisenden Projekten zu gestalten und Deutschland in der digitalen Welt des 21. Jahrhunderts gesellschaftlich und wirtschaftlich erfolgreich zu machen.
1 Nach|hol|be|darf, (seltener:) Nach|ho|le|be|darf, der: Bedürfnis, etw., was man lange Zeit entbehrt, nicht [genügend] gehabt hat, nachzuholen: einen N. an Schlaf, Liebe haben; einen großen N. haben.
2 Ter|rain, das; -s, -s [frz. terrain < lat. terrenum = Erde, Acker, zu: terrenus = aus Erde bestehend, zu: terra = Erde]: Gelände: das T. erkunden; Ü an T. gewinnen, verlieren; sich [mit etw.] auf ein gefährliches T. begeben.
Der Text ist entnommen aus:
http://www.teachersnews.net